Ich bin die Stimme der Partei. Bringen Sie das Geld mit, dann dürfen Sie auch mitreden.
Franz Josef Strauss
Strauss war also korrupt, meldet der Spiegel.
Aber es war keinesfalls so schlimm, wie man gedacht hat, ist der Konsens in Bayern. Wer die Zeit noch miterlebt hat, wundert sich fast, wie bescheiden die Beträge sind, um die es da geht. Aber vielleicht kommt ja auch noch mehr. So, wie es sich momentan darstellt, war Strauss geradezu bescheiden. Eine halbe Million. Ah geh. Das ist ja nicht mal ein viertel Mobutu.
Es gab Schlimmeres. Zu Straussens Zeiten hat man meine Heimat noch grossflächig abgerissen, zubetoniert und atomrunderneuert. Man hat den Rhein-Main-Donau-Kanal gegraben und die WAA in Wackersdorf geplant, und die damals sozialdemokratische Mehrheit im Rat meiner dummen, kleinen Heimatstadt an der Donau hat alles getan, damit sie zum Standort der Raffinerien wurde. Stinkende Fackeln am Himmel hat man begrüsst wie die Egerländer Musikanten, man hat Grossbäckereien gefördert und dafür gesorgt, dass sich die kleinen Drogerien nicht halten konnten. Wer ein altes Haus hatte und es wegreissen wollte und die richtigen Leute kannte, konnte es tun. Die sogenannte Flurbereinigung hat aus einer über Jahrhunderte gewachsenen Kulturlandschaft eine Industriebrache gemacht. Hecken, Obstbäume, Ziegenweiden, Feuchtgebiete – man hat es radikal weggeschoben. Widerstand gab es kaum, und als er dann langsam aufkam, hat er viele, viel zu viele Schlachten verloren. Schlachten für die Heimat gegen ihre CSU-wählenden Bewohner.
Einer dieser erbitterten Bürgerkriege meiner Heimat spielte sich um die sogenannten Jurahäuser ab, einer Besonderheit der Region rund ums Altmühltal. Es sind aus Juraquadern gebaute und mit Juraschindeln gedeckte Steinhäuser, niedrig, dick, breit in die Landschaft gedrückt, und die ersten Opfer all der Bemühungen, die Dörfer angeblich mit Glasfronten, Jodlerstilbalkonen und Mosaikverkleidungen schöner zu machen. Die Mehrheit der Jurahäuser ist verschwunden, aber die, die überlebt haben, sind heute wieder heiß begehrt. Und es ist ihr Stil, in den heute wieder gebaut wird. Die Leute wählen immer noch CSU, aber alle sagen, dass so einer wie der Strauss heute nicht mehr möglich wäre. Und dass man die Jurahäuser unbedingt erhalten muss.
Dass sich die Zeiten auf dem Land, wo der Bischof immer noch das Sagen hat und nur eine einzige Haltung verbindlich ist, langsam doch ändern, merkt man an den ganz kleinen Geschichten. Es gibt phantastische Jurahäuser, aber auch ganz miserabel erhaltene und gebaute Scheunen. Um eine dieser Scheunen in der Mitte eines Orts gab es jahrzehntelangen, erbitterten Streit: Die einen wollten sie unbedingt endlich abreissen, damit die Gemeinde etwas Neues bauen könnte. Und die anderen wollten sie behalten. Letztlich haben sich die Scheunenbefürworter mit dem Argument durchgesetzt, dass man dem Ort damit ein Zentrum geben könnte. Und dann haben sie die Scheune restauriert. Zusammen, Kritiker und Befürworter, weil anders geht es auf dem Dorf nicht. Niemand würde heute mehr die Scheune abreissen, sie ist Teil und Zentrum der Heimat der Menschen. Dazwischen lagen dreissig Jahre Kampf um das Bewusstsein für Heimat.
