Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Zur Fairdummung

Keine Woche ohne neue Enteignungsträume: Diesmal wünschen sich Gewerkschaften und Sozialverbände flockige Bildung, lauschige Infrastruktur und schicken Ökostromausbau, um das Vermögen der Reichen umzuverteilen. Das soll angeblich funktionieren, sagen sie.

Ho! Ho! Ho-Chi Min!

Es gibt einfach zu viele reiche Menschen in Deutschland – man sieht es jeden Tag. Kaum hat man sich unter der Woche gegen 10 Uhr aus dem Bett erhoben, geht es schon los: Vor der Terrasse marschieren rustige Menschen über 70, die nicht arbeiten müssen, auf dem Heilklimawanderweg vorbei. Missmutig greift man zur Silberkanne und denkt sich: Was tun die hier und warum muss die Sonne für alle scheinen? In der Post der übliche Spam der hiesigen Immobilienmakler: Ob man nicht vielleicht verkaufen möchte? Vermögende Personen suchen eine Wohnung und zahlen gut, wenn man sich zu den anderen Armen an den Chiemsee oder noch schlimmere Wohnlagen weggentrifizieren lässt. Und ohne geheime, französische Quelle wäre es im Moment auch vollkommen unmöglich, eine Gemäldesammlung zu erweitern: Die Reichen dieses Landes kaufen auf Auktionen alles, was eine Losnummer hat. Es ist wirklich schlimm, mit diesen Reichen. Sie lassen unsereins kaum Platz zum Leben. Man sagt, man müsste wenigstens kein Depot für Bilder anlegen, zumal auch gute Kunsthistoriker für Privatsammlungen nicht mehr so billig sind: Ja danke auch. Wer will schon solche Sorgen haben, ob man zu Ann-Sophie noch eine Amalia-Auguste als Praktikantin engagiert?

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Nun gibt es, das weiss man seit Lenin, natürlich durchaus Möglichkeiten, die Reichen kontrolliert zum Verschwinden zu bringen, ohne sie gleich mit einer riskanten und nicht einschätzbaren Finanzkrise zu ruinieren, wie das die gute, deutsche Tradition den ersten Hälften des 20. und 21. Jahrhunderts war. Man muss umverteilen, radikal und dauerhaft. Trotzki dachte sogar etwas weiter, und sprach von der permanenten Revolution, der anhaltenden Wachsamkeit gegen neue Macht- und Bereicherungsstrukturen. Das alles musste eben so lange weitergehen, bis die Gleichheit und Freiheit aller erreicht war, und jeder Überlebende nicht nur anhand der Alternativen die Vorteile erkennt. Wer hat, dem wird genommen, und wer nicht hat, dem wird zugeteilt, das ist gerecht, sagen manche, und weil hier noch zwei Meter rokokofreie Wand sind, möchte ich natürlich auch wissen, wie das Gemeinwohl auf Kosten der Fettabsauger in Rottach diesen Umstand zu beheben gedenkt. Dafür gibt es nach dem Ende der Occupy-Camps auch eine neue Bewegung.

Vermögen besteuern – informieren Sie sich!

Warum sollten wir Vermögen besteuern? Wieviel kann das bringen? Und gab es das nicht schon einmal? Lesen Sie mehr in unserer Plattform…

So kündigen es Gewerkschaften, Sozialverbände, Parteigliederungen und andere Organisationen an, die am 29.9. zu einem bundesweiten Aktionstag aufrufen. Dahinter ist ein Link, und wenn man darauf klickt, liest man als Kernvorschlag der Umfairteilung der Vermögenstorte:

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Die gigantischen Vermögen, die selbst in Krisenzeiten weiter wachsen, werden kaum oder gar nicht besteuert. Jetzt müssen endlich auch die großen Vermögen an den Kosten der Krise beteiligt werden, am besten europaweit: Mit einer einmalige Vermögensabgabe, die einen substanziellen Teil der großen Vermögen zugunsten des Gemeinwesens umverteilt. Um dauerhaft bedeutende Finanzmittel für die öffentlichen Aufgaben aufzubringen und der sozialen Ungleichheit unserer Gesellschaft entgegenzuwirken, muss wieder eine Vermögenssteuer erhoben werden. Steuerflucht muss konsequent bekämpft werden, Steueroasen müssen ausgetrocknet werden.

Eine Politik für mehr Gerechtigkeit erfordert zudem wieder höhere Steuern auf hohe Einkommen und große Erbschaften, eine wieder höhere Besteuerung finanzstarker Unternehmen sowie von Kapitalerträgen, und eine Transaktionssteuer auf Finanzmarktgeschäfte aller Art. EU-weit brauchen wir Mindeststeuersätze.

