My Cup of Tea
Es gibt bei uns im Jura ganz entzückende, goldglänzende Tälchen, und darüber erheben sich hübsche, sanft geschwungene Berglein. Unten in den Tälchen schlängeln sich kleine Bäche, und weil sie früher auch ganz romantische Sümpfchen im Gefolge hatten, sind unsere idyllischen Dörferl etwas weiter oben angelegt, zwischen famosen Gärtlein und kleinen Hecken. Und wenn Berglein und Tälchen beonders steil sind und ein Grübchen bilden, ist oft über Kilometer nichts ausser Äckern, Bäumchen und Wäldchen in der Nähe. Niemand hört einen, wenn man ein Pläuschchen macht, und es hört auch niemand, wenn man auf bayerisch sagt, was man von Firmen wie Nestle hält. Allenfalls die Gräslein zittern ein wenig.
Manche fragen sich ja, warum ich als ein so umgänglicher, freundlicher Typ gelte, und mit meiner ausgeglichenen, ruhigen Art ohne jedes böse Wort Freund und Feind zu bezaubern weiss, und warum meine Toleranz mit Berlin und seiner Geldverschwenung so grenzenlos ist – nun, das Geheimnis ist diese menschenleere Landschaft, in der ich brüllen, schreien und röcheln kann, was ich wirklich von denen halte, mit Woten, die man bei uns in der Schleifmühl gelernt hat, und in der Familie bewahrt wurden. Worte, die nicht übersetzbar sind. Worte, wegen derer man sich Sünden fürchten müsste, würde man sie über den Wolken verstehen. Dann kommt wieder ein Berglein, ich muss treten, wie ich auch gerne hineintreten möchte, so richtig, und wenn ich dann oben bin, ist alles wieder gut.
Ach so, Nestle. Ja, also, Nestle, die bekanntlich verantwortlich für eine Plörre namens Nespresso sind, Nestle also hat sich so gedacht, wenn wir schon gemahlene Kaffeböhnchen in winzige Alubecherlein abfüllen und das dann zu astronomischen Kilopreisen mit viel Werbung an Menschen verkaufen – die Sorte Mensch, von der es heisst: “er nennts Vernunft und braucht’s allein, um tierischer als jede Tier zu sein” – dann sollte das doch auch bei anderen Menschen möglich sein. Zum Beispiel bei Teetrinkern. Demnächst auch in Deutschland. Das nennt sich dann Special.T. Ausgesprochen SpääschlTiie. Englisch. Vermutlich, weil bei manchen Konsumenten die Meinung vorherrscht, Teekultur käme vor allem aus England. Was ja auch, kulturell betrachtet, stimmt. Aus einem England der Klassengasselschaft nämlch, in der die richtgen Klassen jene, die sich mit SpääschlTiie als zu arm und unwürdig benahmen, mit dem Ochsenziemer und der vierläufigen Elefantenbüchse aber sowas von die
Ach so, als, richtig, Nestle, der Konzern, der die Kühe lila tot und in Herta-Plastikverpackungen macht und gerne mit gentechnisch veränderten Produkten experimentiert, dieser Konzern also verkauft jetzt eine Maschine, die auch nichts anderes als ein Wassersieder ist, viele grosse Alukapseln, bei denen man sich fragen darf, ob dieser Metallmüll eine bessere Funktion als das altbekannte Sieb hat, und bunt bedruckte Tassen zusammen als so eine Art Set. Und sie versprechen, nur das beste 1% der Ernte zu verwenden. Das kann ich natürlich auch sagen: Sie lesen hier gerade das beste 1% der internationalen Blogernte. Nichts leichter als das, und wer weiss, vielleicht ist es ja wirklich besser als das, was in billigsten Teebeuteln ist – im Gegensatz natürlich zu dem, was man durch Aluproduktion selbst noch hinter diesen Beuteln des Grauens, gesamtkulturell betrachtet, hinten dran ist, a soichena Wuidsa
Ich fühle, ein Tälchen mit Obstbäumen wäre jetzt eine schöne Sache, oder wenigstens ein Gesetz mit ein paar Dekädchen für dessen Brecher: Denn einerseits verbieten wir Glühbirnen, weil sie zu viel Energie verbrauchen. Andererseits ist es nicht illegal, winzige Teemengen in diesen grossen Alukapseln zu verkaufen, selbst wenn die Energiebilanz für dieses Material sowie seinen Vertrieb und das Recycling miserabel ist. Also, ich möchte es mit aller gebotenen Zurückhaltung einmal so formulieren: Um die Folgeschäden seiner Idee für Natur, Umwelt und Ressourcen aufzuwiegen. müsste so ein Nestlemanager schon deutlich herangezogen werden, indem man ganze Lagerhallen voller verbotener Glühbirnen
Wie schön ist es im Jura, wo auf Kilometer kein Mensch zuhören kann. Betrachten wir das Problem also von der anderen Seite, von der Seite der Teekultur: Gerade bei uns, in den besseren Kreisen dieses bayerischen Landes, ist Tee schon länger Distinktionsmerkmal, weil der gemeine Bayer als ein solcher eher Kaffee trank. In den letzten zwanzig Jahren hat sich das deutlich verschoben. Die Frage “Tee oder Kaffee” ist heute selbstverständlich. Und zur Wahrung gesellschaftlicher Grenzen ist Tee ganz famos geeignet, beginnend bei der Frage, welche Sorte denn gewünscht sei, man möchte ja einen feinen Darjeelingfreund nicht mit einem Assam zum Herzinfarkt brühen. Hier also zeigt sich schon das gesittete Benehmen des Kundigen, die Fürsorge für den Gast und die Selbstverständichkeit, mit der man die vielen T, G, O und Ps zu übersetzen vermag (man liest das vorher immer nochmal nach).