Das sind dann auch genau die Gemeinden, in denen die Unterbringung für Asylbewerber gut klappte. An den Vorgaben der Landratsämter ist nicht zu rütteln, und wenn man sauber wirtschaftet, erstattet der Freistaat den Kommunen die Ausgaben – und trägt selbst die weiteren entstehenden Kosten. Man muss sich das vorstellen wie das Zusammenrucken im Biergarten. Die Gemeinden bereiten sich vor, die Helferkreise werden vorab schon von den Kirchen organisiert, man sammelt vorher Spenden, spricht mit den Tafeln, schaut sich etwas bei anderen Gemeinden ab, und für die Arbeiten nutzt man die Freiwillige Feuerwehr. Wenn der Bürgermeister, die Landfrauen, die Vorsitzenden von Schützenverein, Sportverein und Freiwilliger Feuerwehr und der Pfarrer das befürworten, dann ist noch lange nicht jeder glücklich oder begeistert, aber dann macht man das halt. Und sei es eventuell nur, damit niemand auf dem Dorfplatz auf Pappe schlafen muss. Natürlich überlegen die Kommunen, wie man es erledigen kann, dass sie mit der Situation am besten leben können. Asyl auf dem Dorf ist viel näher, viel präsenter als eine Zeltstadt im Euroindustriepark in München oder auf einem ehemaligen Militärgelände vor Berlin. Ich kenne keinen Fall, in dem es am Anfang nicht Vorbehalte gegeben hätte. Immer war es zu Beginn fragil und ungewohnt. Aber der Trick zu sagen „Wir wollen eine Heimat – die wollen auch eine Heimat“ hat bei uns bislang bemerkenswert gut funktioniert. Man muss den Menschen mit Argumenten kommen, die sie verstehen und achten. So wie die alte Scheune im Dorf. Es gibt da auf Dauer keine Erfolgsgarantie, aber es funktioniert und im Nachbardorf geht es ja auch. Das sind die kleinen, alltäglichen Erfahrungen der Heimat, mit denen man umgehen kann. Das war Asyl bis letzte Woche. Und damit ist diese Heimat eine Ausnahmeerscheinung in einem ansonsten die Türen zuschlagenden Europa.
Das geht gerade alles vor die Hunde. Weniger, weil die Zahlen der Flüchtlinge dramatisch steigen – man hat bei uns sogar in Rottach den Entschluss gefasst, eine grosse Traglufthalle zu errichten, weil es halt anders nicht geht. Es geht vor die Hunde wegen der Randale in Suhl, weil das hier ein freies Land ist und es einfach nicht sein kann, dass hier jemand gelyncht wird, weil er ein Buch beschädigt – und Politik und Medien das auch noch entschuldigen, weil es „Opfer“ sind. Keine Kommune kommt mit SEK-Einsätzen wegen religiös motivierter Gewalttaten klar, das darf es einfach nicht geben. Das geht auch vor die Hunde, weil es zu Beginn klare Vorstellungen gab, was da auf die Gemeinden zukommt – ein überschaubares Problem. Und die Gemeinden begreifen erst jetzt langsam, dass sie über Jahre zuständig sein werden. Dass sie Bauland abgeben müssen, Wohnungen herrichten, Boden versiegeln, die eigenen Leute zurückstellen, eventuell sogar enteignen müssen, und dass es letztlich jeder Bürger bezahlen muss, wissen sie auch. Die Politik hüllt sich in Schweigen, und von der linken Seite kommen Parolen wie „No borders, no nations“, „Kein Mensch ist illegal“. „wir bleiben alle“ und „Refugees welcome“. Das steht aber nicht im Grundgesetz. Das hat vorher keiner gesagt. Und wer das so nicht sehen will und sich monatelang mit Anforderungen des Brandschutzes und Küchencontainerbeschaffung herumgeschlagen hat, wer Fussböden in Turnhallen verlegte und Fahrpläne auf Aramäisch übersetzen liess – der lässt sich zum Dank nicht gern als Nazi. Mittelmeermörder oder rückschrittlicher Volldepp bezeichnen. Weite Teile der Medienöffentlichkeit sagen, dass man mit den Veränderungen leben muss, und auf das Heimatgefühl wird keine Rücksicht genommen. Die linke Mehrheitsmeinung im Netz denkt ohnehin, dass diese Heimat nur Popanz ist. Sie haben nie Steine für eine Scheune geschleppt, und vor dem LaGeSo in Berlin sind sie erst angerückt, als es zu spät war. Und dann spucken sie der Heimat ins Gesicht.
