Geht es auch eine Nummer kleiner?
fragt der Herr aus dem Reichshauptslum. So stelle ich mir dort die Lobbyisten vor: Schnellgangstudenten mit Jura und BWL, denen der Abschluss alles und Allgemeinbildung nur Zeitverschwendung ist. Da kommt dann sowas raus. Jeht es ooch nö Numma kleena wa, kommt einem also diese Person entgegen. Wohl fühlt er sich vermutlich mit praktischem Einweggeschirr, wenn er nicht gerade auf einem Event ist. Solche Leute rüpeln dann auch „Geht es auch eine Nummer kleiner?”. Bei uns würde man sagen „Könnten Sie bitte Ihren Ton mässigen”, oder „Sicher, pardon, das war natürlich etwas überspitzt formuliert, aber ist es nicht doch so, und sollte man nicht vielleicht auch bedenken…” – aber Stefan Bach ist Ökonom und Berliner und arbeitet beim DIW und schreibt so etwas in die Zeit, weil er sich nicht vorwerfen lassen möchte, er argumentiere mit seiner Vermögensabgabe ab kleinen 250.000 Euro mit einer Hunnentaktik – aber bitte, heute ist Sonntag, das Wetter in Bayern ist schön, wer wird denn streiten wollen, geben wir es ihm eine Nummer kleiner:
Die Zeiten der Völkerwanderung mit unfreiwilligen Wirtsgesellschaften und ungehobelten Barbaren waren lang und unerfreulich, es gab auch schon damals noch jede Menge Volkstum aus der Grossregion des Ostens, wo Berlin heute steht, Ostgoten, Awaren, Burgunder, Gepiden, Langobarden – und Wandalen. Kleiner als die Hunnen, unbedeutender, aber genauso unfähig, wirtschaftliche Zusammenhänge zu begreifen, immer nur auf Plündern aus und fern aller langfristigen Überlegungen. Doch, es geht eine Nummer kleiner, die Wandalen passen ganz gut zu dem DIW, das in der Armut des Spreesumpfes kein Mass mehr kennt. Reiche beginnen bei 250.000 Euro, pardon, aber wie arm muss man sein, wenn man das so argumentiert? Nach dieser Definition wären hier, wo Gesellschaft noch floriert und gedeiht. Putzfrauen reich und Bandarbeiter enorm reich. Dem Wandalen des 5. Jahrhunderts erschienen schon kleine römische Grenzstädte verlockend, den DIWandalen aus Berlin dagegen erscheint alles als Vermögen, was nicht in Berliner Art zur Miete leben muss, weil es keine Alternative gibt – und dann ziehen sie eben los und möchten alles, was nicht niet- und nagelfest ist, berauben.
Ohne zu verstehen, dass sie damit alles, was ihnen verlockend erscheint, zerstören. Ich habe extra in meinem Umfeld gefragt, als da wäre die kleine Selbstständige, die gerade eine selbst genutzte Wohnung abbezahlt hat – die würde sich bedanken, wollte man ihr jetzt aufgrund der Preissteigung der Immobilie, von der sie nichts hat, nochmal ein paar Tausend Euro abverlangen. Sie müsste dann eben Schulden machen, bei einer von den Plünderungsplänen ausgenommenen Bank, und Zinsen dafür zahlen, an jene Bank, und die wiederum macht sicher Kongresse, bei denen sich die Wirtschaftsinstitute herumtreiben und ihre Wandalenideologie verbreiten. Das betrifft den Bandarbeiter in meiner Heimatstadt, das betrifft das ältere Ehepaar, das etwas für die Rentenergänzung zurückgelegt hat, und viele andere, die dem Wohlstandsversprechen der BRD jene ominöse Summe abtrotzen konnten, und nun angesichts der Flucht ins Betongold klar darüber liegen. Keiner von denen ist ein Gewinner der Umverteilungsprozesse, sie waren nur sparsam und haben brav ihre Kredite bedient. Vielleicht sollte man sich von den 250k verabschieden und eine vernünftige Summe für den Reichtum nennen. Unter einigen Millionen brauchen wir da gar nicht anfangen.
