Wer ein Kamel haben will, muss mit dem Höcker leben.
Sie haben doch sicher auch gehört, dass die segensreichste aller grossen Koalitionen ganz schnell die Reform des Mietmarktes auf den Weg bringen will.
Und wenn Sie auf der Landstrasse von Tegernsee durch das österreichische Inntal nach Kufstein gefahren sind, um sich in der Bohne Tirols den Himbeertopfenstrudel und den himbeertopfenstrudelblonden Nachwuchs der dortigen Habsburg-Manufaktur-Träger anzuschauen, dann kamen sie auch an diesen absurden Wahlplakaten vorbei, auf denen feiste Männer in etwas schrägem Deutsch predigten, Miete müsste leistbar sein. Als Mitarbeiter einer sprachkorrekten Tageszeitung möchte man trotz gefürchteter Rechtschreibschwäche aussteigen und “leist” durch “bezahl” ersetzen, allein schon, weil sich Mieter mitunter sehr viel Wohnraum leisten – ohne ihn dann angemessen und rechtzeitig zu bezahlen.
Das Thema ist stets lauwarm wie der Topfenstrudel und wird gerade auch heiß wie ein Kapuziner, weil mir wohl in dieser aufgeregten Zeit der Hatz auf Eigentümer eine Neuvermietung zufällt. Was mich etwas stört, ist der Umstand, dass man mich mit dem “leistbar” gewissermassen von hinten moralisch erdolcht, denn das ist eine Vernaderung der finanziellen Wünsche und eine klare Sonderbehandlung: Niemand plakatiert, die Krankenkasse müsste bezahlbarer werden, die Rundfunkzwangserpressungsabgabe sei unmoralisch oder die Billigproduktion von Fleisch gehöre verboten und ihre Beteiligten sollten Leberkäse essen, bis sie freiwillig Veganer bei Sonnenblumenkern-und-Eiswürfel-Diät werden. Man lässt es an uns heraus. Wir kriegen den schlechten Ruf, die unmoralische Beurteilung und Sondergesetze, weil, an irgendeinem muss man es halt herauslassen.
Naja. Es muss trotzdem nicht mein Problem sein. Jemand naht zu meiner Rettung. Makler machen das inzwischen so: Sie schicken, wenn sie etwas auf sich halten, an ausgewählte Haushalte – also auch an meinen – Post. Die sieht dann so aus, dass dort drin eine Art Scheckkarte ist. Mit der werde ich allein schon durch die postalische Zustellung so eine Art Partner und Komplize des Maklers, ich muss sie nur noch nutzen. Und ich habe, so steht dort zu lesen, damit sofort ein Anrecht darauf, dass der Makler zu einem mir genehmen Zeitpunkt erscheint, meine Immobilie kostenlos begutachtet, und mir dann sagt, was er mir empfiehlt. Ganz falsch liegt er mit seiner Post nicht, denn wer heute am Tegernsee lebt, der hat meist an anderen Orten auch noch die ein oder andere Mietshauskleinigkeit. Und es wird mich nicht erstaunen, dass er bei einer sehr guten Lage in München, klein aber lukrativ, sagen wird: Ich. Lieber Eigentümerkomplize, würde das gern an den Mann bringen.
Dann geht das halt seinen Weg. Der Makler hat nicht nur diese hübschen Plastikkarten für mich, die wirklich etwas her machen, er hat auch im gleichen, todesseriösen Dunkelblau Anzeigen. Da steht dann in etwa: Sie sind anspruchsvoll und suchen nach der idealen Immobilie in der dynamischen Wachstumsregion München (Übersetzt: Sie wollen nicht mir Kreti und Pleti und Passauer Bald-Ex-CSU-Spitzenpolitikern ohne Dr. zu Hunderten als Bittsteller, mit der Schufaauskunft in der Hand, in einem nach Rosenkohl riechenden Gang stehen, nicht im hintersten Moosach bei den Güterzügen wohnen, und wurden mit einer dicken Prämie nach München gelockt?) Wir haben den Zugang zu Münchens Toplagen für Ihre Bedürfnisse. (Übersetzt: Wir verschicken am Tegernsee Plastikkarten an alte, faule Leute, die keine Lust haben, sich von geschleckten Salesgierschlündern und Marketingfrettchen dumme Sprüche wegen zu kleiner Spiegel für die Begutachtung ihrer Botox- und Straffungsorgien anzuhören.) Vertrauen Sie ganz unserer Expertise, wir sind bekannt für die schnelle und diskrete Abwicklung auch ausgefallener Wünsche. (Übersetzt: 3 Monatsmieten und dann haben wir noch so Bearbeitungskosten und Steuern auf alles und wenn es Ihnen nicht passt: Es gibt in dem Metier auch Grattler, die Telefonnummern sammeln und Vermietern dann auf die Pelle rücken, damit sie Ihnen zwei Schrumpelzimmer in Neuperlach anbieten können und erzählen, die Ecke ist das St. Pauli von München, nah an den Bergen – Claim “mit dem Ofenrohr ins Gebirge schauen” – und schwer im Kommen.)
