Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Die Schweizer Steuerschweiz und ihre Investoren

Wenn zwei sich streiten, bleibt der Dritte auf der Strecke: Die steueroptimierende Elite ist der grosse, ab jetzt gnadenlos gejagte Verlierer beim Versuch der Schweiz, deutsche Steuerfahnder zu verhaften.

Riches may not make you friends, but they greatly increase the quality of your enemies.
Auric Goldfinger

In Deutschland nimmt man die Quittung mit, weil man vielleicht umtauschen möchte.

In Italien nimmt man die Quittung mit, weil sie einem aufgezwungen wird. Il Scontrino, schallt einem nach dem Bezahlen entgegen. Es ist ein Befehl, und wie alle Befehle, hat auch diese Order ihren Schweinezyklus: Manchmal ist es eher ein Angebot – etwa, wenn man glaubt, dass der Staat die Sache mit dem Steuereintreiben nicht so ernst meint. Ich mein, Berlusconi… Und manchmal bekommt man nichts, wenn man Il Sontrino nicht dazu nimmt. So wie jetzt, da der Staat sich weigert, sich an alte Herkommen zu halten und frecherweise behauptet, er müsse das nicht sportlich sehen. Die Italiener lernen gerade mal wieder schmerzhaft, was es bedeutet, einen teilweise funktionierenden Staat zu haben.

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Es gibt Gerüchte, dass neben den neuen Methoden der Razzien in Yachthäfen und Nobelskiorten auch verdeckte Ermittler unterwegs sind; Südtiroler Beamte der Finanzpolizei sollen sich als Deutsche ausgeben und schauen, ob sie auch Dinge ohne Rechnung und Steuerausweisung bekommen, so, wie das früher normal war. Im Cafe, beim Essen, beim Strassenhändler und in den schwarzen Werkstätten. Auch die Radteams, die zur Finanzierung ihrer Dopingmethoden Material verkauften, legten keine Quittung bei. Das war einmal. Man riskiert gerade wieder viel, wenn ein Kunde den Scontrino nicht annimmt. Also wird er einem aufgedrängt. Zu seinem eigenen Besten. Der italienische Staat braucht Geld. Und er hat keine Skrupel, es sich über so etwas Extravagantes wie Steuern bei seinen Bürgern zu holen. Die kennen keine Gnade, auch nicht bei den Gutverdienenden, den Freunden von Freunden und Angehörigen von Politikern. Rücksichtslos, dieser Staat. Immer auf die Schwächsten.

Die Schweiz ist nicht gerade ein schwacher Staat. Die Schweiz hat international viele Freunde und diese Freunde haben ebenfalls Freunde, sie hat Banken und die Banken machen Kongresse, die für einfliegende Politiker gut bezahlen, so gut, dass sie über das Verhältnis zwischen  der Schweiz und Deutschland von ihrer spanischen Villa aus raisonnieren können. Die Schweizer gelten als schrullig, aber es reicht ja, wenn das Geld dort ist und nicht der Besitzer.  Wenn nur genug Reiche ihr Geld dort deponieren, wird die Schweiz auch weiterhin beliebt und geschätzt sein. Ein nettes Land. Ich habe einmal einen LV-Aktenkoffer auf dem Beifahrersitz gehabt, und am Grenzübergang Chiasso den mich eigentlich durchwinkenden Zöllner nach der nächsten UBS-Filiale gefragt, im offenen Cabrio – die Antwort war, er spreche nur Italienisch und Französisch. Welch herrliches Land, diese Schweiz! Das sollte man mal bei einem deutschen Zöllner in Basel versuchen. Der spricht dann amtsdeutsch und durchsuchungsbefehlig. In allen Dialekten vom Platt bis zum Oberpfälzisch. Denn auch der deutsche Staat ist nicht schwach. Schon gar nicht, wenn es um das letzte Hemd seiner reichen Bürger geht, denen er zufolge meiner Mitbewohner am Tegernsee “alles” nimmt.

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Wie nun hinlänglich bekannt ist, möchte die Schweiz deutsche Steuerermittler wegen des Erwerbs Schweizer Steuerhinterzieherunterlagen verhaften. Und man fragt sich, was eigentlich aus jener Schweiz wurde, die da in Chiasso den Koffer nicht sah und nicht verstand, wonach ich fragte. So nämlich läuft das Geschäft, diskret und ohne laute Wortmeldungen. Man sagt ja, das Kapital sei ein scheues Reh, das jeden Jäger fürchte und bei jedem Knacks davonspringe: Momentan rattern da Panzer aufeinander zu, und das Reh begreift, dass es angesichts von 105mm-Sprenggranaten dieses Konflikts der schwächste aller Kampfteilnehmer ist. Mag der Schweizer Panzer auch seinen Schutz wollen und nicht knackbar sein, wenn man im Inneren sitzt: Das Reh befindet sich hoheitlich im Revier, in der Schussdistanz der Deutschen. Und es überlegt sich gerade, wie denn diese deutschen Ermittler im Zweifelsfall auftreten werden, wenn man ihnen nicht nur Geld schuldet, sondern auch der tiefere Grund für den Versuch ihrer juristischen Verfolgung ist. Ermittler, Staatsanwälte und Richter können vieles entscheiden: Wie mag ihnen wohl so ein Haftbefehl der Schweizer auf ihr Gemüt schlagen?

