Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Währungsschnitt oder Inflation

Jede Form der Geldentwertung ist schlecht, aber angesichts der Eurokrise stellt sich die Frage, ob es nicht doch das eine oder andere Schlupflloch gibt. Denn eine Inflation hat gegenüber dem Währungsschnitt enorme Vorteile.

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Die Enten schauen etwas misstrauisch. Niemand tut ihnen etwas, aber besonders zutraulich sind sie auch nicht. Früher wurden sie gejagt, geschossen und verspeist, heute werden sie einfach nur fett und warten auf die nächste Paarungszeit. Sie bleiben auf Distanz. Sie sind unsicher, was als nächstes passiert. Und ob etwas passiert. Ein wenig sind die so wie die Anwohner des Sees, sie begreifen auch nicht so ganz, wie privilegiert sie sind. Und sie sind unsicher in Zeiten wie diesen. Denn auch den Menschen liegen Erfahrungen im Blut. Manche Menschen füttern Enten, andere schiessen auf sie. Manche Entwicklung ist für das Vermögen der Menschen gut, eine andere ist schlecht. Und wenn den Enten das Ungemach drohen würde, das gerade den Menschen droht, würden sie nicht nur schauen, sie würden davonfliegen.

Bild zu: Währungsschnitt oder Inflation

Der Mensch bleibt und geht am Schlosspark entlang, vor zu den Terrassen an den Cafes, bestellt etwas und spricht über das, was alle sprechen: Über das Geld. Und was man in diesen Zeiten, da die Griechen entscheiden und man selbst alternativlos beherrscht wird, damit tun soll. Die eine Lösung ist die der Panik, das Geld abziehen, umtauschen in andere Währungen in einem anderen Land fern der Probleme, und warten, bis das hier alles am Boden ist. Natürlich kann es auch sein, dass man damit Schiffbruch erleidet. Und wenn man ehrlich ist, liegt einem die andere Lösung sehr viel näher als Singapur oder Norwegen: Das wäre der Kauf einer Immobile. Hier: Noch einer Immobilie. Wer hier sitzt, mietet nicht.

Die Zeit ist günstig, denn gerade jetzt erschlafft das Geschäft in dieser Region, in der dennoch immer gestorben wird. Im Frühjahr ziehen die Preise an, im Winter kann man verhandeln. Da geht was. Den Euro, seien wir ehrlich, hat man hier schon längst abgeschrieben. Vermögende haben gelernt, diesen Wackel- und Kriseneuro zu hassen. Dieser Euro ist seit drei Jahren so unsicher wie ein riskanter Anlagefonds, alle paar Tage eine Krise, alle paar Tage eine Talkshow, wie man ihn retten kann. Niemand hier würde sein Geld in einem Kontext investieren, über den in Talkshows geredet wird. Hier aber hängt man nun mit drinnen. Wie alle anderen auch, mit denen man ansonsten nicht zwingend viel gemein haben möchte. Und aus der Familienerfahrung der letzten 150 Jahre mit all ihren Kriegen und Währungsreformen und Inflationen ist die entscheidende Frage beim Notimmobilienkauf: Geht der Euro in einer Inflation kaputt, oder wird er mit einer Währungsreform entwertet?

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Das angenehmere Szenario ist, man mag es kaum glauben, die Inflation. Mit einer Immobilie kann man sich bestens dagegen absichern: Hohe Schulden zu niedrigen Zinsen aufnehmen, und dann zuschauen, wie mit dem Euro auch die Schulden an Wert verlieren. Diese Art der Besitzvermehrung durch Geldentwertung ist die Erfahrung der Generation, die in den 70er Jahren bundesweit die besseren Viertel gebaut hat: Damals waren die Inflation und die Lohnsteigerung hoch, höher gar als die Zinsen auf die Kredite. Wer das Geld brav auf die Bank tat, verlor Geld, wer es sich lieh, gewann Besitz. Natürlich waren Schulden für diese Kreise erst mal eine neue Erfahrung; in den Dekaden davor galten Schulden bei der Bank eher als anrüchig. Aber es war fraglos die richtige Entscheidung, und heute hört man am See diese Geschichten, damals, 1974, da hat das Haus komplett 500.000 Mark gekostet, das sind 250.000 Euro – dafür bekommt man heute in München zwei Zimmer.

