Seit einiger Zeit geistert ein Begriff durch die Brauszene, der sich ins Deutsche übersetzt sehr banal anhört. Er steht für Erfolg. Aber für welchen? Eine Umfrage unter Brauern und Biertheoretikern.
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Prof. Ludwig Narziss, Nestor der Brauwissenschaft in Weihenstephan/TU München
„Drinkability“ – sie ist für ein Bier sehr wichtig! Leider haben wir in der deutschen Sprache kein so treffendes Wort dafür. Es bedeutet: „Das Bier lädt zum Weitertrinken ein“. Es entspricht seinem Typ, ist ausgewogen zwischen Vollmundigkeit, einer gewissen „Weichheit des Trunks“, seiner Rezenz und und seiner Bittere, die auch bei kräftig gehopften Bieren wie „Pilsener“ oder „Altbier“ ausgewogen sein sollte.
Das hängt ab von der Güte der Rohstoffe (Malz, Wasser, Hopfen) und von einem hierauf abgestimmten Sudprozess, einer flotten Hauptgärung mit einer erprobten Heferasse sowie einer bis zum Ende der Lagerzeit reichenden Nachgärung. Dazu kommt eine Luftfreie Abfüllung, das heißt das Fernhalten von Sauerstoff, um den gewünschten Biercharakter möglichst lange zu erhalten. Doch Bier ist keine Dauerware! Als reines Naturprodukt (nach dem „Reinheitsgebot“ ohne chemische Zusätze) verändern sich seine Inhaltsstoffe, was zu einer Geschmacksveränderung, einem „Alterungsgeschmack”, einem Verlust der „Ausgewogenheit“ und damit der „Drinkability“ führt. Durch die Forschung der letzten Jahrzehnte sind die Biere sehr viel „geschmacksstabiler“ geworden, eine Kenntnis, die aber nicht zur Achtlosigkeit im Markt führen sollte.
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Jeff Maisel, Brauerei Gebr. Maisel, Bayreuth
Was bedeutet „drinkability“ für Sie?
„Drinkability“ ist die Trinkbarkeit von Bier, also wie süffig es ist oder wie leicht es die Kehle hinunterrinnt und ob man direkt Lust auf den nächsten Schluck bekommt.
Ist der Begriff für die Beurteilung von Bieren unverzichtbar oder ließe er sich etwa durch „süffig“ ersetzen?
„Drinkability“ lässt sich nicht einfach durch süffig oder andere deutsche Wörter ersetzen, denn nur dieses Wort beschreibt den Gesamteindruck, der beim Trinken entsteht und ob man sich schon auf den nächsten Schluck freut.
Wie wichtig ist „drinkability“ für ein Bier?
Die Drinkability ist das Geheimnis eines jedes erfolgreichen Bieres!
Sie ist eine der wichtigsten Eigenschaften, die ein Bier haben muss, und das gilt nicht nur für die ohnehin süffigen Bierstile wie Bayerisches Helles, sondern auch für moderne Bierspezialitäten wie Pale Ale oder IPA. Der Konsument muss sich gleich wieder auf den nächsten Schluck freuen, ohne störende Nebengeschmäcker. Das zu erreichen, ist die Kunst und das Geheimnis des Braumeisters.
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Fritz Briem, Direktor für Technologie- und Produktentwicklung in Thailands größte Brauerei, Boon Rawd uvm.
Was bedeutet „drinkability“ für Sie?
„Drinkability“ ist für mich persönlich ein Begriff, der sich in erster Linie auf Biere für die breite Masse bezieht und in diesem Sinne wörtlich zu nehmen ist. Dies bedeutet dann letztendlich, dass Biere mit diesem Attribut trinkbar sind und in keine Richtung anecken. Ob dies dann eine positive Eigenschaft im Sinne des Verbrauchers ist, muss dieser für sich selbst entscheiden. Im Idealfall resultiert eine hohe Drinkability aus der Ausgewogenheit vielfältiger Geschmackskomponenten auf hohem Niveau, wobei dies leider häufig verwechselt wird mit einem sensorisch neutralen Geschmackserlebnis.
