Das schöne am Internet ist, dass es uns auch mit Auffassungen und Sichtweisen in Berührung bringt, mit denen wir im normalen, analogen Dasein vielleicht nicht unbedingt konfrontiert wären. In den unendlichen Weiten des WWW lesen wir beispielsweise von Zeitgenossen, die ernste Zweifel daran äußern, dass die Mondlandung je stattgefunden hat. Andere sichten ständig schwarze Helikopter und empfehlen das Tragen von Stanniolhütchen, um sich vor den Gedankenkontroll-Strahlen der Geheimdienste zu schützen. Und auf den ersten Blick mutet es kaum weniger exotisch oder weit hergeholt an, was neuerdings in bestimmten netzaffinen Kreisen unter dem Stichwort Post-Privacy ventiliert wird: Nichts geringeres als das Ende der Privatsphäre, wie wir sie kennen, wird hier zur Positiv-Utopie oder zumindest zum erstrebenswerten Zustand umgedeutet. Die Post-Privatisten hoffen dabei salopp gesagt auf Effekte wie am FKK-Strand: Wenn jeder seine private parts zeigt und angestrengt so tut als wäre es das normalste von der Welt, vielleicht stellt sich dann tatsächlich so etwas wie Ungezwungenheit ein.
Offensichtlich ist jedenfalls: Das traditionelle Verständnis von Privatsphäre und Öffentlichkeit erodiert – und zwar schon seit längerem. Blogs, Twitter, Facebook und andere Internet-Schaukästen des Individuums schreiben nur einen Trend fort, den sich auch Reality-Shows wie “Big Brother”, die Nachmittag-Talkshows sowie die ganzen Casting- und Talentsuche-Formate im Fernsehen zunutze machen. Das Bedürfnis vieler Menschen, mehr von sich preiszugeben als es noch die Elterngeneration hinter ihrer Ado-Gardine mit der Goldkante tat, ist evident. Verschärfend kommt hinzu, dass das moderne Leben immer mehr auswertbare Datenspuren erzeugt, ob das unsere Einkäufe mit EC-Karte und Payback-Rabattprogramm sind oder im Extremfall das sogenannte Scoring-Verfahren der Schufa, bei dem die Kreditwürdigkeit von Kunden auch anhand von diversen externen Faktoren wie Wohngegend und dergleichen errechnet und bewertet wird. “Die gegenwärtige Daten-Explosion und Erosion des Privaten lässt sich als Bedrohung oder als Chance begreifen”, sagt Christian Heller, einer der radikalsten Post-Privacy-Propheten. Und er plädiert ganz klar für Chance. Nach dem Motto: Die Daten sind nun mal da draußen, und wir kriegen sie auch genauso wenig aus der Welt wie sich Zahnpasta zurück in die Tube zwängen lässt. Treten wir das ganze Konzept von Privatheit und Datenschutz doch am besten gleich in die Tonne – und andere Schutzrechte wie Urheberrechte und was den freien Datenfluss sonst noch hemmt gleich mit.
Aber wie soll denn die totale und offensive Offenheit des Individuums in eine bessere Gesellschaft führen? Die 68er mit ihrer Parole „das Private ist politisch” haben die Richtung vorgegeben: Öffentliche Bekenntnisse wie „Wir haben abgetrieben” oder das Coming-Out vieler Homosexueller aus der Heimlichkeit trugen sicher dazu bei, das muffige gesellschaftliche Klima der Nachkriegszeit zu verändern in Richtung mehr Toleranz und Laissez-faire. Der US-Internetguru Jeff Jarvis wird auch nicht müde zu betonen, welch positives und aufbauendes Echo sein offensiver Umgang mit einer Krebserkrankung an seinen, ähem, private parts zeitigte. Aber muss man deswegen gleich so weit gehen, aus der Preisgabe privater und intimer Sachverhalte eine neue Ethik zu stricken, nach der das Zurückhalten privater Daten eine Form von Egoismus sei, wie es Michael Seemann (einst auch Blogger im Dienste dieser Zeitung) in seinem Vortrag „Das radikale Recht des anderen” postuliert? Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, wie es das Bundesverfassungsgericht in seinem wegweisenden Urteil zur Volkszählung formuliert hat, ist so eine Ethik jedenfalls wenig bis gar nicht vereinbar. Auf die Spitze getrieben ließe sich so ein kategorischer Imperativ auch dahingehend ausweiten, dass meine Frau und ich Millionen potenziell interessierter Zugucker über 18 Jahren um ihren legitimen Lustgewinn bringen, wenn wir den körperlichen Vollzug unserer Ehe auch künftig nicht vor einer laufenden Webcam zelebrieren.
Das scheint weit hergeholt – und so wäre das ja gar nicht gemeint gewesen? Mag sein, aber wer könnte garantieren, dass ein sozialer Druck zu immer weiter gehendem Datenstriptease vorher zum Erliegen kommt? Warum dann nicht auch gleich prophylaktische Massengentests ohne Anfangsverdacht und mit der vagen Aussicht, dass jemand in ferner Zukunft aus dieser Datenbasis vielleicht ein wirksames Mittel gegen Krebs destilliert? Und wo sollte das vermeintliche Recht des anderen denn dann enden, wenn eine Kontrolle meiner Daten durch mich selber nicht mehr erwünscht und auch technisch kaum noch machbar ist? Das Problem, das ich (und sicher nicht ich alleine) mit dieser Utopie der Post-Privacy habe, ist, dass sie erhebliches Risiko in sich birgt, die Gesellschaft in einen zwangsbasierten Dotcommunismus zu transferieren, in dem der einzelne gar nicht mehr gefragt wird und der Druck, sich komplett konform zu verhalten, enorm ansteigt. Wenn im Zuge der Debatte um Google-Street-View selbsternannte Aktivisten nicht nur daran gehen, verpixelte Hausfassaden abzulichten uns ins Netz zu stellen, sondern auch schon Eier gegen Hauswände werfen, die bei Googles Gassenglotze nicht zu sehen sind, dann erinnert das schon fatal an die FDJ- und Jungpionier-Pimpfe, die DDR-Bürgern kurz nach dem Mauerbau aufs Dach stiegen und die auf Westsender ausgerichteten Antennen kappten.
Mag sein, dass die Vertreter dieser Ideen den Konformitätsdruck nicht sehen, den totale Transparenz erzeugt, aber das heißt nicht, dass er keine Bedrohung darstellt. Zu der ZDF-Sendereihe „Datenschatten” aus dem Orwell-Jahr 1984 gab es auch ein Begleitbuch, und auf dessen Cover mahnt uns folgender Umschlagstext:
Stell Dir vor, Du müsstest Dich in Deinem Privatleben so bewegen wie in einem Betrieb mit einem funktionierenden Zugangskontrollsystem, mit maschinenlesbaren Werksausweisen, und es würde ständig gespeichert, durch welche Tür Du gehst, wie lange Du Dich aufgehalten hast – selbst wenn nie etwas Unrechtmäßiges mit diesen Daten getan wird, allein das Bewusstsein, dass Du Dich nicht mehr frei bewegen kannst, das Wissen darum, dass das alles festgehalten wird über sehr lange Zeiträume, wirkt sich verheerend aus auf das Minimum an Persönlichkeit aus, das Du noch hast.”
Sicher – die Möglichkeit, dass ein gutes Vierteljahrhundert später ein Häufchen von Netzradikalisten den Exhibitionismus auf die Spitze treiben könnte und sich dabei als Avantgarde fühlt, hat man seinerzeit nicht voraussehen können. Und noch weniger, dass die Betroffenen diesen zunehmenden Mangel an kohärenter Persönlichkeit auch noch gleich mit dem nächsten trendigen Buzzword adeln – der sogenannten Post-Identity. Aber dazu kommen wir später.
Links:
https://blog.zdf.de/hyperland/2010/11/postprivacy-verlust-der-privat.html
https://www.ennomane.de/2010/11/28/postprivacy-my-ass-von-der-utopie-des-perfekten-filters/
———————————————- o ————————————————
Unser Gast des Monats nennt sich nach dem Kennzeichen seines Darkmobils
MARK793, betreibt unter https://mark793.blogger.de seine Netzpräsenz
und schreibt dort nicht nur über störenden Netzunbill,
sondern auch über Familie, Fahrrähder,
und als Medienjournalist
auch woanders.
Klingt'n bisschen nach dem...
Klingt’n bisschen nach dem Don. Fotos dito. Was ja nicht das schlechteste ist.
Die Bilder sind in der Tat...
Die Bilder sind in der Tat eine freundliche Leihgabe aus dem reichhaltigen Fundus des Don. Um im Text aber nicht zu verwechselbar zu werden, habe ich bestimmte dönerhaltige Wortfelder rund um den Berliner Reichshauptslum weiträumig vermieden. Ich mache auch weniger Tippfehler, unterschlage dafür aber manchmal ganze Wörter. ;-)
Den Menschen als ethische...
Den Menschen als ethische Forderung das aufzuerlegen, was sie nicht wollen (z.B.: ihre Privatsphäre aufzugeben), verdient kritische Prüfung. In dem Satz kommen wir sicher erstmal zueinander.
Eine solche ethische Forderung muss man aber, denke ich, scheiden von der beobachtbaren Wirklichkeit: Die Privatsphäre der Menschen erodiert, ob sie das wollen oder nicht. Dadurch entstehen neue Anforderungen an die Lebensführung. Die Frage, wie ich ein gutes Leben führen kann, braucht neue Lösungsansätze. Kurzum: eine neue Ethik.
Für die Entwicklung einer solchen Ethik muss ich mich zuerst umschauen, wo für ein gutes Leben Probleme entstehen und wie sie gelöst werden können — und, auf welchen Grundlagen das passiert. Was sind die Vorteile der Privatsphäre, die verloren gehen, und was sind ihre Nachteile, von denen man befreit würde? Was sind die Gefahren einer Post-Privacy, die auf uns zu kommt, und was sind ihre Chancen? Dass auf beiden Seiten Lobenswertes wie Bedauerliches aufzufinden sei, halte ich (ohne erstmal eine Aussage über die Gewichtung zu treffen) auch noch für ziemlich konsensfähig.
Für eine Ethik unter Bedingungen der Post-Privacy muss ich aus dieser Analyse dann eine Strategie entwickeln, um das Gute zu stärken und das Schlechte zu schwächen. Wenn wir annehmen, dass Privatsphäre auf dem absteigenden Ast ist und eine Post-Privacy auf dem ansteigenden, dann bietet es sich vor allem an, die wahrgenommenen Vorteile der Post-Privacy stark zu machen gegen ihre Nachteile. Und das geht, denke ich, nicht, ohne positive Entwürfe eines Post-Privacy-Lebens zu entwickeln, experimentell zu erforschen, zu propagieren und vorzuleben; negative kennen wir ja schon zur Genüge, und unter dem Stichwort “1984” lassen sie sich gut summieren.
Die spannendere Frage ist sicherlich, wie eine solche Ethik mit der zwar (zumindest nach Behauptung dieses Arguments) absteigenden, aber nicht von heut auf morgen völlig verschwundenen Privatsphäre umgeht: Soll sie auf sie eintreten, sie zum Feind erklären? Soll sie sie als noblen Ritter respektieren, auch wenn sein Kampf verloren ist? Soll sie sie so lange schützen wie möglich? Hierauf gibt es, selbst in der Post-Privacy-Front, in die ich eingeordnet werde, sicherlich verschiedene Antworten, und auch oft Fall-abhängig; ihre Findung erfordert viel analytische, empirische und experimentelle Arbeit. Und hier mag es auch Fälle geben, wo der Schutz von Privatsphäre sich mit der Stärkung einer positiven Post-Privacy beißt, vielleicht sogar einer negativen Post-Privacy zuarbeitet — zum Beispiel, wo Datenschutz die Starken mehr schützt als die Schwachen, was unter allgemeinen Post-Privacy-Trends aufs Bentham’sche Panoptikon zulaufen mag.
Zuallerletzt kann es natürlich auch sein, dass eine Analyse von Privatsphäre und Post-Privacy zum Schluss gelangt, dass ersterer letztere in jedem Fall vorzuziehen sei; und dass folglich, selbst wenn der Wechsel von ersterer zu letzterer nicht unvermeidlich wäre, eben diesem trotzdem zugearbeitet werden müsse. Das wäre, denke ich, die radikalste Post-Privacy-Position. Sie würde einen ethischen Imperativ legitimieren, Menschen gegen ihren Willen Post-Privacy aufzuzwingen. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass diese Position im derzeitigen Diskurs ausschließlich und ausdauernd von überhaupt irgendeinem Teilnehmer vertreten wurde. Was nicht heißt, dass sie falsch sein muss; aber, wie gesagt, jede Ethik, die Menschen etwas gegen ihren Willen oder ihr Können als Forderung auferlegt, verdient einen besonders kritischen Blick.
Wenn es der gemeinsamen Ideen- und Situations-Verständnis-Entwicklung hilft, bin ich aber gern bereit, auch immer mal wieder diese Extrem-Position zu vertreten.
Post-Privacy wird es schlicht...
Post-Privacy wird es schlicht nicht geben, den veränderten Rahmenbedingungen vermehrter Datenflüsse aus der Privatsphäre des einzelnen zum Trotz. Es gibt kein autonomes Individuum ohne Privatsphäre, es gibt keine Gesellschaft ohne autonomes Individuum und es gibt ein menschliches Grundbedürfnis nach einer Privatsphäre. Wie albern die Propagierung einer Post-Privacy als gesellschaftliches Heilmittel ist, machen alleine drei Indizien ziemlich deutlich:
1) Die Big Brother Kultur des Fernsehens war und bleibt erkennbar ein Unterschichtphänomen
2) Das Recht auf Anonymität im Netz hat für die grosse Mehrheit von Netz-Vielnutzern den Rang eines religiösen Dogmas
3) Das Ausmaß der leichtfertigen Preisgabe persönlicher Lebensumstände steht in einem umgekehrt-reziproken Verhältnis zum Ausmaß von Einfluss/Macht, über die eine Person verfügt: Je mehr Macht, umso weniger (unkontrolliertes) öffentliches Privatleben
Mit einem Blick auf die Qualität des politischen Personals in westlichen Demokratien ist im übrigen auch der Schluss zulässig, das gerade das Eindringen von Medien in Kernbereiche privaten Lebens mit dazu beigetragen hat, dass Menschen mit der Befähigung und Perpektive zu Machtausübung die Politik meiden wie der Teufel das Weihwasser.
All diese Indizien bedeuten eines – die Eliten und die potentiellen Eliten der Welt haben ein massives Interesse an einem Erhalt von Privatsphäre. Vollkommen egal, ob dabei auch Motive minderer Qualität eine Rolle spielen, lässt es darauf schliessen, dass die Preisgabe der Privatsphäre sich auf Menschen beschränkt, an denen das öffentliche Interesse ohnehin nur mässig ausgeprägt ist. Und die (wenigen) Propagandisten einer Post-Privacy-Welt sie vielleicht genau deshalb propagieren.
Ganz persönlich hätte ich kein Problem damit, gegen eine wie auch immer geartete Zwangsauflösung von Privatheit mit der Waffe in der Hand vorzugehen. Mir ist es nämlich egal, ob eine totalitäre 1984er Gesellschaft durch einen Staat oder durch eine gehirnlose Internetkommune hervorgebracht wird, das “totalitär” reicht mir. Nur wird das gar nicht notwendig sein. In jeder Generation gab es neue Herausforderungen für die Privatsphäre von Menschen. Das hat zu je anderen Anpassungen geführt, niemals aber zum auch nur annähernden Verschwinden von Privatleben. Das ist nur der feuchte Traum von Menschen, die ihren Voyeurismus zum gesellschaftlichen Projekt hochjazzen.
Wo ist der "I like" Button?...
Wo ist der “I like” Button? Muß mal fragen, ob wir sowas auch bekommen können hier.
@ThorHa: Interessanter Punkt,...
@ThorHa: Interessanter Punkt, die Bereitschaft zum öffentlichen Hosenrunterlassen mal mit dem Sozialstatus zu korrelieren. Im Übrigen vermute ich aber auch, dass der gesamtgesellschaftliche Trend nicht unbedingt linear weitergeht in Richtung Vollstriptease. Man sagt ja, jeder Trend gebiert seinen Gegentrend, und davon haben wir etwa beim Unkenntlichmachen von Hausfassaden (so irrational man das vielleicht auch finden mag) gerade mal den Anfang gesehen.
Post-Privacy? Ein Leben ohne...
