Das weltliche Bier und der heilige Mönch – wie sind die beiden eigentlich zusammengekommen? So ganz stimmig ist es ja nicht, dass ausgerechnet Kirchenmänner Deutschlands Rauschgetränk Nummer Eins über Jahrhunderte in ihren Sudkesseln gekocht und gepflegt haben. Wer bei Kirche an Sittenstrenge und Maßhalten denkt, dem kommt die Verbindung von Braukultur und Klöstern irgendwie spanisch vor. Doch der Mönch ist im Laufe der Jahrhunderte geradezu das Symbol für den Beruf des Brauers geworden.
Auf Etiketten und Bierdeckeln ist der Mönch heute omnipräsent. Oft aber ist es nur ein Marketing-Mönch. So wirbt das bekannte Franziskaner Bier zwar mit einem Ordensmann auf dem Etikett, es ist aber kein Bier aus dem Kloster. War es auch noch nie. In früheren Zeiten lag die Brauerei einmal schräg gegenüber eines Franziskaner-Klosters in München. Das ist lange vorbei, heute gehört die Marke zum weltgrößten Braukonzern Anheuser-Busch Inbev (Budweiser, Becks, Corona, Stella Artois), und das Bier wird von der Spaten-Löwenbräu-Gruppe abgefüllt. Auch das Paulaner Bier aus München ist kein Klosterbier – ging aber immerhin aus einem hervor. Heute gehört es großenteils der weltlichen Schörghuber-Unternehmensgruppe.
Tatsächlich aber gibt es eine alte klösterliche Brautradition in Deutschland. In der Blütezeit der Klosterbrauereien, im 18. Jahrhundert, brauten Mönche (und manchmal auch Nonnen) in rund 350 Klosterbrauereien Bier, die meisten davon in Bayern. Heute wird nur noch von neun Ordensgemeinschaften in Deutschland Bier gebraut, meist unter erheblichem Einsatz von Nichtmönchen – in den bayerischen Benediktiner-Klöstern Andechs, Ettal und Scheyern, im Franziskanerkloster Kreuzberg, in den Frauenklöstern der Franziskanerinnen in Mallersdorf – bekannt für seine Braumeisterin Schwester Doris – und in Reutberg, im Klosterbrauhaus der Schwesterngemeinschaft in Ursberg, in der Zisterzienserabtei Marienstatt, sowie im Benediktiner-Kloster Weltenburg an der Donau, wobei im letzten Fall die Klosterbrauerei aber seit 1973 von der Regensburger Brauerei Bischofshof geführt wird.
Daneben gibt es Kooperationen wie beim Bier des Riedenburger Brauhauses, für das die Benediktinerabtei Plankstetten Gerste aus ihrem Biolandbetrieb zuliefert. Auch sonst gibt es eine Reihe von Brauereien, die heute zwar nicht mehr zu einem Kloster gehören, aber zumindest einmal von Mönchen gegründet wurden. Zum Beispiel die Brauerei in Weihenstephan, früher Teil der Benediktinererabtei, heute ganz schnöde im Besitz des Landes Bayerns.
Die mit Abstand größte deutsche Klosterbrauerei ist Andechs – weltbekannt vor allem für das gepriesene und von manchen auch wegen seiner Wirkung gefürchtete Doppelbock, ein würziges Starkbier. Im Mutterkloster St. Bonifaz und in Andechs leben zusammen noch insgesamt 18 Mönche. Sie brauen zwar nicht (mehr) selbst, haben aber das Sagen. Gemeinsam wird entschieden – jeder Mönch hat eine Stimme, nur der Abt darf nicht mitvotieren. In der Brauerei arbeiten rund 25 weltliche Mitarbeiter und brauen unter der Obhut der Mönchsgemeinschaft Jahr für Jahr mehr als 100.000 Hektoliter Bier auf dem „Heiligen Berg“ – das entspricht rund einer Million Kästen, wobei ein Teil auch in Fässer abgefüllt wird. Das klingt groß – aber mit den großen Biermarken kann das Kloster Andechs nicht mithalten und will es auch nicht. Marken wie Krombacher und Oettinger produzieren jeder für sich die 50-fache Menge davon im Jahr.