Ist der Begriff für die Beurteilung von Bieren unverzichtbar oder ließe er sich etwa durch „süffig“ ersetzen?
Grundsätzlich ist dieser Begriff für die Beschreibung eines Bieres definitiv nicht notwendig und teilweise sogar irreführend. Daher fände ich hier die Begriffe „drinking experience“ oder „flavour sensation“ besser.
Wie wichtig ist „drinkability“ für ein Bier?
Ein Buch, das gut lesbar ist, wird dadurch nicht notwendigerweise gut.
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Matthias Neidhart, B. United International, Importeur für europäische und deutsche Spezialbiere in den Vereinigten Staaten
Was bedeutet „drinkability“ für Sie?
„Drinkability“ bedeutet für mich überhaupt nichts. Der Begriff hat für mich keinen Inhalt. Um ihn gebrauchen zu können, müsste er präzisiert werden auf einen bestimmten Kontext hin. Außerdem: Kein Mensch verwendet diesen Begriff für die Beurteilung von Wein, Whiskey, Champagner oder Cocktails. Warum nicht? Weil er banal ist, negativ besetzt? Weil er einfach nicht ausreicht, um ein hochwertiges Getränk zu beschreiben. Warum wird dann Bier mit diesem Begriff degradiert? Weil Bier minderwertig ist, nicht komplex genug, ein Getränk für die „ungebildete Masse“? „Oh, ich kann eine Tonne davon trinken, ohne betrunken zu werden – toll!“ Drinkability steht ohne Kontext für geschmackliche Langeweile. Der richtige Begriff für ein besonderes Bier wäre: „Außergewöhnliche Geschmacks- und Aromaharmonie, bezogen auf eine bestimmte Situation.“
Ist der Begriff für die Beurteilung von Bieren unverzichtbar oder ließe er sich etwa durch „süffig“ ersetzen?
Der Begriff „süffig” macht es für mich noch schlimmer. „Süffig“ deutet an: süß, Kalorien, das Allerschlimmste für aufgeklärte Menschen, eindimensional. „Süffig“ klingt nach Menschen, die am Abend gelangweilt in ihrer Kneipe sitzen, klingt nach einem altmodischen Getränk, das unsere Eltern/Großeltern getrunken haben – „Oh my god!“
„Drinkability“ benötigt Kontext. Ein Beispiel aus der italienischen „culinary world“. Viele denken, dass die italienischen Industriebiere (Peroni, Moretti) genau richtig sind, weil „drinkable“, verstanden als „nirgendwo aneckend“. Kompletter Unsinn! Wenn ich „Drinkability“ ersetze durch „außergewöhnliche Geschmacks- und Aromaharmonie, bezogen auf eine bestimmte Situation“, dann müssen die einzigartigen Geschmacksnuancen und Aromen des Bieres zu einer bestimmten Erfahrung passen. Ein 5% alc/vol-Moretti: fürchterlich! Ein 4.8% alc/vol Tipopils von der Birrificio Italiano oder ein 5.5% Pink IPA von Almond 22: Wow! Das passt zusammen, das ist Drinkability vom Feinsten.
Wie wichtig ist „drinkability“ für ein Bier?
Kein Mensch benützt diesen Begriff für hochpreisige Getränke. Es ist höchste Zeit, diesen Begriff für Bier neu zu definieren.
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Oliver Lemke, Brauerei Lemke, Berlin
Was bedeutet „drinkability“ für Sie?
