Der Beruf prägt die Sprache und das Denken, weshalb Volkswirte auch im Alltag gerne von Reservationspreisen und Opportunitätskosten sprechen- und dabei illustrieren, daß der Mensch doch nicht völlig irrational ist.
Kleider, so sagt man, machen Leute, und Studiengänge auch. Lehrer halten häufig auch außerhalb der Schule gerne Vorträge, egal für wen, und leidenschaftliche Blogger denken bei jedem Alltagsereignis gleich an die Geschichte, die sie daheim ihrer Leserschaft präsentieren werden. Ärzte haben keine Bäuche, sondern Abdomen und wenn Sie sich über eine Freundin ärgern, ist die Person kein bösartiges Biest sondern ein malignes Miststück.
Besonders gravierend scheint der Effekt jedoch bei Wirtschaftswissenschaftlern zu sein, wo sich das Fachvokabular schleichend aber sicher im Alltag ausbreitet, bis sie irgendwann von ihren Mitmenschen kaum noch verstanden werden. Ein Betriebswirt meiner Bekanntschaft referierte einmal in Länge über seine „unique selling propositions” bei der Partnersuche und verstand beim besten Willen nicht, warum ihn keine der Damen seiner Wahl haben wollte. Im Sprachgebrauch geradezu endemisch geworden sind „win-win Situationen”, „Kickoffs” und „Deals” – allerdings ist das Denken in Fachbegriffen kein Privileg der Betriebswirte, bei Volkswirten hört es sich lediglich klüger an (und ist es manchmal auch, weil mit den Begrifflichkeiten ernsthafte gedankliche Konzepte verbunden sind).
Wäre ich Volkswirtin, ich würde morgens nicht mit meinem inneren Schweinehund darüber diskutieren, ob ich den Bus zur Arbeit nehme oder doch die eigenen Füße bewege, sondern eine rationale Abwägung der Opportunitätskosten [~, die: Alternativkosten, Verzichtskosten, die dadurch entstehen, dass vorhandene Möglichkeiten zur Nutzung von Ressourcen unterblieben sind] vornehmen: wenn ich den nächsten Bus genau rechtzeitig erwische, spare ich Zeit – gebe aber Geld aus. Die Zeit könnte ich alternativ auch zum Lesen nutzen, das Geld wiederum auch für Schuhe oder Wein ausgeben.
Beim Schuhkauf wird ebenfalls sorgfältig abgewogen: sehr teure Schuhe bekommt die Frau von Welt für sehr teures Geld auf der Goethestrasse – oder auch in der Internetauktion. Mit ein bißchen Mühe finden sich dort kaum getragene 300-Euro-Schuhe für 30 Euro, allerdings: mit Suchkosten [~, die: Bestandteil der Transaktionskosten, bemisst die Anstrengung eines Agenten, eine bessere oder die beste Alternative zu identifizieren]. Nur wem es geradezu Freude bereitet, stundenlang Wortkombinationen durchzuprobieren und endlose Paare Schuhe zu sichten, für den lohnt sich die Strategie, denn der Zeiteinsatz ist erheblich. Würde man sich in derselben Zeit entlohnter Arbeit widmen, könnte man vom verdienten Geld auch gleich neue Schuhe erwerben. Andererseits führt der physische Einkaufe auf der Goethestrasse natürlich auch zu Suchkosten, schließlich muß man sich von Laden zu Laden bewegen, anprobieren, auf- und ablaufen, und mit Verkäufern diskutieren. Ein risikoadverses Individuum ist mit internetbasierten Plattformen grundsätzlich nicht gut bedient, denn die Risiken (Größe! Zustand! Ehrlicher Händler!) sind natürlich erheblich. Kann man natürlich auch miteinpreisen, aber dann wird die Auswahl noch enger.
Überhaupt, Preise. Als Volkswirt muß man Entscheidungen überlegt angehen. Wann immer verschiedene Konsumoptionen zur Befriedigung eines Bedürfnisses zur Auswahl stehen, macht sich der Volkswirt Gedanken über den Reservationspreis [~der, aus Sicht des Konsumenten der maximale Preis, den er für ein Gut oder eine Dienstleistung zu zahlen bereit ist]. Das Hotel in guter Lage bildet den Maßstab für alternative Untekünfte, wie zum Beispiel Pensionszimmer oder Schlafsofa bei Freunden. Der Kombipauschalurlaub ist die finanzielle Meßlatte für selbst zusammengestellte Angebote – oder umgekehrt. Hat man jedoch erst mal einen Fixpunkt gefunden, vergleicht es sich leichter und im Zweifelsfall verhandelt es sich auch leichter, weil die Grenzen gesteckt sind.
So umständlich und kompliziert sich diese Konzepte anhören – sie haben ihren Nutzen. Sowohl die Kaufentscheidung von Schuhen als auch die Verhandlungen über berufliche Optionen oder Gehälter lassen sich damit strukturieren. Natürlich braucht man keinen Abschluß in Volkswirtschaftslehre um zu wissen, daß ein neuer Job – so der alte gesichert ist – eine Verbesserung bringen muß, sei es in Aufgaben, Finanzen, Freizeit oder geldwerten Vorteilen. Dennoch hilft es sehr, sich die diversen Risiken und die alternativen Entscheidungsmöglichkeiten vor Augen zu führen. Viele volkswirtschaftliche Konzepte sind am Ende nur Definitionen, die eigentlich ganz selbstverständliche Zusammenhänge beschreiben. Risikoaversion, Preisfindung, Transaktionskosten, Reservationspreis – aber mit ihnen denkt es sich manchmal leichter als ohne. Denn so viel auch allenthalben auf den homo oeconomicus [~, der: Konzept vom rationalen Menschen, der vorwiegend seine eigene Interessen verfolgt] – so irrational wie der Investmentbanker auf seinen Märkten agieren die wenigsten Menschen.
Sogar die Bild-Zeitung weiß, daß Arbeit sich lohnen muß, gehaltsmäßig: sofern nicht die intrinsische Motivation [~, die: Bestreben, etwas um seiner selbst willen zu tun] sehr groß ist, arbeitet der Mensch nur, wenn er mit Arbeit mehr verdient als mit staatlichen Transferleistungen. Für mehr Wert ist man auch bereit, mehr Geld auszugeben, für subjektive Präferenzen ebenfalls, aber alles innerhalb bestimmter Grenzen. In Zeiten großer Unsicherheit zum Beispiel ist die Option „null Zins, null Risiko” durchaus attraktiv, was der Schweiz zu ungeahnten Geldzuflüssen verhilft, aber am Ende ist dieses Verhalten eben keineswegs völlig irrational, sondern unter den gegebenen Umständen höchst rational angesichts der Tatsache, daß in vielen anderen Länder potentiell der Vermögenstotalverlust droht.
Die Umstände und die vielschichtigen Entscheidungen von Menschen sind keineswegs völlig irrational, allerdings ist Rationalität in der Realität kompliziert. Entscheidungen orientieren sich nicht nur am finanziellen oder wenigstens quantitativ meßbarem Nutzen, sondern an vielen anderen Kriterien, die schwer zu greifen und noch schwerer zu modellieren sind – darunter auch Faktoren wie Gemeinwohl, Hilfsbereitschaft, oder Narzissmus oder Verantwortung (oder deren Vermeidung). Das aber läßt sich kaum messen, kaum modellieren und sieht schnell irrational aus, ohne es wirklich zu sein. In Ermangelung besserer und gleichermaßen handhabbarer Konzepte ist der rationale Mensch immer noch ein guter Ansatz – und die daraus abgeleiteten Begriffe und Theorien gar nicht so dumm und nachgerade alltagstauglich. Der Mensch ist keine Maschine und kein Computer, aber völlig irrational ist er – im statistischen Durchschnitt zumindest – auch nicht. Tausende Kaufentscheidungen im Internet illustrieren täglich, daß manche Menschen Suchkosten in Kauf nehmen, während andere lieber Geld ausgeben und Zeit sparen, zeigen, daß die meisten Bieter bei Auktionen erst auf die letzte Minute ihre Maximalgebot abgeben, und daß ähnliche Produkte sehr wohl verglichen werden. Die wenigen Idioten, die schon Tage vor Auktionsende den Preis in die Höhe treiben, oder keine Vergleichsseiten nutzen sind Ausnahmen – und bestätigen die Regel.
Sophia,
sie wollen uns...
Sophia,
sie wollen uns hoffentlich nicht die Wirtschaftswissenschaften als rational verkaufen. Allein schon das Wort Wirtschaftswissenschaften scheint mir immer reichlich widersprüchlich.
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Zu Ihren Beispielen: mit dem Bus zur Arbeit: Da müsste man natürlich auch den Mangel an körperlicher Bewegung mit berücksichtigen – wenn man das nach der Arbeit durch Sport kompensiert kostet das Zeit und ggf. auch Geld. Wenn man es nicht kompensiert ist man weniger fit, eventuell öfter krank, stirbt früher… Oder: Sie treffen im Bus ihre Liebe des Lebens, was ihnen entgangen wäre, wenn Sie zu Fuß gegangen wären (nichts für ungut, falls Sie die schon getroffen haben oder überzeugter Single sind).
