Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Kein Suchergebnis für den Anstand

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Rauhe Sitten herrschen im Netz. An jeder Ecke lauert ein Troll, eine Beleidigung, Niveauloses. Brauchen wir tatsächlich eine eigene Ethik für das Internet? Nähert man sich der Natur des Netzes, gelangt man zu einer anderen Erkenntnis.

Rauhe Sitten herrschen im Netz. An jeder Ecke lauert ein Troll, eine Beleidigung, Niveauloses. Brauchen wir tatsächlich eine eigene Ethik für das Internet? Nähert man sich der Natur des Netzes, gelangt man zu einer anderen Erkenntnis.

“Ladies and Gentlemen, may I present to you: the internet!” jauchzt Jen Barber in ein Publikum voller Schlipsträger und zieht ein dünnes Tuch von einer kleinen schwarzen Box, auf der ein rotes Lämpchen in ruhigem Herzschlag blinkt. Ehrfürchtiges Raunen, begeistertes Klatschen, blitzende Kameras würdigen den stummen Kasten, kaum größer als ein Tetrapack Traubensaft. “Why is no one laughing?” wundern sich in der hintersten Reihe des Saals Jens Kollegen: Das IT-Team der Firma Reynholm Industries hatte seiner Chefin kurz zuvor weis gemacht, der kleine Apparat sei tatsächlich das Internet und sie könne Eindruck damit schinden, wenn sie die wohlbehütete Technologie mit zu einer Shareholder-Präsentation bringe.

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Diese Szene aus der britischen Sitcom “The IT-Crowd” stammt aus dem Jahr 2008, unter Nerds ein Klassiker. Doch sie klebt auch jetzt noch wie eine hartnäckige Schablone auf den politischen Definitionsversuchen der digitalen Gesellschaft. Das Netz als Ganzes zu fassen, zu verstehen, zu erklären und dann zu regulieren scheint Wunsch und Anspruch der Politiker, Verleger und Publizisten zu sein, die in Netzdebatten um die Deutungshoheit ringen. Das www – drei Buchstaben als kleinster gemeinsamer Nenner, über den die meisten Nutzer ihre ersten Schritte ins Netz gewagt haben – war in diesen Überlegungen lange unter den Tisch gefallen: Jugendschutz über Öffnungszeiten für Websites in Deutschland, der Facebook-Austritt einer deutschen Bundespolitikerin als politische Drohgebärde, verschwommene Fassaden, die das deutsche Stadtbild in seiner virtuellen Abbildung hässlicher machen als die Innenstadt von Krefeld tatsächlich ist, Journalismus, der die aktiven Frauen im Netz nicht aufspürt – wenn man so will, gleicht die Deutschlandkarte im World Wide Web der kleinen schwarzen Box aus der IT-Crowd-Episode, die verzagt und mit wenig Leuchtkraft blinkt – der aber vor allem die Rednerin fehlt, die es der Öffentlichkeit enthusiastisch präsentiert.

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Cyberwaffen, Wikileaks, die Abschaltung des Internets während der Proteste in Ägypten – erst diese großen, die politische Macht bedrohenden Szenarien haben nun sachte dazu beigetragen, dass Landesgrenzen und Sprachbarrieren beginnen eine weniger große Rolle in Überlegungen zum Netz spielen. Doch die Vorstöße, die man zuletzt aus dem Bundeskanzleramt vernahm, lassen keine Weitblick erkennen: nicht in technologischer Hinsicht, nicht von internationaler Relevanz, sie widmen sich nicht den Möglichkeiten digitaler Demokratie, die bestehende politische Prozesse verändern könnten. Michael Wettengel, Mitglied der IT-Steuerungsgruppe des Bundes und Zentralabteilungsleiter im Bundeskanzleramt, forderte eine Ethik für das Internet im Rahmer einer Veranstaltung der Bitkom. Er ist nicht der erste, der sich an Pseudonymen stört, oder die Kommunikationskultur im Netz als durchweg verkommen betrachtet. Doch genau die Forderung nach einer eignenen Internetethik verbeißt sich wieder im Tunnelblick auf das Netz als kleine schwarze Box, die irgendwann einmal neben der Nofretete in einem Glaskasten ruhen darf.

Auf dem Set von “The IT-Crowd” schwenkt die Kamera auf eine neue Szene: Jen Garber entfaltet die Bedienungsanleitung für ihr handtaschengerechtes Gadget und verliest diese mit Inbrunst einer Neujahrsansprache. Eine Ethik für das Internet wäre schließlich eine Zeitenwende.