Nur wenige Menschen dürften Dinge essen, die nicht zu 100 Prozent „eatable“ sind und auch ein Auto, das nur begrenzt „drivable“ ist, dürfte nur wenige Fans haben. Entsprechend sollte auch jedes gute Bier die höchstmögliche drinkability haben, aber natürlich ist die drinkability jedes Bieres immer im Zusammenhang mit dem jeweiligen Bierstil zu sehen. Die drinkability eines Pilseners unterscheidet sich in der Wahrnehmung erheblich von jener eines Imperial Stouts. Entscheidend ist, dass beide beim Konsumenten einen positiven Eindruck hinterlassen und zwar nicht, weil sie anders sind, sondern weil sie gut schmecken, harmonisch sind und „Lust auf mehr“ machen.
Leider ist der Begriff in den letzten Jahren teilweise dahingehend bewusst missdeutet worden, dass drinkability mit dem typischen „light-lager“-Geschmack, den Kenner eigentlich ablehnen, gleichzusetzen ist – das wird offensichtlich getan, um indirekt schlecht gebraute/schmeckende Biere aufzuwerten, nach dem Motto: „Sie sind toll, egal wie sie schmecken, Hauptsache sie schmecken nicht wie light lager“. Das entspricht der Logik: „Keine drinkability haben ist gut, denn nur Fernsehbiere/light lager haben drinkability und die sind schlecht.“ Das rechtfertigt dann eigentlich untrinkbare „craft-biere“, egal wie sie schmecken. Das ist aber der falsche Ansatz: Es ist eben gerade Teil der Braukunst sowie des Selbstverständnisses guter Brauer, harmonische, gut trinkbare Biere zu brauen. Merke: „Biertrinken sollte nie eine Mutprobe sein.“
Ist der Begriff für die Beurteilung von Bieren unverzichtbar oder ließe er sich etwa durch „süffig“ ersetzen?
Im Gegensatz zum notwendigen „Profibegriff“ drinkability ist der Begriff „süffig“ meiner Erfahrung nach lediglich einer, der von Bierkonsumenten verwendet wird, um „Wohlgeschmack“ auszudrücken, wenn sie über ein begrenztes Vokabular zur Beschreibung von Geschmackseindrücken verfügen. Wir arbeiten daran, das zu ändern.
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Sünje Nicolaysen, Autorin des Buchs „Der ultimative Bier-Guide“, Hamburg
Was bedeutet „drinkability“ für Sie?
Tatsächlich benutze ich den Begriff „drinkability“ nie. Ich verstehe darunter die Eigenschaft eines Bieres, das nicht charaktervoll aneckt und sich leicht trinken lässt. Ein Bier mit hoher Drinkability kann mich einen ganzen Abend lang begleiten, auch wenn ich Gefahr laufe, dass es (biertechnisch) ein langweiliger Abend wird.
Ist der Begriff für die Beurteilung von Bieren unverzichtbar oder ließe er sich etwa durch „süffig“ ersetzen?
Wenn ich genauer drüber nachdenke, dann ist für mich ein süffiges Bier immer ein Bier mit hoher Drinkability – aber andersherum funktioniert es nicht. Sprich: Ein Bier mit hoher Drinkability ist nicht immer süffig. Bei süffig habe ich eine genaue Vorstellung im Kopf, dann ist ein Bier schlank und rund und hat eine gut eingebundene Bittere. Ich hab gerade ein Kölsch vor Augen. Ein Bier mit Drinkability wiederum kann auch einen Hauch Charakter haben, lässt sich aber trotzdem leicht trinken.
Wie wichtig ist „drinkability“ für ein Bier?
Für den Biergenuss ist die Drinkability eine schöne Sache aber kein Muss. Schließlich sprechen wir von der Biervielfalt und nicht der Eintönigkeit. In den Hintergrund rücken kann die Drinkability bei sagenhaft guten Bieren wie etwa einem Barrel Aged oder einem Sauerbier. Beide sind sehr charakterstark und man genießt sie eher Schluck für Schluck. Sie gehören aber für mich an manchen Abenden einfach dazu!
