Adam Smith gilt als Vorreiter des egoistischen Menschenbildes, das die Wirtschaft regiert. Und Kant hat dort ohnehin nichts zu suchen. Oder?
Möglicherweise allerdings hätten Smith und Kant sich sogar eine ganze Menge zu sagen. Jedes Kind lernt Kants den Satz über den Ausgang aus der Aufklärung und auch kategorischen Imperativ in der Schule auswendig:
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. “
Ein von mir sehr verehrter Lehrer beklagte vor einigen Jahren, Kant würde inzwischen so verdreht, daß Gymnasiasten mit der Intepretation “Wie Du mir, so ich Dir” durchs Abitur kämen – was zwar intuitiv verständlich scheint, aber natürlich viel zu kurz gegriffen ist. Kant zu verstehen und zu schätzen, muß man das gesamte, komplexe Gedankengerüst drumherum wahrnehmen und begreifen: den guten Willen, die Pflicht, die Achtung fürs Gesetz, Selbstgesetzgebung als Freiheit.
In der Volkswirtschaftslehre (wie auch in vielen anderen Sozialwissenschaften) hängt man immer noch dem homo oeconomicus an, und der kann natürlich keinen Kant zitieren. Meist wird Adam Smith zur Legitimation des egoistischen Menschenbildes herangezogen:
„As every individual, therefore, endeavours as much as he can, both to employ his capital in the support of domestic industry, and so to direct that industry that its produce maybe of the greatest value; […] He generally, indeed, neither intends to promote the public interest, nor knows how much he is promoting it. By preferring the support of domestic to that of foreign industry, he intends only his own security, and by directing that industry in such a manner as its produce may be of the greatest value, he intends only his own gain; and he is in this, as in many other cases, led by an invisible hand to promote an end which was no part of his intention. „
Das liest sich sehr anders als Kant, natürlich. Ganz nebenbei bemerkt, wäre Smith wohl bitter enttäuscht gewesen, wie wenig der moderne Konsument bereit ist, seine nationale Volkswirtschaft zu unterstützen. Vor allem aber wäre er enttäuscht, daß „Wealth of Nations” so viel bekannter wurde als die „Theory of Moral Sentiments”. Smith war nämlich keineswegs der Vorreiter jenes kaltherzigen, egozentrischen Kapitalismus, als der er heute wahrgenommen wird. Adam Smith hatte sogar ziemlich viel übrigen für Moral.
„The regard to those general rules of conduct, is what is properly called a sense of duty, a principle of the greatest consquence in human life, and the only principle by which the bulk of mankind are capable of directing their actions.[…]. Without this sacred regard to general rules, there is no man whose conduct can be much depended upon .”
So geschrieben in der oben erwähnten „Theory of Moral Sentiments” (S. 129). Sogar der Begriff der Pflicht, der bei Kant eine so fundamentale Rolle spielt, kommt vor, auch wenn Smith Moral eher mit Religion verbindet.
In jedem Fall sind aber beide Konzepte eher sperrig, vor allem wenn ungelenke VWLer Pfoten sie in Formeln pressen wollen, um sie für ihre Theorien nutzbar zu machen. Sei es wegen dieser Sperrigkeiten, sei es, weil gerade Kants Moralphilosophie von vielen als allzu abstrakt und schwierig angesehen wird: man hält sich lieber weiter an das rationale Menschenbild. Das nämlich ist sehr einfach abzubilden, indem man eine Nutzenfunktion aufstellt. In ihrer simpelsten Form hängt Nutzen nur vom Konsum ab, und je größer der Güterkonsum, desto größer der Nutzen. Wenn es um Wahlalternativen geht, kann man diese in eine Reihenfolge bringen und auch damit läßt es sich ganz passabel rechnen. Je nach Anwendungsfeld kann auch Fortpflanzung oder die Anzahl der Kinder Nutzen spenden – das alles ist mathematisch durchaus noch umsetzbar und dann optimierbar.
Für Adam Smith oder gar Kant ist jedoch in solchen Konstrukten kaum Platz. Dies ist umso unverständlicher, als das rationale Menschenbild allgemein als überholt gilt. Menschen gehen wählen, obwohl der Einzelne kaum Einfluß auf den Ausgang hat – folglich keinen Nutzen. Menschen geben Trinkgelder in Restaurants, selbst wenn sie dort nie wieder speisen werden. Menschen helfen anderen Menschen, selbst wenn sie diese nie wiedersehen werden.
Menschen wählen auch nicht immer rational und gerade wenn es um Kaufpreise und Werte geht, kennt die Irrationalität keine Grenzen. Spätestens seit Amartya Sens Aufsatz „Rational Fools”, der auch über die Wissenschaftsgemeinde hinaus Aufsehen erregt hat, weiß das eigentlich jeder. Trotzdem sind Modelle, in denen Moral vorkommt, selten.
Eine Möglichkeit ist es, moralischen Handlungen als etwas zu definieren, was egoistischen Nutzen stiftet. Damit konterkariert man zwar das Konzept des Egoismus, und schmeißt auch gleich noch den Kern von Smiths „invisible hand” und Eigennutzen über Bord, aber immerhin ist Moral dann irgendwie drin, wenn auch unter Sträuben und Widrigkeiten. Sehr viel eleganter sind Ansätze, die moralische Regeln als vorab-Bedingung definieren.
Ein sehr interessanter Aufsatz von Lanse Minkler erklärt am Beispiel von Spenden und Eigenkonsum, wie das gehen könnte. Einen Teil seines Einkommens zu spenden könnte dann als grundsätzliche Maxime verstanden werden, die auch mit allem sittlichen Wert à la Kant ausgestattet werden kann – gewissermaßen als Dekoration im Hintergrund, auch wenn es keine Auswirkungen auf das Ergebnis hat, ob die Moral kantischer Art ist oder irgendwie anders motiviert. Allerdings hat diese Variante einen Nachteil: wenn ein Individuum zuerst einen fixen Teil seines Budgets als Spende gibt, bevor es selbst konsumiert, gibt es nur die „alles oder nichts” Variante. Entweder man spendet, weil man diese Maxime hat, oder man spendet nicht. Die menschliche Wankelmütigkeit und Schwäche, das Streben nach moralischem Verhalten und das gelegentliche Scheitern können damit nicht abgebildet werden.
Ein anderer Forscher hingegen hat genau das möglich gemacht. Eine der Schwierigkeiten besteht darin, daß sich zwar Kants „unvollkommene Pflichten” problemslos in eine Nutzenfunktion integrieren lassen, indem man dem Individuum eine Präferenz für moralische Verhaltensweise mitgibt. Die „vollkommenen Pflichten” hingegen, die eher Verbotscharakter haben, finden darin keinen Platz. Angesichts der Tatsache, daß die Nutzenfunktion solcher Modelle ohnehin meistens durch eine Budgetfunktion Beschränkungen unterliegt, führt der Autor einfach eine moralische Beschränkungsfunktion ein, die bestimmte Verhaltensweise untersagt. Damit lassen sich am Ende sogar mehrere Nutzenfunktionen definieren, mit mehr oder weniger viel Moral darin und diese wiederum erlauben eine sehr viel feiner Differenzierung, die der Realität entspricht. Menschen sind manchmal moralisch, manchmal aber auch nicht.
In jedem Fall ist es immer wieder überraschend, was Wissenschaft alles zu leisten vermag. Sogar Kant passt am Ende in theoretische Modelle und der homo oeconomicus lernt den Begriff der Pflicht kennen – wenn man nur will.
Bedauerlicherweise hat sich meines Wissens noch niemand die Mühe gemacht, solche extravaganten Konzepte tatsächlich anzuwenden. Falls Sie, geschätzte Leser, ein Beispiel finden, fände ich das ganz wunderbar, aber ich muß gerade mal wieder die Welt retten und habe keine Zeit zum Suchen.
Zwei der Fotos kann ich...
Zwei der Fotos kann ich lokalisieren. Aber das geht wohl am Thema vorbei, sorry.
Werter Klaus, so eng sehen wir...
Werter Klaus, so eng sehen wir das hier nicht mit den Themen… raten Sie, ich bin gespannt! Ich gebe einen Hinweis: es sind drei verschiedene Länder.
Interessanter Aufsatz von...
Interessanter Aufsatz von Minkler. Aber erzählen Sie mal einem Ökonomen, dass der liebe Gott (und nicht sein eigens erwählter Banker) bei der Bewertung von Facebook-Aktien seine Hände im Spiel hat. Der springt Ihnen ins … äh… Gesicht. Und dabei sollte doch gerade Facebook ein Instrument sein, vom I-It zum I-Thou zu kommen. Oder?
Sorry, war nur ein schneller Versuch mit der Brechstange. Wenn wie zuletzt eine große deutsche Wochenzeitung aus Hamburg eine “Neue Lust an Philosophie” beobachtet, wird es Zeit, sich nach völlig sinnfreien Betätigungen bzw. Fragestellungen umzutun.
Der homo oeconomicus kann doch...
Der homo oeconomicus kann doch Kant zitieren, wenn er sich auf die Pflichten des Menschen gegen sich selbst bezieht.
Das könnte er, aber die...
Das könnte er, aber die einzige Pflicht des gemeinen homo oeconomicus ist normalerweise, seinen Konsum zu maximieren. Jedenfalls lernt man das so im Grundstudium, denke ich.
muscat, das war Buber, oder?...
muscat, das war Buber, oder? Erinnere mich vage… . Philosophie erlebt eine Renaissance? Dann wird es Zeit für die Neuauflage von Sophies Welt, oder?
Genau, Buber. Den kannte ich...
Genau, Buber. Den kannte ich bisher nicht.
Sophies Welt. O je, da wär ich jetzt nie drauf gekommen (hab´s auch nicht gelesen). Ob die außerdem was weiß – vom wahren Leben hinter den Zahlen und Modellen?
Nun, Kants gesamtes Werk wurde...
Nun, Kants gesamtes Werk wurde zu einem Großteil durch die Schriften von David Hume motiviert und inspiriert, Adam Smith’ Moralphilosophie steht ebenfalls voll und ganz in der Tradition von Hume. Alleine dies verbindet Kant und Smith erheblich. Und ja, das wirtschaftswissenschaftliche Werk Smith’ ist ohne seine Moralphilosophie nicht zu verstehen.
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Eine wirklich herausragende Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Moral, Wirtschaft und Gesellschaft (und nebenbei eine wunderbare Kant-Kritik) lieferte in jüngerer Zeit übrigens der Ökonom und Mathematiker Kenneth Binmore, dessen Bücher ich sehr empfehlen möchte (“Natural Justice” in eingängiger Form und die beiden ausführlichen und formaleren Teile von “Game Theory and the Social Contract” – Volume one: Playing fair und Volume two: Just playing).
Sophia Amalie Antoinette...
Sophia Amalie Antoinette InfinitesimaliaQ:
Das Meeresphoto inspirierte mich zu nachstehenden subjektiven Raisonnements.
In der gestrigen Print-Ausgabe der FAZ las ich unter dem Rubrum “Natur und Wissenschaft” dass sich sowohl im südlichen als auch dem nördlichen Pazifik
jeweils eine Müllagglomeration aus Plastik etc. dreht von der Größe Mittel-europas mit entsprechender Tiefe in der 3. Dimension. Die ökologischen Folgen die daraus entstehen sind unübersehbar. Vor La Coruna, am Übergang von der Biskaya zum Atlantik, gab es ein ähnliches Phänomen zu beobachten, nur nicht in solchen wie o. a. geschilderten Ausmaßen, aber immerhin 8 km lang.
Das es zu solchen Erscheinungen gekommen ist , kann doch auch nur unter anderem in solch philosophischen Anleitungen wie von Adam Smth zu suchen sein. Die Moral von Emanuel Kant samt seinem wunderbaren Imperativ (für Abi-Abschlussfeiern hervorragend geeignet) ist vor den entfesselten Produktions-kräften des 19. jhdts. gescheitert und komplett in die Binsen gegangen, nicht minder die von Ihnen erwähnte Moralia von Adam Smith.
Watt nu, frägt Klein-Erna an Klein-Fritzchen gewandt ?
lukeman, umso bedauerlicher,...
lukeman, umso bedauerlicher, daß Smith immer nur auf WoN verkürzt wird. Dank für die Literaturhinweise.
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Ach Plindos, ich weiß auch keinen Rat. Aber sämtliche Elite-BWL-Hochschulen zu schließen und alle Manager zur Umerziehung in Philosophie-Camps zu stecken wäre vielleicht ein Anfang? Oder zumindest Smith richtig lehren?
Guten Tag.
Wunderschön. Nun...
Guten Tag.
Wunderschön. Nun weiß ich auch, daß man hier eigentlich nur dann gelitten ist, wenn man Fremdsprachen fließend, verstehend mitlesen kann.
Danke.
Grenzgänger, scherzen Sie? ...
Grenzgänger, scherzen Sie? Wer kein Englisch kann, kann hoffentlich G*gle Translate bedienen oder hat Smith eh schon auf Deutsch auswendig gelernt.
Ich bin allerdings sehr wohl der Meinung, daß Zitate bedeutend verlieren durch die Übersetzung und mir ging es ja gerade darum, den ursprünglich Wortsinn (mit all seinen Details) herauszustellen.
Plindos am besten ist immer...
Plindos am besten ist immer mit gutem Beispiel vorauszugehen was zuerst allerdings noch nicht fuer jeden als gut empfunden wird weil er noch kein Verstaendnis dafuer hat (Muellagglomeration)
Spiegelverkehrtes Denken
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Wo...
Spiegelverkehrtes Denken
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Wo das ethische Prinzip zum Grundprinzip menschlichen Handelns erhoben, hingegen die außerethische Realität als dann nur vor dem Hintergrund eben eines solch ethischen Apriori zur Empirie verniedlicht wird, dort landet man nicht nur bei Kant (https://blog.herold-binsack.eu/?p=1317), sondern auch beim Idealismus, beim Empiriokritizismus eines Mach zum Beispiel (vgl. Lenins „Materialismus und Empiriokritizismus, LW, Bd. 14). Die Kritik der politischen Ökonomie eines Marx richtete sich daher nicht nur gegen die „unsichtbare Hand“ eines Adam Smith, sondern eben auch gegen jenen Kritizismus eines Kant.
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Der Fetisch Markt wird erst durch Kant, und zwar durch dessen ethisches Apriori zu einem „Ding“ amalgiert, welches nicht mehr begreifbar/erkennbar wäre. Durch das von Kant unterstellte Apriori der Ethik wird das Handeln der Menschen als eines verstanden, welches sich in erster Linie von seiner Innenansicht leiten ließe, so als wäre der Mensch nicht auf die äußere Welt fixiert, sondern eben göttlich motiviert. Hier treffen sich alle idealistischen Denkschulen.
