Der Text ist rein fiktional, alle Charaktere sind frei erfunden und ausserdem meinten meine Anwälte, ich sollte auf keinen Fall die originalen Schreiben der Frau U. hier verwenden.
Liebe Frau U.,
zu meinem grossen Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass auch der von uns beauftragte Handwerker R. wie schon die Stadtwerke keinerlei Fehlfunktion an den Zählern feststellen konnte. Insofern müssen wir leider den Realitäten ins Auge sehen: Der Verbrauch war wohl wirklich so hoch, und woran es lag, kann ich auch nicht beurteilen. Zwei Kühlschränke, die Beleuchtungsanlage im Garten, die Solariumstation, die Sie mir gezeigt haben, dieser Beamer in Ihrem Wohnzimmer, das alles frisst natürlich Strom, wie der Brunnen Wasser verbraucht. Sie können natürlich gern auch den Anbieter wechseln, wenn Sie möchten, der Vertrag ist vom Vormieter übernommen, und es gibt gar keinen Grund, dass diese Kosten noch über uns laufen. Das kommt noch von einem alten Rahmenvertrag.
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Liebe Frau U.,
natürlich hat sicher auch der Boiler im Bad ein klein wenig zu Ihrem Verbrauch beigetragen, aber auch Ihre Vormieterin hatte warmes Wasser, und dennoch keine derartig hohe Nachzahlung. Der Boiler ist, wie das ganze Bad, jetzt 14 Jahre alt und entspricht immer noch allen Vorschriften; er war wie auch die sonstige Einrichtung zudem nicht ganz billig, und die Wartung hat keinerlei Probleme gezeigt. Ihr Vorschlag, den Boiler zu entsorgen und dann auch noch „das dreckige, alte Schimmelbad” zu entfernen, wie Sie es meinem Sohn am Telefon erklärten, kann ich deshalb leider nicht nachkommen. Ach so, sollte ich das auf der Hausabrechnung vergessen haben: Die Kontonummer für die Nebenkosten lautet…
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Liebe Frau U.,
danke für die Übersendung des Kostenvoranschlags für ein neues Bad. Ich habe ihn meinem Sohn gezeigt, der sich gerade überlegt, sein 50 Jahre altes Bad renovieren zu lassen, und der daraufhin sofort Abstand von der Idee genommen hat. 18.000 Euro sind, wie Sie sicher verstehen, eine enorme Ausgabe, und entspricht anderthalb Nettojahresmieten, wenn es dabei bliebe. Leider hat die gleiche Firma schon beim Verlegen eines – so eigentlich nicht abgesprochenen – Wasserrohres im Garten für Ihren Springbrunnen so deutlich über ihrer Einschätzung gelegen, dass ich sie nicht einmal beauftragen würde, wenn ich denn beabsichtigte, das Bad neu machen zu lassen. Das bestehende Bad ist ordentlich, gross, hat Dusche und Wanne, und wir haben damals schon auf zeitlos elegante Fliessen geachtet. Im Ernst, im Anhang ist ein Bild von meinen Fliessen am Tegernsee – 1973, vielleicht etwas schräg, aber gepflegt und wird weiter genutzt. Eine kleine Bitte noch: Könnten Sie eventuell nachschauen, ob die Nebenkosten schon überwiesen sind? Vielleicht liegt es ja an der Bank…
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Liebe Frau U.,
ich muss mir mal ein neues Telephon am Tegernsee anschaffen. Irgendwie tütet es immer nur, wenn ich abhebe, und den AB kann ich auch nicht abrufen. Ich verstehe zwar nicht, warum die anderen hier immer durchkommen, Sie aber nie, aber technische Dinge sind nicht so meins – Sie sehen ja, ich schreibe immer noch mit der Schreibmaschine (und vielleicht habe ich auch nur die Nebenkosten einfach nicht gefunden? Könnten Sie bitte noch einmal nachforschen?). Mein Sohn hat mich jedenfalls informiert, dass Sie ihn auf die Schnelle besucht und betont haben, „die Kloake” nicht mehr ertragen und sich freundlicherweise mit 2000 Euro am Jakutsi Modell „McWINKs Vollcheck” beteiligen würden, um die Kosten für eine Totalsanierung zu deckeln: Wie ich im letzten Brief schon sagte, sehe ich dafür im Moment leider keinerlei Möglichkeiten, und möchte auch darauf verweisen, dass ich mich keinesfalls mit einer Gestaltung in Schwarz und Gold anfreunden kann. Modern mag es sein, aber das Moderne veraltert schnell, und wenn es dem nächsten Mieter nicht gefallen sollte, bleibt das Problem an uns hängen.