Doch das Internet ist keine Box mit bunten Pillen, über deren Packungsbeilage ein sicherer und gesunder Gebrauch gewährleistet werden kann. Es ist in seiner Gesamtheit nicht zu fassen, nicht festzuhalten und weder definierbar als Ding, als Technologie noch als Geisteshaltung, dass wir gedanklich als hübsche kleine Box in unserem eigenen Arbeitsspeicher ablegen könnten. “Ich bin im Internet” kann vieles bedeuten; für jeden einzelnen Besucher des Netzes hat sein Betreten einen eigenen Stellenwert, eine eigenen Nutzen, es birgt Herausforderungen, Chancen und Gefahren – andere hingegen langweilt es nur.

Eine eigene Ethik für das Internet zu fordern klingt, als handele es sich bei der digitalen Welt um ein Gesellschaftssystem, in das Nutzerinnen und Nutzer hineingeboren würden, als beträten sie eine gänzlich neue Spielwiese auf der die Regeln zunächst ausgefochten werden müssten, um miteinander zu leben, als verlören Menschen mit der Öffnung eines Browsers ihr Wertesystem, und müssten in ihrem Onlineleben in ein neues schlüpfen. Es klingt noch immer, als sei das Leben, das im Netz stattfindet, nicht echt und vom Denken und Handeln im Offline entkoppelt.

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Über eine eigene Ethik für das Internet nachzudenken, bedeutet auch Ethikunterricht, urteilen über moralische Verstöße, nicht tolerierbares Verhalten auf der einen Seite, Fleißkärtchen für die Angepassten auf der anderen. Und damit kommen wir der Sache schon näher: eine Ethik für das Netz nicht nur zu diskutieren und zu formulieren, sondern in der Konsequenz auch anzuwenden, ist im Kern das, was Community-Manager online bereits leisten. Doch sie tun dies nicht als Internetpolizei, die netzweit an den Stellen durchgreift, an denen Menschen miteinander Konflikte austragen; sie sorgen in der Regel in kleineren Onlinegruppierungen für die Einhaltung von Regeln. Communities entstehen – ähnlich wie in der physischen Begegnung – entlang von Interessen, Themen oder den gleichen Gewohnheiten, wie der Konsum vom bestimmten Medien und Produkten. Das Internet folgt keinen eigenen Gesetzwerken. Communities tun dies.

Für machtpolitisch geprägte Menschen mag es nur schwer verständlich sein, dass ein Lebensraum bevölkert von autarken, sich selbst regulierenden Gemeinschaften ohne eine höchste legislative Instanz funktioniert, dabei sogar gedeiht. Auf Regierungsebene wird es selbst dann keinen Community-Manager oder Ethikbeauftragten geben, wenn die Netzpolitik endlich als ein so bedeutsames Feld gewichtet wird, dass sie zu einer Stellung mit kompetenter Besetzung und Handlungsspielräumen gelangt; ein Diskurs über eine Netzethik könnte nur unter diesen Voraussetzungen von Regierungsebene aus angestoßen werden. Doch auch in diesem Austausch müsste man schnell einsehen, dass es weder eine nationale noch eine eine globale Ethik für das Netz geben kann.

Die Eigenständigkeit von Communities steht dem entgegen. Für Außenstehende sind die Verhaltensweisen innerhalb dieser Gemeinschaften nur schwer zu fassen, denn gerade stark homogene Verbünde neigen zur Gruppendynamiken und Riten, die codiert sind. Die auf den ersten Blick keinen Sinn ergeben. Der ausschnitthafte Blick auf digitale Gemeinschaften von “interessierten Beobachtern” führt dann zu Fehlinterpretationen, aber vor allem zu einer stark selektiven Wahrnehmung an deren Ende steht: das Netz ist voller Rüpel, Dummköpfe, lichtscheuer Nerds, mageren Mädchen aus pro-anorektischen Foren oder: Frauen beteiligen sich am Netz nicht aktiv. Doch genauso ergeht es Zaungästen anderer Gemeinschaften. Belauschen Sie einmal Teenager in der U-Bahn oder die Gespräche ergrauter Physiker auf einem Kongress. “Auf eigene Faust nicht lebensfähig” oder “Was finden die nur aneinander?” mag man da denken. Für die Dauer ihres Zusammenschlusses jedoch erleben die Mitglieder ihre Gemeinschaften als wohlig und vital.