Post-Privacy? Ein Leben ohne Privatsphäre? Seit der Mensch sprechen kann, ist seine Privatsphäre gefährdet. Welche Grenzen man zieht, entscheidet jeder Mensch für sich. Andere haben darüber grundsätzlich überhaupt nichts zu bestimmen. Die Forderung nach Aufgabe der Privatsphäre ist daher anmaßendes Geschwätz von Leuten, denen die Bedeutung der Privatsphäre, des persönlichen Geheimnisses, für das friedliche Zusammenleben der Menschen offenbar nicht einmal ansatzweise bekannt sind. So wie ein Mensch durch den vollständigen Entzug sozialer Kontakte lebensunfähig wird,würde er es durch den vollständigen Verlust der Privatsphäre auch. Ohne Privatsphäre verliert der Mensch seine Autonomie, seine Würde. Die Dotcomsomolzen sind Etikettenschwindler, Was sie als neue Freiheit verkaufen, ist neue Unfreiheit.
Wie in der JIM-Studie...
Wie in der JIM-Studie dargestellt geben Kindern und Jugendliche mittlerweile nicht nur von sich aus weniger Daten preis, sie entwickeln regelrechte Strategien zur Steuerung ihres “Online-Profils” und zum Umgang mit persönlichen Daten. Danah Boyd beschreibt zwei Beispiele in “Risk Reduction Strategies on Facebook”.
https://www.zephoria.org/thoughts/archives/2010/11/08/risk-reduction-strategies-on-facebook.html
@Mme. Violandra: Ups, dann...
@Mme. Violandra: Ups, dann habe ich ja da unten eine Linkdoublette produziert. Mir schien der Hinweis auch wichtig, dass junge Leute inzwischen etwas bewusster mit diesen Möglichkeiten umgehen, sich zu produzieren.
@elbsegler: Meine Rede. Die Freiheit bringt es meines Erachtens nur solange man auch die Chance hat zu sagen, I would prefer not to…
Ich befürchte, dieser Artikel...
Ich befürchte, dieser Artikel bellt einen Strohmann an. Niemand in der deutschen Debatte – auch nicht die gern gescholtenen Döner-Esser – hat je vorgeschlagen, alle privaten Daten offenzulegen. Es geht vielmehr um die Anwendung der Hacker-Ethik: “Private Daten schützen – öffentliche Daten nützen.”
Und die notwendige Diskussion darum, wo man die Grenze zwischen privaten (schützenswerten) und öffentlichen (möglichst frei nutzbar zu machenden) Daten zieht.
@Christian Heller: Danke für...
@Christian Heller: Danke für das ausführliche Feedback. Ich denke, wenn man allgemeingültige ethische Implikationen aus dem veränderten Stellenwert der Privatsphäre ableiten will, muss man schon ein wenig differenzieren, wieviel von dem pauschal beobachtbaren Kontrollverlust freiwillige Abgabe von Kontrolle durch den Einzelnen ist und wieviel davon extern (gesellschaftlich. rechtlich, wirtschaftlich, etc.) bedingt ist. Auch wenn diese beiden Ströme letztlich irgendwo zusammenfließen in einen Megatrend halte ich es doch für reichlich verwegen zu schlussfolgern, nur weil die Individuen heute in Summe etwas mehr von sich preisgeben als vor dreißig Jahren wäre das Grund genug, alle Datendämme einzureißen – und damit auch der ungebremsten wirtschaftlichen Ausbeutung dieser Datensätze (möglicherweise auch gegen die Interessen des Individuums) keine Schranken mehr aufzuerlegen. Das ist es zum Teil, was mich an dem (an sich ja nicht uneleganten) Denkmodell des “Anderen” stört, dass es so tut, als wären die Erkenntnisinteressen eines ebenfalls an einer bestimmten Krankheit leidenden Mitmenschen nicht besser und nicht schlechter als die Profitinteressen irgendwelcher Datenkraken, denen es weniger um unser Wohl geht als um das ihrer Anteilseigner. Und das andere, was mir aufstößt: Wenn die Interessen der Datenbank und der größtmöglichen Abfragbarkeit als höheres Gut bewertet werden als das Wohlbefinden der Menschen, mit deren persönlichen Dazen die Maschinerie gefüttert wird.
.
Ansonsten ist es natürlich Ihr gutes Recht, um der gemeinsamen Ideen- und Situations-Verständnis-Entwicklung willen auch mal Extrem-Positionen zu vertreten. Aber ich verhehle nicht, dass ich es als Rezipient solcher Traktate bisweilen ziemlich mühselig finde, eine stringente Meinung dazu zu bilden, wenn ich mich (wie manchmal auch bei unseren Nachwuchs-Nietzsche und seinem kurz gesprungenen Versuch einer Umwertung aller Werte) fragen muss, meint der das wirklich ernst?
@Isidorus: Wenn das auch bei...
@Isidorus: Wenn das auch bei den genannten Vorturnern Konsens wäre mit dem “Private Daten schützen”, dann wäre die Diskussion um Post-Privacy (und der Begriff als solcher auch) doch total witzlos, oder?
.
Mag sein, dass von “alle Daten” tatsächlich nicht die Rede gewesen ist, aber was ich gelesen habe, blieb z.T. nur wenig unterhalb dieser Maximalforderung. Aufgrund anderer Verpflichtungen bin ich grad nicht in der Lage, Ihnen die entsprechenden Textstellen rauszusuchen, aber sinngemäß hieß es da unter anderem, selbst die Information über eine Erkrankung dürfte man gemäß der neuen Ethik nicht mehr zurücjkhalten, weil die Information dereinst vielleicht helfen könnte, ein Mittel gegen Krebs zu finden.
.
Für den Fall, dass auch das nicht so gemeint war und nur ein rhetorisches Mittel, um der notwendigen Diskussion auf die Sprünge zu helfen, dann muss ich sagen, dass mich solche “Man wird ja wohl noch sagen dürfen…”-Spielchen oder und “das ist als Kunstaktion zu verstehen, um die saturierten Spießer aufzurütteln…” allmählich ermüden.
"post privacy" ist ein...
“post privacy” ist ein albernes Schlagwort. In der libertarian Szene der USA gibt es tatsächlich Aussagen bezüglich der Abschaffung jeder Privatsphäre. Auf deutsch habe ich das noch von niemandem gehört. Auch Michael Seemann will seine (, deine oder meine) Krankenakte nicht veröffentlicht sehen.
Die wirklich stattfindende Debatte dreht sich darum, was jeder einzelne von sich ohnehin offenlegt, was er freiwillig veröffentlicht und was Dritte damit machen können und dürfen sollen. Und darin stecken genug echte Streitpunkte, so dass man nicht durch hemmungslose Übertreibung die Positionen verfälschen sollte.
Begehrlichkeiten in Richtung...
Begehrlichkeiten in Richtung Krankenakte, werter Isodorus, habe ich Herrn Seemann auch nicht untergejubelt, aber seine Forderung, auch Krankheiten und ähnliches zu kommunizieren, steht nun mal im Raum. Ebenso der Umkehrschluss, dass das Zurückhalten solcher Informationen einen Angriff auf die Filtersouveränität des anderen darstelle.
.
Irgendwelches Bemühen, private Daten zu schützen, kann ich aus den Einlassungen dieses Zeitgenossen beim besten Willen nicht herauslesen. Stattdessen wird Privatheit von ihm insgesamt als der Hort der Intoleranz desavouiert und zum Repressionsinstrument der Mächtigen uminterpretiert. Und es ist ja nicht so, als würden die Apologeten der Post-Privacy sich mit Übertreibungen vornehm zurückhalten. Christian Heller macht (s.o.) keinen Hehl daraus, dass es für ihn opportun sein kann, Extrempositionen zu vertreten. Das ist auch völlig okay. Nur nehme ich das Recht, Sachverhalte etwas zuzuspitzen, halt auch für mich in Anspruch.
@Der hochverehrte Gast:
Die...
@Der hochverehrte Gast:
Die Korrelation mit dem Sozialstatus liegt nahe, weil es sich bei anderen Themen ähnlich verhält: Die Forderung nach “Hoserunterlassen” kommt z.B. auch in der Debatte um Cablegate nach meiner Beobachtung von den Machtlosen bzw. den sich als machtlos, ohnmächtig empfindenden. Deshalb auch der häufige, rachsüchtig-kleinkarierte Unterton vieler Wikileaks-Befürworter: Jetzt zeigen wir es den Mächtigen mal so richtig. Weshalb ich diesem Teil der Debatte um Datenschutz und Datennutzung auch einen schnellen und schmerzlosen Tod voraussage – so viele Dumme, wie man für eine hemmungslose Abschaffung der Privatsphäre bräuchte, gibt es denn doch nicht.
Wollten wir nicht alle das...
Wollten wir nicht alle das “globale” Dorf. Und gehört es im Dorf nicht dazu, daß man das eine oder andere aus dem privaten Umfeld des Nachbars kennt ? Es ist wohl wie immer: Die Balance machts…
ThorHa, meine Vermutung geht...
ThorHa, meine Vermutung geht ebenfalls in Richtung Ihres letzten Halbsatzes.
Die sollen mal kommen, die Netz-FKKler; deren hohle Birnen wasche ich dann gern im Schnelldurchlauf vor Gericht.
Danke für die Antwort,...
Danke für die Antwort, Hochverehrter Gast!
Was die argumentative Opportunität betrifft: Ich halte es für den Diskurs wenig ergiebig, sich auf etwas Anderes zu werfen als die Qualität vorgebrachter Argumente. Ob derjenige, der Thesen vorbringt, mit tiefstem Herzen an sie glaubt, scheint mir ein unergiebiger Maßstab zu ihrer Bewertung. Ich erwarte auch von einem Wissenschaftler nicht, dass er einen tiefen mystischen Glauben an seine Thesen hat, sondern eher, dass er sie der Diskussion und Widerlegbarkeit stellt — und stets für die Möglichkeit offen ist, sie könnten falsch sein. Dass immer mal wieder Thesen vorgebracht werden, die unsinnig klingen, halte ich für gut und notwendig: Trial and Error.
Was mir an den übrigen Kommentaren auffällt: Mit welcher Beharrlichkeit eine bestimmte Vorstellung von Privatsphäre und Datenschutz als anthropologische Konstante behauptet wird: “in jeder Generation”, “seit der Mensch sprechen kann”, “durch den vollständigen Verlust der Privatsphäre würde” der Mensch “lebensunfähig”. Die Geschichte des modernen Menschen dauert nun schon so einige Jahrtausende und umfasst auch nicht nur unseren Kulturkreis. Wo sind die anschlussfähigen Datenschutzdiskurse der Renaissance (Don Alphonso findet sicher ein paar gute Zitate!), des Mittelalters, der Antike (aus der der Begriffe des “Privaten” ja kommt), der Urvölker?
Die modernen Datenschutzdiskurse scheinen so richtig jedenfalls erst in der jüngeren bürgerlichen Gesellschaft zu reifen, unterm Druck der Massenmedien im 19. Jahrhundert. (Die “Stanford Encyclopedia of Philosophy” verweist z.B. als Beginn auf “The Right of Privacy” (Warren, Brandeis 1890).) Das weist meines Erachtens darauf hin, dass es weniger um einen ewig-natürlichen Kampf des Menschen geht, als um ein Schutzrecht, das in einer sich informationstechnologisch verändernden Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt als Bewältigungs-Strategie dem ja schon immer sehr anpassungsfähigen Menschen naheliegend und machbar schien. So leicht sich verändernde Bedingungen den Datenschutz hoch hoben, können sie ihn dann aber auch wieder fallen lassen.
Und dass sich derzeit die informationstechnologischen Bedingungen so radikal verändern, dass der Sockel des Datenschutzes ins Wackeln gerät, scheint mir nicht von der Hand zu weisen. Da mag noch so viel gepredigt werden, dass ein anderes Leben als jenes, welches das Bundesverfassungsgericht uns mit dem “informationellen Selbstbestimmungsrecht” zusichert, nicht duldbar sei: Die Wirklichkeit ist erfahrungsgemäß der größte Übertreter menschgemachter Gesetze, den es je gab. Und auch, dass es Gegenbewegungen gibt, reicht mir nicht als Gegenbeweis: Die von Violandra verlinkte jugendliche Strategie des Facebook-Superlogoff ist ein kühler Hack, und natürlich stürzt sich nicht gleich jeder willig in den völligen Daten-Exhibitionismus. Aber wenn wir die Weite der über die Menschen zirkulierenden Datenmenge an einem Zeitstrahl messen, von was wenn nicht von einem exponentiellen Anstieg lässt sich dann im Informationszeitalter sprechen? Kein neues Datenschutzgesetz und kein massenhaftes Gelöbnis zum Facebook-Boykott konnte in dieser Kurve bisher auch nur eine Delle erzeugen.
@R.M. Richtig, der Mix machts....
@R.M. Richtig, der Mix machts. Eine der zivilisatorischen Errungenschaften der Urbanisierung ist ja auch das Ausblenden-Können. Man kann abends den gegenüber wohnenden Leuten ins Fenster gucken, tut es aber tunlichst nicht.
.
@ThorHa: Jein. So viele Follower (“Folgt der Sandale” – “Nein, folgt der Flasche. Er hat sie uns als Zeichen gegeben.”) werden den Weg zur weitgehenden Selbstentblößung wahrscheinlich nicht mitgehen. Aber ich vermute, dass die Debatte uns noch eine ganze Weile beschäftigen wird. Muss gleich weg und kann Ihnen den Link nicht mehr raussuchen, aber suchen Sie mal nach dem zweiten Dummy des ZDF-Formats “Übermorgen” aus der Mache von Mario Sixtus. Es ist fiktiv, zeigt aber eine Richtung auf, aus der noch einiges kommen wird.
Ein paar praktische...
Ein paar praktische Erfahrungen zum Thema: ich hatte mal vor 20 Jahren eine Firma angemeldet. Bis heute – und trotz des Werbeverbots per Telefon – erhalte ich regelmäßig kurz nach zwölf Uhr, wenn “der Chef Mittag macht”, Anrufe von Anlageberatern, Versicherungsagenten und ähnlichem Pack, die den Firmenleiter zu sprechen wünschen, um ihm ihre Avancen zu machen. Über zugemüllte E-mail-Accounts, die man leider trotzdem durchforsten muß, um die Tariferhöhungen günstiger Strom- und Versicherungsanbieter mitzubekommen und rechtzeitig wieder zu kündigen, brauche ich wahrscheinlich kein Wort zu verlieren. Nach Streetview kommt wahrscheinlich die Werbelawine der Fensterbauer, Anbieter von Solaranlagen und Vollwärmeschutz, vor allem dann, wenn sich die Häuser mit zugehörigem Adressenmaterial problemlos kombinieren lassen. – Gut, wer spielen will, den soll man spielen lassen. Es bleibt sein Problem, wenn der Personaler eines Unternehmens die Networks filzt und nach Anblick des besoffenen Kandidaten einem anderen den Vorzug gibt…Bleibt die Schwierigkeit, daß einmal ins Netz gestellte Informationen kaum mehr zu entfernen sind, selbst wenn man ein wirklich legitimes Interesse daran
nachweisen kann…
Sylvia Stöbe
Privatheit -...
Sylvia Stöbe
Privatheit – Privater Raum? Über den Wandel vom psychischen zum räumlichen Rückzug und seine Auswirkungen auf die Grundrißgestaltung der Wohnung Inaugural Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktor-Ingenieurs (Dr. Ing.) des Fachbereiches Architektur der Gesamthochschule ( GHK ) Kassel Universität des Landes Hessen
@Christian Heller
"Aber wenn...
@Christian Heller
“Aber wenn wir die Weite der über die Menschen zirkulierenden Datenmenge an einem Zeitstrahl messen, von was wenn nicht von einem exponentiellen Anstieg lässt sich dann im Informationszeitalter sprechen?”
Zwei Einwände:
1) Die reine Datenmenge sagt erst einmal nichts über die Schwere des Einbruchs in Bereiche aus, die man gemeinhin unter “Privatsphäre” fasst
2) Es gibt längst existierende Ausweich- und Schutzmechanismen. Sie reichen von weitgehender Netzabstinenz über die Benutzung von Bargeld beim Einkauf hin zur konsequenten Nichtnutzung von Versandhändlern. Das alles mag ja noch nicht massenhaft auftreten (die konsequente Nichtnutzung sozialer Netzwerke als mögliche Ausnahme), aber möglich sind sie schon. Meine Vermutung ist, dass sie genutzt werden, wenn aus den (noch) potentiellen Privatsphäreneinbrüchen tatsächliche werden. Denn es macht schon einen Unterschied, ob es potentiell möglich ist, aus der Handy- und Kreditkartennutzung Bewegungsprofile zu erstellen, oder ob das real und ohne Zustimmung des Benutzers gemacht wird. Ich gehe auch nicht davon aus, dass man den Zustand wiederherstellen kann, der vor der explosionsartigen Ausbreitung neuer technicher Möglichkeiten herrschte. Sehr wohl aber davon, dass Mittel und Wege gefunden werden, dem einzelnen die Kontrolle über seine Exhibitionismusgeneigtheit zu erhalten.