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Liebe Frau U.,
zuerst zwei kleine Bitten; die Nebenkostennachzahlung wäre wirklich freundlich. Und dann habe ich von einer Freundin gehört, in der Nachbarschaft machten Gerüchte die Runde dahingehend, dass wir selbst nicht gerade in sauberen Verhältnissen hausten, „ruachard” wären und somit unseren Mietern moderne Installationen verweigern. Sollten Sie dergestalt angesprochen werden, würde ich Sie sehr bitten klarzustellen, dass es sich um üble Nachrede handelt. Wer es nicht glaubt: Die Wohnung meines Sohnes war vor zwei Monaten in einer grossen Tageszeitung als Vorbild für Wohnen im Denkmal zu sehen, und es ist nun mal so, dass er lieber noch ein Bild kauft, statt ein neues Bad zu bezahlen.
Womit wir beim Thema Ihres Schreibens sind: Ja, dass die Fugen dreckig sind, sehe ich an den Bildern auch. Würde Ihre Putzfrau aber eine alte Zahnbürste und genug Reiniger nehmen, und einmal die Fugen entlang reiben, wäre das schnell wieder sauber. So machen wir das nämlich auch. Und zwar ohne auf die Idee zu kommen, jemanden anzuschreiben und anzudeuten, dass die gestiegenen Kosten für die Instandhaltung des Bades eigentlich von der Miete abzuziehen wären. Ich habe in der Sache vorsorglich nachgefragt und muss Ihnen leider mitteilen, dass die Rechtslage auch bei mieterfreundlicher Auslegung dergleichen nicht zulässt. Insofern ist die aufgemachte Rechnung, wie sich das neue Jacuzzi (danke für die Berichtigung, wir kennen hier am Tegernsee nur Badewannen, wir sind einfach etwas rückschrittlicher als in die Provinz verschlagene Metropolitaner wie Sie) durch Verzicht auf Mietminderung auch für mich refinanzieren könnte, nicht wirklich hilfreich.
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Liebe Frau U.,
selbstverständlich können Sie den Mieterverein aufsuchen und dort das vortragen, was Sie schon meinem Sohn gesagt haben. Trotzdem muss ich leider auf den Nebenkosten bestehen, das hat mit dem Bad nichts zu tun, auch wenn Sie nicht müde werden, das Energieproblem im Boiler zu sehen. Ganz wie Sie es wünschen. Ihr Anerbieten, mich hier am Tegernsee besuchen zu kommen und „mir mal ordentlich die Meinung zu sagen über die Bruchbude” muss ich an dieser Stelle allerdings ablehnen – ich habe wirklich viel zu tun. Mein Sohn hat das Haus besichtigt, es gibt dort keime Baumängel, und Ihr Kompromissangebot, wenigstens im ersten Schritt den Jacuzzi einzubauen, und dafür die Nebenkosten zu bezahlen und auf den Gang zum Mieterverein zu verzichten, kann ich allein schon aufgrund der neuen Wünsche nicht annehmen – das Modell „McWINKs Crauleur d’Oefs” ist gleich doppelt so teuer. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis: Dieses Haus wurde so vermietet, wie es ist, und wenn es Ihren hohen Ansprüchen nicht genügt, werde ich Ihnen sicher nicht im Wege stehen, wenn Sie sich ein Ihnen angemessenes Ambiente beschaffen.
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Liebe Frau U.,
das mit dem Mahnverfahren wegen der Nebenkosten war leider nötig, nehmen Sie es nicht persönlich, aber die neue Hausverwaltungssoftware macht das automatisch. Früher war das anders, aber wir haben jetzt umgestellt.