Und all die Beleidigungen, Stalker, Shitstorms und Trolle? Warum eine eigene Ethik für das Netz fordern, wenn ein Community-Manager im vermeintlich friedlichen Miteinander der Offline-Idylle zahllose Anlässe fände, um den Löschknopf zu klicken oder User zu sperren: Schulhöfe, Boulevardmedien, ohne Zweifel auch Reden im Bundestag – die Grenze des guten Geschmacks überschreiten wir alle im Alltag mühelos. Doch noch ist es zu großen Teilen das Leben abseits des Netzes, was uns ein Verständnis für den respektvollen Umgang miteinander vermittelt. Mit diesem Wissen betreten wir die digitale Welt.

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Wer im Netz den Streit sucht, findet ihn. Würden wir als Laien einige Praxistage in der Paartherapie absolvieren, wir forderten nach Ende dieses Exkurses eine neue Ethik für deutsche Ehen.

Wer eine Debatte ohne Austausch, ohne Unterlass und mit den stetig gleichen Argumenten versucht in eine bestimmte Richtung zu drängen, gilt im Internet als Troll. Und während fernab der Politik die spannenden Partizipationslinien im Netz offengelegt und ausgeschöpft werden, sorgt sich eine kleine Gruppe verschnupfter Offliner um eine kleine Gruppe keifender Onliner. Diese als Grundgesamtheit der Netznutzer zu nehmen, um daraus ein Verständnis der digitalen Gesellschaft und Handlungsempfehlungen für diese abzuleiten, entspricht wohl kaum den Anforderungen politischer und wissenschaftlicher Ethik.

 


23 Lesermeinungen

  1. Kanitverstan sagt:

    Die vermisste Ethik im Netz...
    Die vermisste Ethik im Netz und anderswo ist aktuell, unter allerlei sonstig angeschwemmtem Gerümpel, in des Baches Unterlauf zu finden.

  2. Ellia sagt:

    Nein, von englischen...
    Nein, von englischen Berufsbezeichnungen halte ich nichts. Dennoch hat der “Community Manager” Glück gehabt, dass er nicht Ethikbeauftragter heißt, oder gar Schiedsrichter. Aber gibt es da nicht noch etwas charmanteres?

  3. Liebe Ellia,

    bei...
    Liebe Ellia,
    bei journalistischen Angeboten – sprich den Ablegern von Zeitungen, reinen Onlinepublikationen oder Blogs – sollte der Community Manager immer der Autor oder die Autorin sein. Sie sprechen mit ihren Lesern und brauchen daher gar keine neue Bezeichnung.
    Für thematische Zusammenschlüsse wie Foren braucht es hingegen Admins oder Moderatoren, die sich um technische Fragen oder zwischenmenschliche Konflikte kümmern. Das Word “Moderator” habe ich im Text oben ganz vergessen. Moderator oder Mediator klingt hingegen auch noch etwas spröde. Über eine Antwort denke ich noch ein wenig nach.

  4. mw23 sagt:

    @Ellia Community Ninja habe...
    @Ellia Community Ninja habe ich schon mal gehört. Das wäre mein persönlicher Favorit. Im Netz geht es ohne die englische Sprache wohl nicht. Da haben wir das globale Phänomen. Ich find das auch nicht weiter schlimm. Es gibt ja auch einige deutsche Worte, die es ins Englische geschafft haben. Nicht zuletzt der “Zeitgeist”.

  5. jaishal sagt:

    Natürlich ist das Netz zu...
    Natürlich ist das Netz zu mehr fähig als Pöbelei. Wenn man die Kollaboration zur den Guttenberg-Plagiaten sieht, ist das doch äußerst konstruktiv. Und das wäre nur das aktuellste Beispiel. Aber sicher wird daraus auch die Politik, zumindest die kOalition ableiten, das Netz verbünde sich vor allem gegen die Regierung, wolle schaden.

  6. >>Rauhe Sitten herrschen im...
    >>Rauhe Sitten herrschen im Netz. An jeder Ecke lauert ein Troll, eine Beleidigung, Niveauloses<< Nur im Netz? Man begebe sich mal in eine Fußgängerzone/ U-Bahnstation/ Warteschlange, etc. einer gewöhnlichen deutschen Großstadt. Frohen Erkenntnisgewinn.