Zu Ihrem anthropologischen Einwand:
Die Menschheitsgeschichte kann ohne grosses Verbiegen auch gelesen werden als den fortdauernden Versuch des Individuums, die grösstmögliche Kontrolle über sein eigenes Leben und dessen Umstände zu gewinnen. Gegen Autoritäten, gegen die Natur, gegen wohlstandsverhindernde wirtschaftliche Systeme. Es ist deshalb vollkommen unplausibel, dass die Menschen diesen jahrtausendealten Kampf plötzlich nur deshalb aufgeben, weil ihnen Heilsbringer das Paradies bei Hoseherunterlassen versprechen. Und jeder Datennutzungs- und weitergabeskandal (es werden täglich mehr) trägt das seine dazu bei, die völlig unterentwickelte Gefahrenwahrnehmung der Menschen zu erhöhen. Die Folge dieser erhöhten Gefahrenwahrnehmung wird kaum sein, das Hoseherunterlassen zur gesellschaftlichen Norm zu machen. Dafür nämlich überwiegen dessen Gefahren den potentiellen Nutzen um Grössenordnungen. Weshalb ich mir zur Zeit den grösstmöglichen, öffentlich bekanntwerdenden Missbrauch von Daten durch Behörden, Individuen und Unternehmen geradezu herbeiwünsche :-).
@Christian Heller
"Die...
@Christian Heller
“Die modernen Datenschutzdiskurse scheinen so richtig jedenfalls erst in der jüngeren bürgerlichen Gesellschaft zu reifen, unterm Druck der Massenmedien im 19. Jahrhundert. (Die “Stanford Encyclopedia of Philosophy” verweist z.B. als Beginn auf “The Right of Privacy” (Warren, Brandeis 1890).) Das weist meines Erachtens darauf hin, dass es weniger um einen ewig-natürlichen Kampf des Menschen geht, als um ein Schutzrecht, das in einer sich informationstechnologisch verändernden Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt als Bewältigungs-Strategie dem ja schon immer sehr anpassungsfähigen Menschen naheliegend und machbar schien.”
Von Wissenschaftlern sollte erwartet werden können, dass sie sich erst mit dem Inhalt der Quellen auseinandersetzen, bevor sie Kommentare dazu abgeben. “The Right of Privacy” knüpfte zwar an den Umgang der Massenmedien mit der Privatsphäre an, als das eigentliche Problem wurde aber die Entwicklung der Technik, namentlich der Photographie, identifiziert, mit der die traditionellen Möglichkeiten des Bürgertums, ihre Privatsphäre zu schützen (Tür schließen, Gardinen zuziehen, Hecke wachsen lassen), zur Untauglichkeit verdammt wurden.
Der Privatsphärendiskurs, in der sich diejenigen rechtfertigen müssen, die in die Privatsphäre anderer eingreifen, entstand auch keineswegs erst im 19. Jahrhundert. Bereits 1215, auf dem IV. Laterankonzil, als die Kurie den Gläubigen die Pflicht zur Beichte auferlegte, musste zum Schutz der Privatsphäre der Inhalt der Beichte zum Geheimnis erklärt werden, über das absolute Verschwiegenheit zu wahren sei. Oder noch früher: Bereits der Hippokratische Eid (der zumindest Hippokrates zugeschrieben wird) enthielt im vierten Jahrhundert vor unserer Zeit eine Verschwiegenheitsverpflichtung des Arztes über alle Tatsachen, die ihm bei der Behandlung des Patienten bekannt werden. Im Sinne eines Funktionsschutzes dient die Verschwiegenheitspflicht des Arztes “nur” der Sicherstellung, dass dem Arzt alle medizinisch relevanten Informationen über den Patienten bekannt werden, damit er diesen ordentlich behandeln kann (wenn der Patient sich nicht darauf verlassen könnte, dass der Arzt schweigt, lügt er vielleicht über die Krankheit, deren Herkunft und sonstige Umstände und erschwert damit die ärztliche Heilbehandlung oder macht sie gar unmöglich). Andererseits kann eine solche Verschwiegenheitsverpflichtung natürlich nur dann gesellschaftlich durchgesetzt werden, wenn es in großen Teilen der Gesellschaft ein Interesse an der Wahrung der Privatsphäre gibt. Insofern spricht alles dafür, dass die Privatsphäre keine “neumodische” Erfindung ist.
Könnten wir nicht das...
Könnten wir nicht das vorbildliche schwedische Modell begrenzter Privatheit übernehmen ? Allgemeine Transparenz, öffentlich einsehbare Steuererklärungen, Geschlechtsverkehr erst nach schriftlichem Vertrag mit genauer Festlegung, was geht und was nicht. Und über allem wacht ein guter König, moralisch perfekt vorbildlich.
@loco: "Big Points", um es im...
@loco: “Big Points”, um es im Slang der Sportreporter zu sagen. Ich glaube dennoch, dass man sich darauf verständigen kann, dass das Verständnis von Privatheit im Lauf der Menschheitsgeschichte ein paar Wandlungen durchgemacht haben dürfte und in ihrer heutigen Ausprägung keine anthropologische Grundkonstante repräsentiert. Ferner scheint mir einigermaßen unstrittig, dass gesellschaftliche Veränderungen und technologische Entwicklungen dazu beitragen, unser Verständnis von Privatsphäre und Öffentlichkeit neu auszutarieren.
.
Daraus ergeben sich Fragen wie z.B.: Wie weit wollen wir die Hosen runterlassen und wo endet die sogenannte “comfort zone”? Erfodern die neuen Verhältnisse eine neue Ethik, und wenn ja, welche?
@Der hochverehrte Gast:...
@Der hochverehrte Gast: Natürlich. Sowohl in ihrem Umfang als auch in der Form, in der sie ausgelebt wird, ist die Privatsphäre genauso veränderbar wie andere gesellschaftliche Moral- oder Wertvorstellungen.
.
Ich würde mich nur dagegen wehren, die Privatsphäre insgesamt als “überlebt” anzusehen und ihr Ende auszurufen. Das scheint ein bisschen voreilig, vor allem aber unbegründet. Francis Fukuyama möchte heute bestimmt auch nicht mehr so gern daran erinnert werden, dass er vor knapp 20 Jahren das “Ende der Geschichte” gesehen haben wollte.
@loco: In der Tat, und damit...
@loco: In der Tat, und damit kriege ich vielleicht auch noch die Kurve zu dem Einwand von @plomlompom/lChristian Heller: Wenn man unter dem Blickwinkel von Hypothesenbildung, Falsifizierbarkeit und dergleichen herangeht, ist Ihr Einwand sicher stichhaltig, dass der Glaube des Betreffenden an seine Thesen für die Beurteilung eigentlich recht nachrangig ist. Ich bin indes kein Naturwissenschaftler, sondern Blogger/Journalist – und da spielen Fragestellungen, wer mir da seine Thesen mit welchen denkbaren meta- und subtextlichen Hintergedanken und Eigeninteressen an die Tür nagelt, halt doch mit hinein. Und die Frage, glaubt der Betreffende das denn selber, was er da verkündet, hängt für mich da schon mit dran.
.
Ich ackere auch lange genug auf den Medienfeldern, um zu wissen, dass plakative Thesen und der Verzicht auf relativierende und abwägende Zwischentöne die Chance erhöhen, durchzudringen und Gehör zu finden.
Aber ich habe in meinem Berufsleben schon zu oft “das Ende des… ist nah” und “in Zukunft werden wir alle…” gehört und gelesen und erlebt, dass dann doch nicht alles so heiß gegessen wurde wie gekocht. Die daraus resultierende Grundskepsis kann ich mir nur noch schwer aus den Kleidern schütteln. Und gestehe ichs offen: Zeitgenossen, die auf mich den Eindruck machen, als würden sie ihre steilen Thesen tatsächlich fest glauben, können bei mir nicht unbedingt auf mildernde Umstände hoffen. ;-)
@staff aureus: Ich möchte...
@staff aureus: Ich möchte lachen, aber es bleibt mir im Halse stecken.
.
@specialmarke: So ein Übel kriegt man leider kaum vollständig aus der Welt. Der vorige Inhaber unserer Telefonnummer am vorigen Wohnort hatte wirklich ü-ber-all angerufen, wo das geht und seine Nummer angegeben. In den zwei Jahren mit dieser Nummer bin ich fast wahnsinnig geworden. Eine frühere Geschäftsadresse von mir enthielt den Bestandteil “Medienagentur”, was am Telefon mal ein potenzieller Lieferant als “Mädchenagentur” fehlgedeutet hat – mit der Folge, dass jahrelang an die Mädchenagentur adressierte Werbepost kam. Gut, der Briefträger hats mit Humor genommen, aber ich fand es irgendwann nur noch mäßig lustig.
.
Im Zusammenhang mit Internet und den ganzen Nutzerdaten und Profilen, die man im Netz hinterlässt, steht ja seit Jahr und Tag das Versprechen von Vermarktern von Werbung im Raum, es würde uns bald nur noch Werbung erreichen, die einen interessiere. Aber mit diesem Mythos der größeren Zielgenauigkeit von Online-Werbung müsste auch mal kräftig aufgeräumt werden. Mal gucken, ob und wie das vielleicht Stoff für einen künftigen Beitrag hier hergeben könnte.
Mädchenagentur ? Es geht noch...
Mädchenagentur ? Es geht noch schlimmer:
S wor einmol im schänen Sochsen, in dr Näh vun Leipzsch.
(für alle Schweden: gleich neben Lützen).
Ein Vadder mächt saim 8-Jährischen Sohn die Tiere im Wald zeigen.
Sie steigen auf einen Hochsitz.
Der Vater beobachtet den Süden und erblickt eine sonnenbadende, nackte Frau.
Der Junge schaut nach Norden und sieht zwei Füchse.
Der Sohn ganz aufgeregt zu seinem Vater: Figgse, Babba, Figgse!!!
Daraufhin der Vater: Nur, wennde dor Muddi nüscht soochst!!!
da steht also jemand in meiner...
da steht also jemand in meiner Tür, zwängt den Fuß rein und rüttelt und zetert, daß ich mir meine Privatsphäre nur noch einbilde und der neue Mensch in Post-Privacy lebe und so fort. Das sind wohl die unangenehmen Auswüchse des Internet: daß ständig jemand etwas vor mich hin lamentiert, was er sich von Angesicht zu Angesicht sicher nicht sagen trauen würde, weil er sich schämen müsste vor soviel Unsinn und Impertinenz und immer gibt es einen Redakteur, der das Rad als Meldung weiterdreht. Ignorieren kann mans leider nicht, wenn Faz und Zeit und ZDF immer wieder eine Plattform bieten.
Aber daß einem auch noch eine neue Ethik aufgehalst wird, das ist wirklich zuviel. Wer ist das denn? Wer war das denn bisher, der dem Menschen eine neue Ethik auf den Hals gehetzt hat? Und war es nicht ausnahmslos nur Neid und Mißgunst, Mord und Totschlag? Das ist doch genug, um die Tür zuzumachen. Wenn der Vortrag wenigstens inhaltlich oder theoretisch so halbwegs Linie und Haltung zeigte, dann hätte man nicht so sehr den Eindruck von ein paar heißgelaufenen Hilfsideologen, die in ihrem Größenwahn wie ihre Vorgänger radikal werden müssen.
Danke – I would prefer not to.
@slothro
Naja, das es immer...
@slothro
Naja, das es immer was zu Jammern gibt, ist wohl nicht so sehr ein Internet-Phänomen denn ein typisch deutsches. Im angloamerikanischen Blog-Raum wird sehr viel weniger gejammert und sehr viel mehr positive Stimmung gelebt – und auch daraus werden Nachrichten gewonnen. Ich denke, hier könnten wir durchaus etwas von den Amerikanern lernen. Aber das ist kein Internetproblem, sondern Einstellungssache.
Wer hetzt dem Menschen eine...
Wer hetzt dem Menschen eine neue Ethik auf den Hals ? Bitte nicht die liberalen Bürgerinnen vergessen, Sophie de Condorcet , Madame de Staël, Louise Keralio.
In der Tat Neid und Mißgunst, Mord und Totschlag: welch Freiheitsrausch, in wenigen Jahren aus kleiner Flamme entfacht.
Alex von www-trends-im-web...
Alex von www-trends-im-web trägt sicherlich eine schicke modische phrygische Mütze. Eine typisch barbarische Kleidung.
So recht mögen die...
So recht mögen die angesprochenen übrigens nicht antworten, wenn man ihnen den „Zwang zur Offenheit“ vor Augen führt – gleichgültig ob bei Carta oder direkt im Blog des Herrn Seemann. Dabei ist die oben von Mark skizzierte bedingungslose Offenheit nur die logische Konsequenz aus dem verbalen Ausfluss der Post-Privaten. Aber vielleicht haben die bis dahin auch schon gewisse private Rückzugsräume kennen und schätzen gelernt.
@staff aureus: Ich vermag...
@staff aureus: Ich vermag Ihren revolutionären Anspielungen im Moment nur bedingt zu folgen (was nicht Ihr Fehler sein muss). Aber unschmeichelhafte Zuschreibungen an die Adresse von Mitdiskutanten finde ich in dieser Form nicht unbedingt nötig. Und das sage ich, obwohl ich irgendwelches Gebarme über typisch deutsche Netz- oder Diskurskultur auch, wie soll ich sagen, irgendwie typisch deutsch finde. Nothing for ungood, Alex. ;-)
.
@slothro: Es wird vielleicht überraschen, wenn das sage, aber so mies und verabscheuungswürdig finde ich die Seemannsche Skizze einer neuen Ethik gar nicht, selbst wenn ich in etlichen Punkten diametral anders denke. Bei dem Gedanken, wer sich wenns dumm läuft alles mit was für abgedrehtem Aktionismus darauf berufen könnte, wird mir zwar ein wenig unwohl. Aber das gilt es einstweilen auszuhalten. Von den Punkt, an dem der unverhandelbare Rest unserer Privatsphäre mit der Waffe in der Hand verteidigt werden müsste, sehe ich uns noch ein gutes Stück entfernt.
Vielleicht haben meine...
Vielleicht haben meine revolutionären Anspielungen das Thema des Vortrages „Das radikale Recht des anderen” verfehlt. Ich weiss es nicht, weil ich den Vortrag nicht kenne, und auch nicht kennen möchte. Gegenüber dessen Verfasser darf gelten der alte bairische Brauch: Noch nicht einmal ignorieren.
@Alex
Jammern ja, aber im Netz...
@Alex
Jammern ja, aber im Netz gibt es kein negatives Feedback, das einen mal zu innerer Einkehr veranlasste.
@hochverehrter Gast
An Waffen hatte ich keineswegs gedacht.
Die Texte der Seemann, Best etc werden so gewaltig aufgeladen durch die intensive Beschäftigung mit der Radikalität, die sie in Konsequenz bedeuten. Theorieversuche ohne die Mühen der Fakten und des Weiterdenkens. Allein hier die dümliche Argumentation mit der Privatsphäre als anthropologische Konstante. Das ist diskurstheoretisch und historisch ungebildet. Inhaltlich ist das Proseminar (womit ich dieses nicht abwerten will). Aber solche Leute wollen mir eine neue Ethik aufzwängen! Das ist kein Kneipengespräch.
Es geht mir ein wenig wie mit den Mohammed-Karikaturen: Zuerst hat sich keiner dafür interessiert, bis sie so oft rumgereicht und aufgeladen, bis einer mit der Axt vor der Tür stand.
<p>Dass man solche Elaborate...
Dass man solche Elaborate aufmerksamkeitsökonomisch aufwertet, ist natürlich ein Dilemma, keine Frage. Aber nachdem diese Ideen von einigen wenigen Radikalinskis eh schon einen gewissen “share of voice” erreicht haben, ist es mir wichtiger, mit der inhaltlichen Auseinandersetzung auch zu signalisieren, dass diese binärböhmische Befreiungsbewegung aus dem Umfeld des talkshowbekannten Metaironikesen mit der roten Handfegerfrisur nur eine Splittergruppe ist, die kein Mandat hat, für die Netzgemeinde als solche zu sprechen.