“Wo habe ich denn meine Assamkanne… nein, die ist es nicht… die auch nicht, die ist für den Grüntee, nein, das ist eine mit Füsschen… ah, die muss im anderen Silberschrank sein, Moment”… es mag vielleicht ein wenig anstengend sein, sich durch den Bestand zu wühlen, aber die Alukapselhersteller machen das anders: Da gibt es aus dicker Keramik geformte Spezialbecher. Wirklich Becher. Auch das ist so ein schmutziges Wort, wie ich es im Zorn manchmal verwende, in meinem Juratal. Ich habe die mir angeschaut, ich bin ja nicht so, und ich darf sagen: Wer Porzellan hat, das dazu passt, gehört auch zu jenen Teetrinkern in österreichischen Hütten, die die Teebeutel an die Decke werden und lachen, wenn sie kleben bleiben. Eine gute Silberkanne eines Hoflieferanten passt eigentlich immer, aber das, was Nestle macht, passt allenfalls neben 49 andere Schattierungen von Grau, Praline als Zeitschrift oder den neuesten Esobestseller. Und Einrichtung von einer gewissen Frau Wittler.
Oh, ich möchte natürlich niemanden wegen Lila diskriminieren, natürlich gibt es für vieles eine Zielgruppe und wer weiss, vielleicht empfinden es manche auch als guten Stil, nach jeder Tasse pardon nach jedem Becher in die Küche zu verschwinden und eine neue Kapsel einzulegen. Das klingt sicher sehr vornehm: Darf ich nochmal in die Küche und in meiner SpääschlTiees-Maschine eine Kapsel einlegen, um nochmal einen Tee zu machen? – statt einfach nur: Darf ich nachschenken? Daher hat diese Firma auch einen exklusiven Club, der einem einredet, dass Tee in Alu irgendwie toll ist. Und besser ist als diese kleinen Aludosen, mit denen in weniger guten Hotels die Marmelade serviert wird, oder der an Hering erinnerde Fischabfall, oder der Kunsthonig, und ich bin mir sicher, mit so einem Club und einer Nestlealukapsel drüber könnte man auch den Japanern erneut die idyllischen Fukushimaruinen verkaufen. Marketing machts möglich, sogar in Italien werden Kapseln gern genutzt, wo sie in der Zeit von Berlusconi aufkamen.
Eigentlich sollte ich der Firma aus dem Land, das sonst vor allem Steuer-CDs exportiert, sogar dankbar sein, denn für unsereins ist das ja alles nicht so leicht, wenn wir von Domizil zu Domizil wandern: Sagen wir mal, fünf Sorten Tee sollten es schon sein, drei Wohnorte, dann noch kleine Kannen für den Nachmittag und grosse Behältnisse, wenn Gäste kommen: Selbst mit viel Porzellan kann man als einzelner Mensch 20 Silberkannen problemlos rechtfertigen. Deren Zahl ist, da sie kaum mehr produziert werden, natürlich begrenzt, und zusammen mit der aktuellen Wirtschaftskrise und den gestiegenen Silberpreise macht man seinen Teil bei der Beschaffung mit. Wenn nur genug Modeteetrinker glauben, so eine Plastikkiste würde tatsächlich im Alu den besten Tee enthalten, und so könnte man Gäste zufrieden stellen, und einen ruhig werden lassen über dem nächsten Buch zur arischen Medizin – warum nicht.
Es verärgert eher das Gefühl, dass einem so eine Firma nun auch noch nachgekrochen kommt, in diesen kleinen Bereich, in dem man seine Ruhe hatte, und mitmischen möchte, und neue Regeln kreieren. Ich persönlich bin, was die Idee eines “besten” Tees angeht, ohnehin mehr als kritisch, denn wie beim Wein ist Geschmack individuell. Ich kann beispielsweise mit dem parfümierten Kloakensediment, pardon, Earl Grey, absolut nichts anfangen, und auch angeblich feine Sorten wirken auf mich nur, wenn ich das mit meiner Grossmutter sagen darf, saufad. Es ist eine schöne Sache, einen banalen Ceylon zu trinken und ruhig und gelassen zu werden im Wissen, dass man seinen Tee gefunden hat. Ruhe. Frieden. Das Letzte, das Hinterletzte, das Tal ist so schön, das man hier möchte, ist eine Firma, die über’s Marketing die Massen belehrt, was in ihren Müllbergen den “besten” Tee enthält. Der beste Tee ist einer, der nicht in Alukapseln kommt, ganz einfach: Denn er ist nicht vollkommen überteuert, er ist nicht sozial unangemessen und obendrein umweltfreundlich. Man muss einmal einen Wasserkocher einschalten. Sieb, eine warmhaltende Kanne und gutes Porzellan halten Jahrhunderte. Und haben auch keinen Namen, der nach 10 Jahren peinlich ist.
Man sieht also, ich kann durchaus höflich und umgänglich auch schwierige Fragen des erzwungenen Zusammenlebens mit allen, auch Unterschichten aus Wirtschaft und Lesezirkelgesellschaft besprechen, wie es das gute Benehmen verlangt, und obendrein weiss ich: Da draussen wartet auf mich das goldene Tal meiner Heimat, wo mich keiner hört und niemand fürchten muss, dass ich wie in Verona vor dem Nespressogeschäft Kunden, es ist ein Sprachwunder, plötzlich ganz famos italiensich ansprechen kann, diese Vaterlandskulturverr
Ich denke, ich sollte jetzt wirklich los.