Klosterbrauerei in Andechs stand in den sechziger Jahren fast vor dem Aus
Geschäftstüchtig sind die Mönche in Andechs aber allemal. Dass ihr Bier teurer ist als das der Konkurrenz, darauf scheint die Brauerei fast stolz: „Wir sind Preisführer“, sagt Martin Glaab, der Pressesprecher des Klosters. Als eine Andechser Bio-Molkerei den Namen „Andechs“ für Butter, Milch und Joghurt zu nutzen begann, gingen die Mönche sieben Jahre lang juristisch vor mehreren Gerichten dagegen vor, weil sie der Ansicht waren, der Name habe ursprünglich allein ihren „heiligen Berg“ bezeichnet. Das Kloster verlor. Der Abt des Klosters sprach später in einem Interview davon, das Kloster habe sich um sein „Markenportfolio“ kümmern müssen.
Ende der sechziger Jahre – der letzte selbstbrauende Mönch ging 1968 in Rente – stand die Brauerei in Andechs einmal fast vor dem Aus. Die Technik war veraltet und die Mönche dachten darüber nach, die Brauerei zu schließen. Dann aber haben sie sich doch anders entschieden und ordentlich investiert. In den Jahren zwischen 1971 und 1983 wurde am Fuße des Berges eine komplett neue Brauerei erbaut. Das hat sich rentiert – bis heute erwirtschaftet die Brauerei die Gewinne, mit denen das Kloster sich und seine Obdachlosenarbeit finanziert.
Wie aber kamen die Klöster eigentlich zum Bier? Mönche haben das Bier weder erfunden, noch ist in der Bibel davon explizit die Rede. Jesus verwandelte Wasser in Wein, nicht in Bier. Auch ist das Christentum in römischer Zeit in einer stark vom Wein dominierten Kultur groß geworden. Und so war Bier in der christlichen Kultur anfangs nicht besonders geachtet, auch wenn es sicherlich getrunken wurde.
Denn nördlich des Limes war es meist zu kalt für den Weinbau, die Germanen brauten schon lange; Irland und Schottland waren keltisch geprägt, und die Kelten mochten das Bier. Von dort aus zogen auch die Mönche Columban und Gallus im Jahr 590 los, um die Heiden in Frankreich und Deutschland zu missionieren. Das gelang, auch weil sie von den Merowingern unterstützt wurden, die sich gelehrte Untertanen wünschten. Mönche konnten oft schon lesen und schreiben, während die Mehrheit des Volkes aus Analphabeten bestand. Viele Klöster bekamen Schulen, an denen Kinder Lesen, Schreiben und Rechnen lernen konnten. Das tat den angrenzenden Ländereien gut: Die Mönche rodeten Wälder, legten Moore trocken, führten die Dreifelderwirtschaft ein und vergaben Kredite. Mit modernen Methoden machten sie die Wildnis urbar. Klöster waren auch große Wirtschaftsbetriebe, oft lebten – anders als heute – über hundert Mönche in einer Gemeinschaft zusammen, dazu kamen viele Laien. Gemäß der Ordensregel des heiligen Benedikt, sollten die Mönche alles, was sie brauchten, möglichst innerhalb der Klostermauern selbst schaffen. Zudem sollten sie sich an die örtlichen Gegebenheiten anpassen, in kalten Gegenden also eher Gerste statt Wein anbauen.
Die Benedikstregel zum Bier: „Der eine so, der andere so“
Um sich selbst zu versorgen, brauten Mönche in den neuen Klöstern für ihre Gemeinschaften auch Bier, das ja im Mittelalter wegen seiner langen Kochzeit als sicheres Getränk galt. Anfangs für den Eigenbedarf („Flüssiges bricht das Fasten nicht”) und für Pilger, später aber auch für den Verkauf an die Menschen in der Umgebung. Zwar gab es immer auch die Verteufelung des übermäßigen Trinkens, aber Mönche hatten eigentlich sowieso in allen Bereichen Maß zu halten. Bier war nahrhaft und damals enthielt es etwas weniger Alkohol als heute, anders sind die großen Mengen, die jedem Mönch täglich zustanden, nicht erklärbar. Ein bisschen Hedonismus war aber wohl auch im Spiel, zumindest deuten wissenschaftliche Untersuchungen von Knochen in klösterlichen Gräbern darauf hin, dass Übergewicht bei Mönchen im Mittelalter häufig vorkam. Der heilige Benedikt hat in seinen Regeln für das Leben im Kloster eigens ein Kapitel über „das Maß des Getränkes“ verfasst (Kapitel 40). Doch darin bleibt er reichlich vage, wie viel Bier einem Mönch denn wirklich erlaubt ist: „der eine so, der andere so“, heißt es dort ganz weise.