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Suchkosten bei der Recherche im Netz: Was zum Beispiel unberücksichtigt bleibt ist der Lerneffekt und Erfahrungsgewinn bei der Suche. Einmal erfolgreich nach Schuhen gesucht und die nächste Suche nach einer Handtasche geht viel schneller.
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Kurz: Wirtschaftswissenschaften sind meines Erachtens weitgehend Cargo-Kult – man imitiert ein bisschen wissenschaftliche Methode, stellt dieses Vorgehen aber nicht wirktlich nach wissenschaftlichen Kriterien in Frage. Im Grunde genommen hat das Ganze eher den Charakter einer Religion. Entsprechend könnte man auch sagen, dass die Menschen wirtschaftlich nicht rational sondern religiös handeln. Und das Wesen der Marktwirtschaft ist halt, dass sie ein weitgehend geschlossenes System darstellt, innerhalb dessen religiös richtiges Verhalten auch rational ist.
Cher Sophia, der Mensch kann...
Cher Sophia, der Mensch kann nicht völlig irrational sein, sonst hätte die Menschheit nicht bis heute überlebt. D´accord. Allerdings beschränkt sich diese spezifische Art der Rationalität auf das eigene Überleben und das der eigenen Familie im jetzt. Ansonsten kann der Mensch nicht nur furchtbar irrational sein, er ist es, täglich beobachtbar. Vom Alltagsrassismus über die Partnerwahl hin zu langfristigen Vorsorgestrategien und Risikobewertung, alle Indikatoren weisen den mensch als eher instinkt- denn vernunftgesteuert aus. Nicht umsonst wissen alle guten Politiker, dass sie die Emotionen der Menschen ansprechen müssen, um etwas zu erreichen – und nicht etwa die Vernunft.
Und Sie sprachen bei den “rationalen”, aber schwer modellierbaren, Faktoren wohl bewusst nur die an, die im weiteren Sinne vom Standpunkt des “Ich” aus durchaus rational sein können. Und nicht die, die von jedem Standpunkt aus irrational sind – von der kurzfristigen Wohlfühlmaximierung auf Kosten der Zukunft über die Vorurteilsbestätigung bis hin zur Verantwortungsabwehr. Nach meiner Beobachtung (auch von mir selbst) sind aber die irrationalen Entscheidungsfaktoren in mehr als der Hälfte der Fälle die ausschlaggebenenden. Nicht umsonst sprachen und sprechen die Alltagsverführer und Charismatiker aller Zeiten Gefühle und Hoffnungen an, nicht Vernunft und Urteilsvermögen. Das hat sich bis heute, ob wir das gerne hören oder nicht, kaum geändert. Kants Moralmaxime “Handle jederzeit so, dass die Grundsätze deines Handelns allgemeines Gesetz werden können” ist die einzige mir bekannte moralische handlungsanleitung, die ohne Rückgriff auf moralische Axiome philosophischer oder religiöser Systeme auskommt. Gleichzeitig aber die im Alltag am häufigsten verletzte, die moralischen Grenzen religiöser Anweisungen werden von den Gläubigen der Religion viel besser beachtet.
Nein, wir sind nicht rational. Umso weniger, je mehr es um langfristige Folgen von Entscheidungen ohne direkte und unmittelbar fühbare individuelle Vorteile geht. Aber das ist wohl die Wahrheit über uns selbst, die wir am wenigsten akzeptieren können :-).
Gruss,
Thorsten Haupts
Beeindruckend: x Semester...
Beeindruckend: x Semester Volkswirtschaft und Psychologie kondensiert auf eine Seite. Danke!
Der Mensch tickt überhaupt...
Der Mensch tickt überhaupt nicht rational. Nie, nirgends.
Er untermauert lediglich seine emotionalen Entscheidungen nachträglich mit Rationalität.
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Tut mir wirklich leid für das Zeitalter der Aufklärung, welches nie recht in die Schwünge gekommen ist … Tut mir auch leid für die Freunde der doch so sachlichen Zahlenwelt.
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BMW hat das wie viele andere Werbetreibende längst erkannt. Der Kauf eines Autos ist – im Unterschied zum Kauf eines schnelldrehenden Konsumguts wie Toilettenpapier – eine hoch-emotionale Entscheidung des Menschen, Männlein, Weiblein, egal. Eien emotionale Entscheidung, welche nachträglich, zuhause und sich selbst gegenüber, mit dem tollen niedrigen Preis, oder tollem Getriebe [anderes passendes Tolles bitte wahlweise einsetzen) gerechtfertigt wird.
Rationalität ist fast immer nachträgliche Rechtfertigungskunst. Wie die MaFo weiß.
Daher kommt es, dass gerade emotionale Autokäufer mit Inbrunst behaupten, sie hätten 100% rational beim Kauf entschieden. Ja, schon – aber erst hinterher. Nicht beim Kauf.
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“„…unique selling propositions” bei der Partnersuche…”
Ha! Lustig. Das kann nur einem BMW-ler passieren. Oder doch nicht? Nein, passiert auch anderen, kommerzialisiert zu denken, Kommerz & Werbungsleitsätze in den privaten Alltag hieningebracht zu haben. Wo sie überhaupt nichts zu suchen haben. “Unique selling propositions” heißt auch einfach nur “einzigartige Verkaufsversprechen”, nicht unbedingt “echte Alleinstellung(en)”. Das wird oft verwechselt. Und wo bitte gibt es in der Partnerschaft einen Selbst-Verkauf? Oder sind wir wieder soweit, unseren “Wert” als Mensch auf dem Ehe- oder Sex-“Markt” mit körperlichem feature fucking (toller Hintern, aber leider Haare auf dem Rücken ….) , oder steinzeitlicher noch: wieder in Kühen oder Kamelen aufzuwiegen?
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Und die (Volks-)Wirtschaft. Und die Börse, ach je.
Börse ist hochpsychologisch. Wer glaubt, dass da Dinge nur aus Ratio passieren, dem ist nicht mehr zu helfen.
Worte wie “Angstverkäufe” oder “Panikverkäufe” oder “Phantasie” verraten das bereits ganz gut. Typische Dumm-Symbolbilder der Presse: 1. entweder jubelnde Börsianer, die Hände hochgereckt oder 2. niedergedrückte Börsianer, die depressiv vor ihren Monitoren die Hände über den Kopf zusammenschlagen. Emotion pur. (Dumm- deshalb, weil in jede dummen Vereinfachung auch Wahrheit steckt.)
Selbst Charttechniker agieren letzten Endes emotionsgesteuert.
Ich behaupte, dass die meisten...
Ich behaupte, dass die meisten Entscheidunhen zunächst mit dem vielzitierten Bauch vorbereitet werden. Die Intuition, weiche Faktoren jeglicher Ausprägung geben den Anschubser. Je nach Unsicherheit über diese Erstentscheidung und Risiko fällt dem Bauch die Ratio ins Wort und verifiziert diese. Die Synthese beider Faktoren ergibt dann eine Entscheidung oder eben gar keine.
Chris, die...
Chris, die nicht-Wissenschaftlichkeit der WiWis bestreite ich. Wenn nur naturwissenschaftlicher, experimenteller Erkenntnisgewinn wäre – was wäre dann mit Literaturwissenschaft, Musikwissenschaft, Psychowissenschaft? Auch Wirtschaftswissenschaftler kommen zu neuen Erkenntnissen, mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen. Die Mathematisierung als alleiniges Heilmittel sehe ich kritisch – eben weil ich an die Leistungen auch qualitativer Forschung glaube.
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ThorHa, Kant hatten wir ja schon, Moralität auch, und die Grenzen der Rationalität sehe ich selbst. Kollektiv vs. individuell – ein riesiges Feld, das hier irgendwann sicher auch mal kommen wird. Und dennoch: Irrationalität als Grundmaßstab führt zu noch weniger Denkfortschritten, dann lieber Rationalität als Leitlinie, damit kommt man (pragmatisch gesehen) weiter. Und die vielen neuen Ansätze, behavioural finance, begrenzte Rationalität ergänzen das sehr sinnvoll.
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Multibedenkenträgerbeauftragter, weder noch. Nicht so richtig, jedenfalls, aber umso mehr freut mich das Kompliment!
Vroni, das kommt drauf an, wie...
Vroni, das kommt drauf an, wie man Rationalität fasst. Der Nutzen eines BMW ist sicher für viele ein Wert, zusätzlich zur Transportfunktion – das ist aber nicht irrational, es ist nur eine sehr komplizierte Nutzenfunktion. Börse hingegen, da ist tatsächlich vieles irrational, dem würde ich zustimmen.
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Raoul, und wieder Vroni: natürlich entscheiden wir manchmal mit dem Bauch, manchmal mit dem Kopf, und manchmal mit beidem. Angesichts der prinzipiellen Unsicherheit von Entscheidungen ist aber der Bauch doch auch wieder – rational, denn wenn die Ergebnisse von Verstandsentscheidungen falsch sein können, ist Gefühl auch nicht schlechter als schlechter Verstand, oder?
