Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Wie viele arm und wenige reich bleiben

Der Deutschen liebste Kinder sind Autos, Urlaub und Selbstmitleid, und seitdem andere Europäer reicher erscheinen, fehlt es nicht an Wehklagen, wie man das ändern könnte. Ganz einfach: Man müsste das Vermögen anderen wegnehmen.

Get rich or survive trying

Noch immer schwappen Nachwirkungen der Untersuchung zum Vermögen der Europäer durch die Netzdebatten, noch immer werden ergänzende Studien vorgestellt, und es macht doch den Eindruck, als seien tatsächlich die deutschen Haushalte im Schnitt weitaus weniger mit Vermögen gesegnet, als die Haushalte in Krisenländern. Die politischen Folgen wie der Hass auf andere sind weitreichend, es wird damit für die sog „Alternative für Deutschland“ geworben und wenig danach gefragt, inwieweit das eigentlich mit der Vermögensverteilung im eigenen Land erklärbar ist. Etwa mit extremen Konzentrationsprozessen, und verarmten Schichten.

Dabei ist diese Frage gar nicht so unwichtig, denn insgesamt, da ist man sich einig, haben „die Deutschen“ ein enormes Vermögen. Das wird – unabhängig von dieser viel debattierten EU-Studie – bislang auf ungefähr 5000 Milliarden geschätzt, und pro Haushalt, wenn man das Gebrauchsvermögen – Autos, Tafelsilber, Barockspiegel, Seidenteppiche etc. – herausrechnet, bleiben immer noch angenehme 234.900 Euro übrig. Das ist gar nicht so schlecht. Schlecht ist es erst, wenn man einen Sohn oder eine Tochter aus besserem Hause von der absoluten Unterkante der Oberschicht nimmt, ihr Vermögen zusammenrechnet, das sie als Alleinstehende besitzen, und zumindest das ganz schnell in den Bereich von einer halben Million vorstösst. Und das heisst, brutal gesagt: Auf jeden dieser Fälle, die das täglich Brot dieses Blogs sind, kommen zwei Haushalte mit mehr als 2 Personen, die nur 117.000 Euro besitzen.

Und für jeden Submultimillionär mit 2 Millionen – was heute in den Zeiten von Monti wirklich nicht mehr viel ist – gibt es 8 Haushalte, die gar nichts haben. Man kann das Spiel im nationalen Rahmen beliebig oft spielen, am Ende bleibt halt die Erkenntnis, dass es wie im durchschnittlich 30 Zentimeter tiefen Fluss ist, in dem der Statistiker ertrinkt: Durchschnitt ist nichts. Verteilung ist alles. Und da ist Deutschland innerhalb der EU nun mal ein krasses Beispiel für eine Entwicklung, gegen die ich mich hier gefahrlos aussprechen darf: Ich erlebe das nun schon seit Jahrzehnten. Und die anderen bekommen zur Wahl Wohltaten versprochen, die sie danach mit Mehrwertsteuererhöhungen und Autobahnmaut gegenfinanzieren müssen. Die Betroffenen wählen immer irgendwie jene, die das tun, was den Reichen nützt.

(Dass man Mietpreisbremsen mit Löchern ausstatten wird, so gross, dass drei Makler-S-Klassen nebeneinander durchpassen – darauf wette ich übrigens gerne) Wo waren wir… auch so, ja, die Verteilung. Ich glaube, wir müssen die Realitäten betrachten. Es gibt also dieses Vermögen in Deutschland, das nach Geldwert stark und nach Sachwert weniger stark ansteigt, und eben die entsprechende Verteilung auf Reich und nicht auf Arm. In Zeiten der Eurokrise können wir sog. Exportüberschüsse einfach mal vernachlässigen, die in die Rettung ausländischer Banken und Nationen und damit der eigenen Forderungen fliessen. Ich darf hier auch sagen, ich wohne nunmehr seit 6 Jahren am Tegernsee, und der ist auch nicht grösser geworden, es ist also einfach nicht mehr da. Sagen wir der Einfachheit halber also, das bleibt alles so, wie es ist, mit etwas Produktion und Wertschöpfung.