Ich bedaure Ihren Nervenzusammenbruch. Ich kann Ihnen versichern: Auch mich hat die Sache einiges an Kraft gekostet haben, auch wenn ich nicht zu den sensiblen Personen aus besseren Kreisen gehöre, die wie Ihre jacuzzibesitzenden Freundinnen in Ohnmacht fallen, wenn sie ein ganz normales, aber hochwertiges und relativ neues Bad sehen. Ich bin eine normale, alte Frau, wir haben uns das alles erspart, und im Moment überlege ich ohnehin, mein bescheidenes Vermögen neu zu ordnen. Ich habe in den letzten Monaten die Entfernung von der Stadt sehr genossen, und über eine Bekannte erfahren, dass ein kleines, bescheidenes Hexenhäuserl in der Nachbarschaft – mit einem alten Bad übrigens, das mir aber reicht – zum Verkauf steht. Mit 1,4 Millionen ist es leider nicht ganz billig, aber das liegt nur an den 2000m² Grund, ansonsten ganz simpel und basic, also wirklich basic und ohne Springbrunnen wie bei Ihnen, aber dafür mit Bach. Sie werden sicher verstehen, dass bei solchen Investitionen nicht nur das Geld fehlt, um Mieter mit Luxusbädern zu beschenken, sondern auch andere Einschnitte gemacht werden müssen. Kurz und gut, ich habe mich dazu entschlossen, angesichts des überhitzten Immobilienmarktes das Haus, in dem Sie wohnen, dezent im Freundeskreis anzubieten, und würde Ihnen auch ein Vorkaufsrecht anbieten. Man erzählt sich ja in der Stadt so viel über all die Mittel, die in den Springbrunnen und den Pavillon geflossen sind, insofern nehme ich an, dass ein Preis von, sagen wir mal 650.000 sicher keine Ausbeuterei, sondern angesichts der Preisentwicklung wirklich günstig wäre.
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Sehr geehrte Frau U.,
ob Miete oder Kauf, das muss jeder selbst wissen; wenn Sie zwar, wie Sie betonen, das Geld haben, aber keinesfalls wollen, weil das Haus nicht Ihren Wünschen entspricht, dann ist das halt so. Sie müssen deshalb das Haus nicht absichtlich heruntersetzen, und schon gar nicht in diesem Ton. Am Dienstag würde Herr Dr. G. vorbeischauen und sich ein wenig umtun; ein netter, junger Mann, der nach einem Investment sucht; er wird sich wegen eines Termins bei Ihnen melden. Keine Sorge, es ist nicht der Gerichtsvollzieher wegen der Nebenkosten.
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Sehr geehrte Frau U.,
Herr Dr. G. hat natürlich Kinder, habe ich das nicht erzählt? Ich dachte, ich hätte das geschrieben. Also, Herr Dr. G. hat grosses Interesse, möchte bald einziehen und so, wie Sie in letzter Zeit Kritik am Haus äusserten – mein Sohn fand diese Szene im Konzertverein übrigens ausgesprochen unerfreulich – gehe ich davon aus, dass es erst gar nicht zu einer Eigenbedarfskündigung kommen muss. Herr Dr. G. hat grosse Pläne mit den Garten; der Rückbau der Veränderungen, etwa des eleganten Pavillons und des Springbrunnens mit seinen Goldfiguren, haben Sie uns damals ja schriftlich zugesichert.
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Liebe Frau U.,
vielen Dank für die Überweisung der Nebenkosten. Herr Dr. G. ist noch am Überlegen, fand das Bad aber sehr hübsch, was Sie ihm seiner Erzählung nach bestätigt haben. Nehmen Sie es bitte nicht persönlich, aber da ist noch ein Punkt; Herr Dr. G. hat mich wissen lassen, dass er, falls er es kauft, noch einige Zeit in Hannover sein wird, und das Haus so lange als Renditeobjekt betrachtet: Die Miete nun erscheint ihm recht gering, und wir sind überein gekommen, eine kleine Anpassung an die ortsüblichen Mieten vorzunehmen. Das allerdings macht dann die Hausverwaltung K. in den nächsten Tagen, die ich ab sofort mit der Betreuung beauftragt habe. Es wird Sie sicher freuen zu hören, dass die monatlichen Nebenkosten damit für Sie nur um ca. 100 Euro steigen werden, was ich wirklich günstig finde, wenn ich bedenke, wieviel Arbeit es macht, so etwas selbst zu betreiben. In vier Jahren hat die Hausverwaltung wieder drin, was ich mir an Zusatzausgaben für einen entspannenden Jacuzzi nach all dem Stress in meinem kleinen Häuserl oben über dem See spare Wobei ich Ihnen inzwischen schon recht geben muss: Das ist gar nicht so schlecht, so ein Jacuzzi, ich habe das im Saunaschiff am See ausprobiert. Allerdings, wenn Sie mir den Ratschlag erlauben, würde ich da einen aus Italien nehmen, die sind erheblich stilsicherer und wirken überhaupt nicht wie von so einer, da denkt dann bei uns keiner an Frankfurter Bahnhofsviertel, Sie verstehen.