 

[Pardon, kein Bild, mir ist beim Lesen die Kamera aus der hand gefallen]

 

Ah ja. Da wird es finster, das füllt nun nicht gerade die Südwand mit Ölgemälden. Das sagt aber auch wenig Konkretes. Einmalige Abgabe – auf was und in welcher Höhe? Wo fangen im Moment diese Vermögen an? Bei der Preisblase der Immobilien, die gerade jenes kritisierte freie Kapital aufsaugen, das Angst vor den Finanzmärkten hat und dann von den Klagenden mehr Miete haben möchte? Bei den Verkehrswerten, die auf einen Schlag die Hausbesitzer (man denke an Wohnriestern und Bausparer) abgabepflichtig machen? Und was bitteschön ist ein substanzieller Teil der grossen Vermögen? Ich frage nur, denn auch bei Pol Pot marschierten manche für ein neues System der Umverteilung mit, das nicht jedem dann in der konkreten Ausführung gefallen hat, denn der Bruder Nummer 1 blieb da theoretisch erst mal schwammig. Überhaupt, radikale Umverteilungen der Geschichte hatten oft die Neigung, jene zu treffen, die meinten, Vorteile davon zu haben. Man wird doch wohl noch fragen dürfen.

Schön wäre es auch zu wissen, wo das Geld – wieviel und von wem auch immer es sein mag – hinfliessen wird. „Um dauerhaft bedeutende Finanzmittel für die öffentlichen Aufgaben aufzubringen und der sozialen Ungleichheit unserer Gesellschaft entgegenzuwirken” macht für mich den Anschein, als wäre man sich noch nicht ganz klar, wer hier der Nutzniesser in welcher Reihenfolge sein würde. Wie dann die Ungleichheit zu bekämpfen ist, steht da auch nicht. Bitte, es ist nicht so, dass ich Marx das Wort reden wollte, aber der wusste genau, wie er die Gesellschaft umbauen wollte. So, wie das hier zu lesen ist, ist das ein klein wenig beliebig, etwas für den König, etwas für mich, oder wie auch immer. Auf den Staat würde ich da übrigens nicht setzen wollen, da muss man sich nur mal reiche Länder wie Bayern anschauen: Man schwimmt im Geld, und dennoch wird zum Abitur hin gnadenlos ausgesiebt und über Lebenswege vorentschieden. Noch mehr Geld für diesen Staat? Also, ich habe meine gelinden Zweifel, ob der dann wirklich alles daran setzt, die Ungleichheit zu bekämpfen. Dann gibt es eher neue Exzellenzinitiativen. Wenn man schon zahlen muss, wäre im kommenden Enteignungsgewitter eine Zweckbindung irgendwie sinnvoll.

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Bund, Ländern und Kommunen fehlt das Geld, notwendige öffentliche und soziale Leistungen zu erbringen, ausreichend in Infrastruktur, Bildung und ökologischen Umbau zu investieren und mehr Mittel für den internationalen Ausgleich zwischen Arm und Reich bereit zu stellen.” steht da weiterhin ungenau. Was damit gemeint sein kann? Stuttgart21, Flughafenzusatzkosten Berlin, die Werbung für die dritte Startbahn in München, der Ausbau der natürlich fliessenden Donau zwischen Passau und Vilshofen zur Wasserstrasse, Transrapid, mehr Nachtflüge über Frankfurt, um gegen die Saudis bestehen zu können… das sind die letzten teuren Infrastrukturmassnahmen, die mir so im Gedächtnis geblieben sind. Oder ökologische Innenstadtmobilitätskonzepte, wie sie VW, BMW und Mercedes im Moment entwickeln, weil die Kommunen das nicht beherrschen? Bildung, war da nicht etwas mit Bildungsgutscheinen und Kitas, die nicht fertig werden, und Studiengebühren in Bayern, die nicht abgerufen werden, und die Neigung der Politik, private Universitäten fürstlich zu fördern? Oder unser famoser Biotechcluster, in dem die bayerischen Privatisierungserlöse versanken, als wäre es der Medienhafen in Düsseldorf, oder all die schönen New-Media-Schulen? Solche Bildung? Und dieser ökologische Energieumbau, heisst das, dass man jetzt wieder den gleichen Industriekomplex subventionieren soll, der aus der subventionierten Atomkraft aussteigen musste? Wie wirkte sich das in Vergangenheit auf die Schere zwischen Arm und Reich so aus? Hm.

