Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Alice Schwarzer hat in meinem Schlafzimmer nichts verloren

Ohne Kriminalisierung geht die Alice nicht ins Bett: Ginge es nach Frau Schwarzer, würde man heute gegen die Sexarbeit vorgehen, morgen Pornographie verbieten und bald Bücher aussortieren. Wer seine Aufklärer und Gemälde schützen will, sollte anfangen. für Prostituierte einzustehen.

Milletre!
Leporello

Ich kann anhand der Rechnungen genau sagen, was ich im letzten Jahr für Frauenfleisch und die unbegrenzte Betrachtung desselben ausgegeben habe. Es ist viel. Ich habe sogar deshalb weite Reisen unternommen, Parma, Bayreuth, Verona, und viele Städte in Sizilien. Aber die einen kaufen sich halt einen 5er BMW und ich mag nackte Frauen. Und ich möchte an der Stelle auch ganz offen sagen, selbst wenn es mir keine FreundInnen macht, ich habe ein gewisses Faible für die Jungen und Schönen, aber auch mit 1003 Spanierinnen könnte ich mich anfreunden. Ansonsten bin ich genauso wahl- und zügellos und von Gelegenheiten getrieben, ich nehme Italienerinnen und Französinnen, und verschmähe auch keine Wienerin, wenn sie mir nur gefällt. Ich kann mit der hohen Dame genauso viel wie mit derjenigen anfangen, die es aus der Landwirtschaft in meine Räume verschlägt, über kleine Makel wie den schiefen Blick sehe ich gern hinweg, solange sie nur mir gehören. Und natürlich weiss ich auch, dass die Kulturkreise, aus denen sie stammen, vergleichsweise locker mit der Sexualität Minderjähriger umgegangen sind.

Kurz, ich sammle leidenschaftlich Portraits von möglichst leicht bekleideten Damen aus dem Rokoko und Biedermeier. Ich bin ein Mann und tatsächlich läuft in meinem Kopf so etwas ab, wie: Gerade noch trägt sie einen Schleier, aber wenn der gefallen ist, verrät das Incarnat… ich habe kunstgeschichtliche Fächer studiert, da denkt man so. Man muss es einfach so sehen, wie es ist: Diese Bilder wurden zu keinem anderen Zweck gemalt, als mir und anderen zu gefallen. Eine liebe Bekannte dagegen hat es besonders mit dem blutenden, von Pfeilen durchbohrten Heiligen Sebastian, die kann man immer mit Bildern solcher verdrehten, blutenden Statuen erfreuen, so wie ich auch gerne eine schlanke Peploskore des 6. Jahrhunderts vor Christus hätte, bei der sich die Brüste unter dem hauchdünnen Chiffon abzeichnen: Es muss gar nicht nackt sein, die Versprechung allein genügt mir schon, und alles andere findet dann in meinem Kopf statt. Ich kann mir so einiges vorstellen und anderes nicht, aber so ist das nun mal in dieser Sache, und eigentlich geht das Sie, hochverehrte Leserinnen vorerst einmal und liebe Leser überhaupt nichts an.

Abgesehen davon habe ich auch eine Schwäche für Portraits von kirchlichen Würdenträgern, und deshalb kann ich es mir nicht nur vorstellen, sondern auch aus eigener Erfahrung berichten, wie es ist, wenn im Schlafzimmer so ein dicker Schönborn im vollen Ornat zuschaut. Ich finde das nicht weiter schlimm, ja sogar vergnüglich, das kommt von meiner persönlichen Aufklärung, die nicht am reaktionären bayerischen Gymnasium stattfand, sondern am klassischen Giftschrank: Margarete von Navarra, Boccaccio, Diderot, Mirabeau, de Sade, Laclos, das alles gilt inzwischen als verjährt, auch wenn es damals pure Pornographie gewesen ist, die ihre Autoren bisweilen ins Gefängnis brachte. In diesen Büchern haben sich auch die Geistlichen nicht so, und als der neue Papst zu verstehen gab, dass er keine besondere Lust habe, sich ins Zwischengeschlechtliche einzumischen: Da sagte ich: Bravo, cosa rara. Den neuen Papst würde ich mir – wäre er aus dem 18. Jahrhundert und mit seinem diabolisch-wissenden Lächeln – in Öl vielleicht auch in die Bibliothek hängen, über das grüne Chippendalesofa wo die Jul

Wie auch immer: Gerne dürfen Sie alle wissen, dass ich eine Perversion wirklich moralisch und ethisch absolut verdamme: Alice Schwarzer neben dem Bett zu haben. Bei Alice Schwarzer nämlich muss man davon ausgehen, dass sie nicht wie jeder normale Mensch sich die Sache erst mal in Ruhe anschaut, oder sich schamvoll zurückzieht – Frau Schwarzer würde sich auf ihre zum Glück unnachahmliche Art sofort wieder einmischen. Dieses nicht und jenes nicht und das hat seine Wurzel ja in jenem patriarchalischen Ritual, wie die feministische Forschung zweifelsfrei beweist, und auch, wenn am Ende vielleicht etwas mehr zulässig wäre als das, was in den Zellen der Kapuzinermönche passiert – Nichts nämlich – so würde ich irgendwann doch an einen wichtigen Punkt gelangen.