  7. ThorHa sagt:

    Kleine Gruppe keifender...
    Kleine Gruppe keifender Onliner? Hmmm – eine Behauptung sollte man belegen können. Also ein zugegeben begrenzter Onlinecheck – die Onlineforen von heise, faz, zeit, spiegel, sz. Alles nicht gerade Orte, an denen man Keifer vermuten würde – wenn man keine Ahnung von Umgangsformen im Netz hat. Diesen Check mache ich (fast) täglich. Und das Ergebnis ist eindeutig:
    25% der Kommentatoren argumentiert nach dem Motto “Alles Nazis ausser Mutti”
    Weitere 25% der Kommentatoren liefern eine zumindest deftige Polemik ab
    Kleine Gruppe? Wahrnehmung getrübt? Wette gefällig? Wir einigen uns auf faz online auf einen Tag und einen zufällig gewählten Beitrag (z.B. der fünfte um 10 Uhr in der Rubrik “Politik”) Und ich weise Ihnen nach, dass es genau nicht eine kleine Gruppe von Keifern ist. In moderierten Foren!!! In unmoderierten – ach Du lieber Herr Gesangverein. Zumindest im deutschsprachigen Raum eigentlich nur ekelerregend, zumindest dann, wenn wir nicht über “Gemeinschaften” zum Thema Biergeschmack oder Pflanzenzucht reden. Also über solche, in denen tatsächlich diskutiert wird. In diesen gilt – je pseudonymer, desto pöbel. Nur dann, wenn Sie die Beobachtung auf englischsprachige Sites ausweiten, wird aus Ihrer Beobachtung ein Schuh – zumindest in den politischen Diskussionsforen von Qualitätsmedien geht es auf amerikanischen oder britischen Seiten deutlich gepflegter zu.

  8. Onliner sagt:

    Ich muss meinem Vorposter...
    Ich muss meinem Vorposter leider zustimmen, es gibt viele Bereiche in denen stark gekeift wird. Man schaue sich mal den Kommentarbereich von Welt-Online an, dort ist’s echt grauenhaft. Also 25% der Kommentare noch als halbwegs vernünftig zu bezeichnen wäre schon übertrieben.
    Allerdings gibt es auch durchaus gesittetere Bereiche im Netz, z.B. gibt es grundsätzlich sehr gut moderierte Foren (z.B. Foren zu Browsergames), in denen jedem User geholfen wird, es auch Smalltalk oder wissenschaftliche Diskussionen gibt, die sachlich ablaufen. Mag man an dieser Stelle vielleicht nicht glauben, aber gibt es wirklich.
    Außerdem gilt auch: “Je kleiner die Community, desto eher benehmen sich die Mitglieder konform der Normen dort.” Teilweise wird in derart kleinen Gemeinschaften (z.B. Clans oder Foren zu speziellen Interessensgebieten) kaum oder sogar gar nicht moderiert und trotzdem funktioniert die Gemeinschaft.
    Ich würde also sagen, die Umgangsformen im Netz generell zu verteufeln, ist genauso verkehrt, wie zu sagen, alles wäre in Butter. Ist wie immer eben die goldene Mitte.

  9. Ganz offensichtlich haben...
    Ganz offensichtlich haben viele Politiker Angst Vor Der Freien Rede. Statt einfach bestimmte Meldungen als “Rumoren des Internets” abzutun, bekommen sie Panik, dass einige schmutzige Details ihres Handelns publik werden. Ohne dass man die “Kollegen von Südmilch” mal zur “Disziplinierung” vorbeischicken könnte.
    Die Verlogenheit der Westlichen Welt soll ja nicht an die Frische Luft gezogen werden – darum geht es.
    Keine Sorge, ich lege mich auch mal mit Herrn Vladimir Polonium an, wenn ich Lust darauf habe. Oder mit anderen Tyrannen. Aber ich lebe nicht in der Rosa Welt des Westens.

