Immer mehr Deutsche mögen alkoholfreies Bier. Die Brauer von Malzbier wittern daher die Gunst der Stunde: Sie wollen an alte Glanzzeiten anknüpfen.
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Nach fast 20 Jahren Fernsehabstinenz läuft seit einiger Zeit erstmals wieder ein Werbespot für Vitamalz. Besonders originell ist er nicht, aber er zeigt, welche Zielgruppe die Werbemanager jetzt ins Visier nehmen: Junge sportliche Erwachsene prosten sich lachend an einem See zu, springen ins Wasser, am Ende reicht ein Vater seinem Kind im Baumhaus auch noch ein Fläschchen. Ausgedacht hat sich den Spot die Düsseldorfer Werbeagentur Butter im Auftrag von Krombacher, dem neuen Eigentümer der Marke Vitamalz. Die Brauerei-Manager wollen Vitamalz zu einem Comeback verhelfen und nehmen dafür auch Geld in die Hand – von einem Werbeetat in siebenstelliger Höhe im Jahr ist die Rede. Auch auf Youtube, Instagram und Facebook präsentiert sich die Marke.
Malzbier tut sich schwer. Der Absatz von Malzgetränken dümpelt seit Jahren vor sich hin. Dabei boomt der Markt für alkoholfreie Biere eigentlich seit Jahren. Aber Malzbier konnte davon bislang überhaupt nicht profitieren: Während sich der Verkauf von alkoholfreiem Bier in den vergangenen zehn Jahren etwa verdoppelt hat, blieb der Absatz von Malzbier nahezu auf dem Niveau von damals.
Die Manager würden gerne auf den Erfolgszug aufspringen – nur gelungen ist das bisher keinem der Hersteller. Ein Problem dabei: Malzbier gilt als Dickmacher. Es enthält tatsächlich viel Zucker. Wohl wissend heißt es in dem neuen Spot: “Trink, was Dir Spaß macht!” Zudem kann sich Malzbier nicht so recht vom Image des Kindergetränks lösen. Viele Männer wollen lieber nicht damit gesichtet werden. Schwangeren Frauen wurde Malzbier früher wegen seiner Nahrhaftigkeit empfohlen. Die Vorstellung war, die Milchproduktion würde durch Malzbier angeregt. “Das Image vom Nährbier steckt heute noch immer latent im Malzbier”, sagt Rüdiger Ruoss, ein langjähriger Branchenkenner, der für die größten Malzbiermarken gearbeitet hat: “Dieses Erbe macht es Marketingleuten auch so schwer, das Getränk modern zu vermarkten.” Dabei sei Malzbier eigentlich ein phantastisches Getränk – gerade auch für Sportler. Nur wird es seinen altbackenen Ruf nicht los.
Beckenbauer als Werbeträger
Der Markt für Malzbier ist seit Jahrzehnten fest aufgeteilt: Die beiden Rivalen Vitamalz und Karamalz dominieren den Markt. Manche sprechen daher von einer Art Duopol. Marktführer ist Karamalz, das inzwischen von der Privatbrauerei Eichbaum gebraut wird, mit einem Marktanteil von rund 30 Prozent. Vitamalz kommt auf 26 Prozent. Der Rest entfällt auf Handels- und Billigmarken und einige kleinere, regionale Brauereien.
Geographisch ist die Sache recht eindeutig: Grob gesprochen dominiert im Süden Deutschlands Karamalz, im Norden Vitamalz. Das hat historische Gründe. Beide Malzbier-Marken haben ihre Wurzeln in Hessen. Vitamalz ist die ältere der beiden Marken, kam schon Anfang der 1930er Jahre auf den Markt und wurde anfangs als Gesundheitsbier für Frauen, Kinder und Abstinente vermarktet. Gebraut wurde es zunächst allein von der hessischen Privatbrauerei Glaabsbräu in Seligenstadt.
Die Idee wurde dann von der Frankfurter Henninger-Brauerei in den 1950er Jahren abgekupfert. Die Frankfurter brachten ihr “Karamel-Kraftbier” auf den Markt, das kurze Zeit später unter dem Namen “Karamalz” zum wichtigsten Rivalen von Vitamalz wurde. Henninger beschränkte sich mit Karamalz anfangs auf Frankfurt und die nähere Umgebung. Von dort breitete sich Karamalz erst in Bayern und später nach und nach in ganz Süddeutschland aus, erzählt Rüdiger Ruoss, der damals die “Absatzwirtschaftliche Abteilung” der Henninger-Brauerei leitete – heute würde man Marketingabteilung sagen.
Vitamalz musste auf den Erfolg des Rivalen reagieren und suchte sich Unterstützung. Die Manager gründeten den “Vitamalz-Verbund” – das Malzbier wurde also nicht länger allein von Glaabsbräu produziert, sondern nach einheitlichem Rezept in vielen unterschiedlichen Brauereien gleichzeitig hergestellt. Als Partner hat Glaabsbräu zunächst vor allem norddeutsche Brauereien gewonnen. Holsten war eine der ersten Brauereien, die in Norddeutschland Vitamalz gebraut hat. Später wuchs der Verbund auf mehr als ein Dutzend Brauereien an – darunter auch Gilde, Haake-Beck, DAB, Tucher und seit Mitte der 1970er Jahre auch von Krombacher als einer Brauerei unter vielen.
Es waren die Glanzzeiten. “Anfang der 1970er Jahre hatte das Malzbier seine beste Zeit”, sagt Ruoss. Der Wettbewerb tat dem Malzbier-Markt gut. Von Vitamalz wurde damals mehr als doppelt so viel verkauft wie heute. Schon damals setzte Vitamalz auf das Fernsehen. 1972 engagierten die Brauerei-Manager den Fußballer Franz Beckenbauer als Werbeikone, der sich im Vitamalz-T-Shirt ablichten ließ, das Fans dann für 5,95 DM bestellen konnten. Zielgruppe waren damals die Kinder: “Mit Beckenbauer haben wir den Bekanntheitsgrad von Vitamalz bei den 10- bis 15-Jährigen verdoppelt”, sagt Ruoss, der nach seiner Karamalz-Zeit auch Berater für Vitamalz war. “Beckenbauer war damals noch ein unverbrauchter Star”, erzählt er. Teuer sei er gewesen, aber das Honorar von 200 000 DM im Jahr habe sich gelohnt.
Ob die Marke Vitamalz an die früheren Glanzzeiten wieder anknüpfen kann? Das bunte Etikett, das die Biermanager den Flaschen einst im Stil der Zeit aufgeklebt hatten, hat mittlerweile Patina angesetzt. Vor drei Jahren hat Krombacher die Marke vollständig übernommen und braut das Malzbier jetzt allein, hat damit die volle Kontrolle. Die ersten Erfolge zeigen sich. Den Ausstoß des Malzbiers konnten die Siegerländer schon steigern: 2016 lag er bei 180.000 Hektolitern, zwei Jahre später bei 214.000 Hektolitern – das entspricht 2,14 Millionen Bierkisten. Der Umsatz stieg noch stärker. Das belegt, dass es den Managern auch gelungen ist, das Malzbier zu höheren Preisen zu verkaufen. Die Rückkehr zur Fernsehwerbung soll jetzt weiteren Schub verleihen. “Das Jahr ist für Vitamalz gut angelaufen”, sagt Krombacher-Sprecher Peter Lemm. Auch Ruoss traut Krombacher einiges zu, der Markt habe noch Spielraum nach oben – aber die alten Zeiten werden wohl kaum zurückkommen, sagt Ruoss: “Malzbier hat ein schweres Erbe.”