Nur neun Medaillen gewann Deutschland am Donnerstag beim renommierten World Beer Cup. Die Vereinigten Staaten dominierten mit 242 Auszeichnungen. Sind die wirklich so gut? Gespräch mit der Jurorin Andrea Kalreit.
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F.A.Z.: Wie ist die Stimmung in der deutschen Delegation? Diesmal gab es nur neun Medaillen statt 17 beim letzten World Beer Cup, der alle zwei Jahre stattfindet. Und nur einmal Gold war dabei. Die Vereinigten Staaten hingegen haben 242 Medaillen eingeheimst.
Andrea Kalrait: Ja, die Stimmung ist schon etwas gedrückt. Bei der Preisverleihung war ich nicht dabei, aber wir haben uns im Anschluss in der Hotelbar getroffen. Wenn wir uns rein die Statistik anschauen, machen unsere Brauereien drei Prozent der Teilnehmer aus, und etwa drei Prozent der Medaillen haben wir gewonnen. Statistisch gesehen ist das okay. Es ist aber natürlich nicht das, was man sich als Deutscher vorstellt. Wir bilden in Deutschland die besten Brauer in der Welt aus, da wünscht man sich einfach mehr. Ein Nachteil ist, dass wir bei bestimmten Bierstilen wegen des Reinheitsgebots erst gar nicht teilnehmen können. Da bricht schonmal ein bisschen was weg. Auch haben viele große Brauereien, zum Teil gerade die Klassiker, nicht teilgenommen. Die Amerikaner sind da ehrgeiziger.
Belgien hat sieben Medaillen gewonnen, das Vereinigte Königreich ebenfalls, Tschechien ging leer aus, das stark aufstrebende Bierland Italien holte zwei Medaillen. Man hat den Eindruck, die Vereinigten Staaten haben fast überall gewonnen.
Ja, tatsächlich. Man muss auf der Gewinnerliste lange suchen, um mal nicht auf eine amerikanische Brauerei zu treffen. Auf Platz zwei im Gesamtranking steht mit 14 Medaillen übrigens Kanada, und wir sind dann schon auf Platz drei, rein nach der Menge der Medaillen. Italien zum Beispiel wird sicher sehr enttäuscht sein, dort entstehen ja inzwischen herausragende Biere. An den Juroren kann es jedenfalls nicht gelegen haben, denn wir waren sehr international.
Aus deutscher Sicht fällt auf, dass erstaunlich viele kleine Brauereien gewonnen haben. Die Schussenrieder Brauerei, ein Familienunternehmen, war erfolgreich beim Export-Bier, die Brauerei Gold Ochsen aus Ulm, ebenfalls familiär geführt, hat beim Kristall gewonnen, inzwischen schon die vierte World-Cup-Medaille. Und Michael Plank mit seinem Brauereigasthof in Laaber ist auch wieder unter den Gewinnern, er hat seit 2004 die inzwischen 15. Medaille gewonnen.
Ich glaube aber, dass auch hier die Freude etwas gedrückt ist, weil es nur für Bronze gereicht hat.
Wird man so anspruchsvoll im Lauf der Jahre?
Das ist tatsächlich so. Auch wenn man mit anderen Braumeistern spricht, bei Mehrfachgewinnern verliert die Bronzemedaille über die Jahre etwas an Wertigkeit, trotz einer eingereichten Bierzahl von über 8.500.
Der Beer Cup, das muss man auch sagen, findet immer in den Vereinigten Staaten statt. Für die amerikanischen Brauereien entfällt die Anreise des Biers.
Die Art der Lagerung und wie lange ein Bier unterwegs ist – das spielt schon eine Rolle, viele Stile müssen einfach frisch sein. Das Pendant zum World Beer Cup bei uns ist ja der European Beer Star, dort reichen auch viele Amerikaner ein, die Ergebnisse sind aber trotzdem etwas ausgewogener, was die Gewinnerliste anbelangt.
Auch ein schönes Detail: Beim German-Style-Weizen hat Texas‘ älteste Craft-Brauerei gewonnen, beim Pils die kleine Brauerei Rockyard American Grill & Brewing Co. Letztere waren schon häufiger in den unterschiedlichsten Stilen erfolgreich. Es scheint regelrechte Beer-Cup-Spezialisten zu geben.
Gut, da kann man vielleicht fragen, ob dieses Pils immer den gleich hohen Standard hat. Aber man muss schon sagen, die Amerikaner werden immer besser, sie bekommen auch zunehmend die langfristige Qualität hin. Diesmal haben auch, anders als beim letzten Mal, ein paar der bekannten amerikanischen Brauer wie Brooklyn Brewery oder Firestone Walker gewonnen.
Auch zwei deutsche Klassiker haben gewonnen: das Aventinus von Schneider und das Dunkle von Weltenburger. Diese Biere haben ihren Stil ja immerhin auch mit definiert.
Ja, und beim Oktoberfestbier haben wir Gold und Silber gewonnen.
Wie viele Biere mussten Sie bewerten?
An drei Tagen hatte ich im Schnitt sechs Flights mit jeweils ungefähr 10 Bieren pro Tag.
Was ist „Flights“ genau?
Man bekommt von einem Stil zehn Biere zur Blindverkostung. Der Juror muss dann entscheiden, welche drei er weiterschickt. Da geht es oft nur um Nuancen. Am Ende diskutieren die Juroren dann zum Beispiel, ob das Hefeweizen mit der intensiveren Banane oder das mit Nelke weiterkommen soll.
Wie ist es als weiblicher Juror im Wettbewerb – ist das in der vermeintlichen Männerdomäne „Bier“ noch etwas Besonderes?
Wir sind schon mittlerweile einige Frauen. Die Wettbewerbe versuchen schon seit Jahren, das weibliche Potential aufzubauen – von wegen „Frauen schmecken anders“. Auch wenn ich das so nicht unterschreiben würde, wird das Bild dadurch sicherlich etwas runder und es kommen mehr Nuancen ins Spiel.
Wie war es in Nashville – ist das eine Bierstadt?
Das ist gewissermaßen das Las Vegas der Region, würde ich sagen. Der Broadway downtown ist geprägt durch unzählige Bars und unzählige Junggesellinnenabschiede. Es gibt eine Kneipe neben der anderen, bei einer Lauflänge von vier vielleicht fünf Metern. In jeder Bar spielt eine Band. Es ist unglaublich. Die Stadt ist sehr quirlig, sehr laut, aber auch sehr liebenswert. Craft-Bier spielt hier eine große Rolle, es gibt wahrscheinlich sehr wenige Gaststätten, in denen es keines gibt.
Die Fragen stellte Uwe Ebbinghaus
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Andrea Kalrait, 1971 in Nürnberg geboren, ist Diplom-Betriebswirtin und Veranstaltungsleiterin der BrauBeviale seit 2013. Sie ist als ausgebildete Biersommeliere (Doemens) Verkosterin bei diversen Bier-Wettbewerben (European Beer Star, Meininger Craft Beer Award, Brasilianischer Bierpreis, World Beer Cup)