Es gibt in Gmund am Tegernsee eine ganz entzückende Jugendstilvilla, gelb, mit Türmchen, Fachwerk und Seeblick. Ich möchte den Besitzer dieser Villa dringenst ersuchen, meinen hier folgenden Beitrag zu lesen, in dem er erfahren wird, dass er wie ich ein Idiot ist, an dergleichen Objekte sein Herz zu hängen, und wie er es klüger als ich machen kann: So er sich einen feinen Finanzplan mit modernen Anlageprodukten erstellen lässt, bin ich in weiterer Verblendung auch gern bereit, ihm die sein Leben vergällende Villa eingedenk der Nachteile für ein paar tausend Euro abzukaufen. Und wie alle Vermögensberater habe ich natürlich absolut überhaupt gar keine Hintergedanken, wenn ich das in einer Zeitung erkläre. Weiterlesen
Artikel im: August 2009
Vom Wesen des Unglücks im Reichtum
Typischerweise steht man an einem Grab, lässt das ganze Elend so eines Lebens Revue passieren – und bei dieser Revue fliegen in der Regel keine Frauenbeine – und fragt sich: Wie konnte es bei all dem Reichtum letztlich nur so enden. Wieso hat der verstorbene nicht besser gelebt, was hat ihn davon abgehalten, seine Vorzüge zu nutzen? Darauf gibt es viele Antworten, aber zumeist ist eine dabei, die eine ganz bestimmte, in besseren Kreisen weit verbreitete Krankheit zum Thema hat: Das Unglück in Form von Persönlichkeiten, die für den kleinsten eigenen Nutzen anderen ohne Bedenken den grössten Schaden zumuten. Typisch für die Oberschicht wie ein Konto in der Schweiz, aber leider weder strafbar noch dortselbst im Schliessfach zu vergessen. Weiterlesen
Der Fluch der Privilegien in der Demokratie
Man möchte die Debatte um die Einladung des Chefs der Deutschen Bank ins Kanzleramt beendet sehen. Man wünscht, das Volk solle sich wegen der paar Euro nicht so haben. Man möchte bitte andere Sorgen vortragen und wegschauen, wenn sich die Kanzlerin bei der aufgeflogenen Privilegenvergabe peinlich windet. Dabei geht es wirklich nicht um das Geld oder die Gangabfolge im Kanzleramt. Es geht um die Frage, welche Privilegien man eigentlich der Demokratie und der besseren Gesellschaft dieses Landes zumuten kann. Meines Erachtens: Gar keine. Weiterlesen
Die beste Untertanentradition der Kanzlerin
Gross sind die Klagen wegen jenes kleinen Essens, das die Kanzlerin für den Chef der deutschen Bank gab; eine Petitesse jedoch ist der Aufwand gegen den Schaden, den nun das bankenfeindliche Geplärre anrichtet. Frau Merkel darf sich jedoch historisch auf der richtigen Seite wissen, denn sie hat sich exakt so verhalten, wie es das alte Herkommen verlangt. Alldieweil und sintemalen wir hier grössten Wert auf Anstand und Sitte legen, betrachten wir es als angebracht, uns als Palladin für die Ehre und Tugend von Frau Merkel auf der Wallstatt der Publizistik zu verwenden – wenngleich wir auch finden, dass es ruhig etwas mehr hätte sein können Weiterlesen
Wertezerfall beim Weintraubenessen
Es sind nicht die Abendkleider und die Lackschuhe, die das Wesen der besseren Gesellschaft ausmachen; es ist nicht der Drittwagen und das Fünfthaus, und auch nicht die Sorge, dass das Kind einmal nicht Chefarzt werden könnte. Den Wesenskern der besseren Gesellschaft machen vielmehr jene Symbole aus, die für Dominanz und Beherrschung stehen, und die fraglos akzeptiert und geachtet werden. Allerdings sieht es heute gar nicht mehr so gut aus mit diesen Symbolen. Trauben etwa werden heute nicht mehr widersprúchslos in jener Art gegessen, wie es früher Anstand und Sitte verlangten. Weiterlesen
Umtriebig unamerikanisch
[Zu lesen im amerikanischen Stile des "Oh Darling you know I love you, but"] Man verstehe mich nicht falsch. Es ist wunderbar, für Amerikaner in Europa zu arbeiten. Wäre man nicht so distanziert erzogen, könnte man auch die nonchalante Nähe der Amerikaner geniessen. Ich mag das unverbindliche, nichtssagende Lächeln der Amerikanerinnen, ich weine immer noch dem Oldsmobile hinterher, den ich in Amerika fuhr, ich bin dankbar für die historische Rolle, in der Amerika diesen europäischen Kontinent vor dem alteuropäischen Irrsinn gerettet hat. Aber. Weiterlesen
Geld verdirbt die Charakterlosigkeit
Hartknäckig hält sich das Gerücht, Besitz sei nicht alles und Geld verderbe den Charakter. Erstaunlicherweise waren gestern die alkoholisiert pöbelnden Proleten am See mit Tüten eines bekannten Billiggeschäfts unterwegs, und ich finde vor meinem Haus nie leere Flaschen französischen Champagners, sondern die Scherben billigen Fusels. Auch steckt man mir keine leeren Kaviardosen in die Weinstöcke, sondern Reste von Schnellabspeisen. Treffe ich dann Menschen mit etwas Besitz, sind sie die Höflichkeit selbst, und sie treten auch keine Autospiegel ab. So gesehen bin ich eigentlich sehr froh um die Existenz der bedrohten Art des Besitzbürgertums. Weiterlesen
