Das Kostbarste, was der Mensch besitzt, ist das Leben.
Nikolai Alexejewitsch Ostrowski, Wie der Stahl gehärtet wurde
Familienwochen bei den Stützen der Gesellschaft. Erfuhr man früher, dass eine Frau schwanger wurde, stellte man die Frage: Junge oder Mädchen? Im Grossen und Ganzen ist es immer noch so, nur bei Stars und Sternchen, und neuerdings auch in Berlin unter den dortigen Ministeriumstransferleistungsempfängern, kann man sich die Frage sparen: Es wird weder Junge noch Mädchen. Es wird zuallererst mal ein Ereignis für die Öffentlichkeit. Alles weitere wird man dann sehen.
Nun gehörte das öffentliche Abfeiern von Nachkommenschaft früher durchaus zum guten Ton: Neben einer verschwenderischen Herrschaft, Kriegen, Seuchen und Niedergang verdankt das schöne Bayernland etwa dem “blauen Kurfürsten” Max Emmanuel auch die beliebte Theatinerkirche in München. Die wurde aus Dankbarkeit in Auftrag gegeben, als sich mit ihm ein Thronfolger in Bayerns Herrscherhaus einstellte. Da wusste man noch nicht, wie sich das verwöhnte Balg später schlecht entwickeln würde – so schlecht, dass es auch heute noch absolut ministrabel wäre.
Nun baut man heute keine Dankeskirchen zur Beeindruckung und Belehrung der Bürger mehr, aber gewisse regierungsnahen Medien mit grossen Buchstaben haben deren Funktion als Wahrer der Volksbeeinflussung übernommen. Und so, wie früher in der besagten Kirche natürlich nichts Kurfürstenfernes vorgetragen wird, darf man auch die frohe Ermunterung nachlesen, welche die fragliche Person der erbauten Reporterschar als werdende Vorzeigemutter und Teil einer Promifamilie in die Notizblöcke diktierte: “Wir werden vor den gleichen Herausforderungen stehen wie viele andere Paare in Deutschland, bei denen beide beruflich sehr gefordert sind.”
Womit sie natürlich recht hat, auch wenn das im RBB erst von einer Journalistin anders und dann an höherer Stelle doch wieder ganz anders, nämlich vermutlich gehorsam für die betreffliche Person gesehen wird. Es gibt, das muss man doch noch sagen dürfen! eben nicht nur HartzIV-Berechtigte in Deutschland, denen man unter dieser Person im Ministerium das Elterngeld gestrichen hat. Es gibt sicher auch viele andere Paare in Deutschland, deren Eltern schon gut verdienten, und deren Kinder durch Kontakte lukrative Posten zugeschanzt wurden. In der besagten Einkommensklasse allein am Tegernsee sicher ein paar hundert, Tausende im Münchner Süden und zwei, drei oder gar vier Dutzend nördlich von Bad Homburg, wo dann ansonsten die armen Leute wohnen. Und das alles wäre auch gar nicht weiter schlimm, wenn ich nicht das Pech hätte, unter solchen Leuten zu leben, Brutal gesagt: Solche Aussagen sind nicht nur unehrenhaft, dreist und ignorant gegenüber den deutschen Durchschnittsfamilien und schlechter Gestellten, sie sind auch pures Gift für meine Kreise. Eine Aufforderung an die Raubmütter dieser Nation, noch unverschämter aufzutreten.
Denn die Entscheidung über den Lebensweg treffen Eltern bei uns durchaus bewusst. Es gibt gute Argumente und Mittel gegen Kinder, es muss nicht sein, und wer es anders will, tut es im vollen Wissen um die Folgen. Und weil das früher absolut nicht so war, und Kinder in Beziehungen relativ unvermeidlich blieben, gab es auch immer eine Grossmutter oder Mutter, die der Tochter mit Kind knallhart geigten, sie solle sich gefälligst nicht so anstellen, früher wäre das auch gegangen, oder hätte sie jemals von ihnen Gejammer wegen der Belastung gehört? Das kleine, gerne übersehene Problem bei dieser Zurechtweisung ist, dass es früher keine alternativen Lebensmodelle gab. Heutige Mütter bekommen die Alternativen laufend vorgeführt, besonders im begüterten Umfeld, in dem sie einen einen 5er Kombi brauchen. Und ihre Freundinnen gar nicht daran denken, ohne Bedarf für einen Kinderwagen den Zweisitzer aufzugeben. Da ist einerseits die einsetzende Erkenntnis, dass auch bei optimaler Finanzausstattung Kinder nicht auf Kommando mit dem Schreien aufhören. Und andererseits das Begreifen, dass jetzt andere lieb gewonnene Gewohnheiten doch nicht mehr so gehen. Und über allem die eigenen Mütter, die jede Hilfeleistung mit einem “Stell Dich nicht so an” garnieren.