Liebe Sophia, das was ich...
Liebe Sophia, das was ich sagte, sagt BMWs Marketingabteilung selbst:
Der emotionale Grund ist Selbstaufwertung = mehr Prestige für einen selbst durch das Auto.
Der sich selbst nachträglich gelieferte rationale Grund: die “überlegene Technik”. (Überhaupt nicht die komplexe Transportfunktion, die wird vom Konsumenten und Hersteller gleichermaßen als Basic vorausgesetzt, sonst wäre es kein Auto-mobil, sondern ein -stabil).
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So kompliziert ist das nicht.
Die Reihenfolge im emotionalen Marketing:
Dem Konsumenten und potenziellen Autokäufer wird mittels emotionaler Werbung das Auto als Prestige-Objekt premium-mäßig begehrlich gemacht. Damit das Begehren dem Konsumenten selbst nicht als kreuzdämlich und gänzlich idiotisch auf puren überflüssigen Luxus versessen vorkommt, wird vom Hersteller als 2. Kaufunterstützung das reason why nachgeliefert: die überlegene Technik, der schnelle Motor, das sichere Fahren! Kannste wirklich echt kaufen, kein Fehler, sondern Zeichen deiner rationalen Kennerschaft!
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So setzt der Hersteller ganz nebenbei noch relativ hohe Preise durch. Allein durch das Proklamieren von reinen Technik-Features wie “schneller Motor” und “sicheres Fahren” niemals möglich.
Alles knallharte Psychologie diese Reihenfoge “erst Emotion, dann Rationalisierung”. Apple macht das genauso.
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Widerspruch 1:
Nicht manchmal Bauch, manchmal Kopf zuerst, es ist nicht gleichberechtigt fifty fifty. Man geht unbewusst immer zuerst nach dem Bauch. Es geht halt blitzschnell, daher merkt man es nicht. Gerade im Geschäft, bei Auftraggebern gibt es diesen unabdingbaren Anfangs-Instinkt. Alles andere (das Konditionen-Blah) folgt nur. Die Chinesen machten daraus ein rabiates Ritual: Zuerst wird ordentlich einer zusammen draufgemacht, erst am nächsten Tag gibt es die Verhandlungen. Gar nicht so unblöd. (Wenn nicht der verdammte Kater wäre, den Trinkungewohnte am Morgen danach haben).
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Beispiel 2:
Selbst wenn man z. B. ganz sachlich eine Kamara kaufen will und zuerst sich über Funktionen im Internet schlau macht. Man nimmt unbewusst darunter todsicher eine Marke, über die man vorher, vor der Feature-Recherche, schon Gutes gehört hat. Ohne genau festmachen zu können, was denn das Gute sei. Das ist einfach der “gute Name”. Auf den zu hören, ist 100% emotional. Und: Der “Gute Name” war einem vorher schon bekannt. Auch wieder nur Markenpsychologie. Wir aber glauben, wir hätten die Kamera zuerst nur wegen der Features gekauft. Leider war der emotionale Entscheid vor der Recherche in uns: das Branding.
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Widerspruch 2:
Der Bauch ist auch leider nicht rational. Dass der emotionale Alarmknopf uns oft zu Recht warnt, heißt noch lange nicht, dass er rational ist.
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Widerspruch3:
Ir-rational ist der Bauch aber auch nicht.
Termini: Wir dürfen “emotional” und “irrational” nicht als Synonyma verwenden, es ist ein verschieden Ding. Wo kommt sonst der Begriff emotionale Intelligenz/Klugheit her. Emotional intelligent ist der, der begreift, dass wir rein emotional gesteuerte Wesen sind. Und uns nicht einmal für oder gegen Atomkraft, für oder gegen Guttenberg entscheiden können, indem wir unsere Ratio zuerst einschalten. Es sind immer zuerst Ängste oder Antipathien, die uns dazu bringen, rational eine Gegnerschaft zu untermauern. Immer.
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Dazu auch “Rationalisierungen” in der Psychologie: https://de.wikipedia.org/wiki/Rationalisierung_%28Psychologie%29
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Lustigerweise gibt es auch in der Ökonmie den Begriff “Rationalisierung”.
(Zum Beispiel “wegrationalisieren”).
Sophia, vielleicht habe ich...
Sophia, vielleicht habe ich das nicht richtig ausgerdrückt – natürlich kann man sich sehr wohl mit Wirtschaft wissenschaftlich auseinandersetzen. Ich denke nur, dass die wirtschaftswissenschaftliche Praxis hier arge Defizite ausweist da dogmatische Vorstellungen oft nicht hinterfragt werden. Literaturwissenschaften hingegen halte ich – zumindest so weit ich das beurteilen kann – für ein weitverbreitet durchaus solide bearbeitetes Gebiet, wo durchaus auch einander widersprechende Theorien und Ansichten zu grundsätzlichen Fragen des Faches sachlich und unvoreingenommen diskutiert werden.
Vroni, ja und nein. Natürlich...
Vroni, ja und nein. Natürlich beeinflusst das Image manche Kaufentscheidung – aber das macht sie noch nicht völlig irrational. Und vor allem ist die Rationalität immer noch mit der beste und greifbarste Grund, der sich verallgemeinern läßt und damit nützlich in Modellen und für Vorhersagen einsetzen läßt.
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Chris, auch in den WiWis wird doch diskutiert und argumentiert und – so gut das eben geht – mit für und wider Indizienbeweisen gearbeitet.
Nochmals liebe...
Nochmals liebe Sophia,
Kaufentscheidungen sind emotional, nicht ir-rational.
“Irrational”, das bedeutet: völlig verrückt, in keinem Verhältnis. Und hat nichts mit “emotional” zu tun.
Hier wird ständig mit den falschen Termini um sich geworfen. Als Mathematik-Bloggende sollte man sich schon um die richtigen Bezeichnungen bemühen.
Peter Maier steht für den...
Peter Maier steht für den jungen Mann Anfang der Dreißig in fester Beziehung, der seinen ersten Job und nahezu noch sein ganzes Leben vor sich hat. Dr. Marie Küster verkörpert die teilzeitarbeitende Frau in einem klassischen Doppelverdienerhaushalt mit zwei Kindern. Konrad Gerstenberg repräsentiert den Mann Anfang Sechzig, der in gesicherten Verhältnissen lebt und sich mit dem allmählich näherrückenden Ruhestand befasst. In den kommenden Wochen werden Sie immer donnerstags in der F.A.Z. weitere “Mustermenschen” antreffen. Für die F.A.Z. ist dieser sehr personalisierte Ansatz zwar nicht neu, wie die seit rund zehn Jahren laufende wöchentliche Kolumne Volker Loomans zeigt, aber auch nicht selbstverständlich. Die bisherigen Reaktionen sind sehr erfreulich.
Das Thema “Finanzplanung” ist für viele Menschen deshalb wichtig, weil seine Notwendigkeit durchaus erkannt wird, es aber an Kenntnissen im Umgang mit Geld fehlt. Daraus folgen zum Teil haarsträubende Fehlentscheidungen, die mit einem Grundbestand an Kenntnissen vermieden werden könnten, und die über die viele Menschen nicht reden wollen, weil ihnen der persönliche Reinfall allzu peinlich erscheint.
Liebe Vroni, vielleicht reden...
Liebe Vroni, vielleicht reden wir aneinander vorbei, aber ich behaupt, daß zumindest viele Kaufentscheidungen auch teilrational sind. Natürlich gibt es Produkte, wo ich nach einigem Überlegen sage: “Egal, haben will!” Aber auch Momente, wo mein Bauch etwas gerne hätte und der Verstand sagt: das muß nicht sein, es ist zu teuer, ich bekomme woanders was Besseres. Wenn das nicht rational ist – was dann? Auch der Vergleich verschiedener Automodelle, verschiedener Fabrikate (es fahren schließlich nicht alle ihr Leben lang dieselbe Marke) – das ist alles zumindest teilrational.
Das ist das eine. Das andere ist die Eignung von Konzepten für Verwendung in der Wissenschaft, und da bietet sich Rationalität eben besser an als Emotionalität, auch wenn in dem Bereich auch große Fortschritte gemacht wurden.
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HansMeier555, Ihr Absatz 1: Verstehe ich nicht. Ihr Absatz 2: Stimme zu. Aber was hat das mit dem Beitrag zu tun? Bitte um Erleuchtung…
Liebe Sophia,
Fragen Sie mich...
Liebe Sophia,
Fragen Sie mich wirklich, was irrationale Entscheidungen im Alltag mit diesem Beitrag zu tun haben? Anderswo hat man das Problem in seiner ganzen Schärfe erkannt.