Aber wie es nun mal so ist: Auch hier musste ich mich eines Besseren belehren lassen. Denn auch die armen Millionäre – das sind die, die sich kategorisch für Mittelschicht halten und immer jemanden kennen, der wirklich reich ist – können aus langjähriger Erfahrung ihr Vermögen klein und unscheinbar machen. Vermutlich, weil vor den Plünderungshorden des DIW schon anderes Diebsgesindel vor den Türen auftauchte, Zeitschriftendrücker, Staubsaugervertrter, Anbieter geschlossener Immobilienfonds und die Esoteriker der Gewinne durch Lehmann-Zertifikate: Hat man nichts, gibt man sich zumindest den Anschein, nichts zu haben, dann verschonen diese Gestalten einen und ziehen weiter zu den Toskanabunkern mit den Chromringen an den Säulen. Solche Anlageexperten, die eignen sich eher für jene, die gerade zu Geld kommen, klassische Umverteilungsgewinner, die Zeitschriften wie Euro am Sonntag oder Geldidee lesen und sich mit Luxusuhren auskennen. Die brauchen so etwas. Unsereins dagegen weiss, dass es zwar langt, mehr aber auch nicht.
Denn eigentlich hat man so gut wie nichts. Ein klassisches Beispiel sähe etwa so aus: 250m²-Villa in der besten Lage einer süddeutschen Stadt. Da werden manche denken, sind diese Leute aber reich. Trauriges Faktum aber ist, dass solche, in den 60er und 70er Jahre gebauten Villen auf grösseren Grundstücken überhaupt nichts mehr wert sind. Momentan werden sie von Bauträgern weggeschoben und durch Toskanaklötze mit 8 Wohnungen ersetzt. So eine Villa ist da nur ein Kostenfaktor beim Abbruch. Mag man, unkundig von aussen wandalierend, auch an Vermögen denken: Diese Villen verursachen später einmal Kosten in Höhe von 50.000 Euro, aber auch nur, wenn nicht noch ein Schwimmbad im Keller entfernt werden muss. Da ist also kein Vermögen, keine dreiviertel Million. Und selbst, wenn man es so verkaufen könnte, wo sollten die Bewohner dann hin? Es ist selbst genutzt. Da hat man nichts von diesem „Vermögen”, das ist nur eine theoretische Zahl. Ein altes Haus.
Nun mag so ein Wandale sagen: Dann gehen sie doch in ihre Zweitimmobilie. Also ob man so etwas besitzen würde. Man hat keine Zweitimmobilie, in der Altstadt steht halt noch das ganz alte Haus. Ein Groschengrab, das dauernd saniert und restauriert werden muss. Es ist so teuer, dass der Staat den Unterhalt steuerlich begünstigt, wegen Denkmalschutz. Und somit ist das kein Vermögen, von dem man herunterbeissen könnte, sondern ein unverkäuflicher Dienst an der Gemeinschaft. Vermögen wäre es, das Ding heiß mit einer Gasexplosion zu sanieren, die Versicherungssumme zu nehmen und dann ein Renditeobjekt in die Stadt zu klatschen. So, wie es jetzt ist, sind es 50 allenfalls an Studenten vermietbare, aber unverkäufliche Räume. Man kann nicht einfach die 400.000 Euro, die hier für 100m² Altstadtwohnung veranschlagt werden, auf ein Collegium mit 1000m² hochrechnen, wo allein schon das historische Treppenhaus 200 m² verschlingt. Das Ding ist unverkäuflich. Das tun sich nur so verrückte Familien an, statt ihr Geld dorthin zu bringen, wo es jeder hintut – aber dort kommt kein Wandale hin, deren Macht endet an der Schweizer Grenze. Weiterhin ist da also kein Vermögen. Nur Verluste bei jedem Handwerkerbesuch.
