Es gilt der Heimat, wenn wir auch nur zu spielen scheinen.
Theoderich der Grosse
Über die grösste Demonstration gegen die deutsche Einheit wurde bislang nicht berichtet: Zehntausende von Bewohnern der vermögenden Region zwischen Stuttgart und München sind am 3. Oktober nach Italien gefahren, um dort in den Städten und Gemeinden, auf Bergen und an Seen ihre persönliche Verbindung mit Italien und Südtirol zum Ausdruck zu bringen.Während die Deutschen im Regen einen fragwürdigen Feiertag mit Streit und Geschrei verbrachten, wurden südlich des Alpenhauptkamms Espresso und Wein konsumiert, Cafes besetzt und Lebensmittelgeschäfte geplündert.
Am Abend des 3. Oktobers kam es dann zur Abschlusskundgebung der italophilen süddeutschen Fastitaliener auf der Autobahn zwischen Brixen, dem Brenner, Innsbruck und Kufstein, wo unter schneebezuckerten Bergen der Verkehr zusammenbrach. Ich war natürlich auch dabei, denn ich kam frisch aus der Toskana, wo ich ein Hemd mit der Aufschrift “Artigiani Salumi Bertinoro“ trug und mit dem Rennrad über Stock und Stein fuhr. Traunsteiner, Miesbacher, Erdinger, Tölzer, Freisinger und sogar ein Mini mit Hamburger Kennzeichen zeigten auf der Autobahn an, was der Deutsche will und wo er eigentlich erheblich lieber wäre: Im Süden. Für unsereins – zwischen mir und der Grenze zu Südtirol liegen nur 100 Kilometer Luftlinie – ist das alles ein Katzensprung, und wenn die Autobahn nicht gerade verstopft ist, geht es schnell. Diesmal war die Demonstration zu viel, weshalb wir dann über den Achensee ausgewichen und bei der Marie in Achenwald eingekehrt sind.
Dort gab es wegen anderen Demonstranten kaum einen Parkplatz, und die Bedienung erzählte vom Gehauf, den der Protest der Fähigkeit, dieses Deutschland jederzeit verlassen zu können, bei ihr angerichtet hat: Voll sei es den ganzen Tag mit der proitalienischen Aktion gewesen, die hier den letzten Spinatkäseknödel vor der deutschen Grenze zu sich nahm. Es war Tag der Tiroler Jägerpfanne statt Tag der deutschen Einheit: Wir können auch anders, war das Signal der Wohlhabenden an die Einheits- und Gleichstellerfeiern in Dresden, wo viele Zurückbleibende in ihren blühenden Landschaften höchst unfreundliche Dinge gegenüber der politischen Prominenz verkündeten. Im strömenden, sehr deutschen Regen. So sah es übrigens bei uns in der Toskana aus:
Über die Ursachen des Streits, der dem Vernehmen nach allerdings gewaltfrei blieb, wird nun viel geredet – und auch über die Frage, wie man das ändern kann. Claudia Roth, die den Demonstranten mit einem sicher wohlwollend gemeinten “Herr schmeiss Hirn herunter“ begegnete und dabei in eine feindliche Kamera sprach, forderte gut finanzierte Programme, die solche Meinungsäusserungen ändern sollten. Ich als alter Demonstrant kann mich zwar noch daran erinnern, dass auch Angehörige der Grünen Jugend in München mit Trillerpfeifen gegen Stoiber ankreischten und neben Hau-ab-Sprechchören sehr unflätige Bemerkungen verkündeten. Aber das hatte damals keine Forderungen zur Umerziehung durch Frau Roth zur Folge. Toleranzförderung im amerikanischen Stile – die Präsidentschaftskandidatin und damalige Aussenministerin Clinton soll gefragt haben, ob man Julian Assange von Wikileaks nicht “drohnen“ könnte – ist im warmherzigen Deutschland allein schon mangels passender Gerätschaften nicht möglich, was sich die Regierung im Übrigen selbst zuzuschreiben hat.
Auch Anetta Kahane, die als ehemalige IM der DDR-Staatssicherheit noch Zeiten kennt, da der Staat im Osten noch andere Möglichkeiten hat, konnte all das trotz der Fördermittel für ihre Stiftung, die teilweise direkt vor Ort verwendet wurden, nicht verhindern. Ganz offensichtlich leben in Ostdeutschland Menschen, die den Argumenten von Regierung und Medien nicht zugänglich sind, und deren Ziele nicht akzeptieren. Es sind gar nicht so wenige, und warum das so ist, darüber kann man lang diskutieren. Aber ich habe mir daheim einmal die Landkarte von Deutschland angeschaut und eine verblüffend einfache Erklärung gefunden: Sie sind dort, weil sie kaum weg können.