Ich darf zitieren:
“Für alle Altergsgruppen unter den Erwachsenen gilt:
1. Viele Menschen haben keine richtige Vorstellung von ihren Ausgaben. Das führt zu permanent überzogenen Girokonten, die den Banken und Sparkassen hohe Einnahmen bescheren, aber sonst niemandem nutzen. Um die eigenen Ausgaben besser überprüfen zu können, ist die Führung eines Haushaltsbuches wichtig, auch wenn das für komplett altmodisch gilt. Und wenn die innere Kraft nicht ausreicht, um sich die notwendige Ausgabendisziplin zuzulegen, hilft nur noch ein radikales Mittel: Man muss seine Kreditkarte entsorgen.
2. Viele Menschen neigen im Umgang mit Geld völlig unbegründet zu Selbstgefälligkeit und Arroganz. Das gilt, wie Untersuchungen belegen, vor allem für Männer, die zum Beispiel anfällig sind für vermeintliche Gewinnraketen unter den zahllosen exotischen Minenaktien. Umgekehrt sollten die Menschen im Umgang mit ihrem Finanzberater aber auch nicht ihr gesamtes Selbstbewusstsein an der Gardeobe abgeben und sich alle Produkte aufdrücken lassen, die der Berater empfiehlt.”
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https://faz-community.faz.net/blogs/fazit/archive/2011/11/24/aus-der-werkstatt-1-wann-man-seine-kreditkarte-wegwerfen-sollte.aspx
<p>Werter HansMeier555, ich...
Werter HansMeier555, ich habe keinen kompletten Überblick über sämtliche Texte, die bei FAZ online stehen, und die Verbindung der von Ihnen kopierten Absätze zu meinem Beitrag war jetzt nicht direkt augenfällig – finde ich. Daß Frauen bei Anlageentscheidungen rationaler und tendenziell eher risikoavers sind (im Durchschnitt), ist ja nun auch keine Neuigkeit mehr. Wenn allerdings die zitierten Sätze korrekt wären, bräuchten wir alle permanent einen Schuldnerberater – es kann also insgesamt so schlimm nicht sein. Wobei ich zustimme: zuviele Menschen befassen sich zuwenig mit Finanzen und grundlegender Vorsorge.
Mir fallen spontan zwei...
Mir fallen spontan zwei Anreicherungen ein.
1) Das Feld der “Behavioral Economics”, Ökonomie aus dem Betrachtungswinkel der Verhaltenswissenschaften. Hier geht es um die Fragestellungen, wie das Stellen der Frage (und der Kontext etc…) die Entscheidungen beeinflussen iSv sie in Richtung der Irrationalität schieben. Ein möglicher Erklärungsansatz sind die Themen zur Evolutionspsychologie. Die findet nämlich eine andere (und durchaus plausible) Antwort auf die Frage, warum einen BMW kauft… Nämlich nicht einfach wegen des (wie auch immer gearteten) Image-Gewinns, sondern weil der Kauf mit bestimmte Persönlichkeitsmerkmalen in Übereinklang steht.
2) Die Entscheidungen der Individuen finden immer unter Unschärfe und Unsicherheit statt. Rational kann eine Entscheidung nur dann sein, wenn die Einflussgrößen erkannt und verstanden sind. Andernfalls geht es eben nicht. Dies betrifft besonders den Teil der Geldanlage: Endkunden haben schlicht überhaupt keine Möglichkeit eine Anlage auf Ihr Risiko hin zu prüfen… (Denn dei Wahrheit steht eben nicht in der Pressemitteilung…)
Wunderbarer Lesestoff:
Evolutionspsychologie bei Geoffrey Miller “Darwin going to the Mall”, Titel der ersten Ausgabe: “Spent… Sex Evolution and Consumer Behavior”
Verhaltensökonomie: “Predictably Irrational” von Dan Ariely sowie “Nudge” von Thaler & Sunstein.
@Vroni:
Irrational bedeutet...
@Vroni:
Irrational bedeutet mitnichten “verrückt”. Sondern in der besten deutschen Näherung schlicht “nicht vernünftig” oder “nicht verstandesmässig”. Weshalb emotional bestimmte Entscheidungen natürlich erst einmal irrational sind. Und nicht zwangsläufig verrückt. Irrational heisst “ohne Einschaltung oder Berücksichtigung des Verstandes”, verrückt heisst “gegen jede Vernunft”.
Gruss,
Thorsten Haupts
<p>Gesschätzter Boooster,...
Gesschätzter Boooster, Behavioural == sehr spannend, aber auch schwierig. Ich kenne mich da nicht gut aus, aber als Arbeitspferd der VWL taugt es eben (noch) nicht – eher als bereichernde Ergänzung. Konzepte zur begrenzten Rationalität helfen da auch – aber sind eben nur schwer modellierbar, bzw. in Annahmen umzusetzen. Und dann bleibt eben nur die leidige Rationalität, trotz aller Defizite.
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Lieber ThorHa, danke, damit machen Sie es mir leichter, denn ich glaube immer noch, daß die meisten Entscheidungen eine Mischung aus Verstand und Bauch sind, und damit eben doch semi-rational.
Wir bewegen uns hier in einem...
Wir bewegen uns hier in einem Gebiet, in dem man eigentlich erst einmal eine angemessene Begriffsklärung bzw. -definitionen festlegen sollte…
Englisch wird z.B. “science” anders gesehen als “Wissenschaft” hier. Wie (vermutlich) Chris sage ich aber mittlerweile lieber “Ökonomen” als “Wirtschaftswissenschaftler”; es gibt bekanntermaßen in allen Wissenschaftsbereichen Gründliche und Schlampige (von den Fälschern nicht zu reden) – aber sich derart nonchalant über jegliche Empirie hinwegzusetzen, wie das viele Ökonomen schaffen, das ist schon etwas Besonderes.
Da wird regelmäßig locker vom Vorhandensein und der theoretischen Erfaßbarkeit *eines* funktionierenden Marktes mit rationalen Teilnehmern (e-Bucht ist hier vielleicht gar nicht so schlecht) extrapoliert, daß ALLE Märkte rational funktionieren. Dito für Risikomeßverfahren: “kennst Du eines, kennst Du alle”.
Wenn die Grundannahmen so kraß verletzt sind, daß es selbst die BWL-Erstsemester merken, erfindet man ein paar “add-on’s”, statt sich die Mühe zu machen, das Modell grundsätzlich auseinanderzunehmen (wie es in der “science” üblich wäre).
Die oben erwähnten “Charttechniker” sind übrigens ein hübsches Beispiel für ein Paradox: der Name ist technisch, die Grafiken und die Erklärungen auch – aber daß z.B. der DAX bei 5000 eine Barriere bilden soll, läßt sich (wenn überhaupt) nur ausschließlich psychologisch “erklären”.
astroklaus, ich sehe die...
astroklaus, ich sehe die Wirtschaftswissenschaften ja wie schon bemerkt ähnlich kritisch – das ist hier aber natürlich nur Randthema. Allerdings sollten wir uns bei der Diskussion wie auch von Vroni angeregt über die Begrifflichkeiten klar werden. So weit ich das sehe verstehen die Ökonomen unter rational immer subjektiv-rational aus der momentanen Perspektive des Marktteilnehmers. In Anbetracht der weiten Verbreitung von ‘Kopf in den Sand stecken’ unter den Menschen wird dadurch die Einordnung rational vs. nicht rational recht problematisch – hängt sie doch nicht nur von der subjektiven Perspektive sondern quasi rekursiv von der Rationalität des Verhaltens im Vorfeld der Entscheidung ab.
@Sophia:
Das ist eine Frage...
@Sophia:
Das ist eine Frage der Reichweite des “rational”. Bezieht man es auf die Einzelentscheidung? Auf das Individuum als ganzes? Wenn letzteres, dann unter welchem Aspekt? Kurzfristige Wohlfühlmaximierung? Langfristige Daseinsvorsorge? Optimaler Resourceneinsatz bei als gegeben gesetzten Präferenzen?
Solange man die Einzelentscheidung betrachtet, ist sehr einfach zu unterscheiden zwischen “rationalen” und “irrationalen” Entscheidungen, da man inzwischen auch die neuronalen Entsprechungen (halbwegs genau) messen kann. Verlässt man diese Ebene, wird es beliebig schwierig.
Ceterum censeo bleibe ich trotzdem dabei, dass der Mensch häufiger irrational als rational handelt :-).
Gruss,
Thorsten Haupts
Ihre Verteidigung der...