Die Generation davor, die noch in den Altstädten lebenden Grosseltern also, haben ganz andere Erfahrungen mit dem Wertverlust des Geldes gemacht. Damals verlor das Geld nicht nur über Jahre hinweg seinen Wert, sondern auch schlagartig, wie etwa 1948. Auf den ersten Blick wurde damit jeder Immobilienbesitzer reich und jeder Geldbesitzer arm, aber zum Ausgleich kam mit der Währungsreform auch eine Zwangshypothek für Hausbesitzer. Viele der hübschen Blockviertel des sozialen Wohnungsbaus dieser Republik verdanken ihre Existenz einer als höchst asozial empfundenen Belastung der Hauseigentümer, die obendrein noch unter den Folgen der Wohnungszwangswirtschaft litt: Alternativlos ist keine Erfindung von Frau Merkel. Natürlich war das Haus trotz Hypothek immer noch besser als wertloses Geld; aber man ist ja nicht reich, um zu verarmen, sondern um reicher zu werden. Dass die Hausbesitzer bei der Währungsreform obendrein auch ihr sonstiges Vermögen verloren, trägt sehr zum Trauma jener Jahre bei.

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Die Frage, die also aus diesen Erlebnissen und Erzählungen im Raum steht, ist: Werfen die Regierungen die Gelddruckmaschine an, um erst Staatsanleihen aufzukaufen und dann die Schulden wegzuinflationieren? Dann sollte man es wie die Regierungen halten und auch das kaputt gehen lassen, was man nicht hat: Die Schulden. Oder kommt es zu einer Währungsreform, die das Geld schmälert und die Immobilien aus angeblicher Gerechtigkeit mit belastet, mit, sagen wir mal 30% des Verkehrswertes? So etwas wird immer wieder gerne mal vorgeschlagen, nicht nur von Kommunisten, sondern auch von angesehenen Wirtschaftsforschern. Dann wäre ein Kauf auf Schuldenbasis kein besonders gutes Geschäft. Dann wäre man mitgefangen und mit gehangen, also das, was zu vermeiden das natürlichste Interesse der Eliten ist. Was ist wahrscheinlicher?

Das Unangenehme am Währungsschnitt und der Belastung Aller in kurzer Zeit ist die massive Verärgerung. Man traut der aktuellen Kanzlerin inzwischen ja so ziemlich alles bis zur Zwangskollektivierung zu, aber kein Mindestlohn, kein Atomaustiegaustiegaustieg und keine Bundeswehrreform trifft die konservative Klientel so ins Mark wie die Belastung von Haus und Hof. Die Vorstellung, der Staat könnte zugunsten von wem auch immer einfach kommen und sich einen Teil des Hauses abschneiden, lässt einen gleich nach Banken in Singapur googeln. Das gäbe eine Flucht ins Ausland und, nebenbei, einen kollabierenden Immobilienmarkt. Man will schliesslich ein Haus kaufen., und keine 20 Jahre Zwangsverpflichtung. Das war 1948 möglich, als Deutschland in Ruinen lag, aber heute käme es einer Vernichtung aller Vermögensgewinne aus Häusern seit gut 100 Jahren gleich. Das ist, denken wir an die Bedeutung des Baugewerbes in Deutschland, eher unwahrscheinlich. Selbst, wenn es vermutlich so etwas wie eine gewisse Gerechtigkeit in sich tragen würde: Dieses Land ist kein Gerechtigkeitsstaat, sondern ein Rechtsstaat. Zumindest darauf möchte man sich hier am See verlassen können. Wenn sonst schon nicht dauernd die Sonne scheint.

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Ausserdem hat die Inflation den grossen Vorteil, dass sie einfach passiert. Und alle machen mit, der Staat, die Banken, die Arbeitnehmer, die Geschäfte, die Mieter, die Aktien, die Renditen: Jeder trägt dazu bei. So eine Inflation ist ein Naturereignis wie der Regen und die Wolken, jeden Tag ein paar Tausendstel, und wenn dann einmal im Quartal der Aufschrei kommt, kann sich die Politik hinstellen und neue Krisengipfel gegen die Inflation einberufen. Die tun was für das Geld der Leute. Und nicht dagegen wie beim Währungsschnitt. Wenn ein Politiker etwas wegnimmt, wird er abgewählt. Wenn er aber dafür sorgt, dass etwas bleibt, zumindest teilweise, ein wenig, also bei denen, die nicht so haben, und ein wenig auch von den Schulden, die man hat, dann ist das eine andere Sache. Solche mutigen Inflationsbekämpfer wird das Land brauchen. Und nachdem das jetzt auch in dieser Zeitung zu lesen steht, habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass man in Berlin die richtigen Schlüsse ziehen wird. Auch ohne Parteispenden, nur auf Basis der guten Argumente.

Und wer nichts hat, hat so oder so weder das eine oder das andere zu fürchten.