.
Aus diesem Grund bin ich auch der Auseinandersetzung mit Jens Best und seiner Knipsaktion nicht aus dem Weg gegangen. Mich hat die arrogante Attitüde, mit der die Google-Groupies die Sorgen und Bedenken ihrer Mitmenschen wegen Street View abgebügelt haben, sehr unangenehm berührt (auch wenn ich persönlich diese Sorgen nur zu einem geringen Grad wirklich teile, unter uns gesagt). Nehmen wir also mal ein paar Dinge in die Gesamtschau: z.B. den Seemannschen Aufsatz in der “Zeit” über das Ende des freiwilligen Internets, die Tatsache, dass selbsternannte Digitalaktivisten Entpixelungstrupps durch die Republik schicken, Einlassungen von Postprivatisten, die das Ende des Privatsphäre fordern und dann noch den Nachwuchs-Nietzsche für Nerds, der den passenden Ethik-Überbau für den neuen digitalen Übermenschen zusammenleimt. Ich denke, in der Summe geht das alles schon in Richtung Borg-Kollektiv, und das ist nicht die Zukunft, die ich für sonderlich erstrebenswert halte.
"Das Problem, das ich (und...
“Das Problem, das ich (und sicher nicht ich alleine) mit dieser Utopie der Post-Privacy habe, ist, dass sie erhebliches Risiko in sich birgt, die Gesellschaft in einen zwangsbasierten Dotcommunismus zu transferieren, in dem der einzelne gar nicht mehr gefragt wird und der Druck, sich komplett konform zu verhalten, enorm ansteigt”
Da braucht der Autor so viele Zeilen, bis er endlich an seinen Punkt kommt. Post-Privacy führt zu “zwangsbasierten Dotcommunismus”. Und plötzlich ist wieder alles klar. Hinter dem mauen Wortspiel verbirgt sich halt doch wieder nur ein kalter Krieger des Kapitalismus, der unverdrossen die Kämpfe der Eltern und Großeltern weiterkämpft.
Tatsache ist, es gibt zwei Gruppen, die heute Zugriff auf die meisten Datein haben, es sind zum einen Firmen, die über das nötige Kapital verfügen um die meisten Daten (legal oder illegal) zu beschaffen, sie zu sichten und sie zur Maximierung ihres Gewinns einzusetzen und es sind die staatlichen Einheiten, die per Gesetz und durch Einsatz der Geheimdienste sich Daten einfach nehmen können.
In beiden Fällen habe ich keine Kontrolle über meine Daten. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung existiert auf dem Papier und sonst nirgendwo.
Das ist die Realität, die sich uns aktuell darstellt und um diesen Punkt geht es auch, niemand interessiert sich für das Aussehen der Geschlechtsteile des Autors, auch sein Eheleben ist vollkommen uninteressant.
Das weiß der Autor auch, dass er es trotzdem anführt zeigt nur, dass er der Wirkung seines Antikommunismus (den er ja nicht weiter ausführt, es bleibt dem Leser überlassen zu fragen, ob das Absicht oder Unvermögen ist) nicht traut und deshalb ein Schreckgespenst sucht. Dass es mal wieder Sex sein muss, der hier herhalten muss entlarvt ihn letztendlich als nicht hinter den Gardinen mit der Goldkante Hervorgekommenen. Aber das ist eigentlich schon klar gewesen, als er seine Interpretation eines FKK Strands abliefert und das ist im ersten Absatz.
"da steht also jemand in...
“da steht also jemand in meiner Tür, zwängt den Fuß rein und rüttelt und zetert”, “mir eine neue Ethik aufzwängen”; Allgemein habe ich den Eindruck, da wird einigen Berliner Bloggern eine Militanz in der praktischen Durchsetzung ihrer Thesen vorgeworfen (mitsamt auf sie ausgesetzten Kopfgeldern), als würden sie mit fasces durch die Stadt laufen und jeden totschlagen, der es wagt, im derzeitigen Winter angezogen statt nackt nach draußen zu gehen. Oder reicht das heute tatsächlich schon zur Militanz, einen Fotoband mit den schönsten Berliner Hausfassaden herauszugeben und ein paar hyperbolische Rants in sein Blog zu schreiben? Da würde die 70er-Jahre-Stadtguerilla sich aber im Grabe umdrehen, wenn sie das hörte :-) Ich kann’s ehrlich gesagt besser verstehen, wenn man sich über die Post-Privacy-Reden von Mark Zuckerberg und Eric Schmidt echauffiert. Schließlich sitzen die tatsächlich an Hebeln normativen Drucks. Zitieren aber eher selten Hannah Arendt.
.
ad ThorHa: 1) Daten sind ein Hebel, um vorher Unbekanntes freizulegen. Stichwort Datamining, Amazon-Empfehlungen, SleepingTime.org. Je mehr datierte Geo-Koordinaten, Einkaufs-Erfassungen, Tages-Rhythmen usw. usf. ich über die Menschen habe, mit desto größerer Sicherheit kann ich Aussagen über Teile ihres Privatlebens treffen, die sie direkt gar nicht offen legen. Dass ein anwachsendes Meer an zirkulierenden Daten selbst harmlos anmutender Natur über das Leben von Menschen ihre Privatsphäre unter Druck setze, halte ich also für eine durchaus plausible Einschätzung.
2) Ich bestreite ja nicht, dass sich immer wieder kleine oder große Ausweich-Hacks auftun. Ich bestreite nur, dass sie einen messbaren Druck gegen den Gesamt-Trend aufbauen. Ohne konkrete Anzeichen auf den einen großen Datenskandal zu hoffen, der endlich ein zivilisatorisches Umdenken bewirke, erscheint mir zumindest nicht weniger spekulativ und apokalyptisch als meine Post-Privacy-Thesen.
3) “Die Menschheitsgeschichte kann ohne grosses Verbiegen auch gelesen werden als den fortdauernden Versuch des Individuums, die grösstmögliche Kontrolle über sein eigenes Leben und dessen Umstände zu gewinnen. Gegen Autoritäten, gegen die Natur, gegen wohlstandsverhindernde wirtschaftliche Systeme.” Das klingt mir alles ein bisschen zu sehr nach bürgerlichem Subjekt, Psychologie und Freiheitsbegriff der Moderne. Und die können wir bis zum Anbeginn der Menschheit nachweisen? Ich möchte auch mal mit auf so einen Zeitmaschinen-Trip ins Neolithikum!
.
ad loco: Danke für die Beispiele Laterankonzil und Hippokratischer Eid. Die schwebten mir noch nicht so recht durch meine Gedanken. Werd ich mich mal näher mit beschäftigen müssen! Aber wie ja selbst angebracht: Das klingt in erster Linie nach einem Interesse, Informationen zu entlocken; nicht, sie zu schützen. (Auch Mark Zuckerberg predigte am Anfang noch, Facebook lege wert auf reichhaltige Privatsphären-Geheimhaltungs-Möglichkeiten seiner Nutzer, gerade damit die Menschen sich sicher genug fühlten, im Facebooks eigenem geschützten Garten ihre Informationen reichhaltig zu teilen.) Das mag die Reaktion auf eine gewisse Grunderwartung von Privatsphäre sein. Wie genau diese Vorstellungswelt aber beschaffen gewesen sein mag, darüber wüsste ich gern noch mehr.
.
ad Robert: “So recht mögen die angesprochenen übrigens nicht antworten, wenn man ihnen den „Zwang zur Offenheit“ vor Augen führt – gleichgültig ob bei Carta oder direkt im Blog des Herrn Seemann.” Ich gehöre zu den Angesprochenen, und ich antworte gerade, aus der Tiefe meines “privaten Rückzugsraums” heraus! :-) Davon abgesehen, hat natürlich jeder von uns nur ein begrenztes Zeitkontingent, um auf das gesamte Internet zu antworten. Und vermutlich ermüdet es auch, milde re-phrasiert den selben Einwurf zum tausendsten Mal vorgesetzt zu bekommen, auf den man schon zigmal geantwortet hat. Die grundsätzliche Aufgabe, eine Antwort auf Gegenargumente parat zu haben oder zu entwickeln, eliminiert das freilich nicht. Vielleicht müssen wir, gegen die Redundanz, das ganze argumentative Hin und Her mitsamt den Standard-Punkten mal referenzierbar und übersichtlich irgendwo zusammenführen?
.
ad Hochverehrter Gast: Die negative Porträtierung des höherentwickelten Hive Mind “Borg” in “Star Trek” ist übrigens nur Propaganda der Föderation — ihrerseits ein militaristisches Kollektiv aus dem 23. Jahrhundert, das sich oft genug als gewaltbereiter Feind alternativer Lebenskonzepte erwiesen hat. Q wusste schon, warum er die Menschen für gefährlich hielt!
.
P.S.: Irgendwie hat FAZ.net nicht das tollste Kommentar-Markup, oder?
@Christian_Keichel: Dass...
@Christian_Keichel: Dass Konzerne und Staatsorgane schon so weitgehenden Zugriff auf unsere Daten haben, ist korrekt beobachtet und schlimm genug. Ich sehe aber nicht, wie es die Welt verbessern soll, wenn wir diesen Striptease auch privat noch weiter treiben als bisher. Natürlich habe ich das etwas überpointiert mit dem Sex vor der Webcam, aber es steht ja auch explizit “auf die Spitze getrieben…” da. Also denken Sie sich doch einen Smiley dahinter oder eine andere Gefühlsglyphe Ihrer Wahl.
.
Die Wortspiele mit dem Dot-Kommunismus haben sich halt angeboten, aber ich verkenne nicht, dass Totalitarismus in mancher Hinsicht die korrektere Schublade wäre. Man hätte von Seemann und seinem neonietzscheanischen Übermenschen aus auch die Kurve zu Futuristen und Faschisten bis hin zu “wollt Ihr das totale Netz?” konstruieren können, wohlwissend, dass der Schuh auch nicht so recht passt. Insofern fand ich die Kommunismus-Metapher angesichts der hackerethischen und piratenparteilichen Begehrlichkeiten zur Vergesellschaftung von urheber- und sonstwierechtlich geschpützten Inhalten dann doch nicht so komplett verkehrt.
.
Wenn Sie wissen wollen, wie die Mechanismen funktionieren könnten, die eine gutgemeinte Totaltransparenz zu einem repressiven System pervertieren können, kann ich Ihnen die Lektüre des Romans “Corpus Delicti” von Juli Zeh sehr ans Herz legen. Dort ist es das perfekt entwickelte Gesundheitssystem (und nicht das Internet), dem die allumfassende Offenheit der Lebensverhältnisse dient. Aber letztlich stellt das System die Interessen seiner Selbsterhaltung über das übergeordnete Gemeinwohl und das Wohl des Einzelnen, und diese totalitäre Tendenz sehe ich auch in Teilen des Netzdiskurses vertreten.
@ Der hochverehrte Gast
Sie...
@ Der hochverehrte Gast
Sie fragen, wie “es die Welt verbessern soll, wenn wir diesen Striptease auch privat noch weiter treiben als bisher”. Diese Fragestellung für sich genommen ist falsch. Es geht nicht darum, dass ich mich für ihre persönlichen Daten interessiere, sie sich sicher auch nicht für Meine. Es geht darum, dass aktuell ihre und meine persönlichen Daten Teil eines Geschäftssystems sind, in dem (auf legale und illegale) Art und Weise mit diesen Daten Geld verdient wird.
Das ist dabei nicht einmal das Schlimmste, denn in der Tat werden ihre Daten und meinen Daten gegen Sie und mich eingesetzt, ohne, dass wir davon wissen, oder uns dagegen wehren können.
Polemisch könnte man argumentieren, die Daten seien Waffen, weil sie nicht öffen, sondern geheim sind. Wenn jeder die Möglichkeit hätte die Daten seines (Geschäfts-)gegenübers einzusehen, wäre die Möglichkeit mit ihnen Schindluder zu treiben gleich Null, sie wären wertlos.
Ich sage ausdrücklich, dass das eine überspitzt und utopische Vorstellung ist, aber dieser Gedanke steckt als Kernaussage in der Post-Privacy Theorie. Man kann ihn teilen oder nicht, ihn aber, wie in ihrem Text nicht zu erwähnen, sondern das Schreckgespenst des Kommunismus an die Wand zu malen und nebenher die Urheberrechtsdebatte hineinzuzerren und vollkommen themafremd abzuwatschen, ist nicht hilfreich.
@Christian_Keichel
"Vorauswahl...
@Christian_Keichel
“Vorauswahl von Information ist ein Eingriff in die Filtersouveränität des Anderen. Alles, was wir Informationen unzugänglich machen (z.B. durch Netzsperren), sei es, indem wir Dinge nicht publizieren, indem wir Dinge zurückziehen, indem wir Informationen löschen, schränkt die Filterfreiheit des Anderen ein. Wir haben dazu kein Recht.”
O-Ton Michael Seemann. Aber “Der hochverehrte Gast” argumentiert mit einem Schreckgespenst, wenn es sich den sex als Beispiel heraussucht? Ich darf das etwas verquaste Statement von Seemann mal der Verständlichkeit halber in klares Deutsch auflösen:
JEDE Information, die wir geheimhalten, ist eine nicht akzeptable Einschränkung des Rechtes eines anonymen Suchenden, sich Informationen über die Welt zu verschaffen.
Dieser Satz ist eine exakte Herleitung aus dem Eingangszitat, wer einen Logikfehler findet, bekommt eine gute Flasche Wein. Und daraus folgt automatisch und zwangsläufig auch die Anforderung an jeden Einzelnen: Mach alles, was Du bist und was Du weisst, was Du fühlst und was Du denkst, jederzeit öffentlich. Denn all das stellt /auch) eine Information dar. Und das schliesst meine sexuelle Orientierung, mein Freizeitverhalten, meine Vorlieben und Abneigungen, ja meine Gedanken mit ein. Der hochverehrte Gast war in seinem Kommentar dazu noch höflich, diese Höflichkeit spare ich mir: Wirklich ernst genommen läuft dieses Postulat auf die Forderung hinaus, jedermann mit einer Maschinenschnittstelle zu versehen, die 24 Stunden täglich ein leben lang alles ins Netz wirft, was jemand macht oder tut. Ich nehme Argumente zum Nennwert.
Womit wir dann auch schon bei der Schizophrenie dieser Debatte sind: DIESER Forderung mag sich natürlich niemand anschliessen. Also schwiemeln auch die befürworter einer Post-Privacy lieber ein bisschen rum – und werfen demjenigen, der das Argument zum Nennwert nimmt, lieber mal vor, Schreckgespenster an die Wand zu werfen. Dabei war der Rückgriff auf das Sexualleben als beispiel für zu veröffentlichendes Privatleben noch die sanfte Variante angesichts des unvorstellbaren Totalitarismus, der hinter der Forderung steckt, das “Recht des Anderen” an Information immer, überall und jederzeit höher zu stellen, als mein individuelles Recht, Dinge für mich zu behalten.
Und dann muss man sich nur einmal ansehen, wie erschreckend schwach eine solch totalitäre Forderung moralisch gerechtfertigt wird: Das einzige erkennbare Argument ist die Möglichkeit (!), dass jemand aus all den ungefilterten Daten irgendwann einmal etwas für die Menschheit Nützliches herauskristallisiert. Und dafür sollen wir unser Menschsein aufgeben? Insofern war die Kritik am Kommunismus-Vergleich des hochverehrten Gastes durchaus berechtigt, nur aus vollkommen anderen Gründen. Selbst als radikaler Antikommunist erkenne ich an, dass Marx derart flach niemals argumentiert hätte, schon aus Selbstachtung nicht.
@ThorHa: Danke! Wenn man diese...
@ThorHa: Danke! Wenn man diese Elaborate gelesen hat und 1 und 1 zusammenzählt, kann man eigentlich kaum zu anderen Ergebnissen kommen als dass das Befolgen dieser Ethik auf den dauerverkabelten Vollstriptease hinausliefe. Denn auch die permanente Übermittlung meiner Pulsrate und Herzfrequenz in den großen Datenpool könnte ja helfen, die Gesundheitsvorsorge insgesamt zu verbessern.
@Christian_Keichel: Dass Sie den übergeordneten netzpolitischen Zusammenhang zu Hackerethik (“Information wants to be free”) und Urheberechtsfragen nicht sehen (oder nicht für hilfreich halten), ändert nichts daran, dass er da ist und nicht von mir herbeiphantasiert wird. Leider reicht meine endliche Lebenszeit nicht aus, um Ihnen auf die Schnelle die Links zu allen möglichen Einlassungen der üblichen Verdächtigen rauszusuchen, die diesen Zusammenhang explizit herstellen.
