Über Kausalität und Korrelation, und den Unterschied dazwischen kann man vermutlich gar nicht genug berichten – da es doch immer wieder verwechselt wird. Heute: mit Nichtraucherschutzgesetz.
Korrelation und Kausalität verhalten sich zueinander wie Zwillingsschwestern, die von vielen verwechselt werden, die nicht mit beiden gleichermaßen gut bekannt sind. Daß die Autorin ein Faible für diese feine und so wichtige Unterscheidung hat, ist ja hinlänglich bekannt. Trotzdem ist es immer wieder interessant, wie aus unschuldigen Korrelationen in Presse und Politik plötzlich Kausalitäten werden. Die Schuld ist meistens nicht bei den Autoren irgendwelcher Studien zu suchen – die können die beiden Zwillingsschwestern nämlich gut auseinanderhalten. Verdreht wird von anderen.
Ein besonders schönes Beispiel geisterte letzte Woche durch die Medien: Anzahl Herzinfarkte durch Nichtraucherschutzgesetz drastisch zurückgegangen! Wenn die Welt doch so einfach wäre. Wer ursächliche Zusammenhänge so demonstrativ in die Welt schreit, hat meistens Unrecht – so auch hier, wie ich finde. Wie übrigens auch die Autoren der zitierten Studie finden würden.
Aber von Anfang an: seit 2007/2008 ist das deutsche Gastgewerbe überwiegend zigarettenfreie Zone, je nach Bundesland und Art des Etablissements stehen die Raucher seither in Grüppchen vor der Tür – und die meisten möchten das Arrangement auch gar nicht mehr ändern, außer vielleicht an den bittersten Tagen des Sibirienwinters 2011. Dennoch wäre es natürlich interessant zu wissen, ob damit nun wirklich Tausende von Nichtraucherleben (und vielleicht auch Raucherleben) gerettet wurden – und entsprechend wurde zu dieser Frage viel geforscht. Zwar erscheinen etlicher dieser Fachaufsätze in medizinischen Fachzeitschriften – allerdings handelt es sich aber im Grunde genommen nicht um medizinische Forschung, sondern um Soziologie.
Im vorliegenden, massenhaft zitierten Beispiel, haben die Autoren der Studie sich die Häufigkeit und Kosten zweier Krankheiten vor und nach Einführung der Gesetze angeschaut, die mutmaßlich mit Zigarettenqualm in Verbindung stehen: akute Herzinfarkte und deren Vorstufe, Angina Pectoris. Die Daten stammen aus einer großen Versicherung, wobei nur jene Versichertendaten (und ihre Herzkrankheiten) berücksichtigt wurden, die vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2008 durchgängig versichert und außerdem zu Beginn dieser Periode mindestens dreißig Jahre alt waren. Für diese potentiellen Herzpatienten wurde anhand von Krankendaten (nach Diagnoseschlüssel) ermittelt, zu wievielen Hospitalisierungen der oben genannten Krankheitsbilder es im Durchschnitt pro Monat kam. Für die verschiedenen Bundsländer und Gesetzeinführungszeitpunkte liegen also jeweils zwischen dreieinhalb und viereinhalb Jahr ohne und ein halbes bis ein Jahr mit Nichtraucherschutz vor. Die Details der statistischen Methode würden den Rahmen hier sprengen – im Grunde genommen ist es aber ein relativ simpler Vergleich von Durchschnitten vorher und nachher. Ergebnis: die Anzahl von Angina Pectoris-Einlieferungen war vor der Gesetzeseinführung relativ konstant und fiel danach leicht (aber deutlich) ab. Die Anzahl von Herzinfarkten zeigte in der Vorher-Periode sogar eine steigende Tendenz, die nach Einführung des Gesetzes verschwand. Bei beiden Krankheitsbildern stellten die Autoren also fest, daß die Anzahl der Fälle nach Einführung des Nichtraucherschutzgsetzes zurückging.
