Under the current structure and under the current membership, the Euro does not work.
Gott Die UBS
Diät kommt eigentlich aus dem Griechischen und heisst schlicht “Lebensführung”. Das, was Diät heute ist, kommt aus einer Zeitschrift namens “Brigitte”, bei der es nicht überraschen kann, dass sie des Griechischen nicht mächtig ist. Seit 1969 wird daran gearbeitet, Menschen einzureden, dass sie zu dick seien, etwas dagegen tun müssten und am besten wie TV-Ansagerinnen aussehen sollten, die sich Essen und Finger gleichermassen in den Gaumen stecken. Man hat sich jede Menge Mühe gegeben, das Erbe der 68er zu diskreditieren, aber kaum eine Erfindung dieser Epoche erfreut sich derartiger Zuneigung, wie der Kampf gegen Pfunde, Gramm und Millijoule. Das Unerfreuliche an der Sache ist, dass auch traditionell autarke und eigenständige Kreise, die sich sonst von nichts und niemandem und keinem Finanzamtbeamten etwas befehlen lassen, sich freiwillig diesem Diktat unterwerfen. Sprich: Auch die fortgeschrittene Gastronomie am Tegernsee serviert kleinere Portionen, es gibt Wellnessangebote für die einen und Fettabsaugen für die anderen. Drüben in Bad Wiessee macht man vermutlich jede Diät, die man sich vorstellen kann, und wenn sie dann genug Trauben gegessen haben und die Haut herabhängt, wird dahinter Botox eingespritzt.
Das ist, man muss es leider sagen, die hier inzwischen traditionelle Tegernsee-Diät, ein Teil weniger essen und ein Teil Segnungen der Schönheitsmedizin. Wenn es erst mal leichteres Botox gibt, wird es sicher als Premium-Botox angeboten, das Botox, das prall macht, ohne auf das Gewicht zu schlagen, das Botox für den modernen Menschen, leicht und prall. Seit 40 Jahren kennt diese Industrie nur eine Entwicklung, es geht nach oben, und längst arbeitet man nicht mehr mit einfachen Faustformeln, sondern dem Body Mass Index, eine Formel, ja gar ein medizinisches Modell, dessen Entwicklung fast so komplex wie amerikanische Schuldenderivate ist, und obendrein mindestens so viel Lebensfreude bringt.
Nun hat sich aber die Welt etwas weiter entwickelt, und da, wo früher in 70 Kilometer Entfernung vom See noch Italien lag, ist jetzt der Abgrund, in den die Gemeinschaftswährung zu stürzen droht. Wie wir heute erfahren mussten, koppeln die Schweizer ihren Franken an den Euro. Gar nicht überraschen würde es mich, wenn dafür nicht bankrennende Italiener verantwortlich wären, die für den Fall eines zerbrechenden Euros die Grenze zu Chiasso in der Schweiz als attraktives Reiseziel ansehen würden – ganz zu schweigen von jenen, die auf Abermilliarden von Schwarzgeld sitzen und etwas tun müssen, falls eine Währungsreform kommt. Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass Hedge Fonds, Chinesen und Banken ihre Liebe zu Ackerbauflächen entdecken, sollten wir den Tatsachen ins Auge schauen: So ein Währungsfiasko ist immer auch ein kulinarisches Debakel, da laufen Nachschub und finanzielle Möglichkeiten auseinander. Und was man jetzt im Magen hat, kann man getrost nach Hause tragen. Was einmal gegessen wurde, nimmt einem keiner mehr.
Anders gesagt, es gibt überhaupt keinen Grund, jetzt, in Zeiten wie diesen, eine Diät im Sinne einer Frauenzeitschrift zu machen. Diese Diät in Verbindung mit Stress, Ärger, Entsetzen und appetitzügelnder Fassungslosigkeit über politische Entscheidungen und Rettungen, die nach einer Woche gerettet werden müssen, schlägt massiv auf den Magen und auf die Lebensfreude. Das Magere kommt ganz von alleine, wenn die Zwetschgenbäume und Rettungsschirme abgeerntet sind. Dabei ist das hier ein Alpental: Die Winter sind hart und lang, und wer aus Sorge und Frauenmagazinterror dürr bleibt, hat nicht das Fett als den Pullover des Reichen Mannes, sondern nur noch den Griff zur Heizung. Man kann am Essen sparen und es für das Öl ausgeben. Ob das nachhaltig ist?