.
Und sorry: Was unsere Daten zur Munition gegen uns oder zum Repressionsinstrument macht, ist nicht in jedem Fall ihre Vertraulichkeit. Es würde die Profitraten der Datamining-Verfahren nicht unbedingt schmälern, wenn bestimmte persönliche Daten offener auf der Straße lägen als bisher. Das Problem ist doch: Waffengleichheit ist nicht herzustellen, indem wir den Datenbergwerken und Profiteuren noch mehr Daten hinterherwerfen. Was bekommen wir denn im Gegenzug von denen zu sehen? Die Asymmetrie zwischen den Entitäten, die aus der Aggregation unserer Daten Profite machen und uns Privatleuten, die davon eher wenig haben, wäre doch auch in der Post-Privacy nicht aus der Welt, oder wie stellen Sie sich das vor? Dass alle Datenkraken auf einmal unter der zunehmenden Datenlast kollabieren und kapitulieren?
@Christian_Keichel
Der Autor...
@Christian_Keichel
Der Autor hat doch nur das Bild der eifrigen Antennendreher der FDJ benutzt, um auf die radikale Art der Bekehrung hinzuweisen, die diese Post-Privacy-Ideologen an den Tag legen. Mit dem guten alten Kommunismus hat diese Denke doch gar nichts zu tun. De mortuis nil nisi bene.
Der Autor hat auch keine Wertung über das Nacktbaden abgegeben. Aber das Beispiel trifft das Problem. Die Post-Privacy-Logik, ist, dass gefälligst alle Leute nackt baden sollten. Viele finden das ganz wunderbar, warum auch nicht? Ich will das aber nicht. Und so, wie ich es als Teil meiner Freiheit ansehe über diese Frage nach meinem Gusto zu entscheiden, so auch für die Offenbarung meiner Daten. Dass es Daten über mich gibt, über deren Existenz und Verwendung ist nicht informiert bin, ist ein anderes Problem.
@elbsegler: Naja, bisschen...
@elbsegler: Naja, bisschen mehr habe ich mir dabei schon gedacht, siehe meinen Kommentar von 11 Uhr 10. Aber von einem unreflektierten Antikommunismus à la “dann geh doch rüber”, wie ihn meine Altvorderen hinter der Ado-Gardine mit der Goldkante artikulierten, würde ich mich in der Tat distanzieren. Am ehesten verstehe ich mich als Antitotalitarist, und das schließt Affinitäten zu linkem Gedankengut durchaus nicht aus.
.
Und noch zu @Robert: Das deckt sich mit meinen Beobachtungen und Erfahrungen nur zum Teil. Jens Best hat sich durchaus mit Verve in Diskussionen gestürzt, auch in meinem privaten Blog. Christian Heller hatte mit der massiven Resonanz auf seinen Carta-Beitrag auch gut zu tun (deswegen habe ich seinerzeit den Impuls niedergerungen, mich da auch noch einzuklinken). Von Michael Seemann habe ich neben dem einen oder anderen nachdenklichen Kommentar leider auch Gepampe und Ruumgeeier serviert bekommen. Vielleicht schwankt das ja nach Tagesform. Und ich selber bin auch nicht immer im Kuschelmodus unterwegs.
@Der hochverehrte Gast
Wir...
@Der hochverehrte Gast
Wir wollen das Thema Antikommunismus lieber nicht vertiefen, weil es nichts mit diesem Blog zu tun hat. Ich verstehe mich auch als Antitotalitarist und habe deshalb auch keine große Bereitschaft “reflektierten” Antikommunismus zu betreiben. Dem, was sich da “sozialistisch” genannt hat, braucht man keine Träne nachweinen. “Links” und “rechts” sind für mich nur noch untaugliche Etiketten für politische Sachverhalte und dieses “es war ja nicht alles schlecht” lässt sich leider auf jedes politische System anwenden und hilft nicht weiter.
@elbsegler
Antitotalitarist...
@elbsegler
Antitotalitarist ist etwas, dass in der deutschen Übersetzung von Neal Stephensens “Anathem” als Scheißdrökh tituliert wird. Gerade ist mal wieder zu lesen, diesmal durch die Cables auf Wikileaks, wie stark die nigerianische Regierung durch den Shell Konzern infiltriert ist. Hier in Europa und in den USA, beides Regionen, die aktuell des “Totalitarismus” unverdächtig, konnten wir vor kurzer Zeit und aktuell wieder beobachten, wie das Finanzkapital organisiert ganze Staaten monetär in Geiselhaft nimmt und von den Mitgliedern der Staatengemeinschaft vollkommen ohne demokratische Legitimation Milliardensummen als Lösegeld verlangt.
Mag sein, dass sie Nigeria trotz alledem für eine Demokratie halten, mag sein, dass sie AiG, Bank of America, Commerzbank, Hypo Real Estate und UBS für notwendige Einrichtungen im Kampf gegen den Totalitarismus halten, denn anders ist schwer zu erklären, warum sie die politische Welt nicht in die brauchbaren Kategorien Rechts und Links aufteilen, sondern offenbar in Totalitär und Anti-Totalitär.
Weiterhin ist es erstaunlich, dass sie sich weigern ihren Antikommunismus reflektiert zu betreiben – sollte man nicht alles was man glaubt reflektieren?
@ elbsegler
Nachtrag.
Die...
@ elbsegler
Nachtrag.
Die Worte sind vom Autor sicherlich nicht ohne Bedacht gewählt:
“Die Post-Privatisten hoffen dabei salopp gesagt auf Effekte wie am FKK-Strand: Wenn jeder seine private parts zeigt und angestrengt so tut als wäre es das normalste von der Welt, vielleicht stellt sich dann tatsächlich so etwas wie Ungezwungenheit ein.”
Er sagt, dass am FKK-Strand “jeder seine private parts zeigt und angestrengt so tut als wäre es das normalste von der Welt”. In diesem Satz liegt natürlich ein Wertung und Aussage, nämlich, dass es nicht das normalste von der Welt ist sich nackt zu zeigen und dass die FKK-Badenden das auch wissen, aber angestrengt darüber hinweggehen. Da FKK Anhänger aber das Gegenteil behaupten bezeichnet der Autor sie als Lügner beziehungsweise Heuchler.
@Christian_Keichel: Die...
@Christian_Keichel: Die Weigerung des geschätzten Kommentators elbsegler könnte damit zu tun haben, dass er dieses Thema hier nicht breitreten mag, weil es “off topic” ist, wie man auf Netizen-Neudeutsch zu sagen pflegt. Ich habe dieses Fass auch nur aufgemacht, um Ihnen zu signalisieren, dass Sie es hier nicht mit seitengescheitelten JU-Jüngelchen im Pullunder zu tun haben, die an die Parole “Freiheit oder Sozialismus” aus dem Wahlkampf von Rainer Barzel glauben oder Sorge haben, dass Moskau da ernten könnte, wo Brandt und Ollenhauer säen. Gegen Totalitarismus zu sein heißt ja nicht, ansonsten alles superduper und wohlbestellt zu finden, wo grad kein Totalitarismus stattfindet. Das ist ein politisches Hilfsetikett, aber keine wirtschafts- und finanzpolitische Programmansage (und die Auffassung eines lesenswerten Sci-Fi-Schriftstellers zu diesem Begriff ist mir im Vertrauen gesagt so gleichgültig wie wenn beim Bielefelder Bahnhofsimbiss eine Bockwurst platzt).
.
Ach ja: Völlig wertfrei ist meine Beschreibung des FKK-Treibens natürlich nicht, das haben Sie richtig dechiffriert. Aber Lüge und Heuchelei, puh, haben Sie’s nicht bisschen kleiner? Nennen wirs doch lieber menschliches Bemühen, das bisweilen ein wenig den eigenen Ansprüchen hinterherhinkt.
"Die Weigerung des...
“Die Weigerung des geschätzten Kommentators elbsegler könnte damit zu tun haben, dass er dieses Thema hier nicht breitreten mag, weil es “off topic” ist, wie man auf Netizen-Neudeutsch zu sagen pflegt.”
Ich sehe nicht, wie etwas Off-Topic sein kann, wenn es doch schon in der Überschrift des Artikels eingegossen ist, denn letztendlich spannen Sie einen Bogen von der Überschrift bis zum Ende des Textes, bei dem der Begriff des Dotcommunismus Anfang und Ende bezeichnet. Wer mit einem solchen Textmittel die Bedeutung eines Begriffes noch hervorhebt, kann sich später schwer darauf hinausreden, dass sei nur eine Randnotiz und Off-Topic. Vielmehr bildet es das argumentative Zentrum des Ganzen. Hätten sie dem eine geringere Bedeutung verleihen wollen, so hätten sie das auf der textlichen Ebene anders lösen müssen.
“Gegen Totalitarismus zu sein heißt ja nicht, ansonsten alles superduper und wohlbestellt zu finden, wo grad kein Totalitarismus stattfindet.”
Das Argument war und ist, dass es heutzutage keine Abwesenheit des Totalitarismus gibt, sondern nur verschiedene Formen seiner Sichtbarkeit.
Und “menschliches Bemühen, das bisweilen ein wenig den eigenen Ansprüchen hinterherhinkt” ist etwas, dass man schwerlich in ihre Beschreibung eines FKK-Strandes hineinlesen kann. Sie können doch mit Worten umgehen, dann sollten sie sich ihrer Wirkung bewusst sein.
@Christian_Keichel: Ihr...
@Christian_Keichel: Ihr Argument, es gebe keine Abwesenheit von Totalitarismus, sondern nur unterschiedliche Formen seiner Sichtbarkeit, ist zugegebenermaßen ziemlich brilliant. Warum haben Sie das nicht gleich so hingeschrieben, anstatt lang und breit Nebenschauplätze in Nigeria und sonstwo aufzumachen? Geschenkt. Aber wenn Sie aus dem “angestrengt so tun…” nicht das aufrichtige Bemühen darum herauslesen können, dass sich diese erhoffte und erwünschte Ungezwungenheit irgendwann einstellt, kann ich Ihnen auch nicht helfen. So hatte ichs jedenfalls gemeint, und nicht, um den FKK-Betrieb generell als Heuchelei-Veranstaltung abzutun.
.
Wenn Sie denn unbedingt in meinem Eintrag eine bewusst durchkomponierte Motivkette sehen wollen, muss ich Sie leider enttäuschen. Ich habe diesen Riemen anhand von zwei, drei Stichpunkten auf dem Notizzettel ohne langes Nachdenken runtergeschrieben, wie es mir in den Sinn kam und auch so gut wie nichts rumgefeilt in der zweiten Durchsicht. Einen roten Faden oder ein Meta-Leitmotiv könnte man allenfalls darin sehen, dass ich der Utopie der Post-Privacy ähnlich skeptisch gegenüberstehe wie der Utopie, die den Kommunismus als idealen und unausweichlichen Zustand am Ende aller Klassenkämpfe proklamierte und die dann sehr schnell entgegen ihren eigenen Ansprüchen zu einem realsozialistischen Repressionssystem wurde. Irgendein kluger Kopf hat mal sinngemäß gesagt, die Tyrannei wäre die Schlimmste, die zum vorgeblichen Wohl der von ihr Unterdrückten errichtet wird. Und dieses Potenzial sehe ich in der Post-Privacy-Utopie auch.
Die Frage, wie ich ein gutes...
Die Frage, wie ich ein gutes Leben führen kann, braucht neue Lösungsansätze. Kurzum: eine neue Ethik.
In Deutschland der besten Menschen, die es je gegeben hat, wurde und wird
wohl schon wieder die neue Ethik von besonders Auserlesenen von oben
herab bevormundend vorgegeben und den unteren verzweifelt herumtastend Suchenden aufoktroyiert :
So war es im Tausendjährigen Reich, in der 40-jährigen DDR, die in der
BRD untergehend aufgegangen ist, und weiter so ist es………und wird
untergehend und aufgehend wie die Führungs-Eliten-Oktroy-Sonne,
die die Haut des Untertangeist-Volks erst aufheizt und dann verbrennt,
immer dar bleiben bis zum jüngsten Gericht.
Wolln wir wetten dass ?
Die wurde die erodierte Privatsphäre der Menschen von oben herab
dermaßen nach-erodiert, ob die das woll(t)en oder nicht,
dass die vor den begierigen Argus-Augen der jeweiligen Führer-
Eliten wie ein aufgeschlagenes Privatsphären-Biographie-Buch
lagen, in dem die Volksführer nach Belieben herum blättern und
stöbern können.
Um sich die entblätterten Untertangeist-Bürger-Privatsphären
total unter den Nagel zu reißen und damit sowohl Privatsphäre
als auch den ganzen Untertangeist-Bürger sich und ihren
letztendlich privaten Macht-Missbrauchs-Zwecken mit Haut und
Haaren und der Seele und der Privatsphäre zu eigen
und gefügig machen zu können.
nur verbrannte europäische Erden, sondern dazu auch noch
verbrannte Leiber und ein ausgebranntes Volk im deutschtümlichen Burnout-Syndrom.
Aus dem jetzt das Phänomen der German Ur-Angst erwachsen ist.
@Querdenk: Möchten Sie sich...
@Querdenk: Möchten Sie sich vielleicht draußen ein wenig abkühlen?
oha. hier geht's ja rund.
wir...
oha. hier geht’s ja rund.
wir lesen jetzt mal schnell marcuses hübsch verschwurbelten aufsatz über “repressive toleranz”, streichen die essentialistischen rechthabereien raus und haben auch eine theoretische supadupadiskussionsgrundlage um über die unsichtbare herrschaft an sich zu schwadronieren. (darf ich? bütte!)
zu ihrer aller freude gieße ich einfach noch ein bisschen öl (ohne besondere herkunftsspezifika) ins feuer:
https://vert.blogger.de/stories/1731242/
mit ganz viel glück komme ich morgen vorbei und alles schnattert über die totalitarismusthorie und wirft sich habermaszitate um die ohren – das wird toll!
(scnr;-)
Nur zu, Herr vert. Vielleicht...
Nur zu, Herr vert. Vielleicht findet Kollege Cut auch bei Leo Kofler noch Sachdienliches zur Diskussion. Und die Hannah-Arendt-Fankurve darf sich auch gern noch zu Wort melden. ;-)
@Christian_Keichel
Ich bin...
@Christian_Keichel
Ich bin nicht der hochverehrte Gast, und an mir dürfen Sie ihre dikaturverherrlichende Totalitarismus-“Theorie” gerne abarbeiten. Wenn Ihnen das diktaturverherrlichend nicht gefällt, liefern sie keine Steilvorlage. Wer “wie das Finanzkapital organisiert ganze Staaten monetär in Geiselhaft nimmt und von den Mitgliedern der Staatengemeinschaft vollkommen ohne demokratische Legitimation Milliardensummen als Lösegeld verlangt.” – ich übernehme gerne IHRE Diktion – allen Ernstes als eine Form von Totalitarismus hinstellt, verherrlicht Diktaturen. Er behauptet nämlich, gieriges Geldverbrennen sei irgendwie vergleichbar mit Leichen verbrennen, die eine Diktatur vorher selbst produziert hat. Sozusagen nur eine leicht abgeschwächte Form. Die Menschenverachtung, die dahinter steckt, will ich nicht weiter untersuchen. Aber jetzt weiss ich wenigstens, aus welchem Zoo Post-Privacy Anhänger entlaufen sind. Und dann passt ja der totalitäre Ansatz der Zwangsbeglückung wieder – die ideologisch aufgeladenen Diktaturformen wollten bekanntlich immer nur das Beste für die Menschen. Bzw. für die, die sie als Menschen gelten liessen. Nach einer reinigenden Runde Terror und Massenmord, versteht sich.
@ ThorHa
Offenbar sind sie...
@ ThorHa
Offenbar sind sie nicht in der Lage den Zusammenhang zwischen dem, was sie lustigerweise als “gieriges Geldverbrennen” und überall auf der Welt real stattfindenden sozialen Verarmungstendenzen zu sehen, die dazu angetan sind, den Ärmsten der Armen das bisschen Lebensgrundlage zu entziehen, dass sie noch haben.
Hier in Europa sind diese Kürzungen sichtbar, die Regierung der BRD hat ihren Sparhaushalt vor allem auf Kosten des Sozialhaushaltes gezimmert und es mit der Bewältigung der Finanzkrise begründet.