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Doch wo die Praxis des Menschen das Kantsche „Ding an sich“, in ein „Ding für sich“ wandelt, da liegen die Triebkräfte so offen, wie die Möglichkeit eben diese zu erkennen – nach Marx jedenfalls. So ist Adam Smiths „unsichtbare Hand“ nichts anderes als die Bewegung des Kapitals selber, welches da Lohnarbeit – abstrakte Arbeit – ausbeutet, und sich dadurch in unlösbare Widersprüche verwickelt. Soweit in diese Bewegung der Klassenkampf mit einfließt, lässt sie sich auch nicht mehr als rein objektive Bewegung darstellen, also letztlich gar quantifizieren. Wir sprachen schon davon (https://blog.herold-binsack.eu/?p=1330). Nach Sohn-Rethel benennen wir diese Bewegung auch „Realabstraktion“:
„Das Wesen der Warenabstraktion aber ist, daß sie nicht denkerzeugt ist, ihren Ursprung nicht im Denken der Menschen hat, sondern in ihrem Tun. Und dennoch gibt das ihrem Begriff keine bloße metaphorische Bedeutung. Sie ist Abstraktion im scharfen wörtlichen Sinne. Der ökonomische Wertbegriff, der aus ihr resultiert, ist gekennzeichnet durch vollkommene Qualitätslosigkeit und rein quantitative Differenzierbarkeit und durch Anwendbarkeit auf jedwede Art von Waren und von Dienstleistungen, welche auf einem Markt auftreten mögen. Mit diesen Eigenschaften hat die ökonomische Wertabstraktion in der Tat frappante äußere Ähnlichkeit mit tragenden Kategorien der quantifizierenden Naturerkenntnis (…). Während die Begriff der Naturerkenntnis Denkabstraktionen sind, ist der ökonomische Wertbegriff eine Realabstraktion. Er existiert zwar nirgends anders als im menschlichen Denken, er entspringt aber nicht aus dem Denken. Er ist unmittelbar gesellschaftlicher Natur, hat seinen Ursprung in der raumzeitlichen Sphäre zwischenmenschlichen Verkehrs. Nicht die Personen erzeugen diese Abstraktion, sondern ihre Handlungen tun das, ihre Handlungen miteinander.“ (Quelle: Alfred Sohn-Rethel: Geistige und körperliche Arbeit. Zur Theorie der gesellschaftlichen Synthesis. Frankfurt am Main 1970, S. 41f, zit. nach: https://formkritik.blogsport.eu/2010/09/10/sohn-rethel-zur-realabstraktion/)
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Wenn man der Ethik an dieser Stelle einen besonderen Stellenwert einräumen möchte, dann wäre dieser nur als ein abgeleiteter zu verstehen. „Ethik“ in dieser Geschichte wäre somit nur Ergebnis des Klassenkampfes. Man könnte das ganze Kantsche „Ding an sich“ auch als den blinden Fleck, nach Zizek, bezeichnen, insofern nämlich dem Menschen die sog. Innenansicht nur vermittelst der nach außen Gerichteten möglich ist (und das „Erkennen“ desselben, wird auch als Bewusstsein – https://blog.herold-binsack.eu/?p=1324 – verstanden, und das, obwohl wir uns noch gar nicht voll bewusst darüber zu sein scheinen, wie verkehrt wir trotzdem diese Beziehung deuten, siehe bei Kant). Wir schauen auf die Dinge, die uns umgeben und erfahren dabei etwas über uns selber. Nur letzteres wissen wir halt nicht. Wir denken es uns als ein Apriori, als etwas, was wir also voraussetzen, statt abzuleiten. Verkehrte Welt.
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Es gibt heute Versuche, gar seriöse, wie ich meine, Kants erkenntniskritische Methode retten zu wollen. Zizek (https://blog.herold-binsack.eu/?p=1233) wäre da kein schlechter Kandidat für, soweit er den Kantschen Idealismus nicht zu retten versucht. Der „blinde Fleck“ ist ja nur deshalb einer, weil wir eben nicht begreifen, dass unser Blick immer erst nach außen gerichtet ist. Der indirekte Blick nach innen kann uns für uns nicht vollständig abbilden. Ein Teil bleibt uns – das wesentliche gar, nämlich woher diese Erkenntnis? – dabei verborgen. Wir bilden uns daher ein, so etwas wie einen göttlichen (https://blog.herold-binsack.eu/?p=1350) Impuls zu haben. Von einer unsichtbaren Hand gesteuert zu sein. Also auch ein Zizek kommt nicht an einer Kritik an Kant vorbei, will er Marxist bleiben.
In Ergänzung zu lukeman:
Es...
In Ergänzung zu lukeman:
Es gibt mehrere direktere Verbindungen zwischen Smith und Kraus:
– Kant glaubte selbst schottische Wurzeln zu haben (“Cant”). Was im damaligen Königsberg auch kein Staunen ausgelöst hätte.
– den Einfluß von Hume und der schottischen Moralphilosophie und Aufklärung (-> Spiegelungstheorie) hat schon lukeman angerissen.
– ein Schüler und spätere Kollege von Kant war Christian Jakob Kraus. Er war einer der ersten, die Smith rezipierten (Moral Sentiments und Wealth of Nations) und ökonomische Vorlesungen auf dessen Grundlage hielten. Ein anderer Ort wo dies geschah, war Göttingen durch Kurhannover (Personalunion mit UK). Doch Kraus in Königsberg hatte nachhaltigen Einfluß, weil praktisch die ganze preußische Beamtenschaft durch seine Schule ging. Die preußischen Reformen wären ohne dies nur schwer vorstellbar. Zudem war es der einzige Zeitpunkt in der deutschen Geschichte, in der nicht Juristen sondern “Ökonomen” die Staatsverwaltung bildeten.
Devin08, ich glaube nicht,...
Devin08, ich glaube nicht, daß Lohnarbeit prinzipiell Ausbeutung ist und ich glaube weiterhin, daß auch Smith das nicht so gesehen hätte. Und warum bedarf Kant der Rettung? In den richtigen Kreisen ist er nach wie vor hochgeschätzt, was will man mehr?
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sven, da sieht man’s wieder: meine Leser haben meistens mehr Ahnung von dem, worüber ich schreibe, als ich. Das spricht für meine Leser, nur leider nicht für mich. Danke!
Frau Sophia Amalie Antoinette...
Frau Sophia Amalie Antoinette Infinitesimalia!
Nein, ich scherze durchaus nicht. Ich gehöre nicht zu denen, denen eine so anscheinend erfolgreiche Bildung vermittelt wurde, wie dem Nachbarblogger, der sich anschließend ausgiebig über seine (sicherlich dann und wann berechtigt) üblen Lehrkräfte beschwert.
Sie haben mit Sicherheit ebenfalls eine recht umfangreiche Ausbildung genossen.
Mir ist es nicht möglich, den Text sofort flüssig zu verstehen, ob es mit Go*translate klappt, weiß ich nicht. In der Vergangenheit fand ich ein solches Experiment wenig ergiebig.
Gegenwärtig weiß ich in der Tat gar nicht mehr wie das noch ging.
So nebenher sich über jemanden lustig machen – ja schon ein netter Spaß was?
Und mit ihrer Bemerkung bezüglich des Detailverlust, fordern Sie nachgerade die Beherrschung der von ihnen benutzten Zitate in der Originalsprache.
Herr Devin!
Der ökonomische Wertbegriff, der aus ihr resultiert, ist gekennzeichnet durch vollkommene Qualitätslosigkeit.
Kann etwas, was einen Wertbegriff hat VÖLLIG qualitätslos sein?
Was bitte schön meinen Sie mit Warenabstraktion, die nicht im Gedanken, sondern im Tun passiert?
Wenn etwas getan wird, wird in der Regel immer vorher darüber nachgedacht was getan werden soll, wie etwas getan werden, warum etwas getan werden soll und oft auch noch wann etwas getan werden soll
Tun ohne Denken halte ich für überwiegend sinnlos, zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht.
Was ist ein gerechter...
Was ist ein gerechter Lohn?
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@Sophia Amalie Antoinette Infinitesimalia: Das ist wahr. Die ganze offizielle Wissenschaft, die bürgerliche, ist letztlich kantianisch. Ich bezog das „retten“ allerdings auf die wage Möglichkeit ihn, oder wenigstens Teile von ihm für die revolutionäre Theorie zu „retten“. Eine, die seit Marx eine sozialistische ist, keine bürgerliche. Kant wurde immer als der Gegenpol zu Marx gebraucht und damit für die revolutionäre Theorie entwertet. – Was maximal herauskam, war Sozialreformismus..
Aber da auch einen Kant kein „höheres Wesen, kein Gott, kein Kaiser und keinen Tribun“ zu retten vermag, auch nicht sie sozialistische Arbeiterbewegung, so bleibt er in der Gefangenschaft der bürgerlichen Klasse, solange es nicht möglich ist, wenigstens einen materialistischen Kern, einen dialektisch-materialistischen, aus seiner Erkenntniskritik heraus zu lösen. Da wo Kant allerdings erkenntniskritisch fruchtbar gemacht werden könnte, muss man sich erst durch den ganzen Idealismus durchwurschteln. Nicht viele haben Lust dazu, zumal es besseres auf dem „Markt“ gibt.
Die hegelsche Dialektik bot sich dazu an. Nicht nur weil Marx Hegelianer war, sondern weil Hegel vom Ganzen ausging, und weil dieser letztlich erkannte, dass der „absolute Geist“ ein wahrheitssuchender ist, und kein agnostischer.
Dieser Geist – auf dessen materialen Ursprung zurückgeführt -, vermochte dann wahre Wunder zu leisten. Nicht zuletzt vollbrachte er das Wunder – über Marx und Engels – eines dialektischen und eben auch historischen Materialismus. Mit Kant war das schwieriger. Sein Idealismus war von anderer Natur. Er versperrte den Blick aufs Ganze, und damit auch auf die Möglichkeit dieses Ganze überhaupt zu erfassen. Er verlor sich in philosophische Spitzfindigkeiten, wie in jenes „Ding an sich“..
Man merkt den Einfluss des protestantischen Pfarrers, den preußischen Pedanten, der sich da in seine Sache verbissen hat, der ein fleißiger „Arbeiter“ wohl ist, doch ein Sektierer. Einer, der die Studierstube in eine Isolierstube verwandelt hat.
Aber wie hätte er auch anders gekonnt. So wie das damalige Preußen sich anschickte, den Kapitalismus nicht von unten nach oben herauszubilden, also aus einer bürgerlichen Revolution heraus, sondern eben von oben nach unten, mithilfe einer aristokratischen Bürokratie, quasi von Anfang an als Staatskapitalismus, also als das, was es heute noch ist, so musste auch diesem Kapitalismus von Anfang an, keine richtig bürgerliche, sondern eine „falsche“ proletarische, eben eine typisch deutsche Ideologie aufgepfropft werden. Das Kapital ist von Natur aus nicht schlecht, es hat halt nur die falsche Umgebung, nicht wahr.
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Dabei sind wir geblieben – wir Deutschen. Irgendwann war dann zwischen dem schaffenden und dem raffenden Kapital zu unterscheiden. Dem deutschen und dem internationalen – vorwiegend jüdischen -, nicht wahr?
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Und das ist auch der Grund, warum ein Kant, zumindest in Deutschland, nicht tot zu kriegen ist.
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Und so verhält es sich auch mit der Lohnarbeit. Dem braven deutschen Arbeitsmann gehört ein „ehrlicher Lohn“ für ein „gerechtes Tageswerk“, trompetete schon Lassalle, jener Archetypus eines reformistischen Arbeiterführers. Einem, von dem wir mittlerweise wissen, dass er von Bismarck ein finanzielles Zubrot erhielt, aus dessen Kriegskasse, gegen den Sozialismus – dem revolutionären. Hier trifft sie sich, die preußisch-deutsche Ideologie mit dem preußischen Arbeiteraristokraten – und mit Kant natürlich, dem Fleißigsten Arbeiter überhaupt – aus dem deutschen Ideologiebetrieb der damaligen Zeit.
Doch Lohnarbeit (https://blog.herold-binsack.eu/?p=1353) ist auch dort „Ausbeutung“, wo sie dem Lohnarbeiter selber als gerecht erscheinen mag. Denn der Klasse wird der Mehrwert vorenthalten. Nur die Kosten der Herstellung der Arbeitskraft werden überhaupt ersetzt, bestenfalls.
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„Die kapitalistische Produktion ist nicht nur Produktion von Ware, sie ist wesentlich Produktion von Mehrwert“, schlussfolgert Marx. Und weiter: „Der Arbeiter produziert nicht für sich, sondern für das Kapital. Es genügt daher nicht länger, dass er überhaupt produziert. Er muss Mehrwert produzieren. (Das Kapital Band I, MEW 23, „Absoluter und relativen Mehrwerts“, S. 532). Dass die bürgerliche Klasse, und gut bezahlte Lohnarbeiter, muss man hinzu fügen, Ausbeutung erst dort sehen wollen, wo dem Proletarier eben „keinen gerechten Lohn für ein gerechtes Tageswerk“ gezahlt werde, schafft das Problem, erklären zu müssen, was ein gerechter Lohn sei.
Mir ist keine wirklich schlüssige Erklärung diesbezüglich bekannt.
Werter Grenzgänger, ich kann...
Werter Grenzgänger, ich kann Kant nicht einfacher machen, als er ist, und das hier ist durchaus eine Nische für Leser, die es interessiert – ich habe nie die Hoffnung gehabt, damit breite Massen erreichen zu können. Am Englisch soll die Debatte jedoch nicht scheitermn, daher hier die Übersetzung.
1. “Wie jedes Individuum, folglich, versucht, so gut es kann, sein Kapital in der heimischen Industrie einzusetzen udn damit die Industrie zu größtmöglichem Wert zu führen (…). Allgemein versucht es dabei weder, das öffentliche Interesse zu fördern, noch ist es sich dieser Förderung bewußt. Indem es aber der heimischen Industrie gegenüber der ausländischen den Vorzug gibt, beabsichtigt es nur seine eigene Sicherheit; und indem es diese Industrie zu größtem Wert führt, beabsichtigt es nur seinen eigenen Vorteil; und so – wie in vielen Fällen – sind Individuen wie durch eine unsichtbare Hand geleitet zu einem Ziel, das gar nicht beabsichtigt war.”
2. “Die Achtung für solche allgemeinen Regeln, die man auch Pflichtgefühl nennen könnte, ein Prinzip größter Bedeutung im menschlichen leben, und das einzige Prinzip, nach dem die Mehrheit der Menschen ihr Leben ausrichten können (…). Ohne diese heilige Achtung für allgemeine Regeln ist kein Verlassen auf das Verhalten eines Einzelnen.”
Ungefähr so, ich hoffe, der grobe Sinn wird klar. Ich entschuldige mich für die Arroganz der Jugend, in der ich annahm, es bedürfe keiner Übersetzung. Wenn Sie diskutieren wollen, sollte dem jetzt wohl nichts mehr im Wege stehen, wobei Sie diese Kritik auch anders hätten vorbringen können. Wenn Sie nur rummosern wollten, dürfen Sie das gerne woanders tun.
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Devin08, von Kommunismus habe ich zu wenig Ahnung, darüber kann ich folglich nicht vernünftig diskutieren.
@Sophia, eines möchte kurz...
@Sophia, eines möchte kurz erwähnen. In unserem VWL Kurs haben wir auch Moralphilosophie behandelt und unsere Professorin erklärte genau das, was Sie auch in Ihrem Artikel geschrieben haben:
Nämlich das Smith Moralphilosoph war und er von vielen “Ideologen” des freien Marktes und ungenierten Kapitalismus mehr instrumentalisiert, als verstanden wird. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich und meine Kommilitonen auch etwas über Wirtschaftsethik und Moralphilosophie zu hören bekommen.
Das war es auch schon. Leider fehlt mir der Hintergrund und das Wissen um tiefergehend an dieser sehr interessanten Diskussion teilzunehmen.
@Sophia Amalie Antoinette...
@Sophia Amalie Antoinette Infinitesimalia:
Wege zum Kommunismus
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Wir finden keine bessere Beschreibung des Weges zum Kommunismus (https://blog.herold-binsack.eu/?p=1340) und damit auch der allgemeinen Grundzüge eben desselbigen als in „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“ von Friedrich Engels. Bevor ich hieraus zitiere, möchte ich einiges vorweg schicke, und dies sehr wohl auch aus aktuellem Anlass (https://blog.herold-binsack.eu/?p=1326). Dass die Diskussion über das, was Kommunismus im Einzelnen heißen könnte, auch abhängig davon ist, was der Klassenkampf dazu beiträgt, oder eben auch nicht, ist auch ein Grund dafür, wieso das im folgende Zitierte eben nicht einfach auf die reale Bewegung umzusetzen ist, sondern eben kritisch zu hinterfragen.
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Allerdings können wir jetzt schon schlussfolgern, und dies gilt umso mehr, als dass das Kapital sich noch weiter über die Zeit zu retten vermag, dass selbst die ausgereiftesten ökonomischen Verhältnisse, von denen auch hier bei Engels immer wieder ausgegangen wird, nicht gleich bedeuten können, dass der Sozialismus am Ende wie ein reifer Apfel vom Baum fiele. Denn während die Ökonomie in Richtung Sozialismus tendiert (https://blog.herold-binsack.eu/?p=1334), und in jeder Krise wird das manifester, so barbarisiert zugleich eine jene Gesellschaft, die sich eben diesem Fortschritt zu widersetzen sucht. Auf eine halbe Revolution folgt immer eine ganze Konterrevolution, wurden Marx und Engels nie müde zu predigen. Und das wiederum bleibt auch nicht ohne Auswirkungen sowohl auf den Klassenkampf, der notwendig sein wird, um dem Ziel überhaupt näher zu kommen, als auch auf die solchermaßen möglich werdende zukünftige sozialistische Gesellschaft: Wie oft hat die Konterrevolution gesiegt, und wie stark überhaupt ist der Freiheitswille der proletarischen Klasse? Dass die Geschichte von den Menschen letztlich selbst gemacht wird, allerdings immer wieder auf der Grundlage des jeweils Vorgefundenen, ist die Quintessenz der marxschen Dialektik. Und wenn diese Menschen partout nicht wollen, gibt es auch keinen Kommunismus.
