Mei Vodda duad goa nix, mei Muada schaud zua.
Mei Schwesda reissd’s Mei auf und i pfleg de Ruah.
(trad.)
Sie kennen doch sicher alle das Elend der Frage: Was schenke ich denen, die schon alles haben. Das quält ein paar Wochen, irgendwann findet man einen Kompromiss, der beim Beschenkten nicht zu viel Platz in der Tonne wegnimmt, oder gar ein Jahr später weiterverschenkt werden kann. Diese Unerfreulichkeit sollten Sie sich noch einmal vergegenwärtigen, denn in besseren Kreisen ist das seit zwei Jahren der Dauerzustand. Die Frage ist natürlich nicht, was man anderen schenken soll, die schon alles haben, sondern wo man das Geld hintzun soll, wenn man ausser Geld schon alles hat. Und das geht rund um die Weihnachtskonzerte in festlichen Kirchen so:
Iris: Du erinnerst Dich doch an Johannes?
Ich (Übles erwartend, nach dem Motto “Nächste Woche heiraten wir” oder noch Schlimmeres): Natürlich.
Iris: Johannes hat vorletztes Jahr von seinem Grossvater den grossen Acker geerbt, der jetzt Baugrund ist.
Ich (Befürchtend, dass jetzt das kommt, was mir in Zusammenhang mit einer sehr lieben, aber nicht wirklich passenden Erbin eines Seegrundstücks im blauen Land auch immer wieder unterbreitet wird: Eine Zweckheirat zur Immobilienentwicklung, und glauben Sie mir, das ist in Altbayern nicht seltener als in Kalabrien oder Anatolien): Jaja, 4500 Quadratmeter, einfach nur durch Warten, dass die kleine, dumme Stadt an der Donau grösser wird.
Iris: Er hat verkauft und 400 Euro für den Quadratmeter bekommen, weil er sich nicht drum kümmern wollte.
Ich (der ich es gar nicht schätze, von Glosscheamviadlgschleaf* wie Johannes derartig mühelos abgehängt zu werden): Ach?
Iris: Er dachte halt, mit Geld wäre er sorgenlos, und jetzt
(Allseitiges Gelächter)
Denn man kennt das. Nach allen Regeln der Anlagekunst ist das Vermögen verteilt und bfreit aufgestellt, man hat in den letzten zwei Jahren vielleicht noch eine Immobilie in guter Lage dazugekauft, auf den Crash gewartet und die Ausgaben reduziert – statt dessen sprudeln die Einnahmen, und mit denen steht man nun nackt vor dem kippelnden Euro der Transferunion. Man ist schon überall dabei, und so kann man momentan eigentlich keinen Abend ausgehen, ohne die Frage zu hören: Wohin damit?
Wenn es nicht gerade um Tegernseeimmobilien, den Schweizer Franken und englische Silberkannen geht (15%, 25% bzw 40% Buchgewinn seit Mitte 2008), halte ich mich ja zurück mit Ratschlägen zu Investitionen, und in meine drei Empfehlungen würde ich jetzt auch nicht mehr einsteigen – und schon gar nicht in mein Fernziel, eine Villa mit Weinberg in Meran/Obermais, da haben Sie gar nichts verloren, die gehört mir, also schleichen Sie sich Ihnen gefälligst. Ich denke aber, dass der grosse Besitztrend für 2011 das genau Gegenteil dessen ist, was man gerade empfindet: Ruhe, Zufriedenheit, Sorglosigkeit, Vergessen, Entspannung, Abwechslung. Drei Jahre lang haben die besseren Kreise erleben müssen, dass sie in einer Welt der Globalisierung bedeutungslos sind: Das will man alles gar nicht so genau wissen. Das will man vergessen und verdrängen. Und das wiederum ist eine Gelegenheit, um Geld zu investieren.
1. Man ahnt es, wenn man sas Aufkommen der Zeitschrift “Landlust” mit dem Aufkommen der Krise vergleicht: Mit dem Niedergang von Banken und Staaten kam der Aufstieg vom natürlichen Leben am Busen der Natur und am offenen Kamin. Je schlimmer die Nachrichten von Rettungsschirmen und Spekulantenangriffen sind, desto angenehmer riecht das harzige Holz, das man am Haus aufschlichtet, steigende Benzinpreise machen Pferde relativ gesehen billiger, und sogar die Töchter, die ansonsten im Risikomanagament der Banken arbeiten, packen am Abend die Schüsseln raus und machten eigenen Sauerteig für das Brot. Es sind natürlich nur Trockenübungen eines natürlichen Lebensstils, die so lange Kurzweil bereiten, als man notfalls doch den Pizzadienst, das Taxi und den Tanklastzug rufen kann – niemand würde heute noch das Badewasser mit Holz heizen wollen. Aber das alles gibt das beruhigende Gefühl, auch wie Anno 1900 leben zu können, wenn man denn müsste. Für Hafnerkeramik, echte Dirndl, Trachtenstiefel, gut gepflegte Schrebergärten, Brennholz, alte Apfelbäume und all das vintage Küchenzeug, das man dafür auch braucht, kann man Vermögen ausgeben. Glauben Sie mir, ich war da in den letzten Jahren oft genug dabei: Wenn man das von den genagelten Schuhen über die Pferdeschlittenfahrt bis zur grossmütterlich gemachten Vorratskammer mit den selbst angebauten Dingen richtig machen will, kostet das. Landlust bestellen kann jeder. Danach und von Sorgen befreit leben und wie eine französische Königin das Landleben spielen – jo mei, das bleibt unsereins vorbehalten.