Nun spricht nichts gegen den Vergleich von Durchschnitten – allerdings kann man damit keine Ursachenforschung betreiben. Diese Herangehensweise macht allenfalls Sinn bei kontrollierten medizinischen Experimenten, wo es erstens eine Kontrollgruppe ohne Behandlung (oder mit Placebobehandlung) gibt und zweitens ex ante darauf geachtet wird, daß es möglichst wenige störende Nebeneinflüsse gibt (auch deshalb dürfen Probanden nur an jeweils einer Studie teilnehmen und sollten ihre allgemeinen Lebensbedingungen möglichst nicht ändern). Auf soziologischer Ebene funktioniert das nicht, weil in der komplexen Alltagsrealität zuviele Einflüsse aufeinander treffen. Nur unter sehr günstigen Umständen und mit sehr viel gedanklichem Input kann man manchmal in soziologischen Studie Kausalität verargumentieren – hier jedoch ganz sicher nicht.
Zum Beispiel wurde um das Jahr 2000 herum eine neue Diagnosemethode in Detuschland eingeführt und zunehmend verbreitet, die aufgrund sensitiverer Kriterien zu einem Anstieg der verzeichneten Fälle führte. Gut denkbar, daß es ähnliche Effekte auch in die andere Richtung geben könnte, zum Beispiel durch bessere Prävention, parallele Änderungen in der Gesetzgebung in anderen Bereichen, oder dem Abrechnungsverhalten von Krankenkassen. Wohlgemerkt: auch Maßnahmen, die alle Krankheiten oder den gesamten Gesundheitssektor betreffen, hätten zu einer solchen Änderung führen können. Erstaunlicherweise zeigen die Daten außerdem einen leichten Antizipationseffekt kurz vor Einführung der Gesetze, den die Autoren nicht weiter kommentieren. Hingegen postulieren sie, wie es sich für gute Wissenschaftler gehört, zu keiner Zeit einen kausalen Zusammenhang. Im Gegenteil weisen sie sogar deutlich darauf hin, daß es sich bei den Ergebnissen statisitsch gesehen lediglich um eine Korrelation handelt – erst in größerem Zusammenhang wird daraus zumindest ein Indizienbeweis für Kausalität, nämlich in Verbindung mit anderen Studien mit ähnlichen Ergebnissen.
Wohlgemerkt: wenn etwas weiß ist und von der Kuh kommt, kann man zurecht vermuten, es handele sich um Milch. Wenn mehrere Studien genau dann einen statistisch signifikanten Rückgang von Herzkrankheiten finden, wenn das Rauchen massiv eingeschränkt wurde, würde auch ich einen kausalen Zusammenhang vermuten und die Befürworter des Nichtraucherschutzgesetzes bestätigt sehen. Zumal sich die Autoren meiner Meinung nach sogar selbst noch ein Bein gestellt haben: da die untersuchte Versichertengruppe gewissermaßen unverändert blieb, muß das Durchschnittsalter im Laufe der Zeit gestiegen sein – das Risiko von Herzkrankheiten wiederum steigt mit dem Alter und so gesehen hätte die Wahrscheinlichkeit eher dafür gesprochen, daß in der fraglichen Gruppe in 2008 mehr Hospitalisierungen dieser Art hätten auftreten sollen. Möglicherweise erklärt das (neben anderen Gründen, die die Autoren anführen), warum die von ihnen identifizierten positiven Effekte schwächer ausfallen als in anderen Studien.
Während es sich bei der Studie um ein nettes Stückchen wissenschaftlicher Forschung handelt, ist der Umgang damit durch die Medien meiner Meinung nach skandalös. Kaum eine Zeitung, die nicht aus der “Korrelation mit mutmaßlicher Kausalität” eine handfeste Ursache konstruiert. Nicht, daß in diesem konkreten Fall der Weltfrieden von der Unterscheidung abhinge, aber in anderen Fällen wird vermutlich genauso leichtfertig argumentiert – und dann geht es eben doch mal um mehr. Zum Beispiel Atomkraft und Leukämie bei Kindern, oder den Aufkauf von Schuldenbergen und das praktisch nicht vorhandene Risiko des Totalausfalls. Dann will es vermutlich niemand mehr gewesen sehr, der zuerst die zwei K-Wörter verwechselt hat.