Ihre Verteidigung der Rationalität geht, wie so oft sowohl in Partikulardiskursen (e.g. in der VWL) oder in der allgemeinen Wahrnehmung am Kern völlig vorbei – wie man auch an diversen Kommentaren hier schön sieht. Sie ignorieren hierbei, dass bewusstes Entscheiden, erstmal egal ob rational, nicht rational oder irrational so circa 1/10 (denken Sie an einen Eisberg) unserer cerebralen Informationsprozesse ausmacht – 9/10 sind vorbewusst. D.h. je nach Publikation determiniert unser Vorbewusstsein zwischen 500ms und bis zu 10s ((s. Soon, Brass et al (2008), “Unconscious Determinants of Free Decisions in the Human Brain, in: Nature – Neuroscience 11(5):534-545)) VOR der vermeindlich (rationalen, irrationalen, whatever) bewussten Entscheidung was passieren wird. Ich empfehle als Lektüre hierzu Benjamin Llibet’s “Mind Time”, oder, kürzer, Frith (2008) “No One uses Reason”, in: New Scientist, July 26, 2008, p.45, sowie den Urtext hierzu, Kornhuber und Deecke (1964) “Hirnpotentialänderungen beim Menschen vor und nach Willkürbewegungen mit Magnetbandspeicherung und Rückwärtsanalyse.” Zudem treten bei den rational-basierten Modelldarstellungen sowie empirischer Verifizierung nachweislich “violations” des rationalen “sure thing prinicples” auf. Kahneman, Tversky, Thaler und andere haben das gezeigt – können allerdings nur bedingt eine Erklärung liefern (im Grunde können die Behavioral Economists keine Erklärung liefern, sondern versteigen sich in Moralischem, Ethischem oder Heuristischem). Modellierbare Abhilfe schaffen hier z.B. Pothos and Busemeyer (2009) “A quantum probability explanation for violations of the Rational Decision Theory, in: Proceedings of the Royal Society B 275:2171-2178 oder auch Eisert and Wilkens (2000) “Quantum Games”, in: Journal of Modern Optics 47:2543-2556 (was den hier angerissenen Quantum-Hintergrund in komplexen Organismen betrifft empfiehlt sich Valdko Vedral (2011), “Living in a Quantum World, Scientific American 304(6): 22-25 oder auch Engel, Calhoun et al (2007) “Evidence for wavelike Energy Transfer through Quantum Coherence in photosynthetic Systems,” in: Nature 446(7173): 782-786). In diesen Zusammenhang können Sie die hier im Forum erwähnte Behavioral Economics ruhig ungelesen lassen – da verpassen Sie nicht viel.
Haha. Das ist ein toller...
Haha. Das ist ein toller Artikel. Dass sich bei Volkswirten hinter Fremdwörtern bisweilen Gedankenkonstrukte verbergen, ist in der Tat manchmal nicht allen bewusst. So zum Beispiel Nixon, der einmal sagte, die Rate, mit der die Inflation wachse, gehe bereits zurück. Worauf man ihm attestierte, der erste Politiker zu sein, der mit einer dritten Ableitung Wahlkampf führe. Der Kommilitone, der mir am Studienende wohlmeinend versicherte, ein Volkswirt fände sicher was Repräsentatives als Job, wollte damit eigentlich auch nur sagen, dass er den Gebrauch von Fremdwörtern eher als Posing-Instrument betrachtete. Nun ja, er war BWLer. ;) Übrigens sind Volkswirte keinesfalls an ein System gebunden, denn immerhin gründet die bedeutendste Arbeitswerttheorie auf einen Nationalökonomen Namens Marx und ist ein wichtiger Baustein der Idee des Sozialismus. Ach so. Und VWLer haben unbedingt die coolsten Fremdwörter. Sage ich und lege selbstgefällig meine Isoquanten hoch!
Kurzer Nachtrag zur empirisch...
Kurzer Nachtrag zur empirisch Nachgewiesenen Fehlerhaftigkeit des Rational Choice Ansatzes ((wie bereits in meinem anderen Beitrag erwähnt haben z.B. die Behavioral Economists keine modelierbare Alternative zu bieten, sondern lassen einen lediglich irrationalen (i.e. boundedly rational), individuellen Agenten seine Präferenzen in einem Equlibrium Ansatz maximieren)), da kann man Tversky and Kahneman (1983) “Judgement under Uncertainty: Heuristics and Biases,” in: Science 118:1124-1131 lesen. Hier sind aber offensichtlich Heuristics and Biases nur Pseudo-Erklärungen. Von einer Anthropologischen Perspektive empfiehlt sich zur Illusion des rational-egoistischen homo oeconomicus: Henrich, Boyd, et al (2005), “Economic Man in Cross-Cultural Perspective: Behavioral Experiments in 15 Small Scale Societies”, in: Behavioral and Brain Sciences 28(6): 795-815. Und zum Egoismus Aspekt des homo economics empfiehlt sich Warneken (2006), “The Origins of Helping and Cooperation.” PhD Thesis available here: https://email.eva.mpg.de/~warneken/publications.htm (Felix Warneken ist ein Schüler des in der FAZ bereits besprochenen Michael Tomasello, Max Planck Ges. für Evolutionary Anthropology.
@Thorsten:
Da braucht man die...
@Thorsten:
Da braucht man die Ebene der Einzelentscheidungen gar nicht verlassen. Der Mensch neigt dazu, die ihm gegebenen Informationen in relativ kurzer Zeit zu bewerten und einzuordnen. Dies geschieht in den seltensten Fällen vollkommen rational.
Natürlich wird jeder nur seinen eigenen Nutzen maximieren wollen, aber die niemand ist sich aller Implikationen seiner Entscheidung bewusst. Hier sei nur beispielhaft das Allais-Paradoxon genannt, das zeigt, dass die wenigsten Menschen Alternativen von Entscheidungen korrekt einordnen können. (Allais war übrigens Ingenieur und Wirtschaftswissenschaftler in einem, was sagt man dazu…)
Auch der eigene Nutzen darf hier nicht eng definiert werden. Dies ist das zweite Problem der Empirie. Niemand hat genaue Informationen über seine individuelle Nutzenfunktion. Es mag durchaus Menschen geben (wahrscheinlich sogar die große Masse), die Nutzen daraus zieht, anderen zu helfen (in welcher Weise auch immer) – und sei es nur die eigene Reputation. Selbst Mutter Theresa hat sehr wahrscheinlich ein Glücksgefühl empfunden, wenn sie anderen half – für sie war dies Nutzen.
Wie soll man nun unter Laborbedingungen die irrationalen Entscheidungen trennen von solchen, die aus unbekannten oder unterbewussten Erwägungen getroffen werden?
Ich würde einmal vermuten, dass – wäre dies möglich – sehr viel mehr Entscheidungen rational zu erklären sind, als wir uns alle vorstellen können.
Bezüglich der WIrtschaftswissenschaften kann ich nur sagen, dass man eine Wissenschaft nicht definieren sollte über die Möglichkeit, Ergebnisse als richtig oder falsch abzuzeichnen. Wie schon erwähnt müsste man sonst sämtliche sozialen Institute gleich mit den Sprachwissenschaftlern und und und aus den Universitäten verbannen.
Insbesondere die Wiwis zeichnen sich durch eine riesige Schnittmenge mit anderen Bereichen der Wissenschaft aus. Infolgedessen bestimmen auch eine Vielzahl verschiedener Ansichten das Geschäft.
Naturgemäß mag es Wissenschaftler geben, die hier ihre Motive mit unlauteren Mitteln voran treiben wollen, aber man sollte dies nicht verallgemeinern. Meinem Empfinden nach wird in den Wiwi genauso gut (oder schlecht) gearbeitet, wie in anderen Bereichen auch – lediglich die Wirklichkeit lässt sich auf diesem Gebiet kaum so klar fassen, wie zB in den Ingenieurswissenschaften. Überspitzt gesagt: Stimmt hier eine Berechnung nicht, kippt das Haus halt um. So einfach ist es leider nicht in allen Wissenschaften.
@Klaus: Der perfekte Markt ist ein Modell, nicht mehr und nicht weniger. Versuche unter Laborbedingungen zeigen, dass es sogar ein ziemlich gutes Modell ist (vgl. u.a. Chamberlin, Smith), aber es ist halt auch nur ein Modell – und das sollte jedem bewusst sein, der sich damit beschäftigt.
Die Charttechniker sind außerdem gemeinhin als die Glaskugelleser der Finanzwissenschaft bekannt.
Der letzte Nachtrag für...
Der letzte Nachtrag für heute: die Kernproblematik des Rationalitätsansatzes ist, dass er emprisch widerlegt ist (s.o.) und dass er auf einer individualistischen Substanzontologie beruht, die den handelnden Agenten als atomistisches, sich nicht entwicklendes, grossenteils rationales sowie evolutionär allein egoistisches Individuum definiert – und dies auf der Basis des klassischen Mechanik. Diese Grundannahmen sind nicht nur nachweislich alle falsch (die qunatenmechanische Basis ist momentan noch eine teilspekulative Aussnahme, s. Quantum-Photosynthese – eine kleine Auswahl der Literatur habe ich den anderen Beiträgen erwähnt, bei Interesse gerne eine umfassende Bibliographie), sondern lassen zudem einen sehr wichtigen Aspekt völlig aussen vor, nämlich den der Schaffung von Neuheit (i.e. novelty creation). Die Schaffung von Neuem (i.e. Innovation), ein fundamentaler Aspekt der modernen “Knowledge Economy,” kann mit dem Rationalitätsansatz nicht erklärt werden – nicht nur das, diese Problematik wird völlig ignoriert (auch und gerade von den vermeindlichen Alternativansätzen der Behavioral Economics). Will sagen, wenn man sich auf Rationalität vs. Irrationalität kapriziert, führt man eine Diskussion die in alle wesentlichen Stossrichtungen (e.g.(Kauf-)Entscheidungen bei Menschen, neurowissenschaftliches Abbild der cerebralen Informationsprozesse, etc.) irreführend ist.