Leuten, die sich nicht wehren können und die innerhalb der Gesellschaft zu einer verarmten, vom sozialen Leben immer weiter ausgeschlossenen Gruppe, gehören weitere Partizipationsrechte zu nehmen ist ein Kennzeichen einer totalitären Gesellschaft.
Allerdings ist die Lage hier in Europa nach der Finanzkrise immer noch unvergleichlich besser, als in Afrika, denn der geschwundene Wille des Westens zugesagte Hilfsmittel zu zahlen führt in den ärmsten Ländern der Welt gerade zu einer massiven Verelendung, auch hier sind wieder die Ärmsten der Armen betroffen, auch hier können sie sich nicht wehren, sondern Hilfe, die ihnen von staatlicher Seite (auch von Seiten der europäischen Staaten) zusteht wird ihnen verweigert. Auch für diese Menschen ist das Gesicht des Wirtschaftssystems, dem sie gegenüber stehen Totalitär, denn es zwingt ihnen eine Form des Lebens auf, die sie so nicht gewählt hätten und die sie schwerlich überleben können.
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen hat im Oktoberletzten Jahres bekannt gegeben, dass es erst 25% des für 2009 zugesagten Budgets erhalten hat, zur besseren Illustration, welche Auswirkungen das hat, was sie als “gieriges Geldverbrennen” verniedlichen:
2008
Zahl der unterstützten Personen:102 Millionen
Zahl der unterstützten Länder: 78
Zahl der laufenden Projekte: 214
Verteilte Nahrungsmittel: 3,9 Millionen Tonnen
Finanzieller Aufwand: 5,046 Milliarden Dollar
2009
Budgetierter Bedarf: 6,7 Milliarden Dollar
Bis Anfang August 2009 akquiriert: 1,905 Milliarden Dollar
(Quelle:https://www.welt-ernaehrung.de/2009/08/11/beitrage-bleiben-aus/)
Diese Menschen sind auf Hilfe aus dem Westen angewiesen, nur ein totalitäres System verschließt die Augen vor 25000 Hungertoten weltweit pro Tag.
Angesichts dieser Zahlen verwundert es mich, warum sie mir Menschenverachtung vorwerfen, denn Ihnen scheinen Menschen ja egal zu sein.
Point taken, Herr Keichel....
Point taken, Herr Keichel. Neomarxistisch gesehen ist im globalisierten Spätkapitalismus die dritte Welt gewissermaßen das Proletariat 2.0. Ich will das ganze Ausmaß an Irrsinn auch nicht bagatellisieren, wenn ich sage, da helfen auch Prost-Privacy oder gar Dot-Communismus nicht wirklich weiter (um mal wieder ein bisschen die Kurve zum Thema zu kriegen).
Da haben sie recht...
Da haben sie recht hochverehrter Gast, die Illusion, dass freie Information die Mägen füllt ist ein Wunschtraum westlicher Netheads. Genauso ist es allerdings ein Wunschtraum derselben Nethead-Generation, dass wir in einer Zeit leben, in der die alten Verteilungskämpfe zwischen Oben und Unten genausowenig existieren, wie die Begriffe rechts und links. Vielleicht stieß mir der Dotcommunismus aus diesem Grunde so sauer auf, weil er als Begriff dazu angetan ist, reale politische Diskussionen mit, intellektuell sicherlich interessanten, in der Realität aber für die große Zahl der unter Hunger und Unterdrückung leidenden Menschen auf diesem Planeten, uninteressant ist.
Das hoch theoretische Konstrukt des Kommunismus, der eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze vereint (sowohl gescheiterte, als auch funktionierende, als auch niemals probierte, sowie hoffentlich niemals ausprobiert werdende) als Totschlagfloskel für einen launigen Blogeintrag zu nutzen erschien mir plump und erscheint mir immer noch unangebracht, weil es eine 1:1 Übertragung der Klischee Vorstellung von der DDR auf die Motive der Kritisierten bedeutet. Diese 1:1 Übertragung ist ahistorisch und außerdem an vielen Stellen falsch, wie zum Beispiel das Einbeziehen der Urheberrechtsdebatte zeigt. Wenn ein sozialistisches Land im 20. Jahrhundert eines niemals zugelassen hätte, dann, dass in einem Medium wie dem Internet Material jeder Art ausgetauscht werden kann, ohne dass dies nachvollziehbar ist. Den heutigen Verteidigern des Urheberrechts ist zumeist das Eigeninteresse der Rechtebesitzer (die in aller Regel mit großen Firmen identisch sind) das Wichtigste, der DDR wäre es die Kontrolle der Information, aber in der Ablehnung des freien Austauschs urheberrechtlich geschützten Materials wären sich beide einig gewesen.
Zugegeben, so wie es dasteht,...
Zugegeben, so wie es dasteht, kann man den Beitrag tatsächlich so lesen, als würde ich das ganze Thema entlang der DDR-Analogie abhandeln. Dass die von Teilen der Netzgemeinde angestrebte Vergesellschaftung zu Lasten von Nutznießern des Urheberrechts ein völlig anderer Schnack ist, hatte ich zwar im Hinterkopf, diesen Unterschied aber nicht explizit herausgearbeitet. Es ist Ihr gutes Recht, das als Versäumnis zu kritisieren und mir den Gebrauch einer Totschlagfloskel vorzuwerfen, wenngleich ich nach wie vor nicht das Gefühl habe, die Grenze der zulässigen Zuspitzung überschritten zu haben.
.
Ich lasse das für heute mal als Schlusswort stehen. Ich weiß nicht, ob noch Kollegen im Maschinenraum sind, die Kommentare freischalten können. Im Zweifelsfall also morgen auf ein Neues, Gute Nacht einstweilen!
@Christian_Keichel
"Offenbar...
@Christian_Keichel
“Offenbar sind Sie nicht in der Lage …” Stimmt, bin ich nicht. Ist für die Totalitarismusfrage betrachtet auch vollkommen irrelevant. Um das hier abzukürzen – und weil die Debatte nicht hierhergehört, können wir uns gerne darauf verständigen, dass wie uns uneinig sind. Für mich ist gegebenenfalls unterlassene Hilfeleistung etwas vollkommen anderes, als aktiver Mord und Totschlag. Und wenn sowieso alle irgendwie Faschisten sind, ist das eine gefährliche Verharmlosung der echten Neonazis.
Im Unterschied zum hochverehrten Gast finde ich seinen Aufhänger an “Dotcomsomolzen” im übrigen sehr passend, Blockwart hätte auch gepasst. Denn darum geht es den Privatsphärengegnern im Kern – um moralisch überhöhten Gemeinschaftsvoyeurismus zugunsten eines “höheren” Ziels.
Und an die Adresse von Herrn...
Und an die Adresse von Herrn Best, dem anscheinend im frühmorgendlichen Blitzeis die Wortwahl etwas entgleiste: Natürlich scheut sich “der anonyme FAZ-Troll” überhaupt nicht, sein Gesicht zu zeigen – hier zum Beispiel:
https://mark793.blogger.de/static/antville/mark793/images/img_0151.jpg
Und wenn Sie jetzt noch plausibel darlegen könnten, warum mein Klarname unerlässlich sein soll, um unsere nette kleine Unterhaltung an anderen Orten fortzusetzen, scheuen Sie sich nicht, mir eine Mail zu schreiben an mark793 bei gmx.de. Wenn mich Ihre Argumente überzeugen, gebe ich gerne Auskunft. Und wenn nicht, beherzigen Sie bitte Ihren eigenen Ratschlag (Sie wissen schon: “p*ss die Wand an”). Aber nicht hier.
@ThorHa: Ich sagte ja nicht, dass der Aufhänger unpassend ist. Genau so, wie Sie sagen, hatte ich das schon gemeint mit den Dotcomsomolzen. Ich verkenne aber auch nicht, dass Hackerethik und die angestrebte Vergesellschaftung von urhebeberrechtsgeschützten Inhalten in eine andere sozialistische Richtung zielen als zum Spätstalinismus des Arbeiter- und Bauernstaates. Das hat Herr Keichel durchaus mit Recht angemerkt.
@ThorHa
Interessant, dass Sie...
@ThorHa
Interessant, dass Sie mir eine Verharmlosung von Diktaturen vorwerfen, wo sie es doch sind, der kein Problem damit hat die DDR und das 3. Reich in einen Topf zu werfen.
Ich sehe einen Unterschied zwischen einem Staat, der seinen Bürgern Bürgerrechte vorenthält und einem Staat, der seine eigenen Bürger millionenfach umbringt und einen Weltkrieg anfängt, der in ganz Europa weitere Millionen von Toten fordert.
Beides in einem Atemzug zu nennen und unter dem Begriff Totalitarismus zu subsummieren ist die eigentliche Verharmlosung.
@Christian_Keichel
Einen...
@Christian_Keichel
Einen Unterschied zwischen Drittem Reich und DDR kann ich tatsächlich erkennen. Obwohl er schon wieder eine Verharmlosung darstellt – die Menschen, die die DDR ins Zuchthaus, ins Arbeitslager oder in psychatrische Kliniken gesteckt hat, weil sie den Staat kritisierten, unterschlagen sie genauso, wie die Mauertoten auf Befehl der Staatsführung. Was Sie darüber hinaus unterschlagen, ist das Einsperren der gesamten Bevölkerung in ein Grossgefängnis namens Ostblock. Ansonsten aber beruhigen Sie sich. Wohlweislich haben Sie sich natürlich ausschliesslich die DDR herausgesucht, denn China, Kambodscha oder die Sowjetunion als Vergleichsbeispiele hätten die Antwort getrriggert, dass ich absolut keinen Unterschied erkennen kann. Ihre Verharmlosung ist typisch für sozialistisch angehauchte Linke – jeder anständige Rechte wird den deutschen Massenmord im Zweiten Weltkrieg rückhaltlos verurteilen, die meisten Linken die Kritik an Verbrechen des Kommunismus auf die Stalinzeit der Sowjetunion beschränken und danach kräftig verharmlosen. Die vielen Toten, Eingesperrten, Gefolterten, Erpressten der europäischen Ostblockstaaten ein “Vorenthalten von Bürgerrechten”. QED. Jeder Neonazi weiss, dass die unübersteigbare Schranke für ein Wiederaufleben seiner geliebten Ideologie der Holocaust ist. Und jeder marxistische Linke weiss, dass die unübersteigbare Schranke für ein Wiederaufleben seiner geliebten Ideologie der sozialistische Staatsterror ist. Weshalb beide eifrigst versuchen, die Schranke für nichtexistent zu erklären.
Hier ist eigentlich nicht so...
Hier ist eigentlich nicht so recht der Platz für eine Neuauflage des Historikerstreits und irgendwelche Aufrechnereien, welches System denn jetzt mehr Menschen unter die Erde gebacht hat. Der Topos Totalitarismus kam wohl in Mode unmittelbar unter dem Eindruck von NS-Diktatur einerseits und Stalinismus andererseits, und die Beobachtung, dass bestimmte Mechanismen in beiden Systemen auf ähnliche Weise wirkten, war ja nicht komplett abwegig. Nachdem diese Gemeinsamkeiten aber herausgearbeitet waren und trotzdem immer noch grundlegende Unterschiede zu erklären waren, kam der Begriff aus der Mode, und der Blick der Politikwissenschaft und Geschichtsforschung richtete sich wieder mehr auf die jeweiligen Spezifika und, ähm, Einzigartigkeiten. Dies im Hinterkopf habend halte ich es u.U. weiterhin für legitim, mit der Zuschreibung “totalitär” zu operieren. Aber für mehr als eine Behelfsschublade taugt das nicht, das sollte schon klar sein.
"Ansonsten aber beruhigen Sie...
“Ansonsten aber beruhigen Sie sich.”
Nun, erregt haben sie sich, nicht ich. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass sie mit dem Terminus des Totalitarismus Systeme in einen Topf werfen, die nicht zusammen passen. Ich sage das wertfrei. Wenn sie die Unterschiede zwischen China und dem dritten Reich nicht sehen wollen (die abseits jeder Wertung existieren) und wenn sie vom Großgefängnis Ostblock sprechen, wird nur offenbar, was sowieso schon klar war, sie sind außerstande außerhalb der Denkschemata des kalten Krieges zu argumentieren. Und der ist nun mal seit über 20 Jahren vorbei, ob es Ihnen gefällt oder nicht, heute noch so zu argumentieren, als würde man neben dem eisernen Vorhang leben ist lächerlich.
@Christian Keichel
"Wenn sie...
@Christian Keichel
“Wenn sie die Unterschiede zwischen China und dem dritten Reich nicht sehen wollen …” Im Hinblick auf das Leben eines einzelnen, dem Terrosystem vollkommen hilf- und einflusslos Ausgelieferten? Gibt es keinen entscheidenden – genau das war der eigentliche Erkenntnisgewinn der Totalitarismustheorie. Ansonsten finde ich Ihre Ausweichmanöver zum Schreien komisch. Egal, wo man Ihnen konkret die Auseinandersetzung anbietet, Sie wechseln das Thema. Um zum Schluss ebenso vorhersehbar ad hominem zu argumentieren. Argumente ausgegangen?
Meine Herren, ich darf doch...
Meine Herren, ich darf doch bitten. Den Historikerstreit müssen wir hier wirklich nicht neu aufrollen. Das hat dann auch mit dem eigentlichen Thema hier nicht mehr viel zu tun, so dass ich nicht versprechen kann, weitere Diskussionsbeiträge in diese Richtung freizuschalten. Wie gesagt: Die Totalitarismustheorie hatte sicher ihre Verdienste beim Herausarbeiten von funktionalen Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Diktaturen, vermochte aber letztlich einige grundlegende Unterschiede nicht ausreichend zu berücksichtigen. Und deswegen betrachtet man diesen Ansatz in der Forschung heute eben nicht mehr als “state of the art”. Das sollte eigentlich nicht so schwer zu verstehen sein.
Einverstanden. Zurück zum...
Einverstanden. Zurück zum Thema – gibt´s irgendwen, der zum Thema Post-Privacy als Befürworter in den Ring steigen will?
yeah, historikerstreit! und es...
yeah, historikerstreit! und es hat nicht mal 24h gedauert. ich bin ein prophet.
(what’s next? repent sinners! das ende der geschichte ist nah!)
Herr Vert, hatten Sie uns...
Herr Vert, hatten Sie uns nicht ein Referat über Marcuses “Repressive Toleranz” versprochen?
.
@Christian_Keichel: Nehmen Sie mir’s nicht allzu übel, aber den Teil würde ich doch jetzt mal gut sein lassen – unabhängig von der Frage, wer angefangen hat.
.
@ThorHa: Falls nicht, müsste ich eventuell einen der Anwesenden dazu verdonnern, in die Rolle des Advocatus Diaboli zu schlüpfen oder vielleicht selbst mal die Gegenposition vertreten um in Übung zu bleiben. ;-) Von Jens Best (dessen Kommentar ich heute morgen wegen semantischer Mängel aus dem Verkehr gezogen habe), habe ich bislang auch keine Mail bekommen…
Ich nehm es Ihnen nicht übel,...
Ich nehm es Ihnen nicht übel, keine Sorge, die Worte des Herrn ThorHa sprechen für sich.
Zum Thema anwesende...
Zum Thema anwesende Post-Privacy-Befürworter: Ich habe irgendwann aufgehört, dem hiesigen Kommentar-Diskurs zu folgen, als es nur noch darum ging, wer oder was denn nun Faschist oder Totalitarist sei; weder wie ethisches Überlegen oder selbst Polemisieren, noch wie das Abfotografieren von Häuserfassaden einen bereits zu einem davon machen sollen, ist mir bisher eingegangen :-) Ansonsten bin ich aber noch immer hier. (Also, mit “hier sein” meine ich, ich habe diesen Thread in einem Tab in meinem Browser offen und re-loade ihn regelmäßig.)
.
Allerdings habe ich auch den Eindruck, dass die Aufregung vor allem sich auf das “filtersouveräne” “Recht des Anderen” an den individuellen Informationen stürzt. (Die man vielleicht wirklich lesen könnte als eine *moralische Verpflichtung* zum Exhibitionismus.) Meine Thesen gehen ja eher in die Richtung, dass wir den Verlust der Geheimhaltungssicherheit über unsere Daten hinzunehmen lernen und unser Leben so einrichten müssen, dass es unter diesem Druck nicht kollabiert; und dass wir dabei versuchen sollten, diverse Chancen der Post-Privacy für uns fruchtbar zu machen; dass im Ergebnis eine post-privatere Welt die bessere sein kann; dass eine Form von Exhibitionismus durchaus auch eine Selbsthilfe-Strategie sein kann.
