Über die Donau zieht man nicht
Meine Grossmutter
Das ist mir jetzt mordspeinlich, aber ich muss leider das werden, was woanders als rassistisch gälte.
Es ist aber nicht so gemeint und betrifft nicht Menschen, die auf der richtigen, also unserer Seite der Donau wohnen, sondern de Leid von da andan Seidn. Sie sehen schon, hier auf unserer Seite ist der Mensch und da drim sann nua dLeid. Man spricht sie besser nicht auf Hochdeutsch an, denn das versteht man auf der falschen Seite der Donau gar nie nicht. Die falsche Seite der Donau ist in für uns auf dem Weg zum Tegernsee das, was Österreich zwischen Bayern und Italien ist: Eine historische Fehlentwicklung und der Beweis, dass man mit der Ansiedlung von Leuten vorsichtig sein soll. Denn die machen nur Ärger. Und dass ich Ihnen jetzt neben der schönen, klugen, reichen, das umgebende Gschleaf haushoch überragenden Stadt an der Donau und dem Tegernsee nun auch noch den Bayerischen Balkan dazwischen vorstellen muss, liegt genau daran, dass ein paar Burschn aus jener Region bundesweite Beachtung finden. Das gab es seit dem Mordfall Hinterkaifeck nicht mehr.
Sie haben nämlich für den Faschingszug in Reichertshausen einen Panzer aus Pappe gebaut, auf ein Auto gesetzt und „Ilmtaler Asylabwehr“ darauf geschrieben – an einem Tag, da unsere Verteidigungsministerin meint, man könnte eine Grenze nicht schliessen, was ja für so eine Oberbefehlshaberin ein Rücktrittsgrund sein müsste. Weil, wozu haben wir eine Armee, wenn sie die Grenzen nicht schützen kann? Als Titularministerium für Kanzlerinnenfachfolgerinnen? Aber wie auch immer, der nichtsnutzige Papierpanzer erhält weitaus mehr Aufmerksamkeit als nutzlose echte Armeen, gilt als geschmacklos und zog Anzeigen wegen Volksverhetzung nach sich – während Europas Grenzschützer Erdogan, den unsere Kanzlerin heute bekniet, die Migration zu reduzieren, unbehelligt echte Panzer auf Kurden schiessen lässt. Die dort ausbleibende, nur dem Ilmtal geltende Empörung der deutschen Medien ist ein schönes Exemplum für die Prioritäten deutscher Menschenfreunde, denen ich unter normalen Bedingungen jederzeit dLeid von der anderen Seite der Donau zum Frass vorwerfen würde.
Aber letzthin habe auch ich süffisant und mehrdeutig erzählt, dass man mit den Vorgängern der modernen Panzer hier bei uns sehr wohl Grenzen zu verteidigen wusste. Schlauerweise habe ich das in eine Geschichts- und Aufklärungsstunde verpackt, ohne mich moralisch zum Thema Abschuss von Schweden zu positionieren. So etwas bekommen heute viele in die falsche Kehle, und mein eloquenter Umgang mag mir meinen Stiernacken gerettet haben. Ich möchte aber sagen, dass auch der Schwede auf der falschen Seite der Donau stand und da braucht sich hier keiner wundern, wenn man ihm das Pferd abschiesst. Und zwar mit Kanonen, die hier immer noch stehen und funktionieren würden. Und wenn man sie genauer betrachtet, dann haben auch unsere echten bayerischen Waffen cum permissu superiorum eine lange Tradition des abwehrbereiten und leicht geschmacklosen Witzes.
Das hier ist etwa der Sedlbauer, an dessen Hinterteil, als Gruß an den Feind, ganz oben, der schöne Satz „Haw Godt vor Augn“ steht. Der Sedlbauer ist auf dem Rohr mit seinem Pflug abgebildet, wie er die Erde aufreisst, und so soll die Kanone laut Inschrift auch mit dem Feinde verfahren, Wer also nach einem historischen Vorbild für die Beschriftung „Asylpaket III“ des Hallertauer Panzers sucht, wird hier bei den hochgebildeten Christenmenschen der bayerischen Renaissance schnell fündig. Es gibt dann übrigens auch noch eine gendergerechte Sedlbäuerin im gleichen Kaliber, die ihrem Mann im Bild mit der Egge nachfolgt und klein macht, was noch stehen sollte. Sprich, mit dem Sedlbauer verschoss man die grossen Kugeln und mit der Sedlbäuerin das gehackte, kleine Blei. Sanfte Moralpolitiker in der Regierung müssen sich das wie bei ihrem Menschenrechtspartner Erdogan und seinen Panzern vorstellen, wo es neben der Kanone gegen Gebäude auch noch schwere Maschinengewehre für menschlich-ungeschützte Ziele gibt – und Diplomaten, die versuchen, den Jecken das Maul zu stopfen. Mit dieser Tradition leben wir Deutschen durch unsere Staatsrepräsentantin auch heute noch recht gut, und setzen uns dazu lächelnd auf einen goldenen Sessel neben den Hüter der hohen Migrationspforte.
