Natürlich ist es nur ein Luxusproblem, aber nicht allen kann es vergönnt sein, an den Stränden vier zerstörte Kernreaktoren und japanische Politiker zu haben.
Man kennt das aus weniger begüterten Regionen: Da kommt ein Investor daher, verspricht das Blaue vom Himmel, Arbeitsplätze, Millioneninvestitionen, Fabriken, eine rosafarbene Zukunft und erfolgreiches Bestehen der Region im globalen Streit um Märkte und wirtschaftliche Prosperität. Dann möchte er Sonderrechte, Förderung, kostenlose Grundstücke, 1-Euro-Jobber und Kreditlinien, aber das macht er dann mit dem Bürgermeister und der Firma seines Bruders und der Sparkasse wo der Cousin Chef ist aus. Am Ende ist es dann eine Public Private Partnership, die lokalen Klein- und Mittelbetriebe haben etwas profitiert, und wenn es woanders neue Förderung gibt, verkauft der Investor an einen Abwickler und zieht weiter, an einen Ort, wo er massiv bestreitet, dass er woanders den Bürgermeister mit einer Immobilie geschmiert hat.Alles nur böse Gerüchte, Missverständnisse, das würde sich bald klären, und überhaupt, sagt der andere Bürgermeister, man sollte doch den Investor nicht gleich wieder vertreiben.
Das wirkt angesichts von Euro- und Weltkrisen meist nicht schlecht, solange eine Region so etwas nötig hat. Mit steigendem Wohlstand jedoch ist das Heilsbringertum solcher Investoren gar nicht mehr so arg erwünscht, denn es geht ja schon gut. Und dann gibt es noch Regionen, ein, zwei Dutzend in diesem Land, da ist der Investor kein Segen mehr, sondern tendenziell eher der Feind: Denn in diesen Regionen lebt es sich auch jetzt schon blendend, und das Letzte, was man hier braucht, sind Investoren, die in diese Idylle aus Landschaft und Vermögenden irgendwelche Hektik hereinbringt. Niemand will hier das Alpenpanorama von Baukränen verschandelt sehen. Niemand braucht hier noch einen weiteren Touristenmagneten. Am Wochenende würde man ohnehin gern die Strassen gegen die armen Schlucker aus München verminen. Und dass dieser Investor ausgerechnet hierher kommt, passiert ja auch nicht von ungefähr: Seine Klinik, sein Golfplatz, sein 7-Sterne-Hotel, sein Wellnesscenter soll hier stehen, weil jene, die nicht hier wohnen, zumindest zeitweise hier sein möchten, um sich auch mal ein wenig wie die Anwohner zu fühlen.
Kurz, der „Investor” plant im ersten Schritt eine Ausbeutung des hier sauer mit Abgrenzung, abnormen Immobilienpreisen und ZDF-Vorabendserien erarbeiteten Rufes. In einer Welt, in der Anwohner schon mal ein Schild mit der Aufschrift „Privatstrasse” an eine öffentliche Strasse oder „Durchgang verboten” an einen Weg der Allgemeinheit schrauben, kann man sich gut vorstellen: So ein Investor mit seinem Rattenschwanz an eingeschleppten Zureisenden stösst nicht auf ungeteilte Zustimmung. Die wenigsten, die hier vermögend ihr Leben geniessen, lassen ihr Vermögen hier arbeiten. Sie wissen schon, warum man den Schmutz der Tätigkeit und das Privatleben nicht zusammenführt. Das möchte der Investor ändern. Das Beschauliche, das Ruhige, das Geld geschaffen hat, soll jetzt vom Geld anderer Leute vermarktet werden. Vielleicht kommt auch noch ein Eck Klinik in den bis dahin für unverbaubar gehaltenen Seeblick. Man kann das versuchen, aber: Hier im Tal brannte auch schon mal ein Discounter in der Nacht vor der Eröffnung bis auf die Grundmauern nieder. Was dem Berliner Schwabenhasser sein Opel…
Aber das ist natürlich nicht legal, selbst wenn in der bayerischen Tradition – hier in den Bergen schoss immerhin der Wilderer Jennerwein und in den Niederungen, nebelumwolkt, tagt die CSU – manches durchaus als legitim erscheint. Doch der Fortschritt der Zivilisation sorgt für neues Rechtsempfinden, das dem Investor als erste Sofortmassnahme entgegenschlägt: Hat er überhaupt das Geld? Wie sieht seine Vorgeschichte aus? Was betreibt er sonst so, gibt es dunkle Flecken, sind andere Investitionen zu finden, die nicht gut gelaufen sind? Andernorts mögen 50 Millionen vielleicht beeindrucken bei jenen, die nichts haben. Hier vermitteln sie dem Kleinmillionär ein ungutes Gefühl der Konkurrenz, und da muss die Frage, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist, erlaubt sein. So ein Neukommer muss sich damit abfinden, dass er von allen Seiten her durchleuchtet wird. Jedes Detail, jede kleine Mauschelei macht die Runde. Oder anders gesagt: Die Bürger tun das, was der Bürgermeister tun sollte.