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Der dadurch geschaffene Antagonismus zwischen Ökonomie und Politik beeinflusst somit auch – in Form der Rückwirkung nämlich – die ökonomische Bewegung selbst. Doch dies „ist Wechselwirkung zweier ungleicher Kräfte, der ökonomischen Bewegung auf der einen, der nach möglichster Selbständigkeit strebenden und, weil einmal eingesetzten, auch mit einer Eigenbewegung begabten neuen politischen Macht; die ökonomische Bewegung setzt sich im ganzen und großen durch, aber sie muss auch Rückwirkung erleiden von der durch sie selbst eingesetzten und mit relativer Selbständigkeit begabten politischen Bewegung,…“ (Engels an Schmidt, Marx-Engels, Briefe über „Das Kapital“, S. 319).
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Nach Engels könnte man schlussfolgern: die klassenlose Gesellschaft könnte sich auf die eine oder andere Weise realisieren, doch auf welche, das hängt wesentlich von der Kraft und dem Willen des revolutionären Subjekts ab – und von den Schwächen des Kapitals (was man nicht vergessen sollte!). Und im weiteren Ergebnis bedingt eben dieser konkret verlaufende Klassenkampf nicht nur die konkrete Ausformung dessen, was wir klassenlose Gesellschaft nennen, sondern damit auch den tatsächlichen Inhalt. Theoretisch denkbar wäre auch eine barbarisierte Klassengesellschaft, die der Klassenlosigkeit wohl immer näher kommt, diese aber nie erreicht, bis sie vielleicht in sich kollabiert, und dabei einen historischen Rückschritt vollzieht, der seinesgleichen in der Geschichte zu suchen hätte. Eine Vorstellung in etwa gäben uns davon die „dunklen Jahrhunderte“ (https://blog.herold-binsack.eu/?p=1335) vor der klassischen Zeit im antiken Griechenland.
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Doch ist die Frage, nach dem, was da womöglich nach diesem Kommunismus kommt, wenn er denn kommt, in etwa so schwer zu beantworten, wie die Frage: was war vor dem Urkommunismus? Denn da finden wir bestenfalls nur noch Knochensplitter, aber kaum Hinweise auf eine gesellschaftliche Formation, die es vermutlich auch gar nicht gab.
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Auf jeden Fall wird der Kommunismus nicht das Ende der Geschichte sein, wie die bürgerlichen Apologeten dem historischen Materialismus immer zu unterstellen wünschen, doch aber das Ende der Geschichte der Klassenkämpfe. Weiteres allerdings ist aus heutiger Perspektive nicht beschreibbar. Jedenfalls nicht so, wie Engels hier die reale Bewegung des Kommunismus selbst, wir würden heute sagen, die Bewegung zum Kommunismus, beschreibt:
„Der moderne Sozialismus ist seinem Inhalte nach zunächst das Erzeugnis der Anschauung, einerseits der in der heutigen Gesellschaft herrschenden Klassengegensätze von Besitzenden und Besitzlosen, Kapitalisten und Lohnarbeitern, andrerseits der in der Produktion herrschenden Anarchie. Aber seiner theoretischen Form nach erscheint er anfänglich als eine weitergetriebne, angeblich konsequentere Fortführung der von den großen französischen Aufklärern des 18. Jahrhunderts aufgestellten Grundsätze. Wie jede neue Theorie, mußte er zunächst anknüpfen an das vorgefundne Gedankenmaterial, sosehr auch seine Wurzel in den materiellen ökonomischen Tatsachen lag.“ (S. 189)
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„Wir wissen jetzt, daß dies Reich der Vernunft weiter nichts war als das idealisierte Reich der Bourgeoisie; daß die ewige Gerechtigkeit ihre Verwirklichung fand in der Bourgeoisjustiz; daß die Gleichheit hinauslief auf die bürgerliche Gleichheit vor dem Gesetz; daß als eines der wesentlichsten Menschenrechte proklamiert wurde – das bürgerliche Eigentum; und daß der Vernunftstaat, der Rousseausche Gesellschaftsvertrag ins Leben trat und nur ins Leben treten konnte als bürgerliche, demokratische Republik. So wenig wie alle ihre Vorgänger konnten die großen Denker des 18. Jahrhunderts hinaus über die Schranken, die ihnen ihre eigne Epoche gesetzt hatte.“ (S. 190)
„Indem die kapitalistische Produktionsweise mehr und mehr die große Mehrzahl der Bevölkerung in Proletarier verwandelt, schafft sie die Macht, die diese Umwälzung, bei Strafe des Untergangs, zu vollziehn genötigt ist. Indem sie mehr und mehr auf Verwandlung der großen vergesellschafteten Produktionsmittel in Staatseigentum drängt, zeigt sie selbst den Weg an zur Vollziehung der Umwälzung. Das Proletariat ergreift die Staatsgewalt und verwandelt die Produktionsmittel zunächst in Staatseigentum. Aber damit hebt es sich selbst als Proletariat, damit hebt es alle Klassenunterschiede und Klassengegensätze auf und damit auch den Staat als Staat. Die bisherige, sich in Klassengegensätzen bewegende Gesellschaft hatte den Staat nötig, d.h. eine Organisation der jedesmaligen ausbeutenden Klasse zur Aufrechterhaltung ihrer äußern Produktionsbedingungen, also namentlich zur gewaltsamen Niederhaltung der ausgebeuteten Klasse in den durch die bestehende Produktionsweise gegebnen Bedingungen der Unterdrückung (Sklaverei, Leibeigenschaft oder Hörigkeit, Lohnarbeit). Der Staat war der offizielle Repräsentant der ganzen Gesellschaft, ihre Zusammenfassung in einer sichtbaren Körperschaft, aber er war dies nur, insofern er der Staat derjenigen Klasse war, welche selbst für ihre Zeit die ganze Gesellschaft vertrat: im Altertum Staat der sklavenhaltenden Staatsbürger, im Mittelalter des Feudaladels, in unsrer Zeit der Bourgeoisie. Indem er endlich tatsächlich Repräsentant der ganzen Gesellschaft wird, macht er sich selbst überflüssig. Sobald es keine Gesellschaftsklasse mehr in der Unterdrückung zu halten gibt, sobald mit der Klassenherrschaft und dem in der bisherigen Anarchie der Produktion begründeten Kampf ums Einzeldasein auch die daraus entspringenden Kollisionen und Exzesse beseitigt sind, gibt es nichts mehr zu reprimieren, das eine besondre Repressionsgewalt, einen Staat, nötig machte. Der erste Akt, worin der Staat wirklich als Repräsentant der ganzen Gesellschaft auftritt – die Besitzergreifung der Produktionsmittel im Namen der Gesellschaft, ist zugleich sein letzter selbständiger Akt als Staat. Das Eingreifen einer Staatsgewalt in gesellschaftliche Verhältnisse wird auf einem Gebiete nach dem andern überflüssig und schläft dann von selbst ein. An die Stelle der Regierung über Personen tritt die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen. Der Staat wird nicht “abgeschafft”, er stirbt ab.“ (S. 223/224, MEW, Bd. 19, oder: https://www.mlwerke.de/me/me19/me19_210.htm, letzter Zugriff: 21.01.2011)
Den heutigen Jüngern Smithens...
Den heutigen Jüngern Smithens ist ja nicht an exakter Smith-Exegese gelegen – sondern an einer Rechtfertigung des heutigen allgemeinen Status quo und seiner Unschönheiten und vermeintlichen Ungerechtigkeiten als eines wenn schon nicht paradiesischen, so doch zumindest höchst gerechten Zustands, an dem überhaupt nichts auszusetzen oder zu ändern sei, abgesehen vielleicht von noch zu hoher Staatsquote oder verbleibenden gesellschaftlichen Institutionen, die immer nicht als privatwirtschaftlich und “gewinnbringend” (hier im platten Sinne von Moneten, Zaster, Pinkepinke) organisiert sind. Ob dann im Einzelnen gerade mal Smith, Hayek oder eher Mises als tiefgangsuggerierende Denkblaupausen und Talking Point-Lieferanten herhalten müssen, ist ihnen in der Mehrzahl, denke ich, eher ziemlich egal bei der moralischen Rechtfertigung von Gier und Habsucht, Eitelkeit und Geiz. Sie haben es ja meist selbst nur aus dritter Hand, Smith for Dummies.
Die CDU hat mir dagegen erklärt, (und es war wohl nicht ihr Wirtschaftsflügel); dass die moralischen Fundamente der modernen marktwirtschaftlichen Gesellschaft von dieser selbst gar nicht generiert werden können, sondern aus dem Christentum stammen – nix Kant.
(Die SPD wusste gerade nicht so genau, wollte aber auch irgendwie irgendwas, sie ruft später nochmal an, Kirchen findet sie aber, so betont sie, auch ziemlich gut und wichtig).
Der Philosoph hat viel über...
Der Philosoph hat viel über Philosophie zu sagen, der Ökonom über Ökonomie. Aber der Autor dieses Artikel behandelt das Thema eher literarisch (feuillletonistisch eben), aber weder Philosophie noch Okönomie sind Literatur.
Da aber wir bei kannt sind, empfehle ich den Autor Willard Van Orman Quine zu lesen, damit er den Platz der Philosophie am besten versteht, und natürlich sein Aufsatz Two dogmas of Empiricism, der unter anderen der Unterschied zwischen analytischen und synthetischen Sätze streng logisch untersucht und verwirft.
Realist29, daß WiWis...
Realist29, daß WiWis inzwischen mit Philosophie und Ethik traktiert werden, habe ich schon gehört – umso ermutigender, daß das tatsächlich mit Interesse wahrgenommen wird! Davon abgsehen sind hier Wissen, ebenso wie Meinungen willkommen.
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Geschätzter Devin08, meinen Sie nicht, daß ein Link auf Ihr Blog es auch tun würde? Und ein ganz klein bißchen mehr Nähe zum jeweiligen Thema wäre auch nicht schlecht.
Ayn Rands Evil Twin, ja, die...
Ayn Rands Evil Twin, ja, die ewige Frage, ob Wirtschaftswissenschaften nun normativ sind oder nicht. Gerade die Fehlinterpretation Smiths hingegen geschieht sicherlich zum Teil durch fehlerhafte Kolportierung in Vorlesungen und Seminaren. Gar nicht unbedingt absichtlich, sondern aus Schlampigkeit. WiWis sind halt zumeist keine Philosophen.
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tomasalcubo, und manchmal gibt es doch Philosophen und Ökonomen in einer Person. Dies hier ist übrigens eine Autorin, die ohnehin nur Halbwissen hat, und deswegen für Literaturvorschläge immer dankbar ist!
Hallo,
ich bin es ja...
Hallo,
ich bin es ja mittlerweile schon gewohnt den allgemeinen Stuss vom Casino-, Neo- oder Turbokapitalismus zu hören den besonders Politiker, die ja meist Jura oder Lehramt studiert haben, gerne von sich geben weil sie von der Theorie der Wirtschaftswissenschaften nie auch nur ein Wort verstanden haben, aber natürlich gerne bereit sind einen Schuldigen für irgendeinen Missstand zu benennen.
Dieser Artikel aber ist etwas besonderes, die Autorin hat sich tatsächlich mit einem Teil der gelehrten Modelle auseinandergesetzt. Das ist wirlich mal etwas anderes und lobenswert. Schade ist allerdings dass sie dann zum Schluss doch wieder ins gleiche Horn stößt.
Sie beschreiben selbst, dass man die Moral als egoistischen Nutzenstifter in eine Nutzenfunktion integrieren kann. Doch schon im nächsten Satz wird dies als unelegant abgetan oder als gegensätzlich zum Begriff der unsichtbaren Hand erklärt.
Das ist nicht so ! Vor allem ist es aber NICHT so, dass es sich dann um ein sperriges Sondermodell handelt welches Wirtschaftswissenschaftler nicht anwenden weil der BWL’er ja angeblich nur Menschen kennt die ihren materiellen Konsum steigern.
Vielmehr ist es der Normallfall, dass eben keine Aussagen darüber gemacht werden welche Dinge dem Menschen Nutzen spenden. Eine Geldspende an Unicef kann gemäß dieser Modelle für das Individuum genauso Nutzenspenden (man könnte auch “befriedigend” sagen) sein wie der Kauf eines Nerzmantels.
Solche Modelle machen ja eben KEINEN Versuch zu beschränken was dem einzelnen Menschen Nutzen spendet. Das ist der ganze Sinn hinter dem Modell.
Die Wirtschaftswissenschaften sagen ihnen NICHT das alle Menschen ohne Moral sind, sie sagen das “moralische” Bedürfnisse, Bedürfnisse sind die mit anderen manchmal konkurrieren, so dass sie Präferenzen machen müssen (Sie müssen sich z.B. nach ihren eigenen Präferenzen entscheiden ob sie ihr Budget (Zeit , Geld etc…) lieber in Nerz oder Unicef anlegen oder besser zu welchen Teilen in Nerz oder Unicef oder irgendwas anderem)
Da jeder Menschen andere Nutzenfunktionen hat, kann sich daraus ein immer anderes Verhalten unter vielen wechselnden Voraussetzungen ergeben.
Dieses Standardmodell beschreibt eben sehr gut die von ihnen angesprochene Wankelmütigkeit der Menschen und hat überhaupt kein Problem damit wenn Leute nur wählen weil der Nutzen für sie darin besteht ein gutes Gefühl zu haben weil man seinen staatsbürgerlichen Pflichten nachkommt.
Was dem Menschen letztendlich Nutzen spendet wird ja gerade explizit nicht eingeschränkt. Es geht nur darum, dass verschiedene nutzenspendende Alternativen manchmal miteinander konkurierren können.
Solche Modelle sind Standard und sind eigentlich jedem Wirtschaftswissenschaftler der in Deutschland studiert hat gelehrt worden. Sie sind nicht extravagant oder Ausnahmen. Außerdem können sie solche Modelle zur Erklärung vieler Sachverhalte überall anwenden.
Deshalb hier dass geforderte Beispiel (ein ganz einfaches).
Die Bauern fühlen sich schlecht behandelt und wollen einen höheren Milchpreis erzielen, deshalb verkaufen sie die sogenannte “faire Milch” (können sie ja mal googlen wenn nicht bekannt). Also Milch die etwas teurer ist, der Zusatzpreis geht direkt an die Bauern.
Der Zusatznutzen für die Verbraucher besteht also darin, dass man das gute Gefühl bekommt fair zu sein. Dieser Nutzen steht natürlich in gewisser Konkurrenz zu anderen Bedürfnissen, deshalb sind die Kunden auch nicht bereit 100 Euro mehr pro Liter zu bezahlen sondern allenfalls ein paar cent. Wieviel sie im Durchschnitt bereit sind für das “Fairnessgefühl” zu bezahlen lässt sich am Marktpreis erahnen der mit fairer Milch erzielt werden kann (oder eben auch nicht erzielt werden kann)
Vielleicht besteht auch ein Missverständnis wenn sie von der Anwendung solcher Konzepte reden. Die Wirtschaftswissenschaften geben keine Handlungsanweisungen, es geht nur darum bestimmte Sachverhalte besser zu verstehen.
Wie man sich dann mit diesem Wissen Verhalten (mehr oder weniger moralisch) möchte muss jeder Mensch natürlich trotzdem selbst entscheiden. Wirtschaftswissenschaften sind ein Werkzeug das ihnen mehr oder weniger gut erklären kann welche Konsequenzen bestimmte Entscheidungen haben, sie können damit aber nicht die Menschen von der Verantwortung für die eigenen moralischen Maßstäbe lossprechen.