Und nun kommt also jemand auf die Idee, dass er „reicher“ werden will. Also nicht mehr Geld aus den schönen Druckereien bekommt, wie alle anderen auch, sondern insgesamt mehr als der Durchschnitt: Darunter versteht man ja allgemein „reicher werden“. Das geht angesichts des existierenden Vermögens nun mal nur, wenn man entweder in der Lage ist, sich Besitz zu verschaffen, den andere haben, oder eben den Staat darum zu bitten, das für einen zu tun. Kleines Beispiel: Wenn ich die Kosten für einen steueroptimierenden Steuerberater von der Steuer absetzen kann, dann finanziert der Staat teilweise das Drücken meiner Steuerlast – im Bereich des Anlagebetrugs würde man das einen Kickback nennen. Wenn der Staat es aber gemeinerweise nicht einsieht, überdurchschnittliche Bereicherung zu fördern, ist man im besten Fall allein. Oder im schlimmsten Fall bei einem Anlageberater, der die Welt in anwaltsbewehrte Kunden und nichts verstehende Lehmanomas aufteilt.

Der Durchschnitt der Deutschen gehört zur zweiten Kategorie, alles was darunter ist und vieles, sehr vieles, was darüber liegt, denn selbst mit einem verfügbaren Vermögen eines Papiereinzelmillionbesitzers ist man allenfalls Kleinaktionär oder zeichnet Fonds wie jene, die das Hotel Heiligendamm aufbauten, das jetzt gerade zum Spottpreis versteigert wurde. Aber während man in diesem Markt noch ein Eindruck haben kann, mit einer gewissen Grandezza unterzugehen, sind all die Geldvermögen des Durchschnitts schlicht zu klein, um darüber nennenswerte Gewinne zu erzielen. Eine Gruppe von Anlegern, für die man Zertifikate erschaffen hat, die den Banken famose Gewinne bringen, wenn es gut geht, und wenn nicht, trifft es eben die Zertifikatebesitzer oder beim Bailout den Staat, der genauso formschön wie beim Steueroptimieren hilft. Es gibt eine ziemlich lange Liste von Anlageformen, die ähnlich wie Zertifikate funktioniert haben, was jetzt angesichts der DAX-Rekorde etwas in Vergessenheit gerät: Die T-Aktie, Infineon, Schifffahrtsfonds, geschlossene Immobilienfonds, Filmfonds, denen auch noch die Steuervorteile gestrichen wurden – man sehe mir das bitte nach, ich empfinde überhaupt kein Mitleid angesichts des Umstandes, dass sich solche Anlagen bewerbende Autoren gerade hartes Brot der Krise essen.

Insofern sind die Leute der Massen, die ihre 20000 Euro mit Rücksicht auf unvorhergesehene Ausgaben auf dem Konto lassen und dafür zähneknirschend die Geldentwertung in Kauf nehmen, nicht etwa dumm oder falsch beraten: Es gibt für ihre Lebensumstände wenig sinnvolle Alternativen. Wollte man daran etwas ändern, müsste man in Deutschland die Gesetze im Bereich des Anlagebetrugs drastisch erweitern und verschärfen, man bräuchte eine wirksame Finanzmarktaufsicht, man müsste den Sumpf des grauen Kapitalmarkts austrocknen und viele Dinge tun, die noch schwieriger sind, als die Mietpreisentwicklung in München zu stoppen: Aber selbst dann bliebe die Frage, wie dadurch umverteilt werden soll.

Und daran glaube ich einfach nicht. Bei uns am See knn das keiner wollen. Es müsste irgendein marktwirtschaftliches Instrument geben, das das Vermögen dort holt, wo es in Deutschland in grossen Mengen ist – also bei den Vermögenden des Landes – und dorthin bringt, wo es über all die Jahre abgezogen wurde. Das Instrument müsste in der Lage sein, die staatlich erlaubte Umverteilung umzudrehen, und es sollte sich dabei nicht um Kidnapping oder räuberische Erpressung handeln. Es müsste irgendetwas sein, dem die Menschen ausserdem nach all den Reinfällen wieder glauben. Dass der DAX heute steigt und morgen beim Fall angeblich wieder Milliardenwerte vernichtet werden, haben sie vermutlich inzwischen so weit verstanden, dass sie, soweit möglich, lieber Stein und Ziegel kaufen. Das macht sie vielleicht noch nicht reich an dem Papier, das gedruckt wird, aber es gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit, und sie müssen sich nicht dauernd Sorgen machen, welchen falschen Versprechungen sie diesmal aufgesessen sind.

Jeder kann arm bleiben.
Jeder kann ärmer werden.
Aber nicht jeder kann reich werden.

Klingt fies, hat aber den Vorteil, dass ich auch weiterhin niemanden als Nachbarn begrüssen muss, der an das glaubt, was er in Finanzdingen schreibt, und seine dürftigen Mittel entsprechend anlegt.

HINWEIS:

Hier geplagt von anhaltenden Unzulänglichkeiten darf ich Sie auch im Kommentarblog begrüssen und viel Spass beim Debattieren wünschen.