Reinheitsgebot

Reinheitsgebot

Das Blog zum Bier

Wie kommt die Magie ins Bier?

Am 23. April wird das Bayerische Reinheitsgebot 500 Jahre alt, mit allerlei Zusatzstoffen getrunken wird Bier schon seit Jahrtausenden, gepriesen wird es bereits im babylonischen Gilgamesch-Epos. Doch es ist seltsam: Obwohl Bier in Deutschland mit seinen Festen, Saisonspezialitäten, Gasthausschildern und Werbebanden noch immer das Jahr und den Alltag strukturiert, ist ziemlich wenig über den Gerstensaft bekannt. Selbst passionierten Biertrinkern sind der Herstellungsprozess oder die wirtschaftlichen Verflechtungen der großen Bierkonzerne (wem gehört eigentlich das deutsche Bier, welche Brauereien sind überhaupt noch in Klosterhand?) im Detail oft so fremd wie eben Gerste.

Das gleiche gilt für den Geruch und den Geschmack von Bier. Dem Wein traut inzwischen fast jeder florale Düfte und einen Geschmack etwa nach Passionsfrucht zu. Das Weizenbierglas anzusetzen und zu sagen, dass es nach Banane riecht und im Abgang nach Gewürznelke schmeckt, trauen sich wenige. Als müsse Bier gedankenlos verzehrt werden.

Fast jeder kennt inzwischen den Weinpapst Robert Parker, dessen Punktesystem selbst die Discounter für sich entdeckt haben. Wer aber kennt Michael Jackson – nicht den King of Pop, sondern den 2007 verstorbenen „of Beer“? Der Brite, Autor des Standardwerks „The World Guide to Beer“ und einer sehr guten auch auf Deutsch erhältlichen Bier-Einführung, hat die Craft-Bewegung geprägt und einmal den durch und durch richtigen Satz geschrieben: „Im Restaurant bestellt niemand einfach nur ‚etwas zu essen‘, warum verlangen einige schlicht ‚ein Bier‘?“

Angesichts der Bedeutung, die dem Bier hierzulande beigemessen wird, ist das paradox. Denn auch dem Amerikaner Matt Sweetwood ist recht zu geben, der in dem sehr lustigen Dokumentarfilm „Beerland“ an zentraler Stelle verwundert feststellt, die Deutschen hätten es irgendwie geschafft, Bier als eine Art Wellness-Getränk zu suggerieren, das man sich verdientermaßen nach Feierabend allein oder in Gemeinschaft genehmigt und das – jetzt kommt die eigentliche Spitze – „von heiligen Mönchen gebraut“ wird. Zum Zwecke einer Art rituellen Reinigung von innen, könnte man ergänzen.

Bier ist für Deutsche letztlich eine romantische Vorstellung, der wir in diesem Blog aber nicht auf den Leim gehen wollen – in manchem Kupferkessel, wird sich herausstellen, steckt ein Edelstahltank. Und doch wäre es schön, die Bier-Romantik zu durchschauen und auf anderer Ebene trotzdem hochzuhalten.

Denn dass im Bier Magie steckt, können wir in einem einfachen Experiment nachweisen: Man nehme ein nicht zu großes Stück mürben, aber nicht zu würzigen Käses, mittelalten Gouda etwa, lasse es auf der Zunge zergehen und gieße anschließend einen Schluck stark gehopften Bieres dazu – es eignen sich Lübzer Pils, Alpirsbacher und viele andere, am besten aber Jever. Jetzt zwei Sekunden warten, das Bier auf dem porösen Käsefilm der Zunge wohlig versickern lassen, die Zunge noch einmal genüsslich am Gaumen vorbeistreichen und sanft durch die Nase ausatmen. Omhh.

###Zutaten für ein magisches “Omhh” (das Brot ist eigentlich überflüssig)                           Foto uweb

Natürlich kann man nicht zu jedem Schluck Bier ein Stück Käse essen, aber das beschriebene Geschmackserlebnis ist durch nichts zu ersetzen. Es ist alkoholisch, unterholzig, ätherisch und doch mild und frisch, im Grunde unbeschreiblich. Ein elementares Erlebnis mit handelsüblichen Produkten unter einem Euro. Und es ist noch verrückter mit dem Bier: Es verbindet sich nicht nur mit anderen Lebensmitteln auf magische Weise, es ist auch selbst eine magische Verbindung von zwei Hauptbestandteilen, die für sich genommen eigentlich nicht schmecken: Hopfen und Getreidemalz.

Hopfenblüten riechen ja an sich faszinierend. Wer aber schon mal einen Hopfentee oder auch ein Grünhopfen-Pils getrunken hat, weiß, wie dankbar man einem Süßungsmittel sein kann. Und verhält es sich mit dem Gerstenmalz nicht so – darüber müssen wir an anderer Stelle einmal ausführlicher diskutieren –, dass es dem Bier die Eleganz nimmt, sobald sich sein typisch getreidiger Geschmack durchsetzt? Hopfen und Malz hingegen im richtigen Gleichgewicht mit Wasser und Hefe: ein Gedicht, die Verbindung von Poesie und Biochemie.

Noch nie zuvor war es so leicht, an beste Biere zu gelangen. Das überregionale Angebot hat sich gerade in den letzten Monaten sprunghaft vergrößert. Pilsner Urquell, vor mehr als zwanzig Jahren in Deutschland noch eine Rarität, bekommt man schon seit einiger Zeit in fast jedem Supermarkt (täuschen wir uns eigentlich, oder hat es seinen Geschmack leicht verändert?). Und selbst Biere kleinster Privatbrauereien kann man heute in einem guten Getränkemarkt um die Ecke kaufen.

Ist es aber für einen Biertrinker mit diesem Angebot getan – oder braucht er auch amerikanisches, englisches, belgisches Bier sowie die Erzeugnisse der Craft Brauereien, experimenteller Kleinbetriebe, die meist ein besonders geschmacksintensives, betont hopfiges und oft stärker alkoholisches Bier brauen? Muss am Ende gar das deutsche Reinheitsgebot, so eine aktuelle Diskussion, abgeschafft werden, um der Innovation zu ihrem Recht zu verhelfen?

In diesem Blog wollen wir in Recherchen, Brauversuchen, Interviews und Exkursionen mehr über die Geheimnisse des Biers erfahren. Auch von Ihnen. Halten Sie deshalb nicht mit Ihrer Meinung und Anregungen hinterm Berg. Nutzen sie die Leserkommentare, um uns Ihre abgelegensten Lieblingsbiere (gerne auch in Flaschen;), seltene Biergeschmacksnuancen, Themengeistesblitze und unausgegorene Bierthesen zuzusenden.

„Er trank Bier – sieben Becher. Sein Geist entspannte sich, er wurde ausgelassen. Sein Herz war froh und sein Gesicht strahlte.“ (Gilgamesch-Epos)