Und nun heisst es plötzlich von Oben: Stell Dich an. Mach um jede Selbstverständlichkeit einen Riesenaufstand. Erkläre jede Unannehmlichkeit zum Opfergang, jede Normalität zur Herausforderung, verlange bei jeder Handreichung Applaus, werde nie müde, Nachsicht und Bevorzugung einzufordern, egal wie privilegiert Du auch bist, stelle Dich als Retterin der Nation oder wenigstens Deiner Kreise hin, auch wenn Du eigentlich nur das tust, worauf Du Lust hattest. Miese Performance im Beruf, schlechte Noten in der Öffentlichkeit, Doppelmoral, völlig egal: Du bist Mutter. Du hast Recht auf Schutz und Nachsicht und Bewunderung neben einem Jahresgehalt von über 150 K, Dienstwagen, Pensionsberechtigung und was da sonst noch an Transferleistungen ist.
Das wird Konsequenzen haben. Noch dreister werden Raubmütter ihre Geländewägen in meiner Feuerwehrzufahrt abstellen, damit sie die Kinder eine Stunde lang an der Schule abholen können. Noch mehr Kleinkinderabwurfzonen werden eingerichtet, damit Mama genug Zeit für das Fitnesstraining hat. Noch giftiger wird der Tonfall gegen Kinderlose werden, denn wenn die Raubmütter bei gleichbeleibender Leistung für sich selbst sich gleichzeitig sozialer und besser zur Welt verhalten, und mehr für die Gesellschaft tun, müssen die anderen noch asozialer sein. Und nachdem jedes noch so nachhilfebegabte Kind schon fraglos ein nicht weiter ausreizbares Genie ist, geht man sicher nicht falsch in der Annahme, dass nun auch mehr Respekt und Achtung vor der Familiengründung eingefordert wird: Herausforderungen! Da, wo früher des Vogtes Hut hing, wird gerade die Windel abgehängt und durch die Steamerbag von Louis Vuitton ersetzt. Stellt Euch nicht so an, runter mit dem Hut und verbeugen. Man darf davon ausgehen, dass der gesamte Weg der Herausforderungen des neuen Raubmütteridols jetzt schon auf grösstmögliche Breitenwirkung medial durchdacht wird, bei den Herren der grossen Buchstaben. Jeder wird sehen, wie man entbehrungsreich die Herausforderungen meistert, als Vorbild für so viele andere reiche junge Leute, denen ich nicht entgehe, denn ihre musischen Gymnasien und Kinderspielplätze sind nun mal vor meiner Haustür. Stellt Euch an, wird es heissen. Eure Kinder kennen schliesslich auch noch kein Benehmen. Ihr dürft das. Und wenn es jemand anders sieht, beschwert Euch über die Kinderfeindlichkeit der Gesellschaft. Und den mangelnden Respekt für Eure Mission.
Bleibt nur die Hoffnung, dass sich die verzogenen Kinder verzogener Raubeltern das später mal zu Herzen nehmen und sich auch anstellen. Natürlich wäre es verheerend für meine Kreise, die in einer ordentlichen Stelldichnichtsoan-Erziehung begründet ist, wenn da noch weniger gesittete Menschen anzutreffen sein werden, die sich laut und marktschreierisch anstellen. Aber allem Anschein nach gehen wir sowieso zugrunde, und die Zukunft gehört denen, die sich nicht einmal mehr ihrer Privilegien bewusst sind, wenn sie dummes Zeug schnattern. Es hat gar einen sehr neureichen Anschein. Allein deshalb nehme man sich vor deren Raubmütterhorden in Acht, und passe auf, dass sie einem nicht vorgestellt werden, denn es ist keine gute Gesellschaft: Noch ist es mit ihren Privilegien zum Glück nicht so weit gediehen, dass man sie nicht mehr elegant mit dem Abschleppwagen aus der Feuerwehranfahrtszone entfernen lassen könnte.
Kneifzange, möchte ich aus Opfersicht festhalten, war gestern. Abschlepphaken ist heute.