  10. MuckiMuster sagt:

    Das schöne im Internet ist...
    Das schöne im Internet ist doch, daß Niemand Niemanden zwingt eine bestimmte Seite aufzususchen, auf der “getrollt” werden kann (wenn kann, gilt im Netz: wird.).
    Jeder kann sich seine Zugehörigkeit zu bestimten Netzgruppen selbst aussuchen, und sich dann deren Regeln unterwerfen oder eben entfernt, bzw. ausgegrenzt werden.
    Alle Diskussionen in Richtung einer verbindlichen Ethik, eines Regelwerks oder eines Netzgesetzes gründen meißt auf Begehrlichkeiten seitens Derjenigen, die ihre Kontrolle oder Sichtweise heute schon in anderen gesellschaftlichen Bereichen geltend machen, oder als verpflichtend aufdrängen.
    Mein Lieblingsbeispiel hierzu sind die ersten Aussagen von Politikern verschiedener Lager, ein paar Wochen nach Einführung der mittlerweile gekippten Internetzensur (“Kinderporno-Sperren”), bzgl. der Sperrung von rechtsradikalen Seiten oder gewaltverherrlichenden Spielen (“Wenn wir die Sperren schon haben, lasst sie uns für WAS GUTES einsetzen…”). Ein Schelm wer Böses dabei denkt.
    Ob es sich nun um einen “Kill-Switch” oder eine Zensurinfrastruktur handelt, das jüngste Beispiel in Ägypten sollte uns alle nachdenklich machen, ob wir nicht lieber den Schund im Netz ertragen wollen (siehe meinen ersten Satz in diesem Kommentar), als einer politisch korrekten Meinung folgend verbindliche Regeln zu implementieren.
    Gesetze, die Nötigung, Beleidigung, Diebstahl und andere im Netz verübte Straftaten betreffen, gelten schon heute vollumfänglich für das Internet, und das ist auch gut so!

  11. @Teresa
    Die Gleichung...

    @Teresa
    Die Gleichung Community Manager = Autor geht nicht bei reichweitenstarken Angeboten auf, Ausnahme sind Autoren mit geringer Veröffentlichungsfrequenz. Es ist richtig, dass Redakteure auf Kommentare reagieren müssen. Aber für eine kontinuierliche Betreuung fehlt zum einem schlicht die Zeit, zum anderen kann ein Einzelner nicht rund um die Uhr betreuen. Und schließlich fehlt Redakteuren zumeist der Überblick, wer eigentlich potenzielle Unruhe-Kandidaten sind. Das erfordert eine durchgängige Beobachtung und entsprechende Kenntnis, die eben ein guter Community Manager mitbringt.
    Ein guter Community Manager, der auch als Bestandteil der Redaktion integriert ist, kann für eine bessere Kommentarkultur sorgen als ein Redakteur, der im Zweifel genauso manisch und cholerisch werden kann wie ein Kommentartroll.

  12. @ThorHa Für viele...
    @ThorHa Für viele Foren/Kommentarbereiche mögen Sie Recht haben. Meine Kritik setzt ja an der Gesamtsichtweise auf das Netz durch die Brille der Politik an. Was in Kommentarbereichen passiert, ist zu Teilen zumindest Aufgabe der Community Managements. Es bedürfte einer weiteren Betrachtung zu ergründen, warum in Kommentaren und Foren so viel gekeift wird. Eine “eigene Ethik für das Internet” zu fordern, während man die anderen Potenziale der Technologie / des Kommunikationsmediums ignoriert und vor allem nicht fördert, kann ich zumindest so nicht unterschreiben.

  13. Lieber Alexander,
    ich bin der...

    Lieber Alexander,
    ich bin der Auffassung, dass das Berufsbild des Journalisten sich dahingehend ändern muss, dass der Dialog mit dem Leser Teil seiner Aufgabe ist, wenn der Text online steht. Das ist neu, das bedeutet mehr Arbeit oder eben eine andere Aufgabenverteilung, bei der Zeit für das Gespräch mit dem Leser Bestandteil der Arbeit oder des Autorenhonorars ist. Es sollte zusätzlich ein professionelles Community Management geben, aber gerade über Fachthemen und Meinungsstücke braucht es den Autor oder die Autorin, um das Gespräch zu gestalten und Fragen zu beantworten.
    Ich habe für eine Zeitung eine Community aufgebaut und viel mit der Redaktion gearbeitet und Überzeugungsarbeit geleistet, sich den Kommentaren zu öffnen.
    Daher würde ich auch nicht sagen, damit sollten sich z.B. nur die jungen Kollegen beschäftigen. Ich kenne viele Redakteure, die nach großen Vorbehalten sogar Spaß an Leserbeiträgen und Kommentaren entwickelt haben, hier wertvolle Quellen und Anregungen finden, von denen ihre “normale” Redakteursarbeit dann profitiert.
    Das zu erreichen nimmt Zeit in Anspruch, bedarf aber vor allen Dingen, dass die Stellung der Community Manager innerhalb der Redaktionen gestärkt wird. Community Management muss, sofern sich ein Onlinemedium auch als ein solches etablieren will, in der Chefredaktion verankert werden – Meine Meinung.
    Viele Grüße
    Teresa