An den Punkt, da ich Frau Schwarzer auf den Umstand hinweisen würde, dass die Freiheit der Aufklärung nun mal nicht mit dem Weichei Kant oder der Doppelmoral Rousseaus durchgesetzt wurde, sondern vor allem mit der Freiheit, sich sexuell nach Belieben zu verhalten, darüber zu schreiben und zu reden. Die paar Reichen und Gebildeten, die sich Diderots Enzyklopädie leisten konnten, sind nämlich nur eine verschwindend kleine Minderheit gegen jene, die ihr aufklärerisches Wissen, den Spott über die herrschenden Zustände und die Lust an der Provokation durch Bücher wie die Indiskreten Schatzkästchen oder die Erziehung Mirabeaus erhielten. Das Pferd, auf dem die Aufklärung über die Trümmer von Bigotterie und Aberglaube ritt, hatte Genitalien und jede Menge Verwendung dafür. Glaube bitte keiner, die Menschen hätten sich wegen des kategorischen Imperativs aufgerafft, um etwas an ihrer Lage zu ändern: Sie wollten Freiheiten, auch und besonders sexueller Natur.

Und ich habe ein Recht, das zu lesen. Ich muss es ja nicht nachmachen, aber ich darf mich in einer freien Gesellschaft darüber informieren, solange Gestalten wie Frau Schwarzer hier ihre Haltung nicht anderen aufzwingen können. Frau Schwarzer hat mehrere Anläufe genommen, um Pornographie, die nach ihrer Ansicht in einem sehr weiten Bereich frauenfeindlich ist, und zur Unterdrückung anstachelt, verbieten zu lassen. Sie hat dafür Politiker und Prominente eingespannt, und das darf sie natürlich auch in einer freien Gesellschaft tun. Und sie darf natürlich auch dazulernen, und Umwege gehen, um doch in meinem Schlafzimmer und meinem Bücherregal mitzureden, wie das während der Aufklärung die Jesuiten tun wollten: Die Jesuiten wollten doch nur das Seelenheil retten. Die Zensursula wollte die Netzsperren doch nur wegen der Kinderpornographie. Und Frau Schwarzer will die Kunden von sexuellen Dienstleistungen doch nur wegen dem Menschenhandel unter Strafe stellen. Putins Partei verfolgt Schwule nur wegen der Kinder. Und die NSA belauscht die Kanzlerin nur wegen der terrorsitischen Gefahren.

Das ist halt der übliche Trick, wenn man anderen Menschen an die Grundrechte will: Man sucht sich ein Extrembeispiel, für das man Mehrheiten oder wenigstens 100 publicityräufreudige, kurz denkende Prominente findet. Und das wird dann mit dem eigentlichen Ziel verknüpft und in die Köpfe der Unwissenden gepresst: Prostitution sei Menschenhandel. Dann muss man nicht darüber reden, ob die Ausbeutung osteuropäischer Pflegekräfte in Deutschland vielleicht auch widerlich ist, und ihre Arbeitgeber dringend reguliert werden müssten. Frau Schwarzer kann sich sofort an das Lieblingsthema der sexuellen Nochselbstbestimmung machen. Am besten mit Strafen für die beteiligte Kundschaft, und wenn sich hier wie überall zeigt, dass der Mensch halt so ist und für seinen Trieb ausweicht – dann geht es im zweiten Schritt eben an den Trieb als solchen. Man muss nicht lang überlegen, wie Frau Schwarzer und ihre Handlanger dann argumentieren: Ja, das machen die doch nur, weil die Pornographie es ihnen vormacht! Will man wirklich etwas gegen Menschenhandel unternehmen, muss man eben an die Wurzeln gehen. An den Sexismus der Gesellschaft, wie Frau Schwarzer es in ihrem Weltbild erkennt. Sie möchte den Fuss in die Tür bekommen und dann immer weiter gehen – sie darf mich schon jetzt für einen Sexisten halten, wenn ich ihren Bestrebungen dafür meine eigene Tür – Baujahr 1720, Eiche, Eisenarmierung, die Jesuiten wussten, wie man die Tür verrammelt – auf den Fuss hauen darf. Und zwar: Lustvoll. Denn Frau Schwarzer missbraucht das wichtige Thema der Unterdrückung von Menschen speziell für ihre eigene Agenda: Die Unterdrückung von Andersdenkenden.

Hier fängt es an: Der Kampf für die Rechte von Prostituierten, ihrem Beruf frei und ohne jegliche Behinderung nachzugehen, wenn sie so wollen, ist nicht weniger als ein Krieg, um Frau Schwarzer aus meiner Gemäldegalerie, meinem Bücherregal und meinem Schlafzimmer herauszuhalten. Dafür ist mir, Sie ahnen es, als Büchersammler und Kunstliebhaber jedes Mittel recht. Als Kunstliebhaber weiss ich, dass der Schweinkram von Gestern das Weltkulturerbe von morgen ist, als Bücherfreund weiss ich, dass man die Schwarzers, Busenbaums, Neumeyers und andere Aufklärungsfeinde nach zwei Jahrhunderten nur noch im Ramsch findet. Ich hole mir dort sogar die Jesuiten heraus, und stelle sie neben ihre alten Feinde wie Voltaire und die philosophische Therese. Und wenn am Ende statt einem steinernen Gast nur eine Schwarzer vorbeikommen will, dann gebe ich meinem getreuen Leporello gern nochmal vier Dublonen, damit er sie und ihre 100 lächerlichen Promis rausschmeisst. Leichte Mädchen hole ich dann auf mein Schloss mit mir, tanzen lass ich sie wild durcheinander, una gran festa va preparar.

HINWEIS:

Alice Schwarzer sollte sich besser mal für ein funktionierendes CMS und Haftstrafen für Spammer einsetzen: Die sind nämlich der Grund, warum ich für die Kommentare nur raten kann, auf das Kommentarblog auszuweichen.