Kurz, noch bevor das Gesetz in den Ausschüssen ist, wird es schon umgangen. Was Sie da gerade aus dem Regierungsviertel gehört haben, war ein leitender Beamter, der so tat, als würde er kotzen – allein, denen war sicher auch schon vorher klar, dass in einem Markt mit seltenen Gütern der Anbieter am längeren Hebel sitzt, und die Spielregeln bestimmt. Makler sind nun mal gezwungen, auf Seiten der Anbieter zu sein, denn die haben das Angebot und wenn sie nicht mitspielen, schicken mir jede Woche drei andere auch ihre Plastikkarten, Glückskekse oder kleine Weihnachtsgestecke. Die Zeiten, da man als Eigentümer den Makler aufsuchen musste, sind einfach vorbei, das läuft jetzt gehoben und luxuriös ab, und genauso werden die Makler dann auch mit den Mietkunden umgehen, wenn sie das freie Angebot nur stark genug reduziert haben und bei den Spitzenlagen alternativlos sind. Nichts gegen Moosach oder Unterschleisshein: Freie Angebote in schlechten Ecken zeigen den Kunden, was sie erwartet, wenn sie nicht den Profi bezahlen.
Das ist gar nicht so schlimm, nur etwas teurer. Dafür werden die Vermittler den Mietern neue Gefühlswelten eröffnen. Freundlichkeit kostet nichts und ein Kaffee ist auch nicht teuer, und aus meiner eigenen Erfahrung als Vermieter kann ich hier sagen: Es gibt unglaublich viele Zuschriften von Leuten, denen der absichtsvolle Gentrifizierer voller Lust aus allen Knopflöchern trieft. Natürlich jammern alle über teure Mieten, aber wenn es dann darum geht, die beste Wohnung zu ergattern, werden Karrierepfauenräder geschlagen und Einkommensversprechen produziert, gegen die jeder CSU-Generalsekretär wie ein altdeutscher Kommerzienrat erscheint. Denn dieses Publikum hat überhaupt nichts gegen Gentrifizierung, ganz im Gegenteil: Das ist die Speerspitze der Entwicklung. Das sind die Typen, die ihren Urlaub finanzieren, indem sie die Wohnung zum Oktoberfest zu Höchstpreisen vermieten und am Wochenende auch, wenn sie an den Gardasee fahren. Und das ist auch die aufstrebende Schicht, die intuitiv versteht, dass sie hier nicht einen Makler bezahlt, sondern sich vom Real Estate Assistenten die ideale Comfort Zone für ihre Ziele massschneidern lässt. Das sind die Leute, die sagen werden: “Was? Zu einem ordinären Makler? Ach was, das kann man vergessen, was nichts kostet, ist nichts. Also wir haben da den Dr. Maximilian von Xxxxxx engagiert, der wurde uns von meinem Chef, dem Johnny empfohlen, und der Maxl hat uns in zwei Wochen die perfekte Solution für unsere Life Performance , he Ober wo bleibtn das Essen dallidalli also war ich also”
Die Vorstellung, man könnte die Gentrifizierung stoppen, indem man die Lasten neu verteilt, läuft am eigentlichen Kern der Gentrifizierung vorbei: Diejenigen, die das betreiben wollen, die keine Disco und keine Kita ertragen und keinen Lidl und keinen Clubmateengpass, wollen das ganze Viertel nach ihren Vorstellungen sozial säubern. Diese Säuberung vermitelt breiten, niederen Schichten das Gefühl, sie gehören dazu, egal ob sie jetzt 25 Euro Miete/m² bezahlen, oder 30 Jahre lang den Wohnungskredit abstottern, oder beim Afterwork drei Runden bezahlen. Sie schämen sich nicht für ihr Verhalten, die wollen nicht in Schlangen stehen, sondern geschmeidig daran vorbei kommen und die anderen auslachen. Was sie suchen, ist der kleine Vorteil, der sie vor die Konkurrenz setzt, und wenn das teuer ist – ist es immer noch billiger, als zu verlieren und im falschen Viertel bleiben zu müssen. Ein paar tausend Euro für das Recht, eine Wohnung mieten zu können, mögen teuer erscheinen, aber sie erscheinen günstig, wenn sie in die richtige Lebensplanung investiert werden. Und dass sie am Ende das Gefühl haben, es würde sich für sie rechnen, dafür sorgt schon die schlanke Assistentin vom Maxl, die nebenbei unabsichtlich fallen lässt, wer sonst noch ihre Dienste in Anspruch nimmt: Ganz wichtige Leute verkehren hier. Sie zahlen keine Maklerprovision, sie bekommen eine Rechnung, die beweist, dass sie oben angekommen sind. Erst gentrifizieren sie sich, und dann ihr Umfeld.
Ja, und ich könnte das genau so machen lassen. Mich in Kufstein mit den Gründern des Cafes darüber unterhalten, wie sie die Wandmalereien konserviert haben, mir ihre Kaffeerösterei vorführen lassen und sagen, hier, direkt neben dem Inn, könnte doch auch eine Radtour über Innsbruck, Landeck, Nauders, Zernez, St. Moritz, Silvaplana und Como zu alten Grandhotels beginnen. Ich mache mir keine Gedanken wegen einer Wohnung, ich überlasse es dem Mann der Karte, dafür den besten Preis und die gerissensten Performer der Aufsteigerklasse zu besorgen, und wenn dann irgendwer sagt, Mieten müssen leistbar sein – dann ist das nicht meine Sache, denn die wollen das so und können das auch.
Nur habe ich leider Vermieterblut in den Adern, ich liebe das, und es einem Makler überlassen, wäre in etwa so schäbig wie einen Himbeertopfenstrudel stehen lassen. Mal schauen, auf wie viele Topleister dann 1 angenehmen Menschen kommen werden. Ich werde dann aus diesem Best-Bestiarium berichten.
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