Ich fürchte, dass die...
Ich fürchte, dass die nicht-Volkswirte in diesem Thread einigen fatalen Fehldefinitionen zum Opfer fallen. Nicht-rational heißt mitnichten emotional. Fast alle Beispiele für irrationales Verhalten, die hier genannt werden, sind aus volkswirtschaftlicher Perspektive durchaus rational. Sie mögen vielleicht in den Bereich der subjektiven Information fallen oder Beispiele für eine begrenzte Rationalität durch mangelnde Fähigkeit einer Folgeabschätzung sein, irrational sind sie aber deshalb nicht. Die bereits genannte Behavioural Economics befasst sich bekanntlich mit einer Vielzahl scheinbar irrationaler Verhaltensweisen und ist weit älter, als der kürzliche Hype vermuten lässt.
Experimentell ist aber durchaus irrationales Verhalten belegt. Um so mehr, desto weniger Studenten der Wirtschaftswissenschaften an dem Experiment teilnehmen. Der Versuch alles rational zu durchdenken und optimal und effizient zu handeln ist in dieser Gruppe, zu der ich mich durchaus auch zählen muss, einfach extrem ausgeprägt. Für “normale” Menschen ist ein solch formaler und limitierter Zugang zu einer Entscheidung kaum vorstellbar.
Es gibt dafür vielleicht aber auch eine recht einfache Erklärung: Rationalität ist kostspielig. Die billigste Form der Entscheidungsfindung ist es, eine Münze zu werfen.
Auch scheinbar irrationalem...
Auch scheinbar irrationalem Handeln liegt oft eine verborgene Rationalität zugrunde.
<p>astroklaus, ein Fachgebiet...
astroklaus, ein Fachgebiet pauschal zu diskreditieren, finde ich immer schwierig. Den Naturwissenschaften wird es insofern leichter gemacht, als sie ihre Vorhersagen unabhängig von menschlichem Handeln treffen können. Viele Geisteswissenschaften wiederum werden gar nicht nach Vorhersagen gefragt – sie sind rein retrospektiv. WiWis hingegen (und ich verstehe die als Sozialwissenschaften, da aber der Geschichtswissenschaft o.ä. nicht nachstehend) sollen beides: einerseits mit unberechenbaren Menschen umgehen, andererseits belastbare Vorhersagen treffen. Die Mehrheit der ernsthaften Fachleute weiß, daß das nicht geht – aber das sind wie so oft nicht jene, die die mediale Aufmerksamkeit bekommen.
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Thorsten Haupts, aber eben auch nicht völlig irrational. Beides, halt.
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TheSundanceKid, mir ist durchaus (latent) bewußt, daß die Mehrzahl der Entscheidungen intuitiv oder aus Gewohnheit getroffen werden. Aber jene, bei denen der Mensch tatsächlich das Denken anschaltet, die folgen in groben Linien subjektiv rationalen Überlegungen, das meine ich schon. Davon abgesehen: vielen Dank für die ausführliche Literatur – es ist immer wieder faszinierend, wie sich in manchen Debatten gleich das Thema für den nächsten Beitrag abzeichnet.
AutorDent, Fremdwörter als...
AutorDent, Fremdwörter als Distinktionsmerkmal…. ich mag besonders Leute, die dann sagen “Bedrouille”(sic). Brrrr.
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Unbeteiligter Dritter, vielen Dank für die Schützenhilfe, das habe ich (kürzer) ebenfalls bereits zu erläutern versucht.
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Shismar: noch ein Thema für dich Zukunft. Selbstselektion in Studienfächer hinein, die den eigenen Anlagen entgegenkommen. Hach.
Oder so: Schon der Glaube an...
Oder so: Schon der Glaube an die Möglichkeit, zwischen “Rationalität” und “Irrationalität” unterscheiden zu können, ist ein Irrtum.
Denken Sie nur an Helge...
Denken Sie nur an Helge Schneide.!
Helge ist bestimmt nicht der Typ eines kühlen rationalen Entscheiders — und doch hat er mit seinen Liedern und geldpolitischen Maßnahmen die globale Wirtschaftspolitik der Gegenwart stärker beeinflußt als irgendjemand sonst!
Beste Sophia Antoinette,
die...
Beste Sophia Antoinette,
die Komplexität der Rechnungen ist genau so ein Problem. Durch die drastische Vereinfachung entstand ja erst der Charme der Neoklassischen Modelle (endlich konnte man rechnen).
Es gibt da ja (meines überaus beschränkten Wissen nach) zwei Denkrichtungen. Die einen versuchen durch “Einmassieren” der Behavioral und Neuro Erkenntnisse die neoklassiche Schule zu retten. Die anderen meinen, man müßte ganz neu aufsetzen. (Womit vermutlich Keynes, Neoklassik und Behavioral in Synthese gemeinst ist.)
Ich bin ja bei diesen Dingen nur ein interessierter Zaungast. Aber wirklich spannend ist es ja zu schauen, wie in diesem Themenkomplex die Wissenschaft die Wirklichkeit nicht nur abbildet, erklärt, sonder auch formt und treibt.
Viel von dem Egoismus der Individualoptimierer ist ja erst durch den extremen Individualismus der Rationalitätshypothese der Neoklassiker Salonfähig geworden.
Bitte mehr solche anregenden Artikel, beste Sophia Antoinette.
<p>HansMeier555 - gibt es denn...
HansMeier555 – gibt es denn hier keinen Anknüpfungspunkt für den Feudalismus?
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Werter Booooster, sicher ist, daß ganz viel Pseudo-Wissenschaft die Wirklichkeit formt, siehe die Debatte um “too-big-to-fail”. Das Übel sind nicht die Grenzen der Erkenntnis in den WiWi (angesichts der einschränkenden und unrealistischen Annahmen), sondern wenn mit den Ergebnissen Mißbrauch getrieben wird. Davon abgesehen: das Thema wird mich sicher noch öfter beschäftigen und für Wünsche bin ich offen (alleine hätte ich mir sicher nie die physikalischen Themen der letzten Monate vorgenommen).
Auch die Märkte reagieren...
Auch die Märkte reagieren nicht rational. Ökonomische Eckdaten sind wichtig, aber viel wichtiger noch ist die Psychologie und hin und wieder ein starker Gitarrenakkord.
@Sophia
Rationalität ist so...
@Sophia
Rationalität ist so schrecklich bürgerlich. Da will man sich doch gar nicht erst damit befassen.
Die sieghafte Aristokratie...
Die sieghafte Aristokratie brauchte keinen Keynes dazu, um zu begreifen, dass das, was die ratzjonalen Bürgerlein “Produktion” nennen, in Wirklichkeit nur Reproduktion ist (von mehr oder weniger nützlichen Gegenständen), wohingegen dort, wo die armseligen Bürgerlein von “Reproduktion” sprechen, alles Wichtige entsteht, angefangen von den eigenen Nachkommen.
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Feudale Rationalität heisst, die Einnahmen den Ausgaben anzupassen und nicht umgekehrt.
HansMeier555, "Feudale...
HansMeier555, “Feudale Rationalität heisst, die Einnahmen den Ausgaben anzupassen und nicht umgekehrt.” – das gefällt mir, auf die Art wäre ich auch gerne rational.
Pauschal verurteilen wollte...
Pauschal verurteilen wollte ich eigentlich nicht, es ist allerdings ein oft zu findendes Phänomen, daß die mit den dünnsten Argumenten am lautesten auf sich aufmerksam machen.
Ein spezifisches Problem der Ökonomen (und anderer Sozialwissenschaften) haben Sie übrigens en passant mit angesprochen: die von ihnen abgeleiteten Modelle beeinflussen über die daraus abgeleiteten Handlungsvorschläge ihr eigenes Untersuchungsobjekt.
Wenn ich in der Physik ein falsches Modell entwerfe, wird das daraus abgeleitete Experiment oder Gerät nicht funktionieren. Das hat aber auf die Natur”gesetze” nicht den geringsten Einfluß.
Wenn ich als Ökonom zum Schluß komme, “laissez-faire” oder aber beherztes Eingreifen a la Keynes sei das Mittel der Wahl und setze das als Politik durch, habe ich neben den anderen Wirkungen auch meinen Forschungsgegenstand unwiderruflich verändert.
Daher ist ein Ignorieren der Empirie hier nicht nur wissenschaftlich fragwürdig, sondern es betrifft ganz konkret das Wohlergehen vieler Menschen.
Und so gut ein Modell unter Laborbedingungen funktionieren mag – in der “freien Wildbahn” sieht das meist ganz anders aus.