Es gibt einen direkten Weg vom Lynchmob in Suhl über einen Beitrag in der Zeit, die Sachsen sollten doch ihren eigenen Staat machen, bis zum Versuch der letzten Nacht, genau das mit einem rechtsradikalen Mob in Heidenau zu tun. Die Nazis vor Ort können sich darauf berufen, dass sie in einem führenden Presseorgan dazu aufgerufen wurden, ihren eigenen Staat, ihre eigene Heimat zu machen. Sie können sagen, dass sie auch nichts anderes als England, Spanien, Ungarn und Mazedonien tun. Sie arbeiten mit der Angst vor Suhl, mit den Beschwichtigungen der untätigen Politik und ohne Rücksicht auf die Meinung der Zeit. Und ich kenne meine – zum Glück seit Strauss deutlich besser gewordene – Heimat sehr gut: Solche Abspaltungsappelle an das hiesige Heimatgefühl sollte man nicht zu laut vortragen. Die Entscheidung zwischen Bewahrung der Heimat und einer Ideologie der Aufgabe von Grenzen, Land und Volk ist hier seit jeher gefallen, egal ob danach Nazivorwürfe kommen. Die Menschen wollen ihre Heimat, sie sind mit ihr und an ihr gewachsen, und sie wollen ein deutsches Recht, das ihnen ihre Freiheiten garantiert und ihnen ihr Leben selbstbestimmt in Eigenverantwortung lässt. Auf dieser Basis kann man reden.
Das war die Basis, auf der es bislang funktionierte. So kann man Scheunen retten und syrische Familien in die Pfarrerswohnung einquartieren. Diese Basis wurde, nachdem das Schengensystem ohnehin schon in Trümmern liegt und die grosse Flüchtlingswelle kommt, in den letzten Tagen von zwei Seiten in der Heimat ebenfalls aufgekündigt. Vom Lynchmob in Suhl und seinen Verstehern wie Ramelow und Teilen der Medien, und vom Mob in Weidenau. Das ist der Konflikt, das ist die Konfrontation, und darin muss man sich mit der Aussicht auf 400.000 weitere Flüchtlinge in diesem Jahr als Heimat zurechtfinden, und einen Weg finden, der mehrheitlich getragen werden kann. „No borders no nations“ ist das totale Gegenteil.
Wer so etwas will… In Somalia. Libyen, Irak und Syrien kann man sich anschauen, wie das in der praktischen Umsetzung funktioniert. Und wir sollten froh sein, dass es gestern Nacht in Weidenau und davor in Suhl einen starken Staat gab, der sich mit der Polizei durchgesetzt hat. Hätte die Blockade in Weidenau Erfolg gehabt, hätten wir das nächste Woche im ganzen Osten. Es gibt der Linken in diesem Land, den Ideologen im Netz und den besorgten Aktivisten in den Medien vielleicht, hoffentlich etwas Zeit, sich zu überlegen, ob es klug ist, diese Debatte ohne Rücksicht auf Heimat zu führen. Ich habe schwerste Bedenken. Dieser Konflikt wird nicht in den Städten oder vor dem LaGeSo entschieden, sondern in den Dörfern, wo die Kommunen überfordert sind, egal wieviel Geld man ihnen bietet, die Polizei den Schleuserkriminellen nicht hinterher kommt, und die Leute nicht undemokratisch übergangen, vom linken Mob aus Berlin beleidigt und vor vollendete Tatsachen gestellt werden möchten.
Diese Würde garantiert ihnen übrigens auch das in der Asylfrage so oft bemühte Grundgesetz.