Denn so eine qualitativ hochwertige Schutzschicht gegen kommende Unzumutbarkeiten muss gar nicht teuer sein, und man kann es auch so machen, dass Frauenzeitungsleserinnen es nicht merken: Nehmen wir nur einmal das ordinäre deutsche Frühstücksei, den Ausweis der lieblos zusammengepantschten, männlichen Hochzeitstagsmorgenanstrengung, die der Frau dann beweist, dass sie es die anderen 364 Tage besser macht: Das Frühstücksei kann man so machen, und so, wie ich das tue. Man nehme pro Person 1 Esslöffel Olivenöl und 1 Esslöffel Mehl und mache daraus eine saubere Kohlenhydrat-Fett-Mischung. Zur Tarnung schlage man 2 Eier auf und mische das unter Zugabe von Pfeffer und Salz zusammen. Das Öl sorgt dafür, dass das Omelett nachher nicht anbrennt, und das Mehl geht vollkommen im Eigeschmack unter. Zur Füllung nehme man Pfifferlinge, die bekanntlich kalorienfrei bei hohem Geschmacksanteil sind. Dann reibe man ein gutes Stück mittelalten Bergkäse und ein weiteres gutes Stück Scamorza ganz klein, und vermische es mit etwas Schmand. Die unterschiedlichen Geschmacksnoten der Käsesorten erzeugen ein breites Aroma, das man nicht genau als Fett erkennen kann, und darüber liegen die Pfifferlinge, die Gaumen und Hirn ablenken. Mit dem weichen Schmand entwickelt der Käse seine volle Wirkung erst, wenn er im Verdauungstrakt ist, und nicht schon beim Essen im Hirn. Omelett in Butter braten, füllen, zusammenklappen, die Seite mit etwas Teig schliessen, in noch mehr Butter weiterdünsten, fertig.
Nur zwei Eier und ein paar Pfifferlinge, kann man achselzuckend sagen, wenn man gefragt wird. Was ist schon dran an zwei Eiern von Bauernhof und Pfifferlingen vom Berg? Nichts. Eben. Alles bio, alles regional, alles nachhaltig und gemäss unseren Jahreszeiten, Im Frühling nimmt man halt leicht scharfen Bärlauch, im Sommer ein paar Tomatenwürfel, Hauptsache, es ist gesund, steht in Frauenzeitschriften und hat genug Eigengeschmack, um alles andere darunter zu verstecken. Das können wir, denn es konnten die Griechen mit ihren Staatsschulden und die Italiener mit ihrer Schattenwirtschaft und die Iren mit ihren Banken: Das sorgt nun für ihre Rettung. Uns rettet keiner. Erfrieren und Verhungern im Winter ist unschön.
Nun ist da aber noch der Body Mass Index. Unbestechlich wie eine Grossbank und präzise wie eine Ratingagentur. Nach dem herkömmlichen, an der Grösse orientierten Body Mass Index ist das alles natürlich schlecht und verwerflich. Aber auch hier können wir Tegernseer von den Banken lernen: Man kann ja die Zahlen ein wenig schönen und bessere Werte ermitteln, indem man selbst für Marktwerte sorgt, nach denen man bewertet. Sagen wir mal, ein Mannsbild ist 180 Zentimeter gross. Wenn man jetzt neue, warme Stiefel beim Schuster mit dicken Gummisohlen machen lässt, sind das schnell mal 2 Zentimeter mehr, wo es nicht auffällt – als hätte man längere Beine, was für genetisch eher kurzbeinige Bayern ohnehin nur ausgleichende Gerechtigkeit ist. Und dann, weil es bald regnet, kauft man sich eben noch einen ordentlichen Hut der Region. Macht oben nochmal 5 Zentimeter mehr. Diese Grössenveränderung macht schon mal einiges aus, und wenn man dann noch eine bayerischen Pellerine aus Loden trägt – mit dem anheimelnden Namen „Kotzn” – muss man selbiges wie eine Fernsehansagerin gerade nicht tun. Das verschwindet dann alles unter dem Loden. Da schaut auch keiner genauer hin, als bei CDOs oder dem italienischen Staatshaushalt. Des basst scho, sagen wir in Bayern.
Und schliesslich machen das alle so. Das ist die typische Diät unseres Systems von den Banken bis zum ausgeglichenen Staatshaushalt, zu dessen Erhaltung der Bundestag abstimmt und uns damit in die Hände der Märkte spielt, auf Gedeih und Verderb, und wenn die das können, sollten wir da auch nicht hungern und darben. Man muss es nur richtig machen und gut zusammenkochen, dann merkt es auch keiner. Der Mensch vergisst schnell. Besonders, wenn er satt ist. Und damit ist allen wohl am besten gedient.