Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Den Reichen in Deutschland könnte es besser gehen

Besondere Zeiten verlangen nach besonderen Massnahmen, und bevor wir in Verantwortung für unser Land die Gürtel enger schnallen und im Vertrauen auf die Einigung Europas durch Euro und Technokraten die Zukunft erwarten, hier noch ein paar Worte darüber, woran man denken sollte, wenn man nicht nur zu den Deutschen, sondern auch zur diskriminierten Minderheit der Vermögenden gehört.

Deutscher Bankkunde (flüsternd): Ich würde gern 500.000 Euro anlegen.
Schweizer Privatbankier: Sie können ruhig lauter sprechen, Armut ist keine Schande.

 

Liebe Leserinnen und Leser,

trotz Eurokrise, eines schlechten Jahr an den Börsen, trotz diverser Umweltprobleme, einer ungehindert agierenden Todesschwadron, Staatstrojanern und besonders der in den letzten Wochen schlechten Presse für das Natürlichste des Natürlichen – ein Vermögender hilft einem nicht ganz so Vermögenden, ein kleines Vermögen in Immobilien zu erwerben – stehen die Reichen in Deutschland gut da. Ich höre das auf meinen weiten Reisen im glücklicheren Teil des Landes bei den besserverdienenden Bürgerinnen und Bürgern immer wieder: Dort drüben, hinter den Hecken, in jener Villa, dort am See, in jener S-Klasse, da sei ein Reicher, und dem gehe es blendend. Ja, es ist geradezu ein Merkmal dieses schönen Landes, wo Reklametafeln abgebaut und Privatstrassenschilder hingeschraubt werden, dass dort die Menschen reich sind, und es ihnen gut geht. Blick auf die Berge, auf die Seen, auf den Taunus, oder auch nur auf den Wannsee oder gar nur Sandödnis auf Sült: Es geht gut.

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Und weil es uns gut geht und wir obendrein in der Nachbarschaft auch stets jemanden kennen, dem es noch besser geht, sollten wir zufrieden sein. Andernorts ist es nämlich so, dass jeder einen kennt, dem es noch schlechter geht. Viele Griechen zum Beispiel, deren Technokraten dort weitermachen, wo die alten Oligarchen aufgehört haben. Viele Italiener, die länger arbeiten sollen, weil das die Wirtschaft stärkt, weil sie kürzer Rente beziehen und schneller sterben, weshalb die Wirtschaft weniger Steuern zahlen muss und dann, hoffentlich, die Jugendarbeitslosigkeit anpackt. Die Spanier – nun, die dürfen beim werten Kollegen Kaffeesatz lesen. Denen allen geht es nicht so gut, aber man muss es so sehen: Auf diese Art und Weise wachsen unsere Armen im Ruhrgebiet und Berlin mit denen im Mezzogiorno und Makedonien zusammen. Auch das ist europäische Einigung, Gleichheit und Gerechtigkeit der Lebensumstände, ein historisches Geschenk.

Wir aber leben in der Gegenwart. Trotz all dem werden auch wir uns 2012 den Herausforderungen einer sich immer schneller verändernden Welt stellen müssen. Wir alle haben es am eigenen Leib verspürt: Die Preise für englische Silberkannen, einst hübsche Mitbringsel von der Insel, sind heute ins Unermessliche explodiert, und trotz fallender Rohstoffpreise ist auf dem realen Markt keine Entspannung in Sicht. Schwere Stürme wüten auch über den einstmals so ruhigen Gewässern des Kunsthandels: Für eine anständige Ahnengalerie braucht man heute ein Vermögen einer Erbtante, und nein: Photokunst oder Leipziger Schule nimmt man da auch nicht in Zahlung. Natürlich macht uns alle die Preisentwicklung der Liegenschaften auf dem Papier reicher, aber wir alle wollen lieber das Geld in Betonsicherheit tauschen: Die ist so teuer wie unser Bestand geworden ist, und macht uns deshalb ärmer.

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Nachdem auch von höchster Stelle im öffentlichen TV erwähnt wird, man habe sich bei der Rettung des Euro – und welcher Euro ausser derjenige, der sich in diesem unserem Lande vor allem bei uns befindet, sollte da gemeint sein – an Rückschläge zu gewöhnen, sollten auch Reiche einmal von der Betrachtung der Welt als Finanzkonstrukt wegkommen. Man betrachte es lieber als Eigentumskonstrukt, und da sieht es so aus, dass die gesamte Menge aller Güter nun mal verteilt ist. Die einen haben mehr, die anderen haben weniger, und viele haben gar nichts. Wenn nun auch 2012 wieder Gürtel enger geschnallt werden, heisst das nur, dass oberhalb und unterhalb davon Besitz herausgedrückt wird. Der Euro mag gerettet werden oder auch nicht: Am Ende ist immer noch der Besitz vorhanden. Man sollte das Augenmerk also vor allem darauf richten, dass nach dem Jahr 2012 von diesem Eigentum etwas mehr bei den Besitzenden ist. Wie immer das mit der Währung ausgeht: Irgendwann kommen neue Papierfetzen mit Zahlen drauf. Besitz aber bleibt. Das entschädigt ein wenig für all die Gefahren und Wirrnisse dieser Epoche im zusammenwachsenden Europa.