2. Es sind hier, bittschön, sowieso zu viele Reiche in den Bergen, also bitte: Bleiben Sie in Frankfurt, Hamburg oder Berlin wohnen, und kommen Sie allenfalls im Urlaub hierher. Der Berg ist natürlich die ultimative Steigerungsform der Landlust, und man geniesst ihn anders, als beispielsweise das Meer: Am Strand kommt irgendwann immer der Griff zu einem bedruckten Stück Papier, das 2011 auch weiterhin Schlimmes für das Vermögen künden wird. Als Bergbewohner bin ich ja fast jeden Tag oben, und da haben wir Biergärten mit Blick über andere Berge und Seen: Niemand liest da oben Zeitung. Es gibt auch keinen Fernseher oder ein laufendes Radio oder Krisengespräche. Man sitz da, findet es schön und sagt “Jo mei” und “Mei is des sche”. Dann geht man wieder hinunter, in ein Gasthaus, isst noch etwas, und fällt ins Bett. Am besten gleich ein paar Wochen hintereinander. Hier kann man übrigens auch die Ausrüstung für den ersten Punkt in Handarbeit herstellen lassen. Stetig fordert einen der Berg, immer ist da ein Kloster, das man sich noch anschauen muss, oder eine Barockkirche, oder ein uriger Bauernhof – es ist nicht so, dass man viel tut, aber man tut genug, um keine Zeit für die üblichen Nachrichten zu haben. Falls Sie sich doch hier einkaufen wollen: Sie brauchen sich dann keine Sorgen um Ihr Geld mehr machen. Preise auf Anfrage. Jo mei.
3. Natürlich kommt man in Panik, wenn jeden Abend im fernseher mit spektakulären Angstthemen wie “Wo ist mein Geld noch sicher” nach Quoten gejagt wird. Man kann sich allabendlich terrorisieren lassen. Jo mei. Man kann sich aber auch damit trösten, dass es anderes – und vor allem beständigeres – Wissen als die Beschaffenheit von Eurobonds gibt. Zudem muss man bedenken, dass die ständige Frage nach dem Verbringung von Vermögen ähnlich angenehm im Beisammensein ist, wie das Reden über die Pest 1350, das Gespräch über die Tulpenkrise im Jahr 1638 oder das miesepetrige Geschnatter des – in dieser Zeitung mit einer das Geistestitanentum sicherlich unterragenden Vorgartenzwergenzipfelmütze abgelichteten – Sarrazin ab Herbst 2010. Netterweise haben Opern, Operetten, Ausstellungen und Bücher nur selten Weltuntergangsszenarien zum Thema, man kann sehr einfach fliehen, ein wenig Wissen mitnehmen und brillieren. Ich etwa habe mir nach der Bustelli-Ausstellung im Bayerischen Nationalmuseum angewohnt, auf die Wertstabilität alten Nymphenburger Porzellans hinzuweisen, und kann sagen: Es ist mir zu Weihnachten gar nicht schlecht bekommen. Zukünftige Erbinnen von mehr als nur 4500 m² fragen mich, ob ich dort nicht vielleicht führen könnte.
Auf das Geld kann man immer noch alleine schauen, wenn es keiner merkt. Ansonsten sollte man sich 2011, wenn andere zittern und klagen, einfach den Luxus leisten, und zwischen den Bibliotheken von Admont in der Steiermark und St. Gallen in der Schweiz pendeln, ein paar Konzerte in Schloss Ambras besuchen, im Saxifraga bei Meran essen und im Hotel du Parc in Stresa nächtigen. Mieten Sie sich einen Pferdeschlitten in Kreuth und eine Loge in Wien, lassen Sie sich einen offenen Kamin einbauen, und besuchen Sie einen Kurs für das Einwecken und einen für die Zubereitung von Wild, pflanzen Sie Rosen, blättern Sie in Einrichtungszeitschriften, erwerben Sie neue, elegante Tonmöbel und alte, wohlbestückte Bücherschränke, und schenken Sie den minimalistischen Krempel Ihren Kindern oder den Kindern von Bekannten, die hinaus in den Ernst des Lebens müssen. Und wenn sie jemand vom Niedergang ansarrazint, sagen Sie einfach das, was man in der Natur, am Berg, im Stall und in den Pausen vom erlesenen Abonnementspublikum der Münchner Staatsopern lernt, wen es mit Alban Berg gequält wurde:
Jo mei.
* Abkömmlinge der Bewohner des billigen, niedrig gelegenen, sumpfigen und auch heute wieder von wenig erbaulichen Luxusrestaurants durchzogenen Teils der Altstadt.