Die Schweizer, keine Frage, haben sich die Sache als Nation überlegt. Sie sind stolz, sie sind souverän, sie lassen sich nichts gefallen, sie wehren sich. Das ist schön für die Nation und das Gefühl, zusammen im besten aller möglichen Länder zu stehen. Es zeigt auch den hier Investierten: Schaut her, wir riskieren für Euch einen Krieg.Mit denen, denen ihr im Zweifelsfall nachher hilf- und schutzlos ausgeliefert seid. Vielleicht sperren wir sogar, wenn alles hinhaut und die FDP sich für die Auslieferung einsetzt, drei von Euren Verfolgern ein! Der Deutsche kann sich überlegen, ob das die verbleibenden Ermittler eher einschüchtert. Oder erst recht anspornt. Und ob die Schweiz genug Gefängnisse und die FDP genug Lebenszeit hat, um alle deutschen Ermittler einzusperren. Nun… eher nicht. Vielleicht möchte mancher FDP-Politiker ausliefern, aber wer hier in Deutschland lebt, ist schon ausgeliefert. Gar nicht auszudenken, was wäre, wenn die Liste mit den Namen der Sünder bekannt werden würde.

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Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Schweiz ist am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt. Für die Reichen kommt dabei nichts heraus. Und die Deutschen können zurückschlagen, denn auch so ein Schweizer Bankenmitarbeiter muss mal sein Heimatland verlassen. Vermutlich haben die Vermittler auch viele Fragen an Schweizer Helfer. Man hat bislang auch darauf verzichtet, Geldhäuser den Medien zum Frass vorzuwerfen. Die fraglichen Mitarbeiter könnten vermutlich sehr viel aussagen, sie könnten wochenlang Talkshowstars werden, und danach wüsste man über vieles Bescheid, was bislang noch gnädig verborgen liegt. Das kann kein Vermögender ernsthaft wollen. Ein Profit ist da einfach nicht erkennbar. Nur eine Nation, die gekränkt ist. Und einen Fehler macht. Zu Ungunsten derer, die ihr vertraut haben.

Wenn also schon keiner an diejenigen denkt, um die es eigentlich geht, wenn alle nur tosen und herumknallen – ist vielleicht der richtige Zeitpunkt, an das zu denken, was wirklich wichtig ist: Man selbst.  Es gibt ja auch noch andere Nationen, die nicht mit aller Macht versuchen, das Licht der Öffentlichkeit auf ihre Investoren zu lenken und darauf hinweisen, dass man irgendwann durch diese hohle Gasse kommen muss. Die Schweiz, das war einst das Steueritalien der Deutschen ohne Scontrino und Finanzpolizei, aber heute ist es nur noch Ärger, Missgunst und indiskretes Verhalten. Man muss vor diesen Entwicklungen gar hoffen, dass die Deutschen nicht von den Italienern lernen und alle aus Luxusgefährten zerren, um zu schauen, ob diese auch zur Steuererklärung passen. Wissen die Schweizer, was am tegernsee da los wäre? Wo bleibt da der Sport, fragen die Betreffenden zurecht. Das ist kein Spiel nach den alten Regeln. Das ist Krieg. Da gibt es Gewinner und Verlierer und welche, die auf der Strecke bleiben, und diese Strecke ist kein wildromatischer Alpenpass im Tessin.

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Mag die Schweiz also Haftbefehle ausstellen und CDs jagen, mag sie Schwerkriminelle amnestieren, um Platz für Deutsche zu haben: es hilft nichts. Die Sache ist viel zu laut und viel zu öffentlich geworden, man liest darüber sogar in Blogs bei der FAZ und wird Thema im TV und vieles andere, wozu man sich eigentlich lange Zeit zu reich und zu sicher wähnte,

Mann muss auch einmal aufhören können. Sich zurückziehen. Es gut sein lassen. Zumal, wenn es wirklich nicht mehr schick ist, mit solchen, also wirklich unbeherrschten Leuten gesehen zu werden. Die Schweiz war einmal anders. Sie war schön und verschwiegen und jene Schweiz, von der man sagte, sie würde anderen Regionen den Namen geben. In 30 Jahren ist sie vielleicht wieder eine schöne Erinnerung, wie man damals mit der S-Klasse… aber im Moment fühlt man sich dort wie die Puppen in der Kirche Maria delle Grazie bei Mantua.