Zum Grundmuster für mittelalterliche Klöster wurde ein Plan, den sich Mönche auf der Bodenseeinsel Reichenau um das Jahr 820 ausgedacht haben – später wurde er als „St. Galler Klosterplan“ weltbekannt. Er zeigt, wie sich die Mönche damals ein ideales Kloster im Grundriss vorstellten – mit Kirche, Kreuzgang, Schlafsälen, Küchen, Waschräumen, Schule und Hospital. In dem Plan – der wohl in keinem Kloster vollständig realisiert wurde, aber oft in Teilen – sind insgesamt drei Braustätten eingezeichnet.
Das zeigt, welch große Bedeutung das Bier für die Mönche in jener Zeit besaß. Später waren es Zisterziensermönche, die halfen, den Hopfen als Bierwürze populär zu machen; ihnen gefiel seine Bitterkeit und außerdem machte der Hopfen das Bier länger haltbar. Die Germanen würzten gerne mit Gagel und Eichenrinde. Und weil das Bier zu jener Zeit gelegentlich auch psychoaktive Pflanzen wie Schlafmohn und Bilsenkraut enthielt, waren die Menschen wahrscheinlich froh, wenn sie sachgerecht gebrautes Bier von gelehrten Mönchen in den Klöstern kaufen konnten.
Die Blütezeit der Klosterbrauereien kam im Jahr 1803 mit der Säkularisation zu einem jähen Ende: Viele Klosterbrauereien wurden verstaatlicht und manche später an Privatunternehmer verkauft (etwa Paulaner und Augustiner), etliche wurden stillgelegt. Und von den wenigen, die überlebten, gingen auch später noch manche ein, so die Klosterbrauerei Sankt Marienstern in Sachsen, die immerhin bis 1973 durchhielt.
Einfach werden es die verbliebenen Klosterbrauereien auch in Zukunft nicht haben. Viele Orden haben Nachwuchsprobleme. Außerdem trinken die Deutschen immer weniger Bier – der Pro-Kopf-Verbrauch sinkt seit Jahren. Damit kämpfen auch die großen weltlichen Braukonzerne, bei denen zunehmend Kapazitäten ungenutzt bleiben. In der Not kommen neue Ideen auf. So kooperiert das Kloster Ettal inzwischen mit dem Bitburger-Konzern beim Brauen von Weißbier. Gemeinsam haben sie das Unternehmen „Benediktiner Weißbräu GmbH“ gegründet. Weil das Bier zum Teil in der hessischen Licher-Brauerei (die zur Bitburger-Gruppe gehört) produziert wird, musste sich das Kloster vom Bayerischen Rundfunk den Vorwurf gefallen lassen, das Bier sei eine „Mogelpackung“. Die Mönche wehrten sich. Kooperationen seien völlig normal in der Branche, man habe einfach nicht genug Kapazität in Ettal, zudem trage das Benediktiner-Weißbier neben Ettal auch nicht die Bezeichnung “Kloster” auf dem Etikett.
Tatsächlich arbeiten auch andere Klosterbrauereien mit weltlichen Brauereien zusammen. Das Kloster Weltenburg etwa mit der Regensburger Brauerei Bischofshof, die Klosterbrauerei in Scheyern mit Tucher-Bräu aus Fürth (das zur Radeberger-Gruppe gehört).
Ob das die Zukunft ist? Die größte Klosterbrauerei in Andechs jedenfalls will selbständig bleiben, sagt Martin Glaab. Am kommenden Samstag, den 19. März, bringt die Brauerei eine neue Biersorte auf den Markt, es ist die achte insgesamt. Erstmals soll es jetzt ein alkoholfreies Bier aus dem Kloster geben. Lange haben die Mönche damit gerungen, es ist die erste neue Sorte seit sich die Mönche vor 19 Jahren zum Brauen von dunklem Weißbier durchgerungen haben (in unserem nächster Blog-Beitrag nehmen wir das Zusammenspiel von Kloster und Brauerei in Andechs genauer unter die Lupe). Aber Schnelligkeit ist im Kloster keine Kategorie. Benediktiner denken in Jahrhunderten, heißt es.