Sicher, Geld ist da. Ein wenig. Das aber muss man vorrätig haben, wenn etwas passieren sollte. Bei solche Immobilien braucht man immer wieder mal 100.000 Euro, Sanierung, ein Dach, Wärmeisolierung, das alles ist also kein Reichtum, sondern nur kleine Sicherheit am Rande des finanziellen Abgrunds. Hätte man es nicht, man könnte die Häuser nicht halten. Man kann das also keinesfalls mit einrechnen. Zumindest nicht, bevor es eine halbe Million übersteigt. Ungläubige Wandalen können sich gern die Rechnungen vom letzten Dachdecker anschauen. Nur, weil man etwas Geld auf der Bank hat, ist das noch lange nicht verfügbar. Das mag beim neureichen Mitleuten anders sein, aber die kennen wir nicht.
Was? Was soll da noch sein? Wohnungen in München? Nichts da, das Studentenwohnungen der Kinder, längst, genauer gesagt, vor dem letzten Raubzug mit drohenden Verkehrswerten bei der Erbschaftssteuer überschrieben. Aktien und Anlagen? Reste früherer Fehlentscheidungen, übelst gerupft durch die Krisen und Inflation, da hat man schon geblutet, wieso sollte man jetzt nochmal zahlen? Und ausserdem sollte der Staat doch froh sein: Kommt irgendwann der Pflegefall, und die Rente reicht nicht aus, dann zahlt man das eben selbst. Da liegt man niemandem auf der Tasche, das ist ein Dienst an der Allgemeinheit, da ist nichts zu holen, wir geben nichts. Sollte das DIW das aber anders wollen, müssten wir noch einmal mit dem Ministerpräsidenten darüber reden, wieso die einen zuzahlen müssen, und die anderen, die nichts haben, nicht – das ist hier bei uns nur ein Ratsch auf dem Wochenmarkt, und dann wackelt Berlin. Übrigens sollte man sich auch klar darüber sein, dass die horrenden Kosten, Kosten und nochmals Kosten für die kleine Hütte am Ammersee nur deshalb so hoch wurden, weil der Park, der Tennisplatz, das medizinische Whirlbad und das Bootshaus auch senioren- und behindertengerecht sein mussten. Auch das kann man nicht als Vermögen betrachten, ganz im Gegenteil: Sollte das verkauft werden müssen wegen der Wandalen, wären das preismindernde Einbauten. Verluste, wirklich schlimme Verluste. Und sonst? Die Bilder von der Tant’ Agnes? Man war arm, man konnte sich 1740 noch keinen Photographen leisten, deshalb ist das auf Öl, aber kein Wertgegenstand. Die Skulpturen? Die waren im Haus in der Altstadt dabei, und Barock ist doch eh nichts wert, alle wollen Leipziger Schule. Man wird doch sicher auch nicht anfangen wollen, wegen ein paar lachhaften Kilo Tafelsilber, alles nur geerbt, herumtun zu wollen. Und die Autos sind auch schon fast schrottreif. Was ist denn der Zeitwert von so einem Mercedes aus den 50er Jahren, der nicht mal ein Dach hat? Nix.
Und so weiter. No DIWandals allowed, das werde ich jetzt jetzt auf Messingschilder gravieren lassen und im Bekanntenkreis vertreiben, dafür gibt es Bedarf, und wenn sie doch kommen sollten, wird man ihnen schon erklären lassen, wieso es hier nichts zu holen gibt. Vom Personal aus dem Osten, die sprechen dann deren Sprache, nehme ich an, das kommt ja auch aus so Regionen, ist aber mit ein paar hundert Euro pro Woche und der kleinen Einliegerwohnung zufrieden, und kann, falls es sich nicht benimmt, zum Teufel gejagt werden. Und wenn die DIWandalen auf Raubzug gute Argumente zum armen Leben bei uns in den Vorstädten nicht überzeugen, helfen vielleicht Stücke aus der wertlosen Büchsensammlung vom Opa. Vielleicht sollte man jetzt doch noch den offenen Kamin in die Halle bauen lassen, dann hat man noch weniger, und kann die Schiessprügel endlich mal aufhängen, wo sie in Griffnähe sind.
Auch für arme Menschen sind das nämlich harte Zeiten. Wenn das alles nicht helfen sollte, da haben sie sich schon informiert, machen sie eben eine Immobilien-GmbH auf. Unternehmen wollen die DIWandalen nämlich ungeschoren lassen.