Die Verbindung zwischen Moral und Wirtschaftswissenschaften ist nicht anders als die zwischen Moral und Mathematik. Sie können Mathematik benutzen um medizinische Geräte zu bauen oder eine Atombombe.
Genauso können sie ihr Wissen um die wirtschaftlichen Zusammenhänge nutzen um Wohlstand breiter zu verteilen oder eben um andere auszubeuten.
Die Wirtschaftswissenschaften sind eine mitlerweile große, etablierte Wissenschaft eng vernetzt mit anderen Wissenschaften, vor allem der Mathematik (Viele Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaften kommen aus der Mathematik).
Permanentes bashing eines ganzen Wissenschaftsbereiches nach dem Motto “die müssen mal alle umerzogen werden” mag ihen kurzfristig Nutzen stiften indem es ihnen das gute Gefül moralischer Überlegenheit gibt, seriös ist es ganz sicher nicht.
Ad "Lukeman":
Sie müssen da...
Ad “Lukeman”:
Sie müssen da von Binmore andere Ausgaben haben als ich.
:-)
Ich kenne nicht eine einzige Passage im Haupttext der von Ihnen genannten Werke, in denen Binmore sich positiv zu Kant äussert. Vielmehr heissen die Kapitel “Dekanting Rawls” etc.
Nehmen wir nur mal das folgende Beispiel aus Playing fair, S. 170:
“In discussing the Prisoners’ Dilemma, the current chapter confined its attention to the fallacy usually signaled by the question: Suppose everybody behaved like that? Section 2.4 irreverently argued that Kantian ‘rationality’ is esentially this fallacy dressed up in fancy clothes.”
Aber vielleicht helfen Sie mir ja suchen… Grüsse
Einige Anmerkungen.
Erstens,...
Einige Anmerkungen.
Erstens, lernt man im Grundstudium keineswegs, dass der Konsum maximiert wird. Viel eher lernt man von Praeferenzrelationen, welche auf eine nichtleere Menge aus Wahlmöglichkeiten X definiert sind (wobei, das ist eher Hauptstudium, aber egal). Diese Präferenzrelation drückt aus, dass ein element x der Menge X mindestens so gut ist wie ein anderes element x’ der Menge X. Diese Praeferenzrelation ist komplett ist, wenn x mindestens so gut ist wie x’ oder x’ mindestens so gut ist wie x oder beides zugleich. Die Präferenzrelation ist transitiv, wenn sobald x mindestens so gut ist wie z und wenn z mindestens so gut wie y ist, dann gilt auch, dass x mindestens so gut wie y ist. Wenn eine Präferenzrelation sowohl komplett als auch transitiv ist, dann ist sie rational.
Ökonomen nehmen also mitnichten an, dass der homo oeconomicus nur den “Konsum” maximiert. Er wählt einfach nur das Element aus seiner Wahlmenge X, welches mindestens so gut ist, wie alle anderen Elemente, die möglich wären. Der Vorteil dieser mathematischen Sicht, ist die ungeheuerliche Flexibilität, die so ermöglicht wird. Man kann einfach die Präferenzen oder die Menge möglicher Wahlmöglichkeiten so spezifieren, dass sie mit jedwedem Verhalten übereinstimmen.
Problem ist dabei allerdings auch, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass man eine solche Theorie als widerlegt ansehen kann. Diese Theorie ist nicht falsifizierbar. Aus diesen Gründen machen Ökonomen in weitere Annahmen über die Eigenschaften der Präferenzen. Diese kann sein, dass die Menge der Wahlmöglichkeiten durch den L-dimensionalen Raum der nicht-negativen reellen Zahlen abgebildet wird, dass die Präferenzrelation kontinuierlich ist (was bedeutet, dass sie durch eine Nutzenfunktion repräsentiert werden kann) und dass die Menge der Wahlmöglichkeiten dadurch eingeschränkt wird, dass die Ausgaben für Konsumgüter unter dem Einkommen eines Konsumenten sein müssen. Letztere Annahmen führen zu eindeutigen Einschränkungen des möglichen zu beobachtenden Verhaltens und ermöglichen es, ökonomische Theorien zu widerlegen. Allerdings wäre der erste Schritt, nach einer Widerlegung einer solchen Theorie, eine andere Menge an Wahlmöglichkeiten oder eine andere Nutzenfunktion zu wählen und nicht die Annahme der Rationalität zurückzuweisen. Aus diesem Grund kümmern sich Ökonomen um die Annahme der Rationalität auch eher wenig: es gibt wichtigere und wesentlich restriktivere Annahmen, die getestet werden können.
Es ist wirklich schade, daß...
Es ist wirklich schade, daß es Devon08 nicht bei seinem ersten Artikel belassen hat, den fand ich sehr spannend, und für Grenzgänger, daß ist ja gerade der Witz daß sich der ökonomische Wertbegriff rein quantitativ definiert, und alles miteinander, gegeneinander austauschbar ist. So finden sich die Subjekte (hohl und qualitätslos) vollkommen in einem Funktionsnetz des Marktes wieder, sind nur noch bloße Fixpunkte in den Fäden der Macht. tomasalcubo21, der Artikel von Quine zeigt doch schon (als ein Beispiel), daß Kant nicht mehr soo aktuell ist, (auch wenn er in manchen Kreisen auch heute noch sehr hochgeschätzt wird), dann bitte ich zu bedenken daß auch Adorno die Lektüre der ‘Kritik der reinen Vernunft’ als Schlüsselerslebnis für sich selbst angesehen hat, bevor er dann später jedoch rigoros mit Kant und der ganzen Aufklärung abgerechnet hat.
Und bitte Devon08, der denkende und immer fortschreitende wahrheitsliebende Weltgeist mit dem Blick aufs Ganze, das bleibt im Kern totalitäres Denken und ist gefährlich, es ist doch sowieso nur unser abendländischer, europäischer Geist, der sich da über sich hinausdenkt, in seiner geschichtlichen Bedingtheit.
Geehrte Sophia Amalie ...
Geehrte Sophia Amalie Antoinette lnfinitesimalia,
mit allem Respekt lhnen gegenüber möcchte ich hier doch ein wenig
moralische Unterstützung für grenzgänger geben. lch sehe keinen Grund
ihn so herrunterzuputzen, wenngleich ich auch glaube als Naturwissen-
schaftler heute in der falschen Spalte gelandet zu sein. mfG. T.
p.s.: aber niemand kann mir sagen, ich wäre nicht “open minded” .
@Sophia Ich weiß nicht genau...
@Sophia Ich weiß nicht genau wie Smith im VWL Studium dargestellt wird, da ich weder VWL noch in Deutschland studiere, kann aber zumindest anführen, dass im “Economics A-Level’ (Abiturfach in England), er prinzipiell nicht zur Erklärung des Homo-Economicus gebraucht wird, sondern nur als Begründer der Wissenschaft als solche in betracht gezogen wird. Die Theorie des Homo-Economicus wird, unter der nennung einiger Limitationen, gesondert behandelt. In Bezug auf die Kommentare von grenzgänger kann ich hinzufügen, dass egal ob in Englisch oder in Deutsch, die Schriften von Smith (und Kant), wirklich nicht angenehm zu lesen sind (Nur ‘Das Kapital’ fand ich noch schlimmer…)
@Devin Ich finde die ganze Idee der materiellen oder wirtschaftlichen unterdrückung des Proletariates als Begründung für marxistisches Denken reichlich überholt. Zunächst einmal die Theorie, dass einzig Arbeit ‘Wert’ schafft, wird zu dem Zeitpunkt widerlegt sein, da wir es geschafft haben, dass Maschinen sich selbst bauen können um Arbeit zu verrichten, in welchem Fall entweder nichts mehr einen Wert hat, oder bloß die arbeitenden Maschinen, aber dann wird man vielleicht feststellen, dass die Dinge die uns am Leben halten, doch einen Wert haben der nicht an der Menge menschlicher (oder maschineller) Arbeit gemessen werden kann, die dafür verrichtet wird. Ich würde, von der Position einer marxistischen Gesinnung eher einen Ausbau der Gedanken Gramsci’s vorschlagen, vor allem in Bezug auf internationale Hegemonien und die Verbindungen zwischen Institutionen, Staaten und Firmen, die sich eng an die Ideen des sozialen Konstruktuvismus (falls der so auf deutsch heißen mag, eng. ‘social constructivism’) anlehnt.
Mithilfe eben dieser Theorie des Konstruktuvismus kann ich dann auch wieder einen Bogen zurück zur Debatte schlagen, nämlich zur Wirtschaftsethik. Diese Metha- (oder umfassende) Theorie besagt, grob umrissen, dass Theorien, die entweder weit genug Verbreitet oder an den richtigen Stellen (Politik, Unternehmensleitungen, Aktionären etc.) als wahr betrachtet werden, allein durch das auf sie folgende Handeln sich selbst beweisen und verhärten. Im Fall von Robert Cox, der damit Gramsci auf Internationale Politik bezogen hatte, war dies von den Kapitalisten in Gang gesetzt worden. Ich halte jedoch eine bewusste Umsetzung für falsch und glaube, dass es im Fall der Ethik eine Mischung aus Tradition, vermutlich schon allein einer genetischen, als auch anderer theoretischer Einflüsse, wie der Kants, diesen gesellschaftlichen Konsens bilden, der sich damit zum Teil selbst bewahrheitet. In der Wirtschaft wie der Politik ist es meiner Meinung nach mehr ein Wechsel zwischen liberalen und nicht-liberalen (ob sie sich nun marxistisch, faschistisch, progressiv, Keynsianistisch oder ‘real’ nennen) Theorien. Während sich der Konsens in unserer Gesellschaft wieder ganz langsam von den liberalen Ideen des Marktes wegbewegt und dadurch seine selbst-bestätigung verliert. Die Theorie ist im Fall der Politik schon in der Idee der historischen Wiederholung Macchiavellis zu finden und sie auf die Wirtschaft zu übertragen ist bei der engen Verbundenheit von Politik und Wirtschaft ohnehin nicht schwierig.
Das war eigentlich schon alles… Guter Artikel im Allgemeinen, sollte es mehr von geben, ich hab nur eine Sache zu bemängeln… Gleich im ersten Absatz ist ein ‘den’ zu viel, daran musste ich die ganze Zeit denken :P
@Plindos - fangen Sie an mit...
@Plindos – fangen Sie an mit der Devise “leave nothing but your foot steps”.
<p>Netter Beitrag bzgl. TMS...
Netter Beitrag bzgl. TMS und WoN.
Ich verstehe allerdings nicht, wieso immer behauptet wird die VWL haette Adam Smiths TMS vernachlaessigt oder vergessen.
Dabei wurden die Handlungsmuster und Verhaltensweisen die Menschen in der der TMS zugeschrieben werden gerade von Wirtschaftswissenschaftlern empirisch und experimentell ueberprueft.
Vernon Smith hat 2002 dafuer den “Nobelpreis” f. Wirtschaftswissenschaften bekommen. Seine experimentelle Oekonomik ist seit den 1960ern stark von Smiths TMS beeinflusst.
Reziprozitaet, Sympathie, oder auch Geschenke (an Fremde ohne Gegenleistung) werden von vielen Oekonomen untersucht und modelliert. Die VWL-Journals sind voll mit diesen Dingen. Der HO ist kein Leitbild fuer Oekonomen. Er wird nur in anderen Studien herangezogen um gewisse Dinge zu vereinfachen.
s´Soffi schreibt...
s´Soffi schreibt “Bedauerlicherweise hat sich meines Wissens noch niemand die Mühe gemacht, solche extravaganten Konzepte tatsächlich anzuwenden. Falls Sie, geschätzte Leser, ein Beispiel finden, fände ich das ganz wunderbar, aber ich muß gerade mal wieder die Welt retten und habe keine Zeit zum Suchen”
Also, in modernen Zeiten rettet nur einer die Welt und zwar Bruce Willis.
Früher war es ganz einfach die Welt zu retten. “Wer ein Menschenleben rettet, rettet die ganze Welt!” So lautet eine Weisheit des Talmud, des heiligen Gesetzbuches der Juden. Diese Weisheit muß aber irgendwo, irgendwann abhanden gekommen sein.
Schauen wir doch mal hierher (muß gleich weg, daher schnell mal aus dem Wiki gezogen):
Sünden entstehen nach der klassischen Theologie aus sieben schlechten Charaktereigenschaften:
* Superbia: Hochmut (Eitelkeit, Stolz, Übermut)
* Avaritia: Geiz (Habgier)
* Luxuria: Wollust (Ausschweifung, Genusssucht)
* Ira: Zorn (Rachsucht, Vergeltung, Wut)
* Gula: Völlerei (Gefräßigkeit, Maßlosigkeit, Selbstsucht)
* Invidia: Neid (Eifersucht, Missgunst)
* Acedia: Faulheit (Feigheit, Ignoranz, Trägheit des Herzens)
Mahatma Gandhi hat die sieben Todsünden der Modernen Welt wie folgt definiert:
* Reichtum ohne Arbeit
* Genuss ohne Gewissen
* Wissen ohne Charakter
* Geschäft ohne Moral
* Wissenschaft ohne Menschlichkeit
* Religion ohne Opferbereitschaft
* Politik ohne Prinzipien
Statt sich in den Schulen mit den “Vorzügen” des Office-Paketes von Kleinstweich und anderem Murks zu beschäftigen, sollte man sich dort eher mit Gandhi befassen. Von da zu Kant ist es nicht mehr weit. Ich sehe das als einen Weg. Aber solange die Leute lieber um die goldenen Kälber tanzen und sie partout begreifen wollen, daß der kapitalistische Kaiser eigentlich nackt ist wird die Welt nicht zu retten sein.
@Sophia Amalie Antoinette...
@Sophia Amalie Antoinette Infinitesimalia: “daß WiWis inzwischen mit Philosophie und Ethik traktiert werden, habe ich schon gehört – umso ermutigender, daß das tatsächlich mit Interesse wahrgenommen wird!”
Nun, und was hören wir dann von den Wirtschaftskapitänen als Erstes über die Uni-Absolventen? Zu verkopft, kein praxisrelevantes Wissen, da kann man noch mal ganz von vorne beginnen,…
Ich fürchte, dass eben dieses ganze, nennen wir es wirtschaftsphilosophische Wissen, dem gemeinen Uni-Abgänger so schnell und gründlich wieder ausgetrieben wird, dass es in der realen Wirtschaftswelt, wenn dieser Abgänger, nach 10 Jahren, in den Unternehmenshierarchien eventuell etwas zu sagen hätte, dort aus diesem Grund nie ankommen kann. Die Systemzwänge stehen da einfach vor.
Und außerdem, um mit dem Volksphilosophen Brecht zu schließen: Erst kommt das Fressen, dann die Moral.
Gruß
Nina Wunderlich
würden Sie , verehrte autorin...
würden Sie , verehrte autorin auch ein chinesisches zitat als unübersetzt dastehen lassen? kleiner hinweis bezogen auf das kategorische imparativ . Erstaunlich: diesen undemokratischen bildungsdünkel gerade hier anzutreffen.
<p>Ronin3x, es ist immer...
Ronin3x, es ist immer schwer, komplizierte Sachverhalte auf 7000 Zeichen abzukürzen, und möglicherweise kommt es deshalb zu Mißverständnissen. Es gibt verschiedene Arten von Moral: erstens jene, die tatsächlich zu einem gesteigerten Eigennutz führt (die hätte bei Kant aber nut eingeschränkten sittlichen Wert) und dann jene, die nur aus Pflicht geschieht, sogar gegen den Eigennutz. Diese abzubilden ist besonders schwer, weil sie dem Prinzip der Nutzenoptimierung zuwiderläuft. Darum ging es in den oben beschriebenen Modellen.
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Christian H., mir ist durchaus bewußt, daß ökonomische Modelle nicht auf Rationalität fokussiert sind. Aber im Hintegrund schwebt diese Annahme eben doch, und um das Konzept zu begründen gibt es meistens irgendwo auch mal zwei Folien zu Smith und der “invisible hand”. Was zu kurz greift.
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Trias, die latente Ironie in Grenzgängers erstem Kommentar hat mich ernsthaft irritiert… wäre es ihm ernsthaft ums Verstehen gegangen, hätte man das nicht auch anders sagen können? Dann hätte ich gleich übersetzt und alles wäre gut gewesen. Davon abgesehen kann ich ja auch nicht immer nur Geisteswissenschaftler-Bashing betreiben.