Pardon. Ich weiss natürlich, dass es ein ernstes Anliegen ist. Und ich glaube auch, dass man wirklich weitreichende, visionäre Entwürfe haben muss, um solche Massnahmen zum Erfolg zu bringen. Stalin, Mao, aber auch Abweichler wie Tito haben das mit klarer Sicht vermocht. Alles, was sich in Ausschüssen kleinreden lässt, wird so werden wie das Steuerabkommen mit der Schweiz oder das Erbschaftsrecht, ein ehernes Alibigesetz mit goldenen Schlupflöchern. Aber die Vorstellung, es den Reichen zu nehmen und dem Staat zu geben, damit es bei den Ärmeren ankommt, ist ein wenig optimistisch, um es höflich auszudrücken. Die Stromleitung, die Autobahn, das Verkehrsmanagementsystem kommt nun mal nicht aus Berlin Marzahn. Und die letzen grossen Regionalmassnahmen des Staates – Treuhand und Aufbau Ost, auch genannt „blühende Landschaften” – zeigen doch sehr deutlich, dass die Einnahmen im Vergleich zur Verteilung das kleinere Problem sind. Privatwirtschaft ist nun einmal gewinnorientiert, und Ulbricht wusste schon, dass ohne Planwirtschaft, VEB und Kollektivierung die ganze Umverteilung wenig Sinn macht. Man müsste schon etwas weiter denken, will man dafür sorgen, dass das umverteilte Gut beim sog. „Gemeinwesen” bleibt, und der Druck auf denen lastet, die weiterhin, vorerst noch besitzen.

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Soviel jedenfalls ist klar: Die Initiatoren haben nicht das Wohl meiner weissen Wand im Sinn, und sollte es soweit kommen, wird man hier auf italienische Weise dafür sorgen, dass die Verkehrswerte schnell wieder beim notariellen Vertrag niedrig sein werden. Es ist nicht so, dass ich nicht das Dilemma sehe: Da sind gigantische Schulden und Haftungsrisiken, und an den Schulden hängen Versicherungen und Renten und Wirtschaftszweige, die systemrelevant sind. Es wird bitter werden, es wird teuer werden, auch für die Reichen, auch ohne Abgaben: Am meisten Gefallen haben demokratische Staaten nämlich nicht an internen Umverteilungskriegen mit Regierungswechseln, sondern an scheindemokratischen Währungsreformen, die alle scheinbar gleich unzufrieden machen. Wir werden bluten, und es werden Tage kommen, da wir uns alle wünschten, wir könnten uns wieder über die Silberkanne hinweg über Luxusrentner aufregen.

Man würde sich daher wirklich erbitten, dass diese grossen Organisationen schlüssige Lösungen und Konzepte hätten. Vorschläge, die man durchrechnen kann, und Modelle, über die sich Wissenschaftler streiten. Irgendwas, das einem klar sagt: Das sind sie Kosten, das sind die Risiken, das sind die Ziele, das sind die Vorteile. Statt dessen kommt so ein, man sehe mir das nach, unausgegorenes Gewäsch, geistvoll wie die Bildzeitung und durchdacht wie ein Rettungsschirm der EU. Ich denke, den meisten Reichen ist sehr deutlich bewusst, dass sie mit ihrem Vermögen voll dem Risiko des Totalverlustes ausgesetzt sind. Niemand will eine Abgabe, aber noch weniger will man Rekordinflation, unbegrenzte Haftung für Italien und Spanien oder einen Währungsschnitt. Sie haben Angst, und wenn man ihnen die Unsicherheit nehmen könnte, würden sie sich auch mit sicheren, begrenzten Verlusten abfinden, um stabile Verhältnisse zu bekommen. Die letzten fünf Jahre waren kein Spass. Aber was dort unter Fairteilung zu lesen ist, ist eine seltsame Vorstellung, dass durch mehr Geld für den Staat auch automatisch mehr Reichtum für alle entstünde. Und wenn das nicht funktionieren sollte, muss man eben noch mehr Steuern eintreiben, und noch ein Winternotopfer eine Sonderabgabe leisten. Dann machen sie noch einen Aktionstag gegen die Restbesitzenden, und fordern neue Umverteilung.

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Ich fordere schon heute. Eine Umverteilung von Intelligenz, konkreten Ideen, klaren Vorstellungen und wenn es sein muss, sogar Lenins „Was tun” von meinem Bücherschrank zu diesem Fairein. Ich habe nichts gegen linke Ideologie und Umverteilung von Kunst. Nur etwas gegen dumme Parolen. Die Linke darf von mir aus dumm sein, aber sie sollte wenigstens eine Ideologie haben, bei der man weiss, woran man ist.