Und eigentlich will ich die Pfaffenhofener auch gar nicht verteidigen. Nur, weil wir selbst alle doppelmoralisch Tribut nach Istanbul abführen, wird eine hausgemachte Entgleisung nicht besser. Aber sie sind von der anderen Seite der Donau. Halbe Wilde. Agrarisches Entwicklungsland mit Drogenschwerpunkt, vergleichbar mit Afghanistan, nur Hopfen statt Haschisch. Da sollte man als politisch aufgeschlossener Mensch doch bitte keine Pauschalurteile machen, das war sicher nur witzig gemeint wie manche Handlung von Migranten, denen Grüne, CDU und SPD ja auch keine Aufmerksamkeit schenken, sondern auf kulturelle Eigenheiten verweisen. Da sollte man vielleicht mal ein vorsichtiges Integrations- und cultural Awarenesstraining machen – was bei jungen Burschen aus Syrien, Irak, Afghanistan und Nafriländern dem Zusammenleben verschiedener Kulturen dient, könnte nicht minder den Hallertauern gut bekommen. Sie hatten ausserdem eine schwere Jugend und mussten erleben, dass ihre Eltern hier bei uns für die Parkplätze zahlen mussten. Ausserdem haben sie ja auch vielleicht nur einen Witz in Richtung der eigenen Bevölkerung gemacht, weil dort so viele inzwischen zur Selbstverteidigung übergehen.
Lasst sie laufen, seid mit einer Entschuldigung zufrieden, es war Fasching.
Oder zieht das durch, klagt sie an und stellt sie vor Gericht. Aber.
Ich wollte eigentlich gar nicht zu den Kanonen und heute auch generell nicht schreiben, ich wollte nur zum Bäcker, zum Schlüsseldienst, zur Pastamacherin und zum Radlgeschäft. Mir ist schon bewusst, dass die Stimmung in den Medien wenig nachsichtig gegen die Panzerfahrer ist, aber so sonderlich freundlich ist die gegenläufige Stimmung hier bei uns auch nicht. Das ist mehr so „Da haben sie mal wieder jemanden gefunden, um ein Exempel an ihm zu statuieren“. Und nach Tucholsky: „Was darf Satire? Alles.“ Da kommt ein „Wenn man nicht mal mehr an Fasching einen Schmarrn machen darf, was ist dann erst danach los?“ Einer fand auch das schöne Wort „Willkommenszensur“. Ein Blick in die bayerischen Geschichtsbücher lehrt, dass die Obrigkeit auf diese Art und Weise stets jene Märtyrer schuf, deren Verfolgung dann Rebellionen nach sich zogen. Kurz, ich komme vom normalen Volk und möchte vorsichtig darauf verweisen, dass es über den Panzer vielleicht nicht gelacht hätte. Aber mit den Anzeigen hört der Spass wirklich auf.
Man braucht kein feines Sensorium um zu wissen, dass hier Medien und Staatsmacht gerade an der Mutter aller Watschenbäume rütteln. So ein Panzer taucht auch nicht zufällig aus dem Gebüsch auf und verirrt sich in den Faschingszug. Das fand auch nicht jeder ganz schlecht. Belangen kann man vielleicht nur Panzerbauer, aber die anderen sind auch noch da. Und jene, die den Witz schlecht fanden, aber die Reaktion noch schlechter. Ich will hier fefinitiv keinen Pegidaableger oder 29 Prozent AfD-Wähler aus Trotz, und diese Region hier hat so viele Asylbewerber wie sonst kaum eine aufgenommen und vorbildlich versorgt. Man kann schon die Söhne der Leute hier verklagen. Aber die Asylbewerber werden trotz einiger Einzelfälle wie der Exzesse von Rockolding, der diversen Vorkommnisse und dieser Geschichte vom erträglichen Klima im Landkreis abhängig sein. Gleich nebenan in Landshut hat der Landrat schon Flüchtlinge nach Berlin gebracht. Das ist die Stimmung bisher, morgen könnte sie schlechter sein. Ich komm von hier, wenngleich von der richtigen Seite der Donau. Ich kenne die Leute. Lasst es gut sein, liebe Medien, wenn ihr wollt, dass Pfaffenhofen gastfreundlich bleibt. Lasst nicht den Eindruck entstehen, dass man Ersttäter in Kiel und Köln laufen lässt, und ihr in der Hallertau Burschen mitsamt ihrer hilfsbereiten Heimat wegen einer misslungenen Sache rasiert und öffentlich pauschal verdammt, wie so ein besoffener Pegidagröler halt.
“Weck mich nit auf”, steht über dem schlafenden Löwen.
Natürlich muss keiner auf mich hören und man sagt, man sollte Vertrauen in die Gerichte und den Staat haben.Aber weiter im Süden überlegt sich der Östereicher schon, wie er die Flüchtlinge von seinem Territorium fern hält, er poussiert mit dem Orban und verschlechtert die Bedingungen so, dass seine eigenen Schutzsuchenden vielleicht bald zu uns weiter ziehen. Vielleicht wird in der EU niemand helfen, und Erdogan die schönen EU-Milliarden nur nutzen, um sich den Kurden statt den Schleppern zuzuwenden. In dieser Lage eine ganze Region vorzuführen, wegen eines Papierpanzers an Fasching, hilft nicht dem Landfrieden, den man in der Krise bräuchte. Was heute ein billiger moralischer Sieg ist, könnte morgen zu einer sturen Verweigerung führen. Das sind eigenwillige Leute. Hopfenbauern. Eine ganz eigene Rass, sagen wir in Bayern. Ich tät mich gut mit ihnen stellen. Wirklich. Wenn meine italienische Pastaköchin schon stinksauer ist, wird es da über der Donau unter der Oberfläche der medial erzwungenen Einsicht noch etwas schwieriger sein.
Also, lasst es gut sein, demütigt sie und die Region nicht und schwabbd es hinunter, nach alter Väter Sitte. Oder macht weiter, aber sagt dann nicht, ihr hättet nicht gelesen, was hier auf den Kanonen steht. Ich meine es nur gut.