.
Den Schluss zu einem filtersouveränen, bedingungslos zu erfüllenden Recht des Anderen auf alle nur denkbaren von mir auch nur *erzeugbaren* Informationen halte ich dabei noch nicht für zwangsläufig; habe mich mit dem in diese Richtung ausgelegten Ast der Seemannschen Schule aber wohl auch noch nicht hinreichend auseinandergesetzt, um sein volles zwecks Verteidigung notwendiges Verständnis zu beanspruchen. Für letzteres wäre ich also im Augenblick vermutlich ein ungeeigneter Vertreter.
.
Sucht ihr also einen Advokat für das im unmittelbar letzten Absatz Beschriebene, kann ich nicht dienen. Für das davor vielleicht schon.
<p>Ah, Herr Heller, schön,...
Ah, Herr Heller, schön, dass Sie noch dabei sind (trotz des zwischenzeitlichen Mäanderns dieses Threads in politikwissenschaftlich-historische Gefilde). Ich für mein Teil stoße mich in der Tat an diesem abstrakten Anderen auf dem Altar, dessen Filtersouveränität ich all meine Daten darzubringen hätte. Da der Urheber dieser Vorstellung es versäumt hat, eine Grenze zu markieren, wo dieses Recht des Anderen enden sollte, muss man davon ausgehen, dass es als Maximalforderung zu verstehen ist. Aber gut, das ist nicht Ihr Bier, und dann will ich Sie dafür auch nicht über Gebühr damit in Beschlag nehmen.
.
Ihr Ansatz mit Lernen, damit zu leben, klingt in meinen Ohren deutlich vernünftiger als die Umwertung aller Werte, an der sich Seemann mit seiner Ethik versucht. Was ich indes nicht verstehe, ist folgendes: Nun sind ja längst nicht alle Barrieren gefallen, der Datenschutz vemag nach wie vor einige vitale Informationen über uns aus der öffentlichen Domäne herauszuhalten, auch ist der Weiterverkauf/die Weitergabe von Personendatensätzen an bestimmte Voraussetzungen gekoppelt und mit einigen Limitierungen gebremst. Was ist daran so schlecht, dass Sie den Datenschutz (wie seinerzeit in Ihrem Carta-Beitrag) als überholte Ideologie abqualifizieren? Ist die Post-Privacy für Sie eine so erstrebenswerte Vision, dass Sie die letzten bestehenden Hindernisse dieses Zustands lieber heute als morgen beseitigt sähen? Und was genau konstutuiert dann diese bessere Welt?
"Meine Thesen gehen ja eher in...
“Meine Thesen gehen ja eher in die Richtung, dass wir den Verlust der Geheimhaltungssicherheit über unsere Daten hinzunehmen lernen und unser Leben so einrichten müssen, dass es unter diesem Druck nicht kollabiert.”
Darauf lasse ich mich durchaus gerne ein. Mit einigen Gegenthesen zu Ihrem Axiom:
1) Der massive Verlust der Geheimhaltung privater Daten ist keineswegs zwangsläufig. Er ist nur dann zwangsläufig, wenn entschiedene Geheimhaltungsverletzer auf eine noch immer weitgehend passive und wenig informierte Masse von Datenquellen (Menschen) stösst, die sich mangels passender Aufreger mehr an ihrer kurzfristigen Bequemlichkeit als an anderen Überlegungen orientieren
2) Die einzigen wirklich ernsthaften Bedrohungen der Privatsphäre (jemand weiss jederzeit, was Du machst oder tust) setzen illegales Handeln voraus – sie erfordern nämlich noch immer einen Einbruch in Dein Haus und eine Sonde in Deinem Allerwertesten
3) Soweit Daten bei Behörden oder Unternehmen eine Bedrohung der Privatsphäre darstellen, wird es (nach einer durchaus Jahre dauernden Übergangsphase) entsprechende Schutz-, Kontroll- und Einspruchsrechte geben, die sicherstellen, dass nach ihrem Inkrafttreten nur noch Kriminelle eine weitere Möglichkeit haben, kriminell zu werden
4) Sollte es keine angemessenen Schutzrechte gegen technisch schwer vermeidbare, massive Einbrüche in die Privatsphäre geben (aktuell IMHO am gefährlichsten – automatische Gesichtserkennung über Handykameras), werden Menschen das nicht hinnehmen, sondern schlicht massenhaft paranoid und in grossem Umfang auch kriminell werden
5) Geheimhaltungsbrüche, die erst durch die aktive Nutzung bestimmter technischer Möglichkeiten entstehen (Mail, soziale Netzwerke, Onlinepayments etc.), werden (ebenfalls nach einer Übergangsphase) mit einer ganz selbstverständlichen und ins tägliche Leben jedes Einzelnen eingebetteten Mehrstufenstrategie gekontert werden. Bei der der Einzelne vielleicht trotzdem noch seine Bücher über Amazon bestellt, für Inkontinenzartikel aber lieber in ein Sanitätshaus seines Vertrauens geht. Und Mails mit besonders brisanten Inhalten nur verschlüsselt verschickt.
6) Letztlich werden wenige Bereiche des bisherigen Alltagsprivatlebens, im wesentlichen in Verbindung mit nichtbaren Zahlvorgängen, auf Dauer vermutlich tatsächlich nicht ausreichend zu schützen sein. Das bedeutet eine gewisse Einschränkung der Privatsphäre, bedroht sie aber nicht im Kern.
7) Der extrem hohe Rang, den Anonymität bei Internetnutzern geniesst, deutet bereits ein heute genutzte Strategie zum Privatsphärenerhalt an – multiple Netzpersönlichkeiten, damit bestimmte Aussagen und Aktivitäten im Netz nicht mehr mit ihrem realen Urheber in Verbindung gebracht werden können. Das wäre – im Vergleich zum realen Leben – übrigens das Gegenteil von Verlust, nämlich eine Ausweitung der Privatsphäre auf Bereiche, in denen man vorher als reale Person, also identifizierbar, auftreten musste.
<p>@ThorHa: Interessant, mal...
@ThorHa: Interessant, mal eine Gegenthese zu der ansonsten weitgehend unhinterfragten Erosion des Privaten zu lesen. Ich würde zumindest insoweit zustimmen, dass es nicht gottgegeben und unausweichlich ist, dass die bisherigen Entwicklungen der letzten Zeit linear und ungebremst so weitergehen. Wir werden womöglich einen Riss durch die Gesellschaft haben, auf der einen Seite die extremen Exhibitionisten, die die Welt in Echtzeit über jede Flatulenz informieren wollen und am anderen Ende der Skala Paranoiker mit extremen Abschottungstendenzen und dazwischen der große Rest, der sich zwischen diesen Extrempositionen durchlaviert und mit den Verhältnissen mehr oder weniger arrangiert, aber Raum für seine kleinen Fluchten erhalten nöchte.
.
Ist denn die Anonymität im Netz noch so ein Dogma wie vor fünf oder zehn Jahren? Meiner subjektiven Beobachtung nach sind heute viel mehr Leute mit Klarnamen unterwegs als noch vor ein paar Jahren (was freilich auch damit zu tun hat, dass das Netz als gute Plattform für Ego-Marketing erkannt wurde). Ich selber bin da irgendwie gespalten. Ich blogge nicht unter Klarnamen, treibe aber auch keinen konspirativen Aufwand, um unerkennbar zu bleiben. Ich denke, die meisten meiner Leser drüben im Privatblog dürften mittlerweile wissen, wer da schreibt, und das ist ok. Meine Kommentare und Beiträge, die ich unter diesem Nick auch anderswo absetze, sind in der Regel so geartet, dass ich damit leben könnte, wenn man sie meinem Realnamen zuordnete.
Nachtrag: Hier ist noch der Link zu dem “Übermorgen”-Beitrag vom Elektrischen Reporter zur Zukunft der Privatsphäre:
https://blog.zdf.de/elektrischerreporter/2010/11/uebermorgentv-dummy-02-privats.html
@Der hochverehrte Gast: Ich...
@Der hochverehrte Gast: Ich bin in der ganzen Frage “Datenfluss versus Privatsphäre” langfristig ziemlich optimistisch. Das ist natürlich eine Folge meines Ausgangsaxioms – ich betrachte den Wunsch nach Privatsphäre als eine anthropologische Konstante, die lediglich in ihrer Grösse variabel ist.
Bitte dabei nicht vergessen – unser ziemlich ausgedehnter Begriff von Privatsphäre resultiert aus den Kreisen städtischer Gutverdienender, sowohl auf dem Land als auch (früher) in Adelshäusern mit Dienerschaft war die Privatsphäre weit eingeschränkter. In Dörfern aufgrund der räumlichen Nähe, dem Bekanntheitsgrad und der Nachbarbeobachtung, in Adelshäusern wegen der 24 Stunden Bedienung und weil sich die hohen Damen und Herren einen Dreck darum scherten, was das einfache Volk von ihnen dachte.
Für mich ist auch klar, dass es massive Gegenbewegungen gegen Privatsphäreneinschränkungen erst geben wird, wenn sich die gut ausgebildeten und durch- bis überdurchscnittlich Verdienenden bedroht sehen. In der Unterschicht ist nach meiner Beobachtung kein Bewusstsein für mögliche Nachteile von Exhibitionismus vorhanden.
Für mich ist das Axiom, nach dem die Privatsphäre als ganzes perdu ist und wir neue Regeln für den Umgang mit den Folgen brauchen, de facto ein trojanisches Pferd und wenig überzeugend begründet. Trojanisches Pferd, weil es Bemühungen technischer und gesetzlicher Art zum Erhalt von Datenhoheit für Zeitverschwendung erklärt. Und wenig überzeugend, weil es für die meisten Probleme von Datenhaltung, Datenfluss und Datenveröffentlichung im Hinblick auf Privatsphärenerhalt sehr wohl durchsetzbare Lösungen gibt. Nicht unbedingt einfache und selten rein nationale – aber das gilt heute für viele Bereiche des Lebens.
Hochverehrter Gast! Meine...
Hochverehrter Gast! Meine Kritik am Datenschutz hat nicht das alleinige Ziel, ihn zu disqualifizieren. Soweit ich ihn in seiner “Ideologisierung” kritisiere, stört mich sein gelegentlicher Auftritt als Dogma, als moralische Daten-Metaphysik, aus sich heraus wahr und richtig, in ihrem Durchsetzungsrecht nicht in Frage zu stellen — so mein Eindruck etwa von der 26c3-Eröffnungsrede, auf die ich am Anfang meines Carta-Artikels verweise. Ein solcherart verabsolutierter Datenschutz führt als Problemlösungs-Ansatz meines Erachtens in die Irre: Er verspricht falsche Sicherheiten, konzentriert Arbeit auf Symptome statt Ursachen und lässt sich zu leicht anti-emanzipatorisch missbrauchen. Wer sich darauf versteift, verbaut sich alternative Lösungswege und geht Nibelungentreuen ein, über die er an späterer Stelle noch stolpern wird — zum Beispiel, wenn Datenschutz mal eben Informationsfreiheit, Redefreiheit, Transparenz aussticht.
.
Andererseits gestehe ich gerne ein, dass Datenschutz im bisherigen und auch noch derzeitigen Kontext vielen Menschen nutzt, viel Schaden verhütet; und daher fordere ich auch keineswegs seine völlige Abschaffung von heute auf morgen. Ich glaube nur, dass unter den derzeitigen Trends seine positive Wirkung langfristig ab- und seine negative zunimmt. Bis wir im fehlerfrei-jenseitigen Himmelreich der totalen Post-Privacy (höhö) angekommen sind, gönne ich ihm aber gerne noch ein Recht als pragmatische *Option* neben anderen. Nur sollte man halt wachsam sein, dass man sich mit dieser in einer bestimmten Situation nicht mehr Schaden als Nutzen ins Haus holt. Ich fordere, ihn nicht um seiner selbst Willen als gut zu betrachten.
.
Was an so einer Post-Privacy-Welt *besser* sein könnte (anstatt einfach nur “auch erträglich”)? Ich werd mal etwas rum-utopisieren. Die utopische Alternative zum dystopischen “jede Normabweichung wird erfasst und bestraft” wäre: “die Normen müssen lässiger werden, damit die Gesellschaft nicht auseinanderbricht”. Eine Welt, in der vieles Anderssein nicht mehr schamvoll versteckt werden muss, wäre IMHO eine bessere; und Post-Privacy könnte hierzu den Druck liefern. Eine Post-Privacy-Welt könnte auch eine informiertere sein, also eine aufgeklärtere und eine, die ihre Lösungsfindungs-Algorithmen mit sehr viel mehr, sehr viel ehrlicheren Daten füttern kann. Sie könnte transparenter sein, was (auch wenn Transparenz sicher nicht die Auflösung aller Machtverhältnisse ist) viele Erpressungs-Wege der Stärkeren gegen die Schwächeren verbauen würde. Und außerdem, und jetzt trage ich den futuristisch-theologischen Pathos mal besonders dick auf, würde sie die Verschaltung unser aller Erfahrungen und Intelligenzen in den großen integrierten Weltgeist, der mit der menschlichen Kultur seit Jahrtausenden wächst und im Internet dieser Tage eine neue Stufe erreicht, enorm vorantreiben — für mich durchaus ein positives Bild. (Drin vor: Alles in diesem Absatz bis auf den letzten Satz ist naiv. Der letzte Satz schließlich ist wahnhaft und gefährlich!)
.
.
ThorHa, mir scheint, unsere Einschätzungen der Plausibilität einer Post-Privacy-Entwicklung gehen an den folgenden Prämissen auseinander:
.
Sie (Entschuldigung, ich finde das sehr gewöhnungsbedürftig, in Internet-Kommunikation jenseits von Mail-Verkehr mit Behörden zu siezen) scheinen mir als Faktor der Entwicklung sehr auf den erklärten Willen zu setzen, die Meinungen, die Intentionen der einzelnen Menschen: Kaum jemand außer einigen Sonderfällen bekennt sich zum Exhibitionismus, also warum sollte er auf dem Vormarsch sein? Stattdessen weiß doch jeder lautstark seine Privatsphäre zu schätzen, werden Google Street View und die Datensammeleien von Facebook mit Argwohn betrachtet. Was gegen diesen Willen steht, hat der Volksvertreter folgerichtig illegalisiert. Die Menschen wollen sie nicht, das Recht verbietet sie, also wird der Post-Privacy Einheilt geboten; wo noch nicht hinreichend, da steht es zwangsläufig bevor, es fehlt nur das konkrete, aber unvermeidliche katastrophale Erweckungserlebnis für die “passive und wenig informierte Masse von Datenquellen (Menschen)”, “die sich mangels passender Aufreger mehr an ihrer kurzfristigen Bequemlichkeit als an anderen Überlegungen orientieren”.
.
Für mich dagegen zählt als Indiz erstmal nicht so sehr, was der Einzelne als seinen Willen erklärt, als was er denn konkret tut und in welche Situation ihn sein sozial-technologisches Eingebundensein setzen. Bald ein Zehntel der Menschheit (eine halbe Milliarde) vertraut dem (inzwischen kann man ihn wohl so nennen) Post-Privacy-Dienst Facebook seine Daten an, und ich finde es leicht arrogant (nicht im moralisch verächtlichen, sondern im Erkenntnis-verbauenden Sinne), das auf die Naivität und Kurzsichtigkeit der Massen zu schieben — die meisten dieser Menschen haben ja konkreten Nutzen, den sie für sich aus Facebook ziehen, sei es Sozialität, sei es Spiel und Spaß, sei es Selbstbestätigung, sei es “Convenience”, und den gewichten sie halt praktisch höher. Insofern halte ich es für gewagt, anzunehmen, sie müssten nur mal die Wahrheit erkennen und ihre Interessen besser reflektieren, dann würde diesem Zustand schon Einhalt geboten. Dass sich trotzdem viele lauthals über Facebooks lockere Datenmoral beschweren, ist nicht mehr als eine leere Geste, ein Lippenbekenntnis, so lange dem keine tatsächlichen Handlungen folgen.
.