Kant war ständig auf der...
Kant war ständig auf der Suche nach einer allgemeingültigen Definition für ganzheitliches Denken und Handeln, Zusammenhängen und Beziehungsmustern und so entwickelte er Assoziationen zwischen Beziehungsmustern und Dingen.
Der Mensch lernt, damit er in der Gesellschaft eine sinnvolle Aufgabe übernimmt, dies tut er für “sich” und die Gesellschaft am besten in einem ökonomischen Umfeld. Die Funktion des Systems Ökonomie: Gewährleistung und Entwicklung der Lebensgrundlage einer Gesellschaft (auf Basis der Natur). Geld spielt darin nur die Rolle des Tauschmittels auf einer abstrakten Ebene.
Führt man sich in dem Zusammenhang repetitiv gelerntes Verhalten vor Augen: Probleme überall dort lösen zu wollen, wo sie sicht- und spürbar in Erscheinung treten. Führt dieses Bedarfsdeckungsprinzip (Bdp) zu der Komplexität, die dem Menschen nun droht um die Ohren zu fliegen. Anfänglich funktionelle Strukturen degenerieren so zu altersschwachen “Pflegefällen”. Dann wird mit Geldmitteln und wildem Aktionismus versucht diese Strukturen weiter aufrechtzuerhalten unter Verwendung des gelernten Bdp.
Ursache für das Bdp, ist die Vorstellung scheinbar von voneinander unabhängiger Probleme und Dinge.
In der Tat haben wir es jedoch mit einem dynamisch vernetzten Beziehungsmuster und seinen wechselseitigen Abhängigkeiten zu tun. Dies erfordert eine völlig andere Betrachtungs- und Vorgehensweise zur Lösung mehrheitlich wahrgenommener Probleme. Die in der Tat nur Symptome sind, mit dem sich die Mehrheit donquichotthaft beschäftigt.
Beziehen wir nun gelerntes Bdp auf die ökonomischen Strukturen, führen uns die aktuelle Situation in unseren Systemen vor Augen, wird klar, das repetitiv gelerntes Bdp nur zu weiterer Ineffizienz und Systemdruck führt.
Was es benötigt, ist eine andere Art von Betrachtungs- und Handlungskonzepten im Umgang und Gestaltung von Systemen. Mit dem Schubäus Modell stehen diese Prinzipien zur Verfügung, basierend auf 40 Jahren Praxis und 15 Jahren wissenschaftlicher Recherchen.
Doch der Weg sie zu lernen und erfolgreich anzuwenden ist steinig.
Erst mit dem praktischem Verständnis für dynamische Systeme, werden wir die Probleme (Symptome) lösen, mit denen wir es mehrheitlich zu tun haben.
MStrittmatter, vielen Dank...
MStrittmatter, vielen Dank für die Blumen, freut mich, unterhalten zu haben. Natürlich pauschalisiere ich mit meinen Anwürfen gegen WiWis – aber die Tendenz, einen verkürzten Smith zur Rechtfertigung für Rationalität, h.e. und Kapitalismus heranzuziehen, ist schon da. Hätte vielleicht in England studieren sollen.
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Andreas, es bräuchte eine repräsentative Studie unter WiWi Studenten, wieviele irgendwann mal mehr als nur 3 Sätze aus WoN gehört haben – das liegt aber leider ausserhalb meiner Möglichkeiten. Ich kann nur meine Eindrücke wiedergeben, es mag auch ganz anders sein. Wäre schön, wenn die zukünftige Führungselite Kants GMS und Smiths TMS komplett gelesen und verinnerlicht hätte. Wir gingen goldenen Zeiten entgegen. Ich glaube aber doch, daß das Konzept des h.o. ein Leitbild ist – er kommt nämlich als Grundannahme in so ziemlich jedem Modell vor, das ich kenne – von Seitengebieten mal abgesehen.
FritzV, ich bin vielleicht der...
FritzV, ich bin vielleicht der Sünde der Ironie anheimgefallen, die ich bei Grenzgänger noch kritisiert habe. Wahrscheinlich sitze ich gerade über langweiligen exc*l Tabellen, die es zu formatieren gilt.
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Nihao75, ich befürchte, Sie haben recht. Die Fächer an Unis halt ich erstens für reine Dekoration und zweitens für überflüssig: Moral und Ethik bekommt man zuhause mit – im Alter von Anfang 20 lernt man es nicht mehr, was vorher versäumt wurde. Und in der Praxis interessiert eh nur der Gewinn – nicht die Moral, von Nischen mal abgesehen. Trotzdem schön, wenn es manche Studenten tatsächlich interessiert, wie Realist29.
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ikonist, ganze Sätze würden es mir leichter machen, Ihre Meinung zu erraten. Da ich kein Chinesisch kann, würde ich nichts Chinesisches zitieren.
Sophia,
Was ich sagen wollte...
Sophia,
Was ich sagen wollte ist, dass die Annahme der Rationalität zwar immer in den ökonomischen Modellen mit drin ist, allerdings ist sie erstens eine komplett andere als was sie von Laien gesehen wird. Außerdem ist es eine solch fundamentale Annahme, dass sie ähnlich der Annahm in den Naturwissenschaften, dass sich Naturgesetze nicht ändern, nahezu axiomatisch wahr ist. Die Annahme der Rationalität ist es, was es der Ökonomie (im Gegensatz zu allen anderen Sozial”wissenschaften”) ermöglicht testbare Hypothesen aufzustellen und zu widerlegen.
Ich habe vorhin nochmal im Mas-Colell, Whinston und Green Lehrbuch zum Thema Ratioalität nachgeguckt. Adam Smith wurde kein einziges Mal erwähnt. Liegt vielleicht daran, dass die moderne Ökonomie ihn zwar oft als Startpunkt ansieht, aber entgegen der vielen Zeitungsbeiträge gegenteiliger Ansicht, Adam Smith keinerlei Relevanz für die moderne Wissenschaft hat.
Mir scheint ferner, dass das invisible hand Zitat von Adam Smith falsch verstanden wird. Es sagt nämlich relativ wenig aus über Präferenzen. Vielmehr sagt es, dass wenn Firmen und Konsumenten nach ihrem eigenen Interesse am Markt handeln, das entstehende Marktgleichgewicht “wie von einer unsichtbaren Hand” zur Wohlfahrt aller führt. Ökonomen würden das heutzutage das First Fundamental Theorem of Welfare Economics nennen. Das hat aber wesentlich mehr mit den Herren Walras, Edgeworth, Arrow und Debreu zu tun als mit Adam Smith. Zusätzlich muss man noch sagen, dass man generell davon ausgeht, dass die Voraussetzungen damit das First Theorem hält, in der Wirklichkeit nicht gelten. Soviel zu Ökonomen und “ihrem Glauben an die invisible Hand”.
@Ayn Rands Evil Twin (yeah!):...
@Ayn Rands Evil Twin (yeah!): Die Ösi-Schule mit Mises & Co ist wirklich nichts als eine ideologische Blendgranate, um Privatisierung und Konzern-Herrschaft in ein positives Licht zu rücken. Wobei in den Büchern, insb. bei Hayek, schon einige schlaue Dinge drinstehen. In einer Welt der Konzerne, des Großkapitals und der globalen Finanzwirtschaft laufen aber alle diese Dinge komplett ins Leere.
@tomasalcubo: Quine rules!! Wie gesagt, für eine schöne Kritik der Kantischen Moralphilosophie und überhaupt kann ich auch die Bücher von Kenneth Binmore (s.o.) empfehlen!
@Nihao75: Das Problem ist eher, dass diejenigen, die sich ernsthaft für (Moral-)Philosophie interessieren, niemals in einer Konzernhierarchie aufsteigen – weil sie die hässliche Dummheit, die einen dort umgibt, nicht jahrelang fleißig werkelnd ertragen.
Ein paar Hinweise zu Kants...
Ein paar Hinweise zu Kants ‘Praktischer Philosophie’, deren Kern mir – mit Verlaub – hier im Blog nicht richtig erfaßt zu sein scheint: Kant geht, soweit er Realist ist, vom Menschen als einem ziemlich ‘krummen Holz’ aus. Da liegt er wohl nicht ganz falsch und würde auch dem Ansatz von Smith nicht widersprechen. Ein Holz, das durch sein Streben nach Glück und Wohlstand gewiß viele zivilisatorische Großtaten hervorbringt. Auch das Gemeinwohl, wenn es gut läuft. Es läuft aber nicht immer gut.
Kants Frage zur Moralität menschlicher Handlungen ist aber nicht, wie diese unter den Bedingungen der Erfahrung, z.B. einer brummenden Volkswirtschaft, möglich ist, sondern unter Bedingungen einer Vernunft, die von einem Ideenbegriff (einem SOLL) ausgeht, der aus keinerlei ‘IST’ abgeleitet werden kann (logisch einfach unmöglich): das ist die Freiheit des Menschen und seine durch nichts relativierbare (unbedingte) Menschenwürde. Eine Freiheit, die allein in der Ermöglichung der Freiheit aller anderen Menschen- und Rechtssubjekte ihre Beschränkung findet.
Für rechtliche Handlungen bedeutet dies die bloße Konformität unseres Handelns mit dem Gesetz, also z.B. 50 km und nicht 60 km mit dem Auto in geschlossenen Ortschaften. Für die Legalität unserer Handlungen reicht das völlig aus und für das Wohl vieler Kinder auch.
Moralität wäre das bei Kant noch nicht. Klar, denn die Motivationsmaxime könnte ja von der Flensburger Punktekartei nahegelegt sein. Zu einem moralischen Handeln werden die 50 km erst, wenn sie aus Achtung vor der unter allen Umständen zu schützenden Freiheit nicht nur von Kindern, sondern aller im Straßenverkehr vorkommenden Rechtssubjekte befolgt werden. Dieses kluge kantische Recht ist, wie manche von uns gut wissen, stets erzwingbar. Die Moralität nie, und es sollten auch keine Versuche dazu gemacht werden. Sie landen alle im ‘Gottesstaat’, der Religionstyrannei, öffentlichen Selbstbezichtigungen vor der Hinrichtung, dem kollektiven Lob schlimmster Tyrannen als ‘großen Sonnen’, dem aller Kunst vorgegebenen ‘sozialistischen Realismus’ und den schönen Volkserziehungsprogrammen linker oder rechter Weltverbesserer, die das Wesen menschlicher Freiheit, die Selbstverantwortung und die (auch zivilisatorische) Selbsterziehung, nie begriffen haben und natürlich auch nicht begreifen wollen. Dann würden sie, die Beglücker, in der Mehrzahl ja überflüssig. Der Politiker, dem wir Rechtssubjekte nur noch reine Dispositionsmasse für EU-Schulden-Garantien sind, ist ein aktuelles Paradebeispiel dafür.
So schwer, wie im Blog behauptet, ist der Kant also gar nicht.
Recht und Moral hat er analytisch getrennt, um am Schluß doch einen klugen Zusammenhang zu postulieren: Es ist ein Gebot moralischen Handelns, also der unbedingten Achtung vor dem Menschen, seine rechtlichen Lebensverhältnisse immer wieder zu verbessern und ihm darin alle Arten seiner Freiheit, auch seine ökonomische, zu ermöglichen, nicht sie zu verhindern, wie das derzeit viele EU-Regierungen, auch unsere, tun.
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Nach allem, was ich ausgeführt habe, ist ein Definitionsansatz wie im Blog: “Eine Möglichkeit ist es, moralischen Handlungen als etwas zu definieren, was egoistischen Nutzen stiftet”, völlig unzureichend und kein ernstzunehmender Beitrag zu Immanuel Kant, dem Philosophen der menschlichen Freiheit, wie es ein anderer großer Philosoph, K.R. Popper, richtig gesagt hat.
Einen Zusammenhang zwischen Kant und Smith herzustellen, finde ich im übrigen völlig angemessen. Beide denken über das Glück des Menschen nach, unser tägliches Thema von früh bis spät. Der eine, wie es in der Realität und unter Bedingungen der Ökonomie und kluger Erfahrung möglich ist, der andere, welche Prinzipien dafür zu setzen und zu unterlassen wären. Beide tragen zum Gemeinwohl der Bürgersubjekte bei, wenn man sie nur richtig verstehen, nicht vermanschen und dann beherzigen würde.
Danke an die FAZ und Sophia Amalie Antoinette Infinitesimalia (die, würde sie sich weniger infinitesimal outen, den Bezug zu ihrem Beitrag erleichterte)! Immerhin hat sie mit Ihrem originellen Beitrag bewiesen, wie wichtig ein sachlicher Diskurs über das Glück des Menschen ist, in dem ein Immanuel Kant nie fehlen darf, auch wenn ihn im Volk kaum einer mehr kennt oder für maßgeblich hält.
präziser: würden sie zitate...
präziser: würden sie zitate aus einem chinesischen text auch dann noch unübersetzt in ihre deutschsprachigen reflexionen einflechten , wenn der selbige , den sie aus gründen sprachlicher kompetenz unübersetzt verstehen würden, ein gegenstand ihrer bemühungen wäre?
@Autonomus: Danke für die...
@Autonomus: Danke für die Ausführungen, vieles sehr treffend beschrieben. Allein, Kant kennen doch wirklich alle und halten ihn auch für maßgeblich (auch wenn die meisten nichts von ihm wissen). Für besonders maßgeblich halte ich ihn übrigens nicht, denn so wichtig und aufklärerisch im besten Sinne viele seiner Gedanken auch sein mögen (Sie haben einiges genannt), so krude und überfordernd ist sein moralischer Anspruch. Als Orientierung nicht praxistauglich. Und Kant ist ja kein Heiliger – der Diskurs hat sich seither weiterentwickelt.
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Zur Unterscheidung Klugheit (50km/h aus Angst vor Flensburg) vs. Moral (Kant: berücksichtigt universelle Freiheit) kann ich nur sagen, dass dies ein Knackpunkt ist, an dem meiner Meinung nach alle nicht-relativistische Moralphilosophie ohne Rekurs auf Gott oder ähnlich starke Voraussetzungen zusammenfällt…
@Autonomus: Danke für die...
@Autonomus: Danke für die Ausführungen, vieles sehr treffend beschrieben. Allein, Kant kennen doch wirklich alle und halten ihn auch für maßgeblich (auch wenn die meisten nichts von ihm wissen). Für besonders maßgeblich halte ich ihn übrigens nicht, denn so wichtig und aufklärerisch im besten Sinne viele seiner Gedanken auch sein mögen (Sie haben einiges genannt), so krude und überfordernd ist sein moralischer Anspruch. Als Orientierung nicht praxistauglich. Und Kant ist ja kein Heiliger – der Diskurs hat sich seither weiterentwickelt.
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Zur Unterscheidung Klugheit (50km/h aus Angst vor Flensburg) vs. Moral (Kant: berücksichtigt universelle Freiheit) kann ich nur sagen, dass dies ein Knackpunkt ist, an dem meiner Meinung nach alle nicht-relativistische Moralphilosophie ohne Rekurs auf Gott oder ähnlich starke Voraussetzungen zusammenfällt…
Christian H., ich glaube, wir...
Christian H., ich glaube, wir reden aneinander vorbei. Sie von der VWL im engeren Sinne, ich von Randbereichen, die nur bedingt mit typischen Modelle in Mikro oder Makro zu tun haben. Davon abgesehen verstehe ich aber durchaus, was Sie meinen.
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lukeman, oder die Moral wird Ihnen ausgetrieben beim Aufstieg in den Hierarchien.