Ich mein, schauen Sie: Wir Bayern können natürlich am 3. Oktober weg und tun so, als seien wir de facto Norditaliener. Es gibt eine Autobahn und ein Gegenmodell zu Deutschland, dessen Nachteile man leicht übersieht, wenn man reich ist und sich nicht von einem Drogendealer aus Nordafrika fast umbringen lassen muss, was echte Italiener momentan übrigens sehr aufregt und gegenüber der deutsch-alternativlosen Migrationseinladung auch verbittert. Wir müssen nur in ein Auto steigen und über die Autobahn nach Italien. Dresden dagegen liegt in einer östlichen Ecke des Landes, eingeklemmt zwischen Tschechien, Polen und der zentraleuropäischen Favela Berlin. So ein PEGIDA-Anhänger wäre aufgrund der ungünstigen Strassentrassen mindestens 8 Stunden unterwegs, bis er sich unserer Italodemo im Grossraum Verona anschliessen könnte Mit all den Staus, die wir verursachen, müsste er um Mitternacht aufbrechen, könnte gerade einen Espresso schlürfen, und sich die Beamten anschauen, die am Brenner den Eindruck zu erwecken suchen, Europa würde ernsthaft etwas bei der Migrationskrise unternehmen – und dann zurück in seine Heimat fahren. Natürlich wäre er damit aus dem Weg, wenn Deutschlands Elite das einige Vaterland feiert, aber es ist für ihn einfach zu weit.
Nun. Mein Vorschlag mag unorthodox klingen, und er hat natürlich auch nicht die Raffinesse der DDR-Methoden, ja er ist sogar etwas anrüchig, wenn man ihn historisch betrachtet. Aber: Der politisch falsche Ostdeutsche bräuchte eine richtige Autobahn. So eine Diretissima in den Süden. Ein nationales Prestigeprojekt, das ihn schnell über die Berge bringt. Ich habe mir die Karte von Mitteleuropa angeschaut und ich denke, man könnte das propagieren, ohne dass jemand mit unschönen historischen Autobahnvergleichen früherer Zeiten kommt: Die europaverbindende Autobahn Verona – Dresden – Kaliningrad. Sicher, es ist etwas Aufwand, weil das Erzgebirge und der Alpenhauptkamm untertunnelt werden müssen, um freie Fahrt für freibesorgte Bürger zu garantieren und dabei Tschechen und Österreicher wenig zu belasten. Aber dann kommt sogar ein Trabant mit Deutschlandfahnen in nur 6 Stunden nach Verona. Oder in Putins Reich, das einige der Dresdner Demonstranten doch so sehr schätzen. Eventuell kann man am Tag der Einheit auch Busreisen dorthin anbieten, zu Sonderkonditionen.
Das alles muss man als Investition in die Völkerverständigung anpreisen. Das wäre mal ein richtig grosses Programm, eine nationale Aufgabe, eine infrastrukturelle Aufwertung. So viele Dobrindts kann Bayern gar nicht nach Berlin liefern, wie dort dann rote Bänder durchschnitten werden müssen. Diese Strecke wäre auch ein feiner Ort, um die auf Halde produzierten, unverkäuflichen Elektroautos der deutschen Hersteller im staatlich über gut verzinste Kredite bei der Deutschen Bank finanzierten, nationalen Grosstestbetrieb herum fahren zu lassen. Ausserdem kann man dort pünktlich zur Wahl in Bayern exklusiv die Autobahnmaut für Ausländer einführen, und vielleicht errichtet man in Österreich eine blockierte Scheinausfahrt mit der Aufschrift “Balkanroute – dauerhaft geschlossen!“. So wie es letztes Jahr in Spielfeld dank der fürsorglichen Österreicher ein Migranten überzeugendes Schild in Richtung Germany gab. Das alles ist möglicherweise etwas teurer, als 100 psychisch belastete Linksbizarre in Berlin Webseiten und Broschüren zur Nachbardenunziation auf Basis des Verhaltens der Kinder in der Schule erstellen zu lassen. Aber in Bayern wirkt die Autobahn zusammen mit dem arbeitsfreien Feiertag bei den Unzufriedenen sicher und schon heute.
Im Osten geht das noch besser, denn schon im frühen Mittelalter war Verona ein Lieblingsziel von erlebnisorientierten Gruppenreisen der Thüringer und Ostgoten. Natürlich ist das ein gewagtes Projekt, zumal es etwas umweltfeindlich und den Grünen kaum zu vermitteln ist. Aber der Herr hat nach meinem Wissen noch nie Hirn vom Himmel geworfen, und wer sich selbst hilft, dem hilft Gott: Putin unterstützt solche rechten Bewegungen in Europa schliesslich, damit sie im Westen für Ärger sorgen, und ganz sicher nicht, damit sie in schlau umgeleiteten Horden in Kaliningrad wieder von einer sehr germanischen Art der Osterweiterung träumen.
Dann muss man nur noch den Bürgermeister von Verona überzeugen, dass die aus dem Südosten kommende Autobahn Kaliningrad-Verona keinerlei Anbindung zum restlichen Strassennetz bekommt. Der Westdurchbruch des Ostens muss auf jeden Fall verhindert werden! So geeint, dass der freistaatliche Bayer sich seinen Espresso in Malcesine oder Garda vom ostbesorgten Bürger streitig machen lassen will, sind wir nun wirklich nicht, und der Umstand, dass hier ein bayerischer Vorschlag die politischen Nöte des Ostens löst, darf nicht auf Kosten des Südens gehen. Denn wer tief baut, kann auch hoch bauen: Es wäre doch schade, wenn dem geeinten Deutschland eine neue antipoveristische Mauer an der Mainlinie zustossen würde.