Das Auseinanderbrechen der Gesellschaft am Zwetschgendatschi
Oft sind es ja die kleinen Dinge, die unscheinbaren Verbindungen, an denen sich die Risse in der Gesellschaft am deutlichsten zeigen, wenn man nur genauer hinschaut. Zwetschgendatschi war immer eine einigende Erfahrung aller Kinder; zumindest in meiner Jugend, als es in dieser Jahreszeit keine bessere Möglichkeit gab, die Last der übervollen Bäume zur Last der übervollen Mägen zu machen. Für mich hat sich das nicnt geändert, aber andere müssen zahlen – wenn sie überhaupt noch in den Genuss kommen. Weiterlesen
Die Freude im Westviertel über den Niedergang von Escada
Wenn man den Untergang von Escada verstehen will, muss man verstehen, warum Escada heute einen gewissen Hautgout hat. Ausgerchnet bei jenen, die die Marke gross und bedeutend gemacnt haben: Vermögende Frauen in besseren Lagen westdeutscher Dörfer und Kleinstädte in der Provinz. Kleinstädte wie jene, aus der ich stamme. Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit erinnern, als Escada und MCM auf dem Gipfel des Geschmacks verortet wurden. Man darf darüber heute nicht mehr reden. Es ist peinlich. Es ist verboten, und vermutlich werde ich jetzt im Konzertverein geschnitten. Weiterlesen
Montenegro: Monte Carlo für Russen und andere Arme
Ich höre in letzter Zeit viel über Montenegro. Manche sagen, das sei die neue Toskana, andere meinen, es könnte das neue Monaco werden. Inzwischen tummeln sich dort Investoren aller Art, und neben der Aussicht und dem Yachthafen locken auch gewisse Steuervorteile, die selbst den deutschen Spiesser über manch kleinen Schmutzfleck hinweg sehen lassen, der glücklicherweise ohnehin nicht erwähnt wird, wenn Medien dergleichen in schönsten Farben anpreisen. Leider habe ich meine rosa Brille in Meran vergessen, und meine Koffer von Louis Vuitton zahle ich auch selbst – nur so kann man meine berufsuntypische Unfreundlichkeit im folgenden Beitrag erklären. Weiterlesen
Gelebtes, reales und gefühltes Alter
Wenn man sich in Bayern verspätet, sagt man als Entschuldigung, man habe sich verratscht. Das ist zwar ein charakterlicher Mangel, verspricht dem anderen aber, dass man etwas zum Weiterratschen habe – typischerweise Dinge, über die man nicht spricht und die einem nur weitergesagt wurden, um sie nicht weiterzusagen. Diesmal, fürchte ich, habe auch ich mich mit mir selbst verratscht, und leider habe ich auch keine Scheidungsgeschichten zu bieten, nur Cagliostro und Kardinäle, Villon und vergangene Zeiten, Fragen des Alters und, äh, was war das noch gleich, vielleicht wollen Sie selbst mal weiterlesen… Weiterlesen
Der Gesellschaftsfinger. Lob eines aussterbenden Distinktionsmerkmals
Es gibt Themen, mit denen macht man sich keine Freunde. Und es gibt Trennendes, an dem die deutsche Klassengesellschaft schmerzlich im einfachsten Gegensatz zum Vorschein kommt: ich schon. Du nicht. Nun ist dieses Blog vor 99 Beiträgen damit angetreten, eine offene Aussprache über den deutschen Elitenbegriff, genauer, den Elitenbegriff des alten Westdeutschlands anzufachen, und ich möchte nicht 100 Beiträge schreiben, ohne nicht zumindest einmal den Fressfeinden, die an den Stützen der Klassengesellschaft nagen und schmatzen, ins Auge zu blicken und genau das sagen: Ich schon immer. Ihr niemals. Und ihnen damit meinen Gesellschaftsfinger in die Augen zu rammen. Weiterlesen
Das stilvolle Überleben der Pandemie V: Die Rettung des jungen Alphonso
Ich gehöre noch zu der Generation, die vor dem Modernisierungswahn der Alpen einen letzten Rest dessen erhaschen konnte, was man früher nicht proletarisch "Urlaub" nannte, sondern gehoben "Sommerfrische". In den 70er Jahren konnte man mit etwas Glück noch so reisen und und so artig leben, wie man es vor hundert Jahren tat, die Hühner terrorisieren und beim Kartenspiel betrügen, bergwandern und Pfifferlinge sammeln. Mein wirklich sehr vorteilhaftes Bild von Südtirol und Meran stammt aus jener Zeit, und im Gegensatz zu meiner Reisebegleiterin ist es auch heute noch ein Traum ohne Trauma. Weiterlesen
Das stilvolle Überleben der Pandemie IV: Schöner Schweinegrippen mit Vermögenssteuer
Sterben ist bekanntlich nie das, was man so gemeinhin als schön bezeichnet, und was man so hört, soll Schweinegrippe als Todesform auch nicht gerade angenehm sein – von der unpassenden Benennung mal ganz abgesehen. Besonders übel jedoch wäre es, zu sterben und dabei genug Zeit zu haben, sich über verpasste Gelegenheiten zu ärgern. Diesem tragischen Umstand könnte unser Staat jedoch mit einer mutigen Steuerpolitik abhelfen, denn bislang ist es so, dass Raffgier belohnt und Lebensfreude massiv besteuert wird. Eine saftige Vermögenssteuer könnte meine Schicht zumindest von diesem Übel erlösen. Weiterlesen