Und genau an dieser Stelle vermisse ich die gebotene Sorgfalt. Als die aktuelle Finanzkrise gerade begann, habe ich den Risikochef einer größeren Bank sagen hören “Nein, das ist ein einmaliges Ereignis, das brauchen wir in unseren Modellen nicht zu berücksichtigen” als von seinen Leuten gefragt wurde, ob sie ihre Risikoschätzungen nicht anpassen sollten (sie sind nicht pleite, aber gut geht es ihnen auch nicht…)
In “science” gilt dagegen immer noch, daß EIN Gegenbeispiel genügt, um eine These zu widerlegen.
Die Märkte sind nicht...
Die Märkte sind nicht irratiönell (ober mindestens nicht überwiegend), sondern es gibt viele Akteuere, die eher Bobachter sind, die das Verhalten der anderen zu antizipieren versuchen. Bei den Märkten wird in der Regel weiter getanzt obwohl alle wissen, dass die Musik abrupt enden wird und jene die dann keinen Platz finden, verlieren werden. Sie wissen aber auch, dass diejenige, die zu früh aufhören, auch verlieren. Viele Marktakteuere agieren auf der Grundlage des Verhalten, das sie bei den anderen erwarten. Alle Akteuere versuchen den anderen (oder die Mehrheit der anderen) zuvorzukommen, natürlich jeder in seinem Zeithorizont (daher kann es sein, dass der mittelfristige Investor kauft, wenn der langfristige verkauft und umgekehrt).
Dazu kommen viele aleatorische Elemente, die in vielen Fällen den Eindruck von Irrationalität erwecken.
Noch zu sagen wäre, dass der Unterschied zwischen rationell und irrationell im tagtägliche Verhalten ziemlich unscharf ist. Es ist fast wie bei schnell und langsam oder wie alle Farben zwischen schwarz und weiß.
Wir tendieren sehr häufig solche Probleme wie diese der rationalität oder irrationalität mit einer zweiwertiger Logik zu behandeln, aber die Dingen sind in der Wirklichkeit nicht so einfach, und Probleme wie diese sollten eher mit einer mehrwertigen Logik angegangen werden und natürlich mit Begriffsdefinitionen von rationell und irrationell die so wenig unschärf wie möglich sind.
@Sophia: Danke für die...
@Sophia: Danke für die Anregung! Mir fehlt in den Beiträgen ein wenig poetisch-philosophische Introspektion. Meine Erfahrung zur Frage ist folgende:
Vorwegg, ein kleiner Exkurs der pers. Vernunft: Was ist eine Entscheidung/Handlung der Logik?
Eine Entscheidung/Handlung, die innerhalb des bewussten Denkens, also innerhalb/mit der Sprache und deren Instrumenten (Mathematik, Be-/Umschreibung, VerFremdung und Ein-/VerBindung) aufGrund gesicherter und überprüfter Erkenntnisse/Tatsachen vorgenommen wird. -> Die Vergangenheit liefert der Aktualität nachprüfbare und vergleichbare Tatsachen, diese bilden die Grundlage der Logik. Dazu zählen selbstverständlich auch alle Gefühle, auch die erlebten/erlittenen Gefühle sind als Vergangenheit ver- und bewertbare Tatsachen. = > Das Ergebnis der Logik ist eine Antwort. <- Denn die Logik ist immer die Folge einer Aufgaben-/FrageStellung. -> Die Logik ist ein Instrument zur ZielErreichung.
Die Vernunft, – mit der Logik – , ist ein Instrument der Wirklichkeits-ErKenntnis, der Zukunfts-ErAhnung und der Handlungs-Planung. Dazu braucht die Vernunft die besten verfügbaren Daten- und Gefühls-Erkenntnisse, also alle Handlungs[ab]folgen und deren Ein-/Verbindungen, die zusammen, zu der aktuell erlebten/erlittenen Wirklichkeit beigetragen, sie bewirkt haben. Grundlage der Logik ist also im BESTEN Fall ein vollkommen klares Muster/Struktur, Inhalt und Beschreibung der momentanen Aktualität. Aus den daraus erkennbaren Leit- und Nebenlinien ist eine Zukunfts-Vorausschau möglich und daraus wiederum ergeben sich Möglichkeiten der strukturierten, der logischen/bewussten/geplanten Veränderung des Hier und Jetzt und damit einer Selbst-Gestalteten Zukunft, aber soweit sind Wir noch nicht: Wir werden noch verändert, es wird noch gestaltet, Wir sind noch ein Treibholz (Triebe! Sie wissen.) auf der Welle (DaSein), statt die Welle zu reiten, wie Belinda Bragg oder Laird Hamilton.
Schade, aber Wir sind auf dem Weg und werden es auch schaffen; auch dieser Blog zeigt es.
Die Gefühle sind dabei das Instrument zur Fragestellung. Ja, was dachten Sie denn, besser: Was fühlten Sie denn? Gefühle erhalten/bewahren. Vernunft erweitert. Fühlen Sie, wie Sie ent-/erhalten sind?
Denken sucht Einfluss (Input [putputput…:-)]) um zu entstehen und braucht Ausfluss (Kommunikation) um WEITer zu bestehen.
Die Logik braucht also erst mal eine ziemlich grosse Füllung, um zu entstehen, die wird aber den meisten Menschen bislang weitgehend verweigert (siehe unten), – von wegen Aufklärung! -, noch erleben Wir einen Prozess der Verklärung, das ändert sich gerade. Aber das nur vorwegg, nun zur Frage:
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Ist das Mensch nun ein LebeWesen, bewegt (zu Entscheidungen) VON Gefühlen (Trieben [Selbst-/Gruppen-(Fortpflanzung)Erhalt], Emotionen [Freude, Überraschung, Neid, Trauer, Ekel, Angst, Wut, (Mit-)Leid], Traditionen, Zwängen, Prägung), VON der Logik (Vernunft), oder VON einem Mischmasch?
Ich schätze mal 96:4 im Durchschnitt. Der Durchschnitt ist dabei sowohl im Einzel-Wesen, wie in der GesamtHeit in etwa Gleich.
+ 96 Erfahrung (persönliche Vergangenheit), Instinkt (Gattungs-Vergangenheit und Lebewesen-Vergangenheit), Gruppen-Anpassung/-Prägung (-Druck), also, was ist gerade Angesagt, mit was kann ich bei wem? Punkten, was liegt im Budget, was fühlt sich gut an, was passt in die persönliche Bewusst-Heit (Selbst + Fremd-Bild)?
+ 04 Verstand (mit Logik), mit der allgemeinen Aufgaben-/FrageStellung was brauche ICH (das Wir-ich!) um die Umsicht, die FernSicht, die Innensicht, die Verantwortung, das Bewusst-Sein vom SEIN im DaSein zu stärken und auszubauen, was ist wichtig zur fassbaren Weiter- und Höherentwicklung der Gattung Homo Sapiens(?) Sapiens(!);
um herauszufinden, was ist einzig (einfach) gut und nett und zweckmässig zum überleben und bestehen im aktuellen DaSein (96)?
=100 Ein Mensch im Abwägungs-Dauerzustand.
Kein DiLemma, wahrlich nicht, denn das würde GleichHeit der zur Wahl stehenden Alternativen bedeuten und wie oben anklingt, so weit sind Wir Sapiens Sapiens noch nicht.
Eine Selbst-Kritik die trifft, tief hinein ins [Selbst-]”über”-zeugte Selbst.
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Denn, wenn der Verstand über die 4 (im Durchschitt der Gesamtheit)) hinausreichen würde, würden dann die Entwicklungshilfe-Beiträge der EU-Länder noch bei 0kommairgendwas dahindämmern, und würden wir in D noch Frontal-“Unter”-Richt erteilen und die Schulen gleichzeitig ausbluten lassen, würden Wir dann wirklich noch in Nationen leben, und die Umwelt mit Unserem Dreck vollmüllen, gäbe es dann noch die Mafia, oder ein “GesundheitsSystem”, würden Wir dann ernsthaft Menschen, die in/aus unserer Mitte gezeugt und geboren wurden, aus Häusern unter Brücken jagen und mit Almosen abfertigen, “nur”, weil sie nicht “FUNKTIONIEREN!”, würden Wir uns dann noch wechselseitig instrumentalisieren und ausbeuten, gäbe es dann noch solche Einkommens- und Lebensweisen-Unterschiede, wie sie in der Erde/Mond (ein Planeten-System) “Herr”schen … ?
Hätten Wir dann noch Regierungen, oder würden Wir dann in Jedes Selbst entscheiden, was zu tun ist, für die Gemeinschaft und für das Selbst, ohne diesen Machtapparat, also den gesamten Bedrohungs-, Behinderungs- und Rechtsapparat?
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Der Jetzt noch absolut nötig und wichtig ist!, um die Willkür und Egozentrik, die jetzt noch Herr[Mann]schen, – bei dem Anteil von 96:4 -, zu dämpfen. 96 Tier (Eigenname: Mensch), 4 ?