  14. colorcraze sagt:

    @ThorHa: ja, viel ist so; es...
    @ThorHa: ja, viel ist so; es ist die Frage, wie dieser üble Ton und diese Dumpfheit einreißt. Im Usenet habe ich es erlebt, daß eine recht große, disziplinierte Gruppe lange Zeit eigentlich recht immun gegen allzu Ausfälliges war, weil ohne irgendeine Absprache am Thema geblieben wurde und Abschweifungen gern toleriert wurden. Persönlich kannte man sich nicht, und Usenet ist bekanntermaßen ohne Moderation. Kleinere Gruppen, die nicht genügend Ontopic-Postings hatten, und auch manche Themengruppen sind zu völligen Müllhalden verkommen. Daß in kleinen Gruppen der Umgangston besser wäre, ist eine zu meinen Erfahrungen eher gegenläufige Beobachtung. – Inwiefern es besser ist, ob ein Arikelautor die Kommentare freischaltet oder jemand anders, kann ich nicht sagen, einzig daß bestimmte Leute mit bestimmten Umgangsformen eben wieder bestimmte Leute mit bestimmten Umgangsformen anziehen, ist ein relativ sicheres Beobachtungsergebnis. Und schlimm ist, wenn die Kommentatoren das Ignorieren nicht beherrschen.

  15. ThorHa sagt:

    Moin,
    "Eine "eigene Ethik für...

    Moin,
    “Eine “eigene Ethik für das Internet” zu fordern, während man die anderen Potenziale der Technologie / des Kommunikationsmediums ignoriert und vor allem nicht fördert …”
    dass viele Politiker über das Internet reden, wie Blinde über Farbe – einverstanden. Allerdings ist die Forderung nach einer “Ethik für das Internet” für mich nicht ganz so weit hergeholt, wie es für Sie aussieht. Denn eines ist nach 10 Jahren Usenet und dutzende von Onlineforen offenkundig: In der Gesellschaft sonst gültige Regeln des Anstandes sind im Internet ausser Kraft, flächendeckend. Von Beleidigung über Verleumdung bis hin zum aktiven Gruppenmobbing, die vermeintliche Anonymität bringt nicht das Beste im Menschen zum Vorschein. Und da hilt das Argument, auch im Internet gelte das bürgerliche Gesetzbuch, wenig. Gegen die Vielzahl und die Geschwindigkeit prinzipiell ahndungsfähiger Pöbeleien gleicht ggf. das Bemühen von Gerichten dem Kampf einer Schnecke gegen Windmühlenflügel in Starkwind. Zu einer internetspezifischen Ethik gehörten für mich im Alltag selbstverständliche Dinge – das gegenseitige Vorstellen mit vollem Realnamen als allererstes. Was die Potentiale angeht – überzeugen Sie mich :-). Von all den Potentialen (und Gefahren) des Fernsehens ist eine weitere Unterhaltungsmöglichkeit übriggeblieben, sonst nichts. Und es könnte sein, dass ein ähnliches Urteil in 50 jahren auch über das Internet gefällt wird. Unbestreitbar besteht durch das Netz das Potential für (enge) soziale Kontakte auf Entfernung und ungeheuer schnelle (ungeprüfte) Informationsverbreitung durch jedermann, aber sonst? In Politik und Wissenschaft ruht das gesamte Internetgebäude noch immer vollständig auf konventionellen Fundamenten – Publikationen in Qualitätsmedien. Und wird konterkariert durch die im Vergleich zu früher ungeheuer gewachsenen Möglichkeiten auch für kleine Aktivistengruppen, Mist, Lügen und Propaganda zu verbreiten. In und für Politik noch spezifischer – nennen Sie mir eine (!) deutschsprachige Netzaddresse, in der gegenüber den bekannten gedruckten Qualitätsmedien Mehrwert erzeugt wird, in denen also seriös aufgearbeitet wird, was man sonst nicht lesen kann. Nun?
    Gruss,
    Thorsten Haupts

  16. colorcraze sagt:

    @ThorHa: es ist so, daß...
    @ThorHa: es ist so, daß Anonymität oft und breit zum Pöbeln benutzt wird. Aber deswegen bei allem den Namen zu verlangen, geht zu weit. Es gibt auch ehrenwerte Gründe für Anonymität, etwa, wenn jemand Rat sucht bei einer Krankengeschichte, oder etwas wichtiges aus dem Nähkästchen zu plaudern hat. Bei DA sind so einige dabei, die sich gewiß nicht öffentlich zu äußern wagen würden, wenn sie dies “offiziell”, unterschrieben mit ihrem Namen, tun müßten. Es ist halt so wie mit dem Zahlen per Bargeld: da kann Falschgeld drunter sein, muß man drauf aufpassen. Aber es wollen eben nicht alle per Karte zahlen. “Internetethik” ist vielleicht ein etwas hochgestochenes Wort, aber daß sich sowas wie eine Öffentlichkeitsverhaltensform im Internet (analog zu Zeitungsleserbriefen, Verhalten in der U-Bahn und im Laden gegenüber, Verhalten als Tourist in einem fremden Land) herausbilden muß, ist auf jeden Fall so.

  17. colorcraze sagt:

    @ThorHa: und was, wie man...
    @ThorHa: und was, wie man sieht, ja funktioniert, ist, wenn sich z.B. Zeitungen das Hausrecht darüber, welche Kommentare sie veröffentlichen und welche nicht, vorbehalten. Es könnte wahrscheinlich noch besser funktionieren, wenn die Leute, die fürs Freischalten zuständig sind, explizit als Diskussionsmoderatoren angesehen und bezahlt würden und im Laufe der Zeit ein sicheres gefühl für “was geht – was geht nicht” bekommen.

  18. @Colorcraze Das Modell würde...
    @Colorcraze Das Modell würde ich auch jedem Onlinemedium empfehlen, es bedeutet aber Personalaufwand und neue Arbeitszeiten. Was sich aus meiner Sicht lohnt. Die Realität ist ja momentan leider so, dass Autoren, die Spaß daran haben bzw. den Sinn davon erkannt, sich um die Diskussionen zu ihren Texten kümmern und das in freiwilliger Mehrarbeit machen. Die Teams, die sich nur um Community Management kümmern, sind meist viel zu dünn besetzt. Besonders, wenn die Kommentare direkt online gehen, ist die Arbeit kaum zu leisten, da die eskalierenden Streits oft dann stattfinden, wenn keine Moderation da ist (nachts). Traumhaft wäre eine Software, die Nutzern unterschiedliche Rechte gibt. Was heißen würde: die Kommentare neuer Nutzer werden freigeschaltet, Nutzer, die schon länger dabei sind, können direkt kommentieren usw.

  19. Ellia sagt:

    Ich kann als Nutzer auch ganz...
    Ich kann als Nutzer auch ganz gut ein wenig warten, bevor mein Kommentar freigeschaltet wird. Ich muss ja nebenher auch noch arbeiten. Dann schaue ich später mal wieder vorbei.

  20. @Ellia Ich denke sogar, dass...
    @Ellia Ich denke sogar, dass das Freischalten durch die Redaktion kein “Aussieben” ist, wie colorcraze es oben beschreibt, sondern auch einen psychologischen Effekt auf die Kommentatoren hat, da diese Wissen, dass ihr Kommentar in jedem Fall gelesen wird. Da gibt sich jeder wohl ein wenig mehr Mühe, achtet auf Rechtschreibung, Wortwahl, Ton.

  21. harnau_ sagt:

    Anstand scheint mir aktueller...
    Anstand scheint mir aktueller denn je. auch wenn das Internet gerade dazu beiträgt, diesen von einem gewissen Bundesminister einzufordern. Eine Verrohung der Sitten findet gerade einmal wieder in der Politik statt. Muss man die Kommentare des Ministers denn freischalten?

  22. @harnau In der...
    @harnau In der Guttenbergdebatte sieht man besonders eindrucksvoll, was Onlinejournalismus bzw. Publikationen von “normalen” Usern leisten können. Das Ausmaß des Plagiats stellt beispielsweise diese Seite sehr anschaulich dar: https://gut.greasingwheels.org/

  23. Ein Hinweis in eigener Sache:...
    Ein Hinweis in eigener Sache: bei dem taz-Kongress im April in Berlin “Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt” gibt es ein Panel zum Thema:
    “Brauchen wir eine neue Ethik für das Netz?” https://www.tazlab.de/programm/events/199.de.html

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