Letzterem, der Hand in Hand mit dem Investor arbeiten muss, wird natürlich auch ein wenig Druck gemacht. So mancher Bürgermeister in derartig entzückenden Regionen ist längst zermürbt, bevor der erste Bauplan auch nur vorliegt, und bemüht sich von selbst aktiv um die Bürgerbeteiligung, die so oder so kommen würde. Angesicht zu Angesicht mit den eigenen Millionären ist es leichter, als wenn man sie ausschliesst und damit einlädt, hinter dem eigenen Rücken zu agieren. So kann der Bürgermeister zwischen verhärteten Fronten den Vermittler geben und gegebenfalls auch politisch überleben. Gleichzeitig muss er aber auch aus eigenem Interesse dem Investor klarmachen, dass der Bürger auch nicht auf der Brennsuppn dahergeschwommen ist. Trifft man sich dann zu Gesprächen, ist es stets sehr angenehm, und man darf bei der Gelegenheit auch gleich vorstellen: Den Professor Dr. von der Anwaltskanzlei… den müssten Sie eigentlich kennen… der ist eine Koryphäe für Anlagebetrug…
Natürlich ist es der Investorenseite unbenommen, darauf mit eingekauften TV-Stars als Moderatoren, Webseiten, Imagebroschüren und anderen kostentreibenden Massnahmen zu reagieren. Der Investor darf den auftretenden Verkehr herunterrechnen und seinen Neubau hinter Bäumen verstecken, er darf von neuen, andere nicht betreffenden Zielgruppen reden und – absolut unverzichtbar – die ökologische Ausrichtung seines Projekts betonen. In einer Welt der Vollbeschäftigung und des Beschäftigungsdesinteresses muss man neue Argumente finden – ja, man macht sein Geschäft, aber man nimmt Rücksicht und wertet zusätzlich auf, und man fällt auch überhaupt nicht auf. So überlebt man vielleicht auch den kommunalen Volksentscheid, jenen politischen Guerillakrieg, den besonders die Konservativen früher vehement ablehnten und nun, da er da ist, ausgiebig betreiben. Wenn sie gegen die Investor gewinnen, ist er weg. Wenn sie verlieren, ist der Investor noch da, aber er weiss auch, wo er ist: An einem Ort, wo man genau hinschaut.
Aber eine kleine Minderheit wird auch eine Mehrheit, egal ob demokratisch oder durch Stimmenerwerb zustandegekommen, von weiteren Aktionen nicht abhalten. Man kauft sich keine Villa mit Seeblick, damit andere einem in der Oper erzählen können, sie hätten an dem Ort auch dieses neue Ding ausprobiert und, naja, für ein Wochenende könnte man schon, aber im Winter geht es nach Florida. Diese Leute gehen bis zum Äussersten. Sie haben Rechtsanwälte und sind klagefreudig, und was andere davon halten, ist ihnen egal. Nachdem hier schon mal ein anfänglich sehr kampfesfroher Investor über so eine erfolgreiche Klagewelle weggestorben ist und die Pläne für sein Luxusressort mit ins Grab nahm, hat sich vermutlich herumgesprochen, dass hinter all den hübschen Holzschindeln und grünen Fensterläden schwer kalkulierbare Risiken verbergen. Risiken mit viel Zeit und Geld und Anwälten und dem Gefühl, dass eine Panzersperre den Wochenenden am See sehr zuträglich wären. Natürlich ist das egoistisch, aber das sind Investoren auch.
Es ist nicht leicht, hier ein Investor zu sein. Selbst, wenn man es letztlich geschafft hat: Man wird später immer wieder etwas brauchen. Eine Baugenehmigung hier, eine Erweiterung da, eventuell später auch mal einen Verkauf gegen gutes Geld. Irgendwelche Nachbarn, deren Anwälte den kleinsten Formfehler aufspüren, sind da nicht wirklich hilfreich. Hat man sie einmal angelogen, fühlen sie sich einmal hintergangen, hat man ein Dauerproblem. Das alles gilt es zu berücksichtigen. Zu verschenken gibt es hier auch nichts. Man spart sich viele Probleme, wenn man im Osten Deutschlands investiert, und an anderen Orten, wo man noch dankbar und flexibel ist. Sicher, es ist eine der schönsten Regionen des Landes, aber die Magengeschwüre, die Kleinkriege, die Unwägbarkeiten, die absolute Sozialkontrolle: So ein Investor muss auch das mitberechnen. Gott vergibt, der Tegernseer Millionär nicht.
Also, herzlich willkommen. Gehen Sie in eine Ecke, wo Sie keinen stören, geben Sie sich sozial, spendieren Sie eine Kinderkrippe und eine Fahne für den Kriegerverein und buchen Sie eine Anzeige im Gemeindeblatt, seien Sie Bio und werden Sie nicht müde zu betonen, dass Sie hier keinem etwas wegnehmen wollen. Dann könnte es sein, dass Sie in 10 Jahren auch Ihren Anwalt auf den nächsten Investor hetzen können, der es wagt, dieses liebliche Tal mit dem nächsten Klotz zu verunstalten, obwohl alles ohnehin schon so voll ist, wo doch früher alles besser war. Wenn es denn unbedingt der Tegernsee sein muss. Hinter Bad Tölz kann man sicher auch das eine oder andere Kaff aufwerten. Es gibt sie noch, die Ecken mit gutem Investitionsklima. Aber auch Sachsen und Thüringen haben trotz manch menschlicher Unzulänglichkeiten Orte von erstaunlicher Naturschönheit. Man wird sie hier im Wissen verabschieden, dass nach Ihnen bald der nächste Investor kommt, den man genauso bekämpfen wird. Behüte Ihnen Gott.
Beim Feuerschutz gegen die heisse Unwillensbekundung würde ich trotzdem hier wie dort nicht sparen.