Nachdem dieses Blogprojekt ein gutes Jahr besteht und hinreichend Einblicke gegeben hat, kann man wohl einiges als Grundlage der höheren Kreise ausschliessen: Moral etwa, Anstand sicher auch, Religion funktioniert schon lange nicht mehr, und auch die politische Bindung endet bei der Neuregulierung der Grunderwerbssteuer. Alles löst sich auf, alles bröckelt und bekommt Risse, doch eine allgemein verbindliche Grundlage zumindest ist bis zu meiner Generation unverrückbar unter Möbeln und Füssen: Der Perserteppich. Schlimm, dass auch das zu Ende geht. Weiterlesen
Artikel im: Januar 2010
Nazis im Nachverkauf
Die alten Anhänger der Nazis sterben, aber ihr Besitz bleibt. Urgrossmutters Tischdecken kann man verwenden, Grossmutters Porzellan kann das Töcherchen beim Studium ruinieren, und eine alte S-Klasse findet immer einen Liebhaber in Afrika – aber wohin mit den Landsergemälden, den arischen Frauen auf Öl und den braunen Bannerträgern aus Zinn? Schwierig. Vielleicht ist Verbrennen eine Lösung – Versteigerungen taugen offensichtlich weniger zur Entsorfung des braunen Kulturmülls. Weiterlesen
Nach oben schlafen mit Tullia d’Aragona
Mit dem Hochschlafen ist es ja so eine Sache: Es ist relativ leicht, wenn sich ein alter, reicher Sack eine Frau aus Russland oder Thailand beschafft, aber extrem unschön im täglichen Umgang. Will man aber einen jungen, angenehmen und familiär gut gepflegten Sohn aus besserem Hause, muss man sich gegen die Konkurrenz der Leistungsträgerin zur Wehr setzen. Klingt schwer, aber wenn man den Terminus Technicus für derartige Geschöpfe kennt – Frettchen nämlich – ahnt man vielleicht, dass eine wohlgebildete, kluge und kulturell interessierte junge Dame mit kleinem Vermögen dennoch gute Chancen haben könnte. Weiterlesen
Idiotenstreifen am Himmel und Elite auf Erden
Es ist nicht einfach, das Wort "Elite" wertfrei zu benutzen; manche gieren danach, um sich zu vermarkten, was unelitärer kaum sein könnte, und andere beschimpfen Feinde damit, was auch etwas gewöhnlich ist. Ich persönlich denke, dass Elite vor allem instabil ist; der Multimillionär im Rollstuhl ist ebenso wenig Elite wie der taube Musikkenner, aber mitunter reicht schon ein spöttisches Wort über ein störendes Flugzeug am Himmel, um für einen Augenblick die Elite in sich zu vereinen. Man muss das natürlich nicht mögen, und man exponiert sich mit so einer Meinung – aber auch das gehört dazu. Weiterlesen
Die oft gefragten Fragen der zu verbessernden Gesellschaft.