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Autonomus, ich würde mir nicht anmassen, alles zu erfassen, aber Sie dürfen gerne mal versuchen, jeden Seitenstrang eines solchen Beitrags in 7000 Zeichen zu verpacken. Die von Ihnen zitierte Passage hingegen hat weniger mit Kant zu tun, als damit, daß viele modelltheoretische Ansätze Kant eben nicht gerecht werden.
ikonist, da es Ihnen ein...
ikonist, da es Ihnen ein Anliegen zu sein scheint: ich glaube fest, daß Übersetzungen meistens ein Verlust sind und das Original zu bevorzugen ist. Bei einem englischen Zitat gehe ich schon davon aus, daß 95 % der Leser Englisch so weit verstehen, daß Sie vom Original profitieren – während 5 % gar nicht folgen können. In welchem Fall ich gerne die Übersetzung nachreiche. Was ich getan habe. Wer verstehen will, muß sich vielleicht auch ein bißchen bemühen und notfalls nachschlagen oder übersetzen lassen. Wo ist also das Problem?
nur schade, das mir als...
nur schade, das mir als abkömmling der bildungsfernen unterschicht das erlernen der englischen , französischen, chinesischen etc. sprache nicht vergönnt war, um joyce , proust oder konfuzius etc. leider nicht im original lesen zu können.
ps. das schreibe ich auf die gefahr hin, mich beim bildungsbürgertum lächerlich zu machen hochachtunsvoll heinrich von kleist
Werter ikonist, was hätten's...
Werter ikonist, was hätten’s denn gerne? Ich habe mich entschuldigt (weiter oben), ich habe übersetzt. Ich bleibe aber dabei, daß es prinzipiell ein Gewinn ist, Texte im Original zu lesen, und den wollte ich jenen Lesern, die Englisch können, nicht vorenthalten. Was ist daran schlimm? Wollen Sie hier nur weiter rumjammern oder konstruktiv zur Debatte beitragen?
Werte Sophia Amalie Antoinette...
Werte Sophia Amalie Antoinette Infinitesimalia.
Vielen Dank für ihre Übersetzung.
Erlauben Sie mir bitte noch einige Bemerkungen, bevor ich wahrscheinlich bis auf weiteres diesem Schauplatz den Rücken zukehren werde.
Ich hatte Kant überhaupt nicht erwähnt, von daher verstehe ich ihre Bemerkung bezüglich des Verständnis nur als eine sprachlich Spitze gegen mich.
Auch hatte ich nicht den Eindruck, dass ich >rummoser< Sollte ich Sie jedoch in irgendeiner Weise verletzt, beleidigt, verärgert oder möglicherweise sogar per digitalem Datenstrom dergestalt in ein Unwohlgefühl versetzt haben, dass Sie sich zu allem Übel womöglich noch vergewaltigt fühlen, steht Ihnen natürlich eine Klage, am besten geführt über eine schwedische Staatsanwältin zu. Zunächst bitte ich untertänigst um Verzeihung, dass meine rüpelhafte Aufmerksamkeit, gespeist aus der Zugehörigkeit zur ungebildeten Unterschicht, Sie in eine derartig unangenehme und äußerst missliebige Situation gebracht hat. Zum Thema hatte ich mich ein wenig geäußert, aber Sie sehen ja selbst, dass der Herr mit sich und seinem theoretischen Gebäude alle Hände voll zu tun hat, um überhaupt zu bemerken, dass er angesprochen wurde. Ich möchte diesen Bewohner eines wohl sehr hohen Turms auch nicht weiter mit meinem Unterschichtendasein belästigen. Nur soviel noch: Natürlich sollte Wirtschaft immer auch einen sozialen Anstrich haben (Ist Moral sozial?) Nach dem Satz, den Sie von Kant zitierten ist das zu bejahen. Und die heilige Achtung von Regeln, von denen Smith spricht; deutet die Formulierung vielleicht auf etwas religiöses, möglicherweise auf die 10 Gebote? Denn bei strikter Beachtung und Einhaltung der Gebote, wäre meiner Meinung nach ebenfalls ein moralisch - soziales Miteinander möglich. Ich glaube jedoch, dass in jedem Menschen Egoismus vorhanden ist. Normal, wenn man den Selbsterhaltungstrieb betrachtet; überzogen wenn man die Gier, die Habsucht, die Herrschsucht; das tyrannische eben, auf der anderen Seite betrachtet. Irgendwo dazwischen muß sich moralischer, sozialer Egoismus befinden, damit das Ergebnis überhaupt mehr, als dem Selbsterhaltungsprinzip dient. (Familie, Sippe, Stamm usw.) Man denke an die Geschichte, die Jesus erzählt, die da von drei Menschen handelt, denen die gleiche Summe Geld gegeben wird. Dort ist es so, dass derjenige am schlechtesten beurteilt wird, der das Geld >nur< weggelegt, gespart, zurückgehalten hat, ohne etwas, geschweige denn ein >mehr< daraus gemacht zu haben. Weitere Stichworte wären noch zu nennen, wie Beruf (ung). Arbeit und Arbeitsteilung, Erfüllung, Gold, Silber, Nahrung, Technik. Denn bsplw. musste man sich früher Gold oder Silber von irgendetwas leisten, die beiden Metalle allein haben keinen großen Wert, denn in einer Urgemeinschaft ist anderes gefragt, um zu überleben. Daher ist für mich auch das eigentliche Problem nicht die Lohnarbeit, sondern >Der Boden< und sein Wert und das in Verbindung zu den Bewohnern des Bodens. Allerdings las ich vor längerer Zeit einmal, dass besagter HERR IM TURM aus einer bäuerlichen Familie stammt, was ihn vielleicht nicht so gesprächig hinsichtlich des Themas >Boden< macht. So, ich verlasse Sie zunächst und werde Sie in naher Zukunft nicht mehr belästigen. Einen schönen Resttag und gesamten Sonntag noch. Grenzgänger
Werter Grenzgänger,...
Werter Grenzgänger, mindestens das “Danke” am Ende Ihrer ersten Wortmeldung habe ich als Ironie aufgefasst… eine freundliche Bitte hätte es auch getan. Im zweiten Kommentare erwähnten Sie, daß Sie kaum folgen konnten… wenn das der Übersetzung geschuldet war – mein Fehler. Alles andere nicht. Ganz frei von Spitzen waren Ihre Wortmeldungen nicht, und da spitze ich zurück.
Davon abgesehen wollte ich Sie keinesfalls beleidigen, jeder, wirklich absolut jeder Leser (außer Rüpeln und ungehobelten Klötzen) ist hier herzlich willkommen und ich freue mich über jeden Beitrag. Auch Ihren, und ich lasse mich gerne auf meine Fehler hinweisen (nunja, mittelgern).
Smith kommt in der Tat kurz nach dem Zitat auf eine höhere Gottheit zu sprechen, die den Menschen Moral gibt und im grundsätzlichen Standpunkt, wie Sie ihn darlegen (im Spannungsfeld aus Moral und Egoismus) sind wir gar nicht so weit auseinander. Das ist doch auch was.
Werte Sophia, ist es nicht so,...
Werte Sophia, ist es nicht so, daß verlangt wird, alles was nicht der eigenen Intension entspricht, sei auf einem roten Teppich mit allen Facetten zu präsentieren. Eine Anforderung die bei Dingen, die einem näher sind NIE
verlangt wird
Zumindest entspricht dies meiner Lese-Erfahrung nicht nur in Blogs, und ich weiß
nicht,ob das nur z.Z. so ist.
Hier herrscht mal wieder jene,...
Hier herrscht mal wieder jene, wahrscheinlich vom Zeitgeist und seinen Vibrationen verschuldete, Verwirrung, die mittlerweile als Ausdruck von Avantgarde gilt. Die homo oeconomics Hypothese ist eine empirische Hypothese, mit der versucht wird tatsächliches menschenliches Verhalten zu beschreiben. Durch empirische Experimente wissen wir heute ziemlich gut, dass diese Hypothese in einer Reihe von Szenarien sich nicht besonders gut bewährt. In vielen ökonomischen Modellen wird die homo oeconomicus Hypothese trotzdem noch immer verwendet, weil es noch keine ähnlich allgemeine und besser empirisch bewährte Verhaltenstheorie gibt. Sobald eine solche vorliegt, kann die homo oeconomicus Hypothese verabschiedet werden. Das ist die übliche erfahrungswissenschaftliche Vorgehensweise.
Aus einem ganz anderen Bereich als die Erfahrungswissenschaft entstammen jedoch ethische Regeln wie der kategorische Imperativ. Diese wollen nicht tatsächliches Verhalten beschreiben, sondern stellen Verhaltensvorschriften dar. Es sind Soll-Sätze und als solche weder emprischen überprüfbar (Man kann nicht sagen, dass der kathegorische Imperativ falsch wäre, wenn sich niemand daran hielte.), noch apriori beweisbar (da hat Kant geirrt – man kann auch Situationen konstruieren, in denen ein Verhalten, das nicht verallgemeinerbar ist als “ethische akzeptabel” bezeichnet werden kann – je nach dem welche Ethik man wählt). Für Sollsätze und die ethischen Systeme, aus denen sie abgeleitet sind, müssen wir uns entscheiden (In der Ästhetik liegt die gleiche Problemlage vor). Empirische Hypothesen und Sollsätze zu vermengen ist schlicht Humbug. Vielleicht ist der gute Amartya Sen daran schuld, der sich in seinen Schriften einfach nicht entscheiden kann, ob sein Streben nach “capabilities” eine empirische Hypothese sein soll (dann wäre sie empirisch überprüfbar) oder ein Sollsatz (dann wäre er nicht überprüfbar – aber auch nicht allgemeinverbindlich). Der Brocken, an dem unser Zeitgeist wahrscheinlich am schwersten würgt, ist die logische Tatsache, dass Ethiken nicht allgemeinverbindlich sien können. Diese Tatsache entmachtet all jene, die doch so gerne anderen vorschreiben möchten, was sie zu tun haben.
Grenzgänger@:
Grundsätzlich...
Grenzgänger@:
Grundsätzlich würde ich vorschlagen: Gar nich um ignorieren.
Überdenken Sie´s und kommen Sie mal wieder gelegentlich vorbei. In der Analytischen Mathe wird schliesslich auch das meiste Gewicht auf die Grenzwert-betrachtungen gelegt.
Habe mich bei meinem methusalemischen Alter als früherer Nichtprivilegierter noch an das (versuchsweise) Erlernen, besser gesagt “Erforschen” der Chinesischen Sprache gewagt. Ist natürlich letztlich aussichtslos, aber faszinierend in jeder Hinsicht.
Moral? Heißt das nicht einfach Sitte? Selbst der Amoralist bezieht sich noch, wie der Atheist auf den Theos, auf sie.
lukeman@: Die indezente persönliche Frage sei mir gestattet: Wie kommen Sie denn ohne den a-priori-Rekurs auf Gott so im Allgemeinen und Besonderen hin?
LudovicoSettembrini@: Der...
LudovicoSettembrini@: Der Stachel der in Ihren Ausführungen ausgelegt ist bekömmt natürlich nicht Jedem in der Konsequenz. Martin Heidegger hat das Dilemma m. E. in “Sein und Zeit” gekonnt umschifft. Eine Philosophie, die Lösungen eo ipso anbietet, wird es wahrscheinlich nie geben. Popper hats verdeutlicht.
“Inwiefern ist nicht jedes philosophische Denken eo ipso metaphysisches Denken?”
@Sophia
Diese Kritik an der...
@Sophia
Diese Kritik an der VWL kommt haeufig. Ich kann sie mir nur mit Ignoranz erklaeren.
Natuerlich hat nicht jeder VWL-Student diese Buecher gelesen oder von ihnen gehoert. Es hat auch nicht jeder VWL-Student eine Vorlesung zur Geschichte der Lehrmeinungen oder experimentellen Oekonomie besucht hat. Na und? Man kann nicht alles in ein paar Semestern lernen.
Es ist auch nicht so, dass jeder Philosophiestudent nach seinem Studium Entscheidungen formal darstellen oder logisch ableiten kann. Dennoch ist das “vernuenftige Schlussfolgern” eine der bedeutendsten Bestandteile des philosophischen Mainstreams. Die Disziplin besteht ja nicht aus dem durchschnittlichen Bachelorstudenten, der seine damit Klausuren bestanden hat, Kant oder Plato zu interpretieren.
Genauso falsch ist es, die VWL auf den Vorlesungsstoff der ersten Semester zu reduzieren. Es bleibt dabei, Verhalten abseits des HO wird und wurde von sehr vielen Oekonomen und Verhaltenswissenschaftlern untersucht. Deshalb muss sich nicht jeder damit beschaeftigen.
Modelle sind keine Realweltabbildungen, es sind Vereinfachungen der Welt auf den Sachverhalt der den Modellbauer interessiert. Modellannahmen haben daher mit einem Menschenbild nicht viel gemein.
VG
Und den Grund fuer den HO in...
Und den Grund fuer den HO in vielen Modellen hat LudovicoSettembrini beschrieben.
Ich frag mich manchmal auch, was mit einem Wiwi Studium so verbunden wird oder von ihm erwartet wird:
“Wäre schön, wenn die zukünftige Führungselite Kants GMS und Smiths TMS komplett gelesen und verinnerlicht hätte. Wir gingen goldenen Zeiten entgegen.”
Ein Wiwi-Studium besteht doch nicht darin, dass jemand hinter dem Pult steht und den Studenten zuruft, ab heute nur noch ihren Geldbeutel zu maximieren!
@Plindos: Kann man nicht auch...
@Plindos: Kann man nicht auch gut/sittlich handeln, ohne hierzu verbindliche Regeln aus irgendetwas ableiten zu müssen? Moral/Sitte, das ist etwas Zwischenmenschliches und hat nach meinem Dafürhalten nichts mit dem Universum, Gott oder irgendwelchen universellen Prinzipien zu tun. Sie haben es ja bereits schön gesagt: Philosophie kann wohl keine (positiven) Lösungen eo ipso anbieten.
(Ob der Amoralist sich stets auf die Moral und der Atheist stets auf Gott bezieht, hängt davon ab, was genau man unter Amoralist/Atheist versteht. So pauschal würde ich das nicht unterschreiben. Der Klassiker hierzu ist wohl das erste Kapitel aus “Der Begriff der Moral” von Bernard Williams.)
@Plindos
Hä? Die deutsche...
@Plindos
Hä? Die deutsche Sprache bietet zwar viele Möglichkeiten einen seichten Tümpel, wie ein tiefgründiges Meer scheinen zu lassen, aber ein bisserl mehr Mühe geben muss man sich dabei schon…
LudovicoSettembrini@:Auf einen...
LudovicoSettembrini@:Auf einen groben Klotz gehört nomalerweis ein grober Keil.
Vielleicht versuchen Sie´s doch mal lieber mit einem Forett? Sie können mir ja alles mögliche um die Ohren hauen, dann bitte mit Begründung. Besten Dank im voraus.
lukeman@. Sie könnten es ja...
lukeman@. Sie könnten es ja mal ausführlicher mit A. Schopenhauer diesbezüglich versuchen.
Ich meinte es nicht so umfassend, sondern ledglich nur in aller Bescheidenheit den Wortgebrauch.(Die beiden Grundprobleme der Ethik: Ueber die Freiheit des menschlichen Willens, Ueber das Fundament der Moral)
@lukeman: Danke!
Was meinen...
@lukeman: Danke!
Was meinen Sie mit der Qualifizierung von Kants Moralphilosophie als “krude und überfordernd”, als “Orientierung nicht praxistauglich”?
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Was ist am Gebot der unbedingten Menschenachtung (andere Formulierung Kants: den Menschen niemals nur zum ‘bloßen Mittel’ für was auch immer herabzusetzen -> Vergasung ausgeschlossen!) so “krude”? Soll Moralität nur das sein, was uns nicht “überfordert”? Da hat doch jeder von uns sein eigenes Maß der Überforderung. Jedem seine Moral? Dafür braucht man nicht Kant oder sonstwen zu lesen. Die haben wir auch ohne Lektüren. –
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Und was heißt “Praxistauglichkeit”? Was soll an einer Maxime noch praxistauglicher sein, die Sie im Umgang mit Menschen – sprechend, handelnd, vertragsschließend – jederzeit beachten sollen, aber die Sie, wie in allen Belangen des unsere äußere Freiheit schützen sollenden Rechts, noch nicht zum Menschenfeind macht, wenn Sie sie – vielleicht wieder mal – nicht beherzigen wollen/können, wenn Sie nur der Freiheit Ihres Gegenübers keinen willkürlichen Abbruch tun?
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Nur, daß es Moral und reiner Menschenanstand sei, dürfen Sie nach Kant nicht für sich reklamieren. Es ist Legalität (sehr lobenswert) mit Opportunismus, Utilitarismus und Eudämonie, also allem, was wir auch ohne Moral schon draufhaben und dem sich eine Moral-Philosophie, die nicht nur mit Kant ihren Kernbegriff zu bestimmen hat, nicht auch noch bequem machen muß. Wollen Sie das?