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Die Frage ist: Was für einen Anteil an der Entstehung der Dämpfung der tierischen Ego-Willkür hat die 4? Oder spielt sich das Ringen zwischen persönlichem Vorteil und dem gesellschaftlichen Nutzen, – zwischen dem Anteil, den sich jedes Selbst zumisst und dem, was das einzelne Selbst dem anderen Selbst zugesteht -, noch bloss in den 96 ab?
Ist dieses Ringen dem Verstand gleich? Gültig oder unwichtig? Ist das Verstand (oder ist “der” nur männlich?) inzwischen im einzelnen Lebewesen angekommen, oder schwebt das Verstand noch immer mehr oder weniger zwischen Uns und sucht nach einer Docking-Station, um IN Uns zu wachsen?
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Eine Be-Werbung!: Hallo Verstand! “OAL*-Ich” bin hier und bin bereit Es einen Platz in “OAL*-mir”, und auch MIT-Entscheidungs-Befugnis zu erteilen. “OAL*-Ich! bin heiss und brauche ein wenig Kühlung, komm herein und erhelle “OAL*-mich” und lasse “OAL*-mich” Anteil haben, an der Ferne der AusSicht, und “OAL*-Ich” gewähre Es Wärme und die Tiefe der EinSicht, lasse Uns Einig sein, im DaSein, in der Weite des Raums und der Kürze der Zeit, im so begrenzten (Haut)DaZwischen!
Und nun bunter Vogel flieg und finde “OAL*-mich”! Danke.
@Sophia Amalie Antoinette...
@Sophia Amalie Antoinette Infinitesimalia
Ich möchte doch nochmal nachhaken, liebe SAAI . denn aus Ihrer Antwort auf meinen Beitrag kann man erkennen, dass es weiterhin ein Missverstehen gibt. Wenn Sie schreiben Ihnen sei “(…) durchaus (latent) bewußt, daß die Mehrzahl der Entscheidungen intuitiv oder aus Gewohnheit getroffen werden. Aber jene, bei denen der Mensch tatsächlich das Denken anschaltet, die folgen in groben Linien subjektiv rationalen Überlegungen, das meine ich schon,” dann spiegelt dies einen der Knacknpunkte: (i) Es geht bei der nur eingeschränkt hilfreichen Diskussion über Rationalität vs. Irrationalität zum Einen darum, wie entscheidend vor-bewusste Informationsprozesse sind; diese sind weder “intutiv” noch werden dann “Entscheidungen aus Gewohnheit getroffen.” Es geht in diesem Bereich um das Verstehen von cerebralen Informationsverarbeitungen. Hierzu besonders eindrucksvoll Raichle (2006), “The Brain’s Dark Energy,” Science 314: 1249-1250, der zeigt, dass “the additional energy burden associated with momentary demands of the environment may be as little as 0.5 to 1.0%.” Zudem sind weniger als 10% der Synapsen mit Informationen aus der externen Welt beschäfitgt – die meiste Zeit, scheint sich unser Gerhin mit sich selbst zu beschäftigen.
(ii) Der andere Aspekt ist, dass wenn bewusste Entscheidungen getroffen werden diese nachweislich die rational choice Annahmen verletzen und dass zudem das was Sie als intuitiv oder aus Gewohnheit wahrnehmen, womöglich nicht mal sowas wie einen freien Willen zulässt (z.B. Libet 2001, “Conscious, Free Action and the Brain,” Commentary on John Searle’s Article,” Journal of Consciousness Studies 8(8):59-65). Das Gehirn schafft es auch, z.B. eine Handlung von der Sie glauben, Sie hätten Sie bewusst getätigt komplett vorbewusst (quais automatisch) durchführt und dann, that’s the kicker, sich selbst vorgaukelt es habe Ihnen ermöglicht diese Entscheidung bewusst zu treffen (Libet 2005, p.90ff.).
Hierbei ist zudem zu erwähnen, dasss Ihre Grundannahme fehlerhaft ist, die Rationalität spiele auch in der (orthodoxen) VWL noch eine grundlegende Rolle. Schon seit ca. 20 Jahren wird die ursprüngliche rationality von bounded rationality (ursprgl. Herbert Simon) Ansätzen/Modellen ersetzt. Heutzutage gehört es quasi schon zum guten VWL Ton, bounded rationality (á la Kahneman, Tversky, etc.) Artikel zu publizieren – gerade weil die Rationalitäts-basierenden Vorhersagen von Entscheidungen so fehlerhaft sind (eben die bekannten “violations of the sure thing principle”). Elinor Ostrom hat hierzu einen Beitrag geleistet (Ostrom 1991, Rational Choice Theory and Institutional Analysis: Toward Complentarity,” The American Political Science Review 85(1):237-243). Hierzu auch Ansperger and Varoufakis (2006) die Ihren Beitrag in einem off-mainstream Journal veröffentlichten (“What is Neo-Classical Economics?”, Post Autistic Economics Review 38 (July 2006, Article 1):2-12) und in dem sie deutlich machen, dass ein Rationalitäts-basierendes Modellieren “would perhaps be apt in the 1950s but, nowadays, it leaves almost all of modern neoclassical theory out of the definition (…).” Etc pp.
Aber wie schon gesagt, die Trennung in rational vs. irrational ist sowieso irreführend, es geht primär um bewusst vs. vor-bewusst (und hierbei, z.B., ob das Gehirn Informationen klassich mechanisich oder quantum mechanisch verabreitet, z.B. Roger Penrose “Shadows of the Mind” oder “The Emperor’s New Mind”). Das tatsächliche Problem ist zudem der Methodologische Individualismus, der, wie sein “Erfinder” selbst konstatierte, im Grunde nichts zum Verstehen von complexen Interaktionen/Aktionen von Menschen beizutragen hat .
Ein wirklich interessantes Thema wäre zudem die Kreativität – zur Innovation (von Firmen etc.) wird genug geschrieben, wie aber das kreative Individuum es schafft qua Kooperation schlussendlich neue Produkte zu produzieren, ist schmerzlich untererforscht sowie unterberichtet/medial diskutiert (es sei denn Steve Jobs wird deifiziert). Ein guter Start ist z.B. Gruber and Bödeker (2005), Creativity, Psychology and the History of Science (Springer) oder Amabile (1996) “Creativity in Context” (Westview Press) oder Amabile, Conti, et al (1996) Assessing the Work Environment for Creativity,” The Academy of Management Review 39(5):1154-1184 oder Breen (2007) “The 6 Myths of Creativity”, online at https://fastcompany.com/magazine/89/creativity.html (December 19, 2007).
astroklaus, die redlichen...
astroklaus, die redlichen Wissenschaftler mit ernsthaftem Anspruch arbeiten eher selten in Banken – aber es gibt sie.
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Fernand, das deckt sich weitgehend mit meiner Position, aber es kann nicht oft genug gesagt werden. Danke!
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Oliver-August Lützenich, ganz viele der Dummheiten, die Sie erwähnen, stammen aus dem Widerspruch zwischen individueller und kollektiver Rationalität. Noch so ein Konzept, von dessen grundsätzlicher Bedeutung ziemlich überzeugt bin.
TheSundanceKid, soweit ich...
TheSundanceKid, soweit ich weiß, hat Simons “bounded rationality” bisher wenig Eingang in Standardmodelle gefunden. Wann immer ich theoretische Modelle lese, gibt es dort nutzenmaximierende Individuen und Firmen – insofern ist Rationalität immer noch das Arbeitspferd.
Und solange wir die vor-bewussten und neurologischen Entscheidungsprozesse nicht so deutlich greifen und abbilden können, daß sie in kompliziertere Modelle zu Produktion, Wettbewerb oder Handel eingehen können, wird das vermutlich auch so bleiben.
@Sophia - Kollektive versus...
@Sophia – Kollektive versus individuelle Rationalität:
Völlig korrekt. Was für den einzelnen nützlich ist, kann (wenn viele es machen) für die Gemeinschaft verheerend sein. Das gleiche gilt für Unternehmensentscheidungen. Uns fehlt (gesellschaftlich) ein Mechanismus, kollektiv nützliche Entscheidungen zu belohnen. Es gibt nur punktuell Versuche, diese zugunsten individueller Nutzenmaximierung bestehende Schieflage zu korrigieren, wie z.B. die Förderung energiesparender Umbauten von Häusern. Vielleicht haben wir es im freien Westen mit der Betonung grösstmöglicher individueller Wahlfreiheit ein bisschen übertrieben.
Gruss,
Thorsten Haupts
So, jetzt gefunden: 3...
So, jetzt gefunden: 3 Ökonomen auf Deutschlandfunk, die über die Grenzen der Neoklassischen Modelle sprechen.
https://www.dradio.de/dlf/sendungen/essayunddiskurs/1602183/
Beste Sophia, das wollte ich schon neulich posten, hatte es aber nicht gefunden. Für Dich sicher ein alter Hut. Falls nicht: Viel Spaß.
ThorHa, wir haben es...
ThorHa, wir haben es sicherlich mit der Individualität übertrieben, und das lässt sich hervorragend mit Beispieln illustrieren (tragedy of the commons etc.), aber das wird irgendwann ein eigener Beitrag hier.
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Booooster, vielen Dank!