Ja, es mag sogar dafür sorgen, dass die in letzter Zeit etwas bröckelnden Klassengrenzen wieder in altem Glanze erstrahlen. Wie man in letzter Zeit gesehen hat, fehlt es den Wulffen dieser Zeit einfach an der nötigen Grandezza des Nehmens. Ein wenig Tugenden der Sparsamkeit tut dieser Klasse deshalb gar nicht so schlecht, ein paar Wellnesswochenenden und Sternekochkurse weniger können nicht schaden, und wenn wir ehrlich sind: Früher ging es doch auch ohne, da war man für den Eierlikör schon dankbar. Allenthalben wird durch diese hineindrückenden Etwasbesitzer auf Traditionen gepocht, die angeblich die der Elite waren – die hätten mal ein Jagdwochenende mit meinem Grosvater und seinen Freunden im Högnerhäusl erleben sollen – da ist es eigentlich nur gerecht, wenn man auch von ihnen erwartet, dass sie wieder ein wenig mehr ihre eigenen Traditionen im Blick haben. Eierlikör kann man immer noch zum Kultgetränk deklarieren. Solange die Eier von glücklichen Hühnern sind. Kurz: Ein wenig weniger Rottach-Egern im Leben hat noch keinem weh getan.

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Mir übrigens auch nicht, denn ich war in Rottach – die Bilder stammen von dort. Ja, Rottach. In Rottach möchte ich persönlich nicht tot über der Friedhofsmauer der dort begrabenen Altnazis hängen, weil: In Rottach sieht man leider auch, wie es ist. Sturzbetrunkener Nachwuchs der Reichen schwankt, sich an Luxushandtasche festhaltend, im Minikleid durch die eiskalte Nacht in den berüchtigten Nachtclub in der Hoffnung, das von den Eltern bezahlte Sternemenü in sich zu behalten; ein wenig weiter ein junges Paar, sich laut üble Vorhaltungen machend. In der Öffentlichkeit. Sich vorerst einmal nichts mehr schenkend. Ich will das hier nicht wiedergeben, allein: Gute Manieren sehen anders aus. Das hätte es früher nicht gegeben, möchte man fast sagen, aber auch nur fast, denn das ist die Klage von Anbeginn der Zeiten her, das sagten sicher auch schon die Mönche drüben im Kloster Tegernsee und die Altnazis auf dem Friedhof und der Wulff vor Bekanntwerden seines Kredits. Wie man sieht: Es bringt nichts.

Vielleicht sollte man deshalb für 2012 den Vorsatz fassen und sich angewöhnen, dass es eine Art natürlicher Inflation beim Benehmen gibt. Es gibt beim Geld Inflationsziele; man könnte sich auch auf Benehmensziele einigen. Nach 2011 – ich erwähne nur die beim Volk das Vetrauen in die Elite ruinierenden Ausreisser Guttenberg und Koch-Mehrin – sollte es nicht schwer sein, eine Art Grenze festzulegen, was man Ende 2012 immer noch unschicklich findet, und woran man sich besser gewöhnt. Völlig sinnlos scheint es mir, uneheliche Kinder in unseren Zeiten zu verdammen; das wird in 10 Jahren nicht nur Normalität sein, sondern ungeachtet aller Begleitumstände ein Akt der deutschen Arterhaltung auch für jene, die heute noch die Nase rümpfen. Vielleicht sollte man auch Scheidungen etwas lockerer nehmen. Zum Ausgleich kann man ja Alkoholverbote in der Öffentlichkeit erlassen. Sollte das doch einmal die eigene Brut betreffen – so ein Polizist ist eigentlich auch nur Erziehung in Public Private Partnership und deshalb eine gar nicht so üble Einrichtung in einer Zeit, da Mütter unter artgerechter Haltung die Verbringung zum Masskonfektionär verstehen. Auch das ist übrigens eine Sache, bei der Europa, von England und Frankreich ausgehend, obenrum zusammenwächst.

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Ansonsten wird sich natürlich auch 2012 die soziale Schere weiter öffnen und bei der Lockerung der Eliten Spielräume nach unten aufreissen, es wird Staatstragendes gesagt und die Staatsträgerei anderen überlassen, wir stehen alle zu unserer Verantwortung als Bürger und ein dreifaches Hoch auf die Gemeinschaft aller, solange sie nichts kostet ausser ein paar warmen Worten – was ja auch schon etwas ist, in so einer kalten Winternacht.

Danke für die Aufmerksamkeit und das lustige Zusammenzeit hier bei den Stützen der Gesellschaft im Jahre 2011. Und auf ein glückliches, friedliches und und vor allem reiches 2012.

 

 

 

 

Apropos friedlich und reich: Haben Sie übrigens schon an die Anschaffung einer guten Alarmanlage gedacht?