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Was schließlich die Unterscheidung von “Klugheits”-Regeln und denen der Moral angeht, glaube ich nicht, daß diese Regeln des Rekurses auf Gott bedürfen (der, ein schlechthin guter Wille, will sie wie kaum etwas anderes; er wäre andernfalls kein verehrungswürdiger Wille mehr, nur noch ein zu fürchtender). Die Relativisten landen alle im Selbstwiderspruch und müßten sich, wenn es ganz dick kommt (historisch erprobt), sogar noch bei denen bedanken, die sie in die Gaskammern schicken, denn die können es dann ja nicht besser und dürften alle ihre guten Gründe haben, warum sie nicht nur den Relativisten den Gar- und Gasaus machen.
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Ich will Sie hier wirklich nicht mit Kant attackieren. Das gehört sich nicht. Nur den Kant in Schutz nehmen, wenn er – wie ich meine, mißverstanden – kritisiert wird. Kants Frage ist doch nur, wie und wo wir das Fundament hernehmen, um eine Moralität zu bestimmen, die nichts Böses mit uns Menschen vorhat, sondern ihn frei und stolz vor sich stehen haben will. Kants Antwort: aus einem Ideenbegriff, empirisch nicht verifizierbar, unserer Vernunft eingeboren: dem der Freiheit, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Was ist daran so schlimm? Die ganze Mathematik, die ganze Logik ist auch nicht empirisch verifizierbar, verifiziert aber alle Empirie. Wenn wir damit leben können (also mit der Wissenschaft, zu wesentlichsten Teilen Inbegriff nicht empirisch verifizierbarer Denkmodelle), dann doch wohl auch mit der Kantischen Freiheit, solange uns nicht gerade wieder mal ein großes Menschheitsprojekt den Gashahn auf- und dadurch abdreht.
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Trotz meines Sarkasmus danke ich Ihnen für Ihre Kritik. Halten Sie sich den Kant offen und studieren Sie ihn immer wieder (die ‘Kritik der reinen Vernunft’, leider kein Thriller, enthält mit ihrem ‘negativen’ Freiheitsbegriff den Schlüssel zu Kants Moral- und Freiheitsphilosophie). Zu Ihrem Trost: Ich habe in meinem Leben schon Ansichten vertreten, für die Sie mich nicht nur argumentativ prügeln dürften. Bei Kant nicht. Da komme ich allmählich ein Stück weiter. Ich werke am ‘krummen Holz’.
@Plindos
Mit einem Florett...
@Plindos
Mit einem Florett gegen einen Nebelwerfer? Ich glaub dazu fehlt es mir an Optimismus…
Liebe minna, manchmal, ganz...
Liebe minna, manchmal, ganz manchmal, finde ich diesen Job hier nicht so einfach. Aber am Ende macht es doch Spaß.
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LudovicoSettembrini, tja, hm, ich weiß nicht, ob es so einfach ist. In dem Modell, in dem mit Hilfe des h.e. Modelle gebaut, auf deren Basis Empfehlungen ausgesprochen werden, bekommt das ja doch einen auch einen normativen Charakter. Und vollständige Rationalität und Eigennutz sind nun mal nur begrenzt eine gute Annahme als Grundlage. Ich finde es schon schade, daß offenbar noch niemand versucht hat, andere Modelle ernsthaft zu benutzen.
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Andreas, an manchen Unis durchaus. Genau das. Leider. Aber vielleicht habe ich auch nur zuviel Zeit in den falschen Kreisen verbracht.
@ Sophia:
Nein! Es wird einem...
@ Sophia:
Nein! Es wird einem beigebracht, wie man z.B. unter gewissen Annahmen den optimalen Lohn bestimmt. Es wird nicht berechnet, wie hoch der Lohn sein soll damit ein Arbeiter wuerdevoll leben kann, sondern wo der Schnittpunkt zwischen Angebot und Nachfrage ist. Das ist ein Unterschied.
“Und vollständige Rationalität und Eigennutz sind nun mal nur begrenzt eine gute Annahme als Grundlage. Ich finde es schon schade, daß offenbar noch niemand versucht hat, andere Modelle ernsthaft zu benutzen.”
Das wird schon ewig ernsthaft versucht und auch schon lange standardmaeszig gemacht Z.B. mittels bounded rationality (begrenzte Rationalitaet). Auch ein Fairnessparameter in der Nutzenfunktion ist nichts Neues.
LudovicoSettembrini@: Großer...
LudovicoSettembrini@: Großer Meister vom Stuhl. So sind Ihnen, Sie Ärmster, die Argumente ausgegangen?
Verzeihung: Arroganz und der hochgelobte Empirizismus sind bei Ihnen schon ein sehr merkwürdiges Amalgam eingegangen. Ihr Namensvetter Settembrini aus dem Zauberberg von T. M. wäre vermutlich nicht very amused. Der Antagonist Naphta verspottet darin Settembrini als “Zivilisationsliterat”. Was diesen fast wie das Rumpelstilzchen mittendurch reisst. Nebelwerfer haben auch eine Funktion, wen auch mittlerweile fast aus der militärischen Mode gekommen…..Lassen wir´s mit unserer merkwürdigen Fehde damit sein Bewenden haben.
Autonomus@: Vermutlich ist genau an dieser Widersprüchlichkeit der Praxis der Dichter Kleist gescheitert und damit sein Freitod zu erklären. Sein Protagonist in der Novelle vom Michael Kohlhaas zeigt dies Scheitern in aller Grausamkeit auf.
Andreas, natürlich ist VWL...
Andreas, natürlich ist VWL normativ. Beim IMF zum Beispiel. Davon abgesehen ist “Bounded Rationality” ein Forschungsgebiet, das sich vor allem mit sich selbst befasst, und deren Erkenntnisse wenig Anwendung in anderen Bereichen findet. Das meine ich.
Ich schlage vor, dass das...
Ich schlage vor, dass das Fräulein Infinitesimalia einmal versucht ein bisschen Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Vielleicht arbeitet es ganz einfach in einer stillen Stunde den Unterschied zwischen deskriptiven und normativen Theorien für sich so aus, dass es das auch versteht. Also insbesondere, warum man aus einer deskriptiven Theorie (z.B. Arbeitsmarkttheorie) normative Schlüsse ziehen kann, sobald man einen Satz aus einer normativen Theorie („Es soll immer Vollbeschäftigung herrschen“) hinzunimmt. Sollten dabei unerwarteter Weise Schwierigkeiten auftauchen, könnte es ja auch noch eine so altmodische Einrichtung wie eine Bibliothek aufsuchen (Die Suchmaske der Zentralbibliothek der deutschen Wirtschaftswissenschaften findet sich unter “www.econbiz.de”). Wie sagt man so schön, es ist selten zu spät und nie zu früh… Aber Vorsicht! Bei Sichtung der Literaturlage könnten sich auch Sätze wie “”Bounded Rationality” ein Forschungsgebiet, das sich vor allem mit sich selbst befasst, und deren Erkenntnisse wenig Anwendung in anderen Bereichen findet” als ziemlich haltlos erweisen. Auf der anderen Seite. Das ist hier ja nur ein FAZ-Blog.
<p>LudovicoSettembrini, die...
LudovicoSettembrini, die Gastgeberin, die Sie gerade so ungalant beleidigen, hat ihre Gedanken bestens sortiert, und nur für Sie schreibe ich es auch gerne noch einmal ganz langsam und ausführlich auf:
1) Im ersten Schritt sind Modelle nur deskriptiv, aber wenn ich deren Ergebnisse irgendwann doch normativ nutze, steht immer noch die Annahme totaler Rationalität oder von Nutzenmaximierung im Hintergrund. Das sollte man nicht vergessen und am Besten von Anfang an im Hinterkopf haben.
2) Bounded Rationality ist ein hochinteressantes Fachgebiet und gerade Ansätze wie die oben beschriebenen von White oder Minkler könnte man ja tatsächlich anwenden. Tut aber keiner. In anderen Bereichen der VWL sind solche Erkenntnisse schlicht kaum relevant – was ich bedauerlich finde – auch wenn ich verstehe, daß die schlichte Eleganz eines Krugman-Modelles wohl kaum mit komplizierten Annahmen aus der Welt der Moral zu erreichen wäre.
Kant bezog sich ja auf David...
Kant bezog sich ja auf David Hume.
Ich empfehle das kleine Reclam-Büchlein:
„David Hume: Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand“
Logische Gedanken, klare Sprache.
Hilft auch beim Verständnis für Andere.
@gabriele.
Ein fürwahr ganz...
@gabriele.
Ein fürwahr ganz vortrefflicher Hinweis! Dort findet sich auch Humes bekannter Hinweis, dass man aus einer Beschreibung der Wirklichkeit nicht ohne weiteres normative Schlüsse ziehen kann (“Humes Gesetz”):
“In jedem moralischen System, das mir bislang begegnet ist, habe ich stets festgestellt, dass der Autor eine gewisse Zeit in der üblichen Argumentationsweise fortschreitet, und darlegt, dass es einen Gott gibt, oder Beobachtungen über menschliche Angelegenheiten trifft; dann plötzlich stelle ich überrascht fest, dass anstatt der üblichen Satzverknüpfungen, nämlich “ist” und “ist nicht”, ich nur auf solche Sätze stoße, welche mit “soll” oder “soll nicht” verbunden sind. Dies ändert sich auf nicht wahrnehmbare Weise – es ist aber, worauf es letztlich führt. Denn dieses “soll” oder “soll nicht” drückt eine neue Art der Verbindung oder der Behauptung aus. Das sollte genau bemerkt und erklärt werden, und zwar so, dass gleichzeitig ein Grund angegeben wird. Denn es scheint schlicht unverständlich, wie diese neue Art der Verbindung eine Ableitung aus anderen sein kann, da jene anderen vollständig davon verschieden beschaffen sind.”
(A Treatise of Human Nature (Buch III, Teil I, Kapitel I))
Gabriele, klare Sprache ist...
Gabriele, klare Sprache ist prima, damit kämpfen wir hier nämlich öfters. Danke für den Tipp.
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Adelbert, man könnte auch sagen: der Unterschied zwischen deskriptiver und normativer Theorie ist fließend. Sehr fließend.
<p>Hallo...
Hallo Sophia,
beleidigen wollte ich Sie nicht. Wenn das so rueberkam, entschuldige ich mich. Ich freue mich ueber den Artikel hier. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass die VWL zu unrecht haeufig angeklagt wird blind zu sein. Es stimmt, die VWL kann nicht alles leisten (das kann aber keine Wissenschaft) und sie kann auch normativ sein im zweiten Schritt.
Ich empfehle folgendes mal zu lesen (ist kurz). Das Summary zeigt deutlich, dass Altruismus laengst in Modelle einflieszt.
econ.as.nyu.edu/…/barczyk_d_sum.pdf
Weitere Empfehlungen:
Evans, G., Honkapohja, S., and P. Romer. 1998. “Growth Cycles,” American Economic Review, Vol. 88, No.3, June 1998, pp. 495-515.
Ernst Fehr & Simon Gachter, 2000. “Fairness and Retaliation: The Economics of Reciprocity,” Journal of Economic Perspectives, American Economic Association, vol. 14(3), pages 159-181
Orphanides, A. and J. Williams. 2007. “Robust Monetary Policy with Imperfect Knowledge.” Journal of Monetary Economics, 54: 1407-1435.
Nix vollstaendiges Wissen, nix voll rational bzw. nix unfair oder egoistisch.
<p>"There is no alternative"...
“There is no alternative” (Thatcher und Epigonen bis hin zu Schröder und Co.) find ich persönlich schon a bisserl normativ, so vom Sound her. Wenn ich mich recht entsinne, wurde das mit VWL-Versatzstücken “begründet”.
Andreas, sofern Sie hier nicht...
Andreas, sofern Sie hier nicht unter zwei Namen posten, waren Sie nicht beleidigend. Ich möchte auch nicht nur VWL-Bashing betreiben, sondern eher auf Einzelheiten hinweisen, die meiner Meinung nach leicht unter den Tisch fallen, wenn man nicht gelegentlich länger nachdenkt. Das wiederum gilt allerdings für so ziemlich jede Zunft. Vielen Dank für den Link – das ist genau die Sorte Beispiel, von der ich gehofft hatte, einer der klugen Leser hier würde so etwas nennen!
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Ayn Rands Evil Twin, Danke für die Schützenhilfe!
Die Diskussion hier ist sehr...
Die Diskussion hier ist sehr interessant. Ich verfolge auch die anderen Beitrage. Aber nochwas, was mir unter den Naegeln brennt:
“In anderen Bereichen der VWL sind solche Erkenntnisse schlicht kaum relevant – was ich bedauerlich finde – auch wenn ich verstehe, daß die schlichte Eleganz eines Krugman-Modelles wohl kaum mit komplizierten Annahmen aus der Welt der Moral zu erreichen wäre.”
Das verstehe ich nicht. Mit Annahmen aus der Welt der Moral waeren ja schon die Annahmen normativ und wahrscheinlich viel weiter weg von der Wirklichkeit. So verhaelt sich ja niemand. Sie sehen dies ja auch so:
“Wäre schön, wenn die zukünftige Führungselite Kants GMS und Smiths TMS komplett gelesen und verinnerlicht hätte. Wir gingen goldenen Zeiten entgegen.”
Wie soll dann das Modell die Wirklichkeit nachspielen? Da ist die VWL besser mit Altruismus und begrenzter Rationalitaet oder Friktionen in Maerkten. Die sind naeher an der Realitaet als moralische Vorstellungen eines Kants. Man kann nat. ex-post um das -so sollte es sein- bereinigen und den Staat wirken lassen. Das ist aber fragwuerdig. Denn wer ist eigentlich in der Lage dieses “soll” zu bestimmen? Ein Kant kann da eine Leitlinie sein, wenn man das will. Aber das ist arbitraer. Und im Detail hilft er gar nicht.
Wenn die letzte Maschine in...
Wenn die letzte Maschine in Gang gesetzt ist
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@MStrittmatter: Sorry, dass ich mich jetzt erst melde, aber wo alle Welt über den „Kommunismus“ diskutiert, habe ich natürlich gewisse Prioritäten. Aber Ihre Äußerung passt mir fast so gut ins Konzept, wie einer Frau Lötzschens überraschendes Bekenntnis zum Kommunismus. Ich zitiere Sie:
„Ich finde die ganze Idee der materiellen oder wirtschaftlichen Unterdrückung des Proletariates als Begründung für marxistisches Denken reichlich überholt. Zunächst einmal die Theorie, dass einzig Arbeit ‘Wert’ schafft, wird zu dem Zeitpunkt widerlegt sein, da wir es geschafft haben, dass Maschinen sich selbst bauen können um Arbeit zu verrichten…“
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Das Kapital haben Sie definitiv nie gelesen, auch wenn Sie hier mal kurz den Eindruck zu hinterlassen suchen. „Abstrakte Arbeit“, menschliche Arbeit, eine solche, die letztlich nichts anderes ist als eine gesellschaftliche Konvention, schafft „Werte“. Und na klar, auch einen Schimpansen können wir darauf hin zurichten, etwas zu schaffen, was irgendjemanden dann von Wert sein könnte. Da gibt es gewisse „Kunstwerke“ auf deren Versteigerung bei Sotheby‘s ich gespannt bin. Ich bezweifle nur, dass es diesbezüglich je eine gesamtgesellschaftliche Übereinkunft geben wird.