Moderne Internetseiten haben oft so eine Abteilung, in der das beantwortet wird, was jeder vielleicht gerne wissen würde. Bei uns jedoch würde man sagen: Das geht Sie absolut nichts an. So traditionell habe ich es ein Jahr lang gehalten. Ich war nur dort indiskret, wo es mir sinnvoll erschien, und es mich nicht zu sehr in Misskredit brachte. Aber nach einem Jahr Stützen der Gesellschaft ist es nun an der Zeit, nicht nur zu plaudern, sondern auch Rede und Antwort zu stehen, und zwar so aufrecht, ehrlich und zuverlässig, wie es die Stützen der Gesellschaft nun mal sind, wenn sie vorher mit ihrem Anwalt gesprochen haben. Weiterlesen
Luxussorgen oder ein Versuch über das Unglück der Reichen
Die Medizin, die Heizung, die Nahrungsmittelversorgung, die Bequemlichkeit – fast alles, von der Bildzeitung, dem Privatfernsehen und junger deutscher Literatur mal abgesehen, wird besser, schöner und angenehmer. Ausser natürlich die Anlässe zum Jammern und Klagen. Besonders in den begüterten Kreisen leidet man am Wegfall alter und bewährter Besorgnisse und Schicksalsschläge, hat aber dank der Position durchaus die Möglichkeit, würdigen Ersatz zu finden. Weiterlesen
Sparsamkeit von der Tugend bis zur Dummheit
Hätte früher jemand nicht sehr viel Geld angespart, gäbe es keine bessere Gesellschaft. Irgendwer hat verzichtet, um den Geldberg anzuhäufen, auf dem jene sitzen, die auf andere hinunterschauen. Die Frage jedoch ist: Wie sinnvoll ist eine weitere Anhäufung, wenn man am Ende nichts davon hat und vielleicht sogar Angst haben muss, dass schlechte Banker und Politiker den Geldberg auch noch zu verkleinern wissen? Eine Antwort habe ich auch nicht. Wie eigentlich niemand. Weiterlesen
Rodeln oder der Puderzucker der Erde
Zu den erstaunlichen Errungenschaften der Zivilisation gehört es, dass Menschen, die sich in der Kantine, bei der Beförderung, am Bus und in der U-Bahn anstellen müssen, das auch freiwillig im Urlaub tun, um sich von einem Lift befördern zu lassen. Dann geht es hoch hinaus zu anderen Menschen in Plastikkleidern und mit Hochtechnikgerät an den Beinen, und dann in eine Kneipe, in der es um einen gewissen Anton aus Tirol geht. Es geht natürlich auch anders – indem man die Bretter gegen Kufen und den Lift gegen einen Anstieg eintauscht. Weiterlesen
Ersatzhandlung unterprivilegierter Zeitgenossen
Ich hasse es, wenn ich mich dabei erwische, Verhalten niedriger Schichten zu imitieren. Nachdem ich gestern in einer Schlange wie ein bildungsferner Teenager SMS geschrieben hatte, griff ich dann doch zu M. G. Lewis und seinem Buch "Der Mönch". Um mich herum wurde telefoniert und angerufen, als gäbe es kein Morgen mehr – dabei ist nur ein Flug ausgefallen. Aber stets, wenn die Realität unschön wird, greift man zum Mobiltelefon. Besser ist es, die Realität schön zu belassen und so erst gar keinen Anlass für so ein Gerät zu haben. Weiterlesen
Zwang, Vernunft, Versorgung und Arrangement
So ein Unmensch, empört sich Tante Euphemia beim Gedanken an den Muselmanen, der seine Tochter einem anderen verspricht, ohne sie überhaupt zu fragen. Alle am Tisch nicken, auch die jungen Nichten, die es einfacher haben werden und frei wählen können, solange der gemahl nur mindestens Arzt, Notar und Abkömmling einer Familie ist, die mindestens schon 100 Jahre hier wohnt und frei von Flüchtlingen, Preussen und anderen Leuten zu sein hat, die man ja nun wirklich nicht in der Verwandtschaft haben müsste – also, der Dr. S. ist ja ganz reizend, den sollte man mal zum Tee einladen. Es gibt keine Zwangsheiraten bei uns. Das wäre viel zu primitiv. Weiterlesen
10.000 Euro teure Lehren aus 2009
Wenn es einem im Gegensatz zu vielen anderen nach der Krise nicht schlechter geht als vor der Krise, dann gehört man zu denen, dies man vielleicht als Gewinner bezeichnen könnte. Weil jemand die richtigen Stützen der Gesellschaft begünstigt hat, weil die Belastungen verteilt werden, weil der Teufel immer auf den gössten Haufen – nun, die Frage ist nur: Warum fühlt es sich mit ein wenig Nachdenken so an, als hätte man auch verloren? Weiterlesen