Auch dass die Privatsphäre erst da bedroht werde, wo Gesetzesverstöße geschehen, halte ich einerseits für zu kurz gedacht, andererseits für irrelevant gegenüber der Frage, ob ein Trend zur Post-Privacy stattfinde. Einerseits kann niemand abgrenzen, in welcher verdrehten und auch von Gesetzen nicht vorhersehbaren Weise Daten, die er selbst von sich freigibt, noch zum Hebel gegen seine Privatsphäre werden können. Andererseits kommen die Gesetzgebungen aus der Welt von Nationalstaat und Aktenschrank der digitalen Wirklichkeit eh kaum hinterher, stehen zu den relevanten Fragen quer, greifen entweder gar nicht oder verbieten genaugenommen gleich jeden digitalen Atemzug; werden folgerichtig von der digitalen Zivilisation schlichtweg ignoriert. Dass eine Bedrängung der Privatsphäre durchs Daten-Zeitalter gegen irgendein Gesetz verstoße, ist also kein wirksames Hindernis. Die Daten-Vorgänge wildern unaufhaltsam herum, ob die Parlamente nun zustimmen oder nicht.
.
Kurzum, in meinem Weltbild ist der antreibende Faktor die technologisch-kulturelle Eigendynamik, nicht der erklärte individuelle menschliche Wille. Letzterer ist eher Folge statt Ursache (und seine Autonomie nur eingeredet). Meines Erachtens zeigt diese Dynamik einen Trend zur Post-Privacy. Mag sein, dass dieser Trend nicht perfekt “linear und ungebremst” (Hochverehrter Gast) verläuft, bisher sieht es mir aber im big picture ziemlich danach aus. Nehmen wir diesen Trend an, können wir uns natürlich berechtigt Sorgen darüber machen, inwieweit er Werte bedroht, die uns wichtig sind. Mein Ansatz ist: diese Werte unter den gegenwärtigen Umständen hinterfragen, auf ihren Fortbestandswert abklopfen und das, was übrig bleibt, in einer Weise verändern / neu erfinden, die unter der Gewalt dieser neuen Richtung nicht zerbricht, vielleicht sie sich sogar zu eigen machen kann.
.
Was ich übrigens für einen sehr guten Kritikpunkt halte: das “Dogma” der Anonymität. Eine elegante Lösung für dessen Kompatibilisierung mit Post-Privacy-Utopien sehe ich noch nicht, obwohl ich selbst ein großer Fan der Dynamik bin, die die Anonymität im Netz entfaltet. Mein noch nicht hinreichend entwickelter Arbeits-Ansatz zur Erhaltung dieser Dynamik unter Post-Privacy: die Bedeutung für die individuelle, persönliche Identität als Autoren-Ballast von Text kulturell schmälern. Euch als Post-Privacy-Kritikern kann ich nur empfehlen, auf diesem wunden Punkt stärker rumzureiten :-)
@Christian Heller: Dem...
@Christian Heller: Dem verabsolutierten Datenschutz-Verständnis wie in dem CCC-Referat haftet in der Tat etwas ideologisches, um nicht zu sagen: fundamentalistisches an. So gesehen ist Datensparsamkeit und Datenvermeidung als alleroberste Direktive ähnlich praxisfern und illusorisch wie auf der anderen Seite ein kaum eingeschränktes Recht eines wie auch immer gearteten Anderen auf meine Informationen. Datenschutz, so wie ich ihn verstehe, kann eigentlich immer nur Hilfsdisziplin sein, aber kein Selbstzweck. Es ist doch auch schon heute so, dass sich der Datenschutz Güterabwägungen stellen muss (und oft genug für zu leicht befunden wird, denken wir an Vorratsdatenspeicherung, ELENA, das Einknicken des Gesetzgebers gegenüber der Verlagslobby, die erfolgreich für den Fortbestand ihrer Abo-Drückermethoden kämpfte, um nur ein paar Beispiele zu nennen).
.
Ihrem Gedankengang “die Normen müssen lässiger werden, damit die Gesellschaft nicht auseinanderbricht” kann ich im Prinzip folgen, aber ich sehe es nicht automatisch kommen, dass eine noch viel weiter gehende Erosion des Privaten die Gesellschaft wirklich stabilisiert und für mehr Toleranz sorgt. Ich würde mir wünschen, dass es so kommt, aber ich mache mir als Berufsrealist halt auch Gedanken darüber, was, wenn nicht? Und wenn ich nur mal die Debatte um Google-Street-View als Blaupause nehme für Themen, die noch auf uns zukommen, dann gehen wir spannenden Zeiten entgegen, um es mal möglichst unaufgeregt auszudrücken.
@Christian Heller:
Ich...
@Christian Heller:
Ich beantworte Deinen Pämissendisenz ausnahmsweise mal mit einem persönlichen Eingangsstatement. Ich bin relativ spät (so 2006) und mehr aus Langeweile auf das Phänomen sozialer Netze gestossen. Nach 24 Monaten immer intensiverer Netzaktivitäten und einer Reihe tatsächlich bizarrer Erlebnisse bin ich hart ausgestiegen – von einem Tag auf den anderen auf nahezu 0. Von mir und über mich gibt es – sowohl unter ThorHa in Google Groups als auch unter meinem Klarnamen Thorsten Haupts geschätzt einige tausend Fundstellen.
Da ich mir von Anfang an darüber im klaren war, dass im Netz = Öffentlichkeit darstellt, habe ich nur hinterlassen, worüber ich mich auch nach 50 Jahren zumindest nicht schämen muss.
Neugierig geworden, habe ich in meinem (grossen) beruflichen Kollegenkreis immer mal wieder nach Netznutzung gefragt. Und bin dabei auf ein paar bemerkenswerte Ergebnisse gestossen, die abstrahiert und verdichtet wie folgt aussehen:
1) Netzaktivität wie Netzvertrauen ist altersabhängig. Je älter, desto weniger von beidem
2) Netzaktivität wie Netzvertrauen ist sozialstatusabhängig. Je höher der Status, desto weniger Persönliches im Netz
3) Netzaktivität ist bei Akademikern stark berufsabhängig. Medien- oder IT-Leute = fast alle im Netz, hohe Netzfrequenz. Ingenieure oder Juristen = weniger im Netz, geringere Netzfrequenz
Nehme ich das zusammen, ist für mich keineswegs ausgemacht, dass die facebook-Quote ein starker Indikator ist (ich kann als Projektmanager nicht aus meiner Haut :-)). Interessanter wäre, was die Daten sind (und wie ehrlich sie sind), die man facebook zur Verfügung stellt. Und dafür gilt IMHO eindeutig – je älter oder höherrangiger, desto weniger. Alle, die etwas zu verlieren haben, zensieren sich sehr stark, in vorausschauender Vorsicht. Und da ich noch immer davon überzeugt bin, dass die Rahmenbedingungen der Zukunft weder von der Populärkultur noch von der Unterschicht bestimmt werden, allem öffentlichkeitswirksamen Geschrei zum Trotz …
Das Argument der Unkontrollierbarkeit hat mehr Gewicht, aber auch das trägt nur eine bestimmte Strecke. So abstrus Dir der Vergleich erscheinen mag, aber: Wie wahrscheinlich war es eigentlich, dass es weltweit fast gleichlautende, durchgesetzte Vorschriften gegen Diebstahl gibt? Sehr unwahrscheinlich, wenn man es durch die Brille “Zufälle” sieht. Und extrem wahrscheinlich, wenn man es durch die Brille “gesellschaftliche Funktionalität” oder “anthropologische Konstante” sieht. Es ist historisch betrachtet erheblich zu früh, eine Prognose für weltweiten Datenschutz zu stellen. Ich bin nur davon überzeugt, dass er kommen WIRD.
Zum stärksten Argument für Post-Privacy, der besseren Akzeptanz für Andersartigkeit. Das IST ein starkes Argument, es hat nur zwei Schönheitsfehler: Alle mit Aufstiegs- oder Führungsambitionen, die das früh praktizieren, werden leiden, und sie werden das wissen. Wer sich die Schlachtinstanzen in Form der heutigen Boulevardpresse weltweit ansieht, weiss, was ich meine. Kein starker Anreiz, damit zu beginnen. Und das Argument steht und fällt mit einer weiteren anthropologischen Grundannahme. Nämlich der Bereitschaft und dem Vermögen des Menschen, auf Vorurteile, Sündenböcke, das Konzept von Fremdheit im Sinne von “Er ist anders also ein Barbar” zu verzichten. Und da bin ich als alter Konservativer mit einem kurzen Blick in mein Hobby (Geschichte) extrem skeptisch.
Um mal eine Vorstellung davon...
Um mal eine Vorstellung davon zu bekommen, wie weit unsere Verdatung auch jenseits dessen, was wir mehr oder weniger freiwillig an Informationen in die sozialen Netze einspeisen, schon fortgeschritten ist, empfehle ich einen Artikel von Frank Rieger (Sprecher des CCC) in dieser Zeitung:
.
https://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~E38A2F6DD0A734EB789AAD27EDE6F9A35~ATpl~Ecommon~Scontent.html
.
(Sieht nicht schön aus, so ein URL-Monster, aber einen Link ganz normal in den Lauftext einzubetten, kriege ich mit den üblichen Mitteln hier nicht hin)
Wenn ich die aktuellen Ankündigen des Bundesinnenministers zur Verschärfung des Datenschutzes lese, bin ich in der Tat auch nicht mehr so sicher, ob die Politik dabei vor allem unser Wohl als Endverbraucher im Sinne hat. Oder ob es nicht eher darum geht, die bestehenden Profitstrukturen und Herrschaftswissen über die Untertanen zu sichern. Auch wenn ich eine Gesellschaft, in der alle ihre Hosen auf Knöchelhöhe tragen, weiterhin nicht erstrebenswert finde, muss ich den Postprivatisten doch zugestehen, dass einige ihrer Überlegungen nicht so ohne weiteres von der Hand zu weisen sind – etwa, dass Datenschutz nicht zur heiligen Kuh taugt und dass man immer fragen muss, was da eigentlich genau vor wem geschützt werden soll.
@Der hochverehrte Gast: Danke,...
@Der hochverehrte Gast: Danke, den Artikel kannte ich schon. Der Verweis auf die Niederlande ist hochinteressant, weil es dort offenbar eine klare gesellschaftliche Mehrheit für aus Algorithmen abgeleitete Präventivmassnahmen mit Eingriff in die Privatsphäre gibt … Ist das so? Zum einen konnte ich die Aktion”Gegenwirkung” nicht verifizieren, zum anderen ist die heutige Kriminalprävention auch eine vielleicht überzogene Reaktion darauf, dass jahrzehntelang übermässig geduldet wurde, auch z.B. offener Diebstahl
https://www.uni-muenster.de/NiederlandeNet/nl-wissen/politik/vertiefung/sicherheit/geduld.html
Aber zurück zum Thema: Wie der Autor des von Ihnen verlinkten Artikels ganz richtig feststellt, liegt es an uns selbst, zu entscheiden, was wir an Daten rausrücken wollen und was nicht. Und solange wir unserer Bequemlichkeit einen höheren Stellenwert einräumen, als z.B. der Unverfolgbarkeit unseres Kaufverhaltens, können das eine ganze Menge Daten sein. Das an sich beunruhigt mich nicht. Mich beunruhigt auch das holländische Beispiel (soweit korrekt) wenig, weil es hier offenbar eine gesellshaftliche Mehrheit für eine ziemlich weitgehende Kriminalürävention gibt, die ich in Deutschland oder Frankreich nicht sehe. Beunruhigend sind zur Zeit zwei Entwicklungen, weil sie einen de facto Zwang zur Post-Privacy ausüben, der man sich kaum noch entziehen kann:
1) Kreditkartenzwang, z.B. bei Hotelbuchungen im Ausland, Alternativen: Keine
2) Automatisierte Gesichtserkennung, individuelle Gegenmassnahmen: Keine sinnvollen
Wie es hier weitergeht, wird sicher interessant, vor allem dann, wenn es die ersten unvermeidbaren, öffentlich gewordenen Kollateralschäden gibt. Nur diskutieren wir hier bereits wieder im klaren Kontext Privatsphäre/Datenschutz, also darüber, wie man unvermeidliche Auswirkungen der anwachsenden Datenströme unter die Kontrolle des einzelnen zurückbringt. Pro-Privacy, nicht Post-Privacy. Und ganz altertümlich mit Regeln, Normen und Gesetzen :-).
Ich glaube zwar, dass wir uns...
Ich glaube zwar, dass wir uns Richtung Post-Privacy bewegen, aber ich glaube nicht, dass diese Bewegung *in jedem Fall* positiv, emanzipativ, gerechtigkeitsfördernd usw. ausfällt. Für realistisch halte ich, dass Gutes und Schlechtes dabei abfällt. Für ein politisches Projekt halte ich, das Gute zu maximieren und das Schlechte zu minimieren. Eine Perspektive, die sich in einem Verhinderer Datenschutz als Lösungsansatz verrennt, halte ich für dieses politische Projekt kontraproduktiv; für aussichtsreicher halte ich einen Ansatz, der die Durchsetzungsgewalten der Post-Privacy in ihrem Betrag anerkennt, ihre Durchsetzungsrichtungen aber ins Verdauliche bis Erstrebenswerte lenkt.
.
So gilt es auch, informationelle Machtverhältnisse zu konfrontieren wie die Nacktheit der Schwächeren gegenüber dem Deckmantel der Stärkeren: Dass die Deklassierten keine Privatsphäre haben, die Wohlhabenden aber schon, ist nicht wünschenswert. In der Theorie würde der Lösungsansatz Datenschutz die Privatsphäre auf die Deklassierten ausweiten müssen, in der Praxis schützt er aber eher das Bankgeheimnis der Wohlhabenden als das von Hartz-IV-Empfängern. Deshalb erwarte ich vom Datenschutz in dieser Frage keine Hilfe. Der gegenstehende Post-Privacy-Ansatz würde danach streben, dass die Stärkeren mindestens genauso nackt werden wie die Schwächeren. Nichts, was sich durch bloßes Wünschen durchsetzen ließe; aber politische Forderungen hatten schon immer Machtverhältnisse zu konfrontieren, insofern sehe ich das auch nicht als ein paradoxes Projekt an. Und Ereignisse der Manier Wikileaks zeigen, dass Machtbesitz keineswegs unangreifbaren Datenschutz bedeutet.
.
Können die Menschen lernen, zivilisiert mit Post-Privacy umzugehen? Ich bin da keineswegs so pessimistisch. Mag sein, dass wir auch heute noch gern Säue durchs Dorf treiben; aber zumindest in unseren Breitengraden leben wir heute sicher mit (in relativen Zahlen) weniger Mord und Totschlag als vor tausend Jahren und pflegen größere Toleranz gegenüber einem breiteren Spektrum von Lebensweisen und Hintergründen. (Drin vor: Aber Auschwitz geschah mitten im zivilisiertesten Kulturkreis der Erde!) Ein Zivilisierungsprozess findet also statt, und warum sollte er unter einem Trend zur Post-Privacy stoppen? Viel mehr, glaube ich, wird der Selbsterhaltungstrieb der Gesellschaft sie zu größerer Toleranz nötigen — man kann sich nur eine begrenzte Zahl von Gliedmaßen abschneiden (also: die eigenen Mitglieder rauswerfen), eh man zum Selbsterhalt unfähig wird. Letztlich ist das aber vermutlich die alte Frage nach der Stärke oder Schwäche offener Gesellschaften.
.
ThorHa: Der Vergleich mit dem Diebstahl greift meines Erachtens fehl. Dass es weltweit Gesetze gegen Diebstahl gibt, sagt für sich erstmal nicht viel mehr aus, als dass die Durchsetzung von Eigentumsrechten halt eine der Hauptlegitimationen staatlicher Gewalt ist. Spannender ist die Frage, inwieweit die staatlichen Gewalten diesem Versprechen gerecht werden. Soweit es um Diebstahl in der materiellen Welt geht, erweisen sich die meisten Staaten darin als einigermaßen erfolgreich: Schließlich unterliegt der Gegenstand direkt ihrer Verfügungsgewalt. Sobald wir den “Diebstahl”-Begriff aber ausweiten auf die Welt der globalen digitalen Informationsflüsse im Internet — wo sich ja heute auch der Datenschutz beweisen muss –, wird schnell deutlich, wie sehr die Gesetze der alten Welt hier schwächeln. Hier stoßen sie auf grundlegende Probleme der Durchsetzbarkeit von Recht alter Art im neuen Raum. Wie sollen die überwunden werden? Ehe diese Frage nicht geklärt ist, sieht die Zukunft für den Datenschutz meiner Meinung nach düster aus.
@Der hochverehrte Gast, 10....
@Der hochverehrte Gast, 10. Dezember 2010, 15:23
jetzt weiß ich, was ich vergessen hatte! ich habe derzeit nur leider überhaupt keine zeit zum bramarbasieren.
vielleicht über die feiertage (dann wohl eher bei mir zu hause), da hat man ja bekanntermaßen immer besonders viel ruhe und frieden.