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Und so ist es auch mit Robotern, die wohl keine Schimpansen sind, aber eben Maschinen, Arbeitsmittel, auf jeden Fall aber kein variables Kapital, fixes nämlich. Fixes Kapital fließt gemäß Marxens Theorie wohl in den Wert ein, doch nur insofern sich dieses Kapital darin zu reinvestieren sucht. Es wird sozusagen dort aufgezehrt, solange nämlich, bis die Maschine entweder abgeschrieben oder untauglich geworden ist – nach so und so vielen Reparaturen. Und selbst wenn Maschinen Maschinen bauen, so verwertet sich hierbei nur der allererste Geist, und der allererste Arm, der diese Maschine mal erschuf. Alles was Maschinen schaffen ist Maschinen-Sein. Sind sie doch der verlängerte Arm und das verlängerte Hirn des letzten Arbeiters. Und auch dies belegt die Tatsache, dass der Mensch, und nur der Mensch in der Lage ist, etwas zu schaffen, was seinen eigenen Wert womöglich sogar um ein Vielfaches übersteigt. Der Mehrwert (eben nicht der reine Reproduktionswert – der Eigenwert) kommt ausschließlich aus menschlicher Arbeitskraft. Aber hier zeigt sich die typisch bürgerliche Sicht auf ein Thema, wo der Mehrwert entweder geleugnet wird, bzw. mit dem Lohn als abgegolten dargestellt sein möchte. Es glauben offenbar immer noch die Leute an einen Mehrwert, der sich da erst in der Zirkulation ergibt. Nur woher nehmen, wenn nicht stehlen. Die Aneignung des Mehrwerts ist sozusagen das gestohlene Gut. Und nur dieses kann in der Zirkulation hervor gezaubert werden. Wie von einer unsichtbaren Hand. Deus ex machina, nicht wahr? Und wer da an den Gott aus der Maschine glaubt, den kann man wohl kaum daran hindern, an die Maschine zu glauben, die da Mehrwert schüfe.
Allerdings haben Sie recht, insofern Sie da auf eine mögliche Krise des Kapitals rekurrieren, dessen ultimative Verwertungskrise gar. Die Wertabspaltungskritik eines Robert Kurz kommt da sogar zu dem Kurzschluss, dass sich hier die absolute innere Schranke für das Kapital offenbaren würde. Ich habe da so meine Zweifel. Wir nähern uns wohl dieser Schranke, aber wir werden sie nie erreichen, wenn das Proletariat, der Lohnarbeiter, der Mehrwertproduzierer, diese Schranke nicht selbst errichtet. Und wie krass wäre da wohl eine Differenz zwischen der Entlohnung jenes Arbeiters/Geistesarbeiters und dem Wert einer Maschine, die seine zukünftige Verwertung obsolet werden ließe.
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Wenn eine solche Maschine je geschaffen würde, würde sie den Einsatz eines ganzen Heeres von menschlichen Arbeitskräften erfordern, die Vernetzung quasi einer globalen industriellen hochintellektuellen menschlichen Arbeitskraftmaschine. Den menschlichen Computer sozusagen. Mehr jedenfalls als die, die da gerade in CERN wieder mal experimentieren, und doch zeigt uns CERN deutlich die Richtung. Solche Projekte bringen die gesellschaftliche Produktion in einen nie zuvor da gewesenen Widerspruch zu den Eigentumsverhältnissen nämlich. Und genau genommen sind sie auch der Grund dafür, warum das Kapital daran scheitern muss. Aber nicht automatisch, nicht von alleine, denn es muss gestürzt werden.
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So wird es Aufgabe des Klassenkampfes sein, das Kapital hier in seine Schranken zu verweisen, das System zu überwinden. Ein System, das sich wohl bis an den Rand seiner Selbstvernichtung begibt, doch die finale Selbsttötung leider nicht zuwege bringt. – Und der Lohnarbeiter muss diesen Kampf führen, bei Strafe des eigenen Untergangs, denn was bliebe an Perspektive für einen Lohnarbeiter, wenn dessen letztes Werk eine Maschine in Gang setzt, die, die ihn als Lohnarbeiter dann irreversibel obsolet gemacht haben wird? Eine solche Maschine kann auch das System, das System der Ausbeutung von Lohnarbeit, irreversibel obsolet werden lassen.
"Ich möchte auch nicht nur...
“Ich möchte auch nicht nur VWL-Bashing betreiben, sondern eher auf Einzelheiten hinweisen, die meiner Meinung nach leicht unter den Tisch fallen, wenn man nicht gelegentlich länger nachdenkt. Das wiederum gilt allerdings für so ziemlich jede Zunft.”
Dem stimme ich zu.
Dann liegen unsere Standpunkte vermutlich gar nicht weit auseinander.
@Ayn Rand:
Politik (nicht...
@Ayn Rand:
Politik (nicht politische Theorie) ist immer normativ. Sie veraendert ja Outcomes aus dem Zusammenspiel von Politik gestern und Markt in irgendeine Richtung, die angeblich besser ist als ohne den jeweiligen Eingriff. Manchmal wird die Klimaforschung herangezogen, manchmal die Wohlfahrtsverbaende, manchmal die VWL. Was dem Gesetzgeber grad passt oder vielleicht auch wo das ausgemachte Problem grad am groeszten ist (positiv gesehen).
Devin08, Sie werden an anderer...
Devin08, Sie werden an anderer Stelle womöglich nötiger gebraucht:
https://www.faz.net/s/Rub7FC5BF30C45B402F96E964EF8CE790E1/Doc~ED68BA0E5405449F4815A2C3B885ACAFC~ATpl~Ecommon~Scontent.html
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Sophia, die Gräben zwischen den in-the-box und out-of-the-box sind auch in diesem Blog anscheinend nicht kleiner geworden (das wäre tatsächlich mal eine Überraschung). Na, einen Versuch war´s wert. Mir hat es – über weite Strecken -gefallen.
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Andreas, vielleicht noch eine Prognose zum Stand des Dax Ende 2011? Oder doch lieber eine Abstimmung darüber (“Soll”)? Ich meine, wenn wir schon in einer Demokratie leben… Nein, darauf müssen Sie natürlich nicht antworten.
Wofür das Schicksal das...
Wofür das Schicksal das Kapital geschaffen hat
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@Muscat: Danke für den Hinweis. Aber so einfach werden Sie mich nicht los. Im Übrigen komme ich von dort, wie Sie vielleicht schon bemerkt haben. Bedauerlicherweise ist das Niveau so entsetzlich niedrig – bis auf wenige erstaunliche Ausnahmen, ich bekomme dort endlich etwas Beistand in Sachen Theorie (Meyer, Mathias, Maltensen) -, dass mir fast die Lust vergangen wäre, dort überhaupt zu intervenieren. Dumme Kontrahenten zermürben einen. Vielleicht liegt darin gar die ganze Überlegenheit des Kapitals begründet: in dessen Fähigkeit die Dummheit zu mobilisieren.
Damit sind allerdings FAZ-Beiträge dieser Qualitätsstufe („Kommunismus wolle die Gleichheit, und da die Leute das nicht wollten, werde mit Gewalt gleich gemacht“) wohl eher kluge Strategie, denn die zielt eben auf die Mobilisierung der Dummheit.
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Umgekehrt kann der Kommunismus ohne die Mobilisierung gerade der Intelligenz nichts bewegen, und darin liegt seine taktische Schwäche. Und um zu lernen, wie man aus Schwäche Stärke macht, dafür hat das Schicksal wohl das Kapital geschaffen.
<p>Andreas, ich habe schon...
Andreas, ich habe schon länger den Eindruck, daß unsere Standpunkte gar nicht soweit auseinander liegen. Wobei ich es schon interessant fände, wenn jemand mal versucht, ernsthaft moralisches Verhalten (welcher Motivation auch immer) in ganz ordinären Modellen zu verbauen. Nur so als Gedankenübung, um zu sehen, was dabei herauskommt.
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Geschätzter Devin08, das hier ist aber keine Kommunismusdebatte und es wäre nett, wenn Sie das berücksichtigen würden. Bitte.
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Liebe muscat, gerade die Debatte ist doch das spannende… für mich, und schön, wenn Sie es genauso sehen.
@Sophia Amalie Antoinette...
@Sophia Amalie Antoinette Infinitesimalia
Liebe Sophia, Ihr Statement “Adelbert, man könnte auch sagen: der Unterschied zwischen deskriptiver und normativer Theorie ist fließend. Sehr fließend.” als Replik auf die von mir zitierte Stelle aus Humes “A Treatise of Human Nature” ist hoch interessant. Eigentlich sind sich nämlich fast alle in Deutschland derzeit vertretenen philosophischen Denkschulen mit Bezug auf eben jene Stelle einig (kommt nicht eben häufig vor), dass aus einem Sein nie ohne Weiteres ein Sollen folgen kann. Offensichtlich haben Sie aber ein Argument entdeckt, dass den guten alten Hume widerlegt. Das ist absolut spannend! Bitte begründen Sie dann doch noch, warum “der Unterschied zwischen deskriptiver und normativer Theorie” fließend, sehr fließend ist.
An Marx gekitzelt
@Sophia...
An Marx gekitzelt
@Sophia Amalie Antoinette Infinitesimalia: Sie haben sicherlich recht. Doch war das nur eine Erwiderung auf Muscat und die war eigentlich auch deshalb recht kurz gehalten, glaube ich zumindest. Doch kann man Kant nicht mit Smith verbinden, ohne an Marx zu kitzeln.
Adelbert, was ich meinte ist:...
Adelbert, was ich meinte ist: Ihr Beispiel zeigt, wie schnell aus deskriptiv normativ wird, wenn man nicht aufpasst. Nachdem ich weiter oben ja bereits mit Andreas über diese Unterschiede diskutiert habe, fand ich Ihre Anmerkung sehr passend. nicht gemeint habe ich, daß es so sein sollte – im Gegenteil.
@Sophia Amalie Antoinette...
@Sophia Amalie Antoinette Infinitesimalia
Ich verstehe! Wenn mann “1+1=2” als normative Aussage definiert, kann man auch sagen, dass der Flug von Apollo 11 zum Mond so eine Art Bergpredigt war. Das ändert zwar nichts am Tatbestand, klingt aber gut und beeindruckt den ein oder anderen. Hier ist wirklich die Avantgarde am Werk! Oh je, jetzt müssen wir uns noch über die Definition von “Avantgarde” einigen. Oder noch besser, über die Definition von Definition, oder die Definition der Definition von Definition… Weiterhin so schöne Erfolge & nichts für ungut!
Adelbert, irgendwie scheine...
Adelbert, irgendwie scheine ich mich unklar auszudrücken. Sie zitierten Hume: “dann plötzlich stelle ich überrascht fest, dass anstatt der üblichen Satzverknüpfungen, nämlich “ist” und “ist nicht”, ich nur auf solche Sätze stoße, welche mit “soll” oder “soll nicht” verbunden sind. Dies ändert sich auf nicht wahrnehmbare Weise – es ist aber, worauf es letztlich führt. Denn dieses “soll” oder “soll nicht” drückt eine neue Art der Verbindung oder der Behauptung aus. ” Was ich aufgefasst habe als Beispiel für die schleichende Verschiebung von deskriptiv zu positiv.
Schopenhauer über Kant...
Schopenhauer über Kant (metaphysisch) hinausgehend:
So sage ich: es ist der Weg, den das Insekt zurücklegt, das hier stirbt und aus jedem Ei, welches überwintert hat, wieder in voller Lebendigkeit hervorgeht. Es ist der Weg, auf welchem es geschieht, daß, in einer gegebenen Volksmenge, nach außerordentlicher Vermehrung der Sterbefälle, auch die Geburten sich vermehren. Es ist der Weg, der nicht am Gängelbande der Kausalität durch Zeit und Raum geht. Es ist der Weg durch das Ding an sich.
Folgerung des Stultus:
Wenn alle Kapitalien sich aufgelöst haben,
wenn alle Ressourcen so gut wie verbraucht sind,
wenn alle Theorien voll gegen die unsichtbare Wand gerannt sind,
dann wird es eine renevatio geben. Nur dann.
Lieber Devin08, ich gestehe,...
Lieber Devin08, ich gestehe, der Gedanken an Kommunismus kam mir beim Schreiben kein einziges Mal. Irgendwann aber werde ich bestimmt auch mal das Kapital lesen, oder wenigstens Auszüge davon.
Werter Stultus, ich lese Sie...
Werter Stultus, ich lese Sie mit laienhaftem Ernst und frage:
1. Wo stünden wir heute, wenn die Bibliothek von Alexandria nicht abgebrannt
wäre?
2.Gibt es einen Zusammenhang zwischen immer längerer Lebensdauer und
Geburtenmangel in einer Bevölkerung?
Stultus, bei jener Revolution...
Stultus, bei jener Revolution möchte ich lieber nicht dabei sein, das darf noch einige Jahrzehnte dauern.
Ketzerische Frage: Wie hat Joe...
Ketzerische Frage: Wie hat Joe Ackermann Kant verstanden?
Gesetzten Falles – Joe Ackermann hat von Kant nicht mehr als den kategorischen Imperativ gelesen:
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines (BANK-) Gesetz werde. ”
dann kann man sein Lächeln doch gut verstehen – da Merkel+Co es dann ja subito (Parlament, wozu denn noch) geschaffen haben.
Die subjektive Sicht ist Teil...
Die subjektive Sicht ist Teil der Wahrheit, wenn nicht gar eine ganz neue
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@Stultus: So wie Sie Schopenhauer und auch Kant rezipieren/interpretieren könnte ich mich beinahe anschließen, mit nur einer Anmerkung: In dem Moment, wo Schopenhauer das „Ding an sich“ auf diese Weise zu antizipieren sucht, wandelt er es in ein Ding für sich, für ihn, für uns. Die subjektive Sicht der Dinge ist Teil der Wahrheit, Teil des Ganzen. Weniger ist es nur in quantitativer Hinsicht, insofern wir nie die Einsicht in die „volle Wahrheit“ erlangen. Doch dadurch, dass wir eine neue Qualität herstellen, im denkenden Geist, ist das Ganze immer mehr als die Summe ihrer Teile. Und das entspricht in etwa auch den Naturvorgängen, die wir aber nie vollständig verstehen werden, ohne sie dabei verändert zu haben, ihren natürlichen Bedingungen entfremdet. Daher ist die Praxis so wichtig, denn diese ist es, die den Wandel der Dinge von einem Naturereignis in eine soziale Aktion überleitet. Die Entfremdung im Geist überwindet. Berührung herstellt, wo ansonsten keine besteht. Doch: diese soziale Aktion verändert das Naturereignis so sehr, dass die Berührung sich uns als das Erkennen einer Lücke offenbart. Also nicht Berührung herstellt, sondern das Erkennen des Fehlens, des notwendig Fehlens einer solchen uns offenbart. Das „Ding an sich“ übt eine ähnliche Faszination auf uns aus, wie der Dinosaurier, den wir nie erlebt haben und dessen Existenz uns daher so wichtig erscheint, so sehr, dass wir ihn am liebsten wieder zum Leben erwecken würden.
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Ich denke da mit Zizek. Er nennt „Parallaxe“ das, was sich gerne als Kreuzung darstellen würde, doch sich nur als ein Kreisen um die Lücke offenbart. Das „Ding an sich“ und das Ding für sich“ berühren sich nur in dieser abstrakten Welt, in der denkenden, die sich allerdings nur durch die Praxis als reale darstellen lässt. Sonst wäre jedes Denken gleich dem Nichts, würde sich in der Lücke verlieren, anstatt diese zu enträtseln. Diese Art von Abstraktion nennen wir daher auch „Realabstraktion“ (s.o.: Sohn-Rethel zur Realabstraktion in der Warenproduktion). Die Logik hat da ihre Schwierigkeiten mit, aber die hat sie auch schon mit der Negation von „Kausalität in Raum und Zeit“. Nicht aber, wenn wir davon ausgehen, dass diese Kausalität ebenso wie der Wechsel des „Dings an sich“ in ein „Ding für sich“ durch den schaffenden Geist des Menschen erst hergestellt wird. Möglicherweise ist Zeit überhaupt nur eine Kategorie dieses Geistes. Und was den Raum angeht, nun ja: die Quantenmechanik bereitet uns da noch gewisse Schwierigkeiten.
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Apropos Ackermann, @Gabriele: Kluger Gedanke. Sie kommen der kommunistischen Diktion diesbezüglich sehr nahe. Nur dass das sich nicht auf einen Ackermann reduzieren lässt, ja nicht einmal auf das Subjekt der ganzen bürgerlichen Klasse.
@Sophia Amalie Antoinette...
@Sophia Amalie Antoinette Infinitesimalia
Wie gesagt, nichts für ungut! Das ist schon in Ordnung so. Man nicht das nicht unbedingt verstehen können, was Hume da geschrieben hat…
Adelbert, vielen Dank für...
Adelbert, vielen Dank für Ihre Nachsicht.