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Sebastian Priller-Riegele, Brauhaus Riegele, Augsburg, Biersommelier-Weltmeister 2011
Was bedeutet „drinkability“ für Sie?
Negativ betrachtet, kann man drinkability als „neutral“ oder „charakterlos“ interpretieren, ich persönlich interpretiere drinkability aber als das Erreichen einer Balance oder Harmonie in einem Bier.
Ist der Begriff für die Beurteilung von Bieren unverzichtbar oder ließe er sich etwa durch „süffig“ ersetzen?
Aus meiner Sicht sind beide Begriffe ungeeignet, ein Bier zu beschreiben, denn „süffig“ ist plump und nicht wirklich mit einer klaren Definition hinterlegt, und drinkability ist für mich eher bei einer technischen, aber nicht bei einer genussvollen Beschreibung sinnvoll.
Wie wichtig ist „drinkability“ für ein Bier?
Technisch gesehen: sehr. Denn in meiner Welt kann ein Bier charakterstark sein, trotzdem aber perfekt das Spiel zwischen Süße und Bittere, zwischen Fruchtigkeit und Malzköper vereinen. Oder anders formuliert, es ist wie beim Kochen: Wenn ich mit einem Gewürz übertreibe, ist es vielleicht einmal spannend, es zu verkosten, aber ohne Harmonie in der Speise werde ich es ein zweites Mal nicht mehr probieren. Auf Bier übersetzt: Viel Hopfen nur um des Hopfens Willen ist spannend, aber nicht unbedingt harmonisch. Dann ist die drinkability nicht gegeben und ich habe keine Lust auf einen zweiten Schluck!
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Hans Wächtler, Bierbegeisterung, Bamberg
Was bedeutet „drinkability“ für Sie?
Für mich ist das wirklich die „gute Trinkbarkeit“.
Ist der Begriff für die Beurteilung von Bieren unverzichtbar oder ließe er sich etwa durch „süffig“ ersetzen?
Ich persönlich sage lieber: Es schmeckt mir so gut, dass ich nach dem Trinken gleich wieder trinken möchte. „Süffig“ sage ich persönlich nicht oder nur ungern, eher „Trinkbier“. Das ist nicht zu verwechseln mit Genussbier. Der Unterschied liegt in den Mengen.
Wie wichtig ist „drinkability“ für ein Bier?
Ich denke, es ist sehr wichtig, dass ein Bier, ein Konsumbier, eine gute „drinkability“ hat. Schließlich wollen Brauereien ja viel Bier verkaufen.
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Sebastian Sauer, Freigeist Bierkultur, Köln
Was bedeutet „drinkability“ für Sie?
Für mich ist der Begriff gleichbedeutend mit dem deutschen Wort „süffig“.
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Frank Geeraers, Bierliebhaber, Freiburg
Was bedeutet „drinkability“ für Sie?
Es ist immer wieder interessant zu erfahren, wie und wie unterschiedlich in einer bestimmten Bierkultur das kunstfertige Gleichgewicht definiert und erreicht wird, das für mich die „Durchtrinkbarkeit“ eines Bieres ausmacht. Ein irisches Stout mit 4 % kann trocken und vor Röstmalz knackig bitter am Gaumen andocken und für seine Terroirtrinker der Inbegriff eines „session ales“ darstellen – die nicht hinterfragte erste Wahl der Kneipenrunde oder des Grillabends.
Mit derselben hohen Selbstverständlichkeit werden auf belgischen Menükarten Tripel-Biere mit 8,5% als „vlot doordrinkbaar“ aufgelistet, in denen Malz-Basis, Chaptalisations-Alkohol und Gewürze sich auf einer höheren, gastronomischen Ebene die Waage halten, die getränkeökologisch mit Wein mithalten kann.
Auch bei 35 Grad im Kastanienbaumschatten trinke ich mein erstes fränkisches Ungespundetes in drei Zügen leer – die fehlende Perlung, die in vielen anderen Biertypen die Malzwucht konterkariert, trägt nur zum samtenen Flussbett bei, auf dem die gestandene Rustikalität der Region den Hals herunterfließt. Ein genau richtig gehopftes Double IPA oder herbes Sauerbier kann zum entsprechenden Anlass effizienter den Durst löschen, System und Gaumen isotonisch zurück ins Lot rücken als ein vor Restzucker steifstehendes 5,8% Märzen.
Ist der Begriff für die Beurteilung von Bieren unverzichtbar oder ließe er sich etwa durch „süffig“ ersetzen?
Neudeutsche „Drinkability“ und altdeutsche „Süffigkeit“ ließen sich also vielleicht um die niederländisch/flämische Lehnübersetzung „Durchtrinkbarkeit“ bereichern oder ersetzen: Wie es für verschiedene Arten der Literatur immer wieder ideale Leser und Lesbarkeitsideale gegeben hat, merken wir durch unser stets internationaleres Querbeettrinken, dass auch nicht jedes Bier für jeden Hals die richtige Lösung ist und Trinkbarkeitsideale stark kulturell geprägt sind.
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Oliver und Julia Wesseloh, Kehrwieder Kreativbrauerei, Hamburg, Biersommelier-Weltmeister 2013
Was bedeutet „drinkability“ für Sie?
Oliver Wesseloh: Drinkability war für mich lange Zeit ein Unwort zur Beschreibung von völlig gesichtslosen, neutralen Bieren. Wenn mir früher jemand gesagt hätte, meine Biere hätten eine hohe „drinkability“, hätte ich es als Beleidigung aufgefasst.
Den ersten Anstoß, den Begriff anders zu betrachten, hat bei mir vor zwei Jahren eine Reise nach England für einen Gemeinschaftssud ausgelöst. In den dortigen Pubs waren überall, neben den klassischen Cask Ales auch die Biere der regionalen Craft Brewer (Wild Beer Co, Cloudwater, Magic Rock, Northern Monk, Thornbridge usw.) am Hahn. Allerdings nicht in den extremen Varianten mit einem hohen Alkoholgehalt, wie ich sie aus Deutschland kannte. In den englischen Pubs hatte kaum ein Bier mehr als 5% Alkohol und trotzdem war keines davon langweilig. Ganz im Gegenteil, es waren alles Aromabomben, nur eben mit moderaterem Alkohol. So konnte man einige Pints über den Abend trinken und war nicht nach dem zweiten Glas schon bedient.
Zeitgleich gab es den Hype um die New England IPAs, Biere die mit dem unsinnigen „Haze“-Thema punkten sollen (das ist noch ein anderes Thema bei dem sich die Geister scheiden), die aber gleichzeitig als Mega-Hopfenbombe daherkommen und dabei die klassische Bittere so niedrig wie möglich halten – und genau das macht den Reiz dieser Biere aus! Aus den beiden Erfahrungen ist mit der Zeit mein neuer Blick auf das Thema „drinakability“ entstanden.
Klar, ich liebe immer noch extreme Biere, wenn die Situation passt. Aber Straigth Lambics, Bourbon Barrel Aged Stouts oder Double/ Triple IPA mit knapp 10% Alokohol und 100 IBU eignen sich nur sehr bedingt für einen ausgedehnten Abend mit Freunden am Tresen. Hinzu kommt, dass der Wirt wenig Freude daran hat, wenn sich jemand den ganzen Abend an einem Bier festklammert, weil ihn ein zweites überfordern würde. Dementsprechend ist für mich „drinkability 2.0“ das, was in den Vereinigten Staaten auch teilweise als „sessionable“ bezeichnet wird: Biere die vom Alkohol her die Möglichkeit bieten auch mal 4-6 zu trinken, ohne hinterher nicht mehr zu wissen, wie man nach Hause gekommen ist.
Ist der Begriff für die Beurteilung von Bieren unverzichtbar oder ließe er sich etwa durch „süffig“ ersetzen?
Damit sind wir bei der geeigneten Bezeichnung: „Süffig“ ist mir persönlich zu angestaubt und aus meiner Erfahrung bei den Konsumenten, ähnlich wie „drinkability“ bei Brauern, eher mit Hellen Lagerbieren besetzt (so auch die Hamburger Alternative „das perlt“, wobei das eher noch breiter gefasst werden kann). „Drinkability“ finde ich recht abstrakt und Anglizismen finde ich schwierig. Von daher ist für mich „geringer Trinkwiderstand“ der passende Begriff.
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Julia Wesseloh:
Was bedeutet „drinkability“ für Sie?
Ich nutze gerne die deutsche Entsprechung einer guten Trinkbarkeit – es ist ein gutes Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten eines Bieres,– eine gut eingebundene Bittere, eine Aromavielfalt und ein passender Körper, so dass am Ende eine harmonische Komposition herauskommt. Es ist Bier, das ein besonders Geschmackserlebnis liefert, begeistert, vielleicht auch überrascht, aber nicht überfordert und das Lust auf mehr macht.
Ist der Begriff für die Beurteilung von Bieren unverzichtbar oder ließe er sich etwa durch „süffig“ ersetzen?
Süffig ist für mich zu kurz gegriffen, fast ein wenig einfältig. Süffig ist für mich ein Bier ohne besondere Merkmale, das sich „gut so wegtrinken lässt“, aber ansonsten keine besonderen Charaktereigenschaften mitbringt. Anders definiere ich eine gute Trinkbarkeit. Diese kann sehr wohl und sollte es meiner Ansicht auch, ein besonderes Geschmackserlebnis liefern.
Wie wichtig ist „drinkability“ für ein Bier?
Eine gute Trinkbarkeit spielt für mich eine wichtige Rolle. Ich habe schon viele Biere getrunken, die ich unter der Kategorie „interessant“ ablegen würde. Es sind Biere, die in die Extreme gehen. Da probiere ich eine kleine Menge, finde sie spannend, möchte die Geschmackserfahrung nicht missen, habe aber nicht den Drang, es noch einmal zu trinken.
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Markus Fohr, Lahnsteiner Brauerei, Deutscher Meister der Biersommeliers 2018
Was bedeutet „drinkability“ für Sie?
Für mich ist ein Bier mit einer hohen Drinkability ein Bier, das sich gut trinkt, von dem man gerne auch ein zweites oder drittes trinkt. International steht dafür das Lager, ein Bier ohne Ecken und Kanten und ohne intensive Aromatik.
Ist der Begriff für die Beurteilung von Bieren unverzichtbar oder ließe er sich etwa durch „süffig“ ersetzen?
Was im Umkehrschluss bedeutet – Biere mit niedriger Drinkability haben ihre aromatischen Ecken und Kanten, sie verfügen über eine intensive Aromatik. Aber es sind eben eher Nippbiere als Kippbiere, sie dienen eher dem Genuss als dem Konsum.
Ist der Begriff für die Beurteilung von Bieren unverzichtbar oder ließe er sich etwa durch „süffig“ ersetzen?
Unverzichtbar für die Beschreibung von Bieren ist der Begriff definitiv nicht. Im Gegenteil bin ich der Meinung, dass die deutsche Sprache mehr als genug Möglichkeiten bietet, um nicht auf Anglizismen angewiesen zu sein. „Ein Bier, das sich gut trinkt“, ist eine schöne Umschreibung. In meinen Bierbeschreibungen gebe ich auch immer Genussempfehlungen. Biere, die sich gut trinken, sind dann Biergartenbiere, Durstlöscher, Biere für den langen Abend auf einer Party, Biere zum Fußballschauen.