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Zurück aus den Ferien

Der Regierungssprecher ist zurück aus dem Urlaub. Das bedeutet auch: er twittert wieder. Doch seine Tweets klingen noch immer etwas hölzern. Dennoch könnte die politische Kommunikation im Netz von Steffen Seibert etwas lernen.

Der Regierungssprecher ist zurück aus dem Urlaub. Das bedeutet auch: er twittert wieder. Doch seine Tweets klingen noch immer etwas hölzern. Dennoch könnte die politische Kommunikation im Netz von Steffen Seibert etwas lernen.

 

“Zurück aus den Ferien. Habe mir verboten, zwischendurch zu twittern, man will ja nicht süchtig werden. Ab morgen wieder Infos zur Politik.”

Oben stehend sehen Sie einen Satz geschliffener politischer Kommunikation in 138 Zeichen. Mit diesen Sätzen kündigte der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert über Twitter seine Rückkehr aus dem Urlaub an. Zehn Tage zuvor hatte er den Beginn seiner Ferien ebenfalls dort verkündet und sich von seinen Followern verabschiedet. Seiberts Tweet liest sich so holprig und steif wie die Updates seit Beginn seiner Twitternutzung. Sonderlich erholt klingt er nicht. Im Telegrammstil packt der ehemalige Journalist möglichst viele Informationen in das auf 140 Zeichen begrenzte Textfeld des Microbloggingdienstes, streng hat er sich verboten, im Urlaub zu zwitschern, nicht er, aber “man” wolle ja nicht davon süchtig werden. Hastig heißt es weiter, dass auf diese fast private Information morgen wieder Seriöses folge: Infos zur Politik. Ein ungezwungener Umgang mit dem Medium sieht anders aus. Twitter könne abhängig machen – welch verwegener Akt des Sprechers, über diesen heißen Draht mit den Netzbürgern zu kommunizieren. Dabei hat Twitter sich als Werkzeug der seriösen Medienkommunikation schon längst etabliert; Breaking News und Journalismus sind ohne den behenden Nachrichtendienst kaum noch denkbar. Seibert schloss erst im Februar 2011 das Bundespresseamt an den grazilen Kommunikationskanal an, nachdem er das Einverständnis der Kanzlerin eingeholt hatte. Die Revolution in Ägypten war zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Millionen Tweets alt.

 

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Seiberts Entscheidung, für die Kanzlerin auch über Twitter zu kommunizieren, ist für die Regierung ein nicht kleiner Gewinn an gefühlter Netzkompetenz, an Jugend und ein Hauch digitaler Nähe. Mit über 20.000 Followern hat er im direkten Vergleich mit Ministerkollegen aus dem schwarz-gelben Kabinett eine hohe Reichweite. 17.000 Twitternutzer folgen der Familienministerin Kristina Schröder, die nur noch selten twittert, die Pressestelle der Justizministerin erreicht trotz des netzpolitischen Engagements von Leutheusser-Schnarrenberger noch keine 3.000 Interessierten. Über Seibert taucht Angela Merkel, die selbst nicht twittert, in zahlreichen Timelines von Nutzerinnen und Nutzern des Nachrichtendienstes auf; wenn auch kein unmittelbarer Imagegewinn für sie daraus hervorgeht, die Frequenz der Wahrnehmung ihrer Aktivitäten von Usern, die Merkel nicht gewählt haben, dürfte sich über das hohe Interesse an Steffen Seiberts Gehversuchen auf Twitter potenziert haben. Dies ist ein Grundstein, gelegt in den ruhigeren Zeiten in Mitten der Legislaturperiode, für vermehrte Kommunikation und Kampagnen im Bundestagswahlkampf.

Doch ist Seiberts Twitter-Account ein Beispiel für gelungene politische Kommunikation im Netz? Erfolgreiche Kommunikation aus der Politikerperspektive ist es, Entscheidungen, Ideen und Personen so zu bewerben, dass sie eine breite Akzeptanz finden, die im Idealfall zum einem späteren Zeitpunkt zu einer Wahlentscheidung für den Kommunikator führt. Bisweilen wird dieser traditionelle, einseitige Kommunikationsweg im Internet mit vermeintlich Instrumenten gespickt, um Dialog zu simulieren und den Bürger stärker zu involvieren: Nutzer können Kommentare hinterlassen, Formulare ausfüllen, Newsletter abonnieren.

Die große Gefolgschaft des Bundespressesprechers auf Twitter ist keine Adelung für eine ausgeklügelte Kommunikationsstrategie. Sein Erfolg gründet sich zum einen auf Neugierde und Interesse an den Versuchen der Regierung, im Web “auf Augenhöhe” mit Bürgern zu sprechen, zum anderen an der unfreiwilligen Komik, die Seiberts Tweets vermitteln.
Das Bundespresseamt scheint keine Beratung einer Kommunikationsagentur für den Launch des Twitteraccounts eingeholt zu haben, was gut ist, denn davon lebt die Marke @RegSprecher nun. Wo 140 Zeichen nicht ausreichen, werden Worte gnadenlos abgekürzt, Merkel taucht selten mit Namen sondern stets als Hashtag #Kanzlerin auf, im öffentlichen Austausch mit dem Grünen-Abgeordneten Volker Beck schlägt Seibert schon einmal einen schrofferen Ton an, und nicht nur in seiner Selbstbeschreibung des Accounts, auch in den Tweets selbst schreibt Steffen Seibert bisweilen über sich in der dritten Person. Der Regierungssprecher hat nicht nur Social Media in die Arbeit des Bundespresseamtes integriert, sogar ein kleines Ressort für Politainment hat er über das Web dort etabliert. Sein Ferienendstweet zählt zu Seiberts beliebtesten Kurznachrichten, die zum einen als direkter Retweet weiterverbreitet wurde, zum anderen als Mem in zahlreichen Varianten, die auf die ursprüngliche Nachricht zurückgehen, an diesem Tag durchs Netz strömten. Der Account des @Regsprecher besitzt mittlerweile tatsächlich Kultstatus. Das ist Imagegewinn.

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Es ist anzunehmen, dass Steffen Seibert dies weiß oder zumindest ahnt. Dass er das liebevolle Lachen über seinen Account mit gleicher Seelenruhe betrachtet, wie den Angriff der Hauptstadtjournalisten auf sein Engagement auf Twitter. Von dieser Nachsicht mit sