In Jordanien und dem Libanon Craftbeer zu brauen, ist eine echte Herausforderung. Doch zunehmend entdecken Muslime den Gerstensaft – und interpretieren ihn auf ihre Art. Interview mit dem Bierreisenden Sebastian Sauer.
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Was hat Sie auf Bierpfade nach Jordanien und in den Libanon verschlagen?
Sebastian Sauer: Ich war dort, um mich mit befreundeten Brauern zu treffen. Die jordanische Brauerei Carakale hatte mich Anfang 2019 in Deutschland besucht. Damals hatten wir zusammen zwei Biere gebraut mit arabischen Zutaten. Ich habe also einen Gegenbesuch abgestattet, zugleich wollte ich einige libanesische Kollegen besuchen. Das war mal etwas ganz anderes.
Was war so anders?
In Jordanien fällt vor allem der große staatliche Einfluss auf die Bierproduktion ins Auge. Es existiert dort nur eine Großbrauerei, Amstel-Heineken, und die ist dort schon seit sechzig Jahren vertreten. Ansonsten gibt es nur noch Carakale – eine Mikrobrauerei. Und alles, was die an technischem Zubehör braucht und an Zutaten benötigt, um internationalen Standards zu entsprechen, muss umständlich staatlich genehmigt werden. Es ist schwierig, in einem Land der einzige zu sein, der mit neuen Bier-Rezepten arbeitet und ungewöhnliche Zutaten importiert. Mit dem Hopfenstopfen – der großzügigen Hopfenbeigabe im Lagertank – kann zum Beispiel in Jordanien keiner etwas anfangen.
Muss das Bier in Jordanien besonderen islamischen Vorschriften entsprechen?
Nein, das nicht. Man kann in Jordanien vielerorts Alkohol kaufen, neben Bier auch Arak, also Anisschnaps, und jordanischen Wein.
Heineken braut wahrscheinlich hauptsächlich Lager-Bier?
Ja, die brauen vor allem Amstel und ein paar Etikettbiere.
Was wird bei Carakale gebraut?
Zunächst einige typische Craftbiere. Es gibt ein Grapefruit-IPA und ein Bier, in dem Beduinenkaffee verwendet wurde. Eingesetzt werden auch Datteln und Guaven als Zutaten, alles, was dort leicht zu bekommen ist. In letzter Zeit arbeitet Carakale verstärkt mit sauren Früchten. Für das Bier, das wir zusammen in Deutschland gebraut hatten, haben wir das Malz selbst über Olivenholz mit Weihrauch geräuchert, zugefügt haben wir Dattelmelasse und Myrrhe. Die Brauerei hat ein großes Sudhaus, in dem Biere für das ganze Land erzeugt werden – und die Verbreitung in Jordanien ist sehr gut. So kommt sie auf 3000 Hektoliter im Jahr mit steigender Tendenz. Außerdem gibt es in der Brauerei eine Zwei-Hektoliter-Anlage, in der mit Testsuden experimentiert werden kann. Carakale arbeitet auch mit Botschaften zusammen, die froh sind, mal etwas anderes zu servieren und zu trinken. Die Rivalität zwischen den beiden Brauereien, Amstel-Heineken und Carakale, ist sehr groß.
Gibt es auch einen Gastraum?
Ja es gibt einen Tap Room mit einer schönen Sonnenterrasse in der Nähe der Hauptstadt Amman, der viel von Touristen besucht wird. Auch hier gibt es insofern staatliche Auflagen, als nicht an allen Tagen der Woche ausgeschenkt werden darf. Ich denke, es ist insgesamt nicht ganz unwichtig, dass Carakale einer einflussreichen Familie gehört. Ohne gute Kontakte wäre die offizielle Eröffnung vor ungefähr sechs Jahren wohl nicht denkbar gewesen. Auch der jordanische Kronprinz soll das Bier klasse finden, wie man mir sagte. Ein weiterer Tap Room ist in Aqaba am Roten Meer geplant.
Und Muslime in Jordanien trinken Bier?
Ja, der Inhaber Yazan Karadsheh sagt, neunzig Prozent seiner Kundschaft seien Muslime.
Wie schmecken die Biere bei Carakale?
Sehr süffig, ausgeglichen, das sind unheimlich gut gemachte Bier. Es gibt einen englischen, einen amerikanischen und einen deutschen Einfluss. Das Pale Ale zum Beispiel schmeckt sehr amerikanisch, das Märzen sehr ursprünglich, wienerisch. Das Equipment ist dabei zum Teil ziemlich zusammengeschustert. In der Brauerei gibt es noch einen Schmied und einen Ingenieur, die vieles zusammenbasteln. Aber es funktioniert.
Wo haben die Brauer ihr Handwerk gelernt?
Yazan Karadsheh, der Inhaber, hat es in den Vereinigten Staaten, in Wyoming gelernt. Er hat dort auch Ingenieurwesen studiert. Zuletzt arbeiteten auch zwei amerikanische Braumeister bei ihm.
Gibt es irgendeine Form von Biertradition in Jordanien?
Nein, überhaupt keine.
Ist das Bier in Jordanien teuer?
Ja, sehr, es gibt eine hohe Alkoholsteuer, und es müssen fast alle Zutaten importiert werden.
Wie teuer ist der halbe Liter?
Das kommt sehr darauf an wo man es trinkt, aber an vielen Lokalitäten kommt man leicht auf 5 bis 6 Euro.
Craftbeer ist also eher etwas für Gutbetuchte.
Auf jeden Fall. Und bei importiertem Alkohol gibt es einen noch viel höheren Aufschlag. Das wird dann unverhältnismäßig teuer.
Wie stark ist Bier in der Gastronomie verbreitet?
Ziemlich stark nach meiner Beobachtung. Es gibt sogar teilweise Werbeschilder für Bier. Einige Regionen, vor allem die beduinisch geprägten, wollen allerdings mit Alkohol gar nichts zu tun haben.
Machen wir einen Sprung, was haben Sie im Libanon mit dem Bier erlebt?
Der Libanon ist im direkten Vergleich liberaler. Es gibt dort ja immer noch einen sehr großen Anteil von Christen in der Bevölkerung, noch in den fünfziger Jahren bildeten sie die Bevölkerungsmehrheit. Dem Alkohol gegenüber ist man daher offener. Es gibt ebenfalls Schnaps, Wein und Bier, es existieren einige größere Brauereien, aber inzwischen auch vier kleine, die Craftbeer erzeugen. Die Brauerei 961 gibt es schon seit etlichen Jahren. Wir haben auch die Colonel Brewery in Batroun besucht, einer alten phönizischen Stadt, direkt an der Küste. Der Inhaber heißt Jamil Haddad, er verfügt auch über eine Destille aus Deutschland, mit der er etwa Wodka und Gin erzeugt. Zu der Brauerei gehört ein größerer Gastraum und eine große Außenfläche, die in den Strand übergeht. Dort kann man teilweise an Tischen mit den Füßen im Wasser Bier trinken. Sehr pfiffig.
Welche markanten Unterschiede gibt es zwischen Jordanien und dem Libanon in Sachen Bier?
Im Libanon ist man als Brauerei staatlich längst nicht so eingeschränkt. In Jordanien hingegen ist das Misstrauen so groß, dass es in der Brauerei ein eigenes Büro für den Regierungsmitarbeiter gab, der über den Schlüssel zum Kühllager verfügt. Es gab in Jordanien auch Etikettenproduzenten, die sich weigerten, Bieretiketten zu drucken, das habe ich selbst mitbekommen.
Trinkt man in Jordanien und im Libanon anders Bier? Trinkt man langsamer oder kleinere Mengen?
Das würde ich nicht sagen. Die, die Alkohol trinken, machen schon gerne die eine oder andere Flasche leer. Keine Frage.
Welche Biere aus Jordanien und dem Libanon sollte man aus Ihrer Sicht mal probiert haben?
Spannend sind vor allem die Biere mit Lokalbezug. Das Carakale Black Camel Spider ist ein starker Porter, der mit Beduinenkaffee, Datteln und Kardamom gebraut wurde. Benannt ist es nach einer Wüstenspinne, und es handelt sich um ein sehr gehaltvolles Bier mit einer wahren Geschmacksexplosion. Ein süffiger Kandidat wäre zum Beispiel das Guava-Pils von der gleichen Brauerei. Es ist unheimlich fruchtig, sehr spritzig und passt ideal zu den warmen Temperaturen, die fast das ganze Jahr über in weiten Teilen Jordaniens herrschen. Im Vergleich dazu sind die Biere der Colonel Brewery alle wesentlich massentauglicher und als absolute Biergarten-Klassiker ausgelegt. Daher geht die Auswahl der Sorten in Richtung Lager, IPA und irisches Rotbier.
Welche Möglichkeiten ergeben sich beim Foodpairing?
Es gibt ja sehr viele für uns sommerlich anmutende und leichte Gerichte wie Salate, Hummus oder Babaganoush. Dazu passen die sehr erfrischenden Biere mit Frucht, wie etwa das Guava-Pils oder auch das Grapefruit-IPA. Zu dem Black Camel Spider sollte man dann eher auf ein Schokoladendessert zurückgreifen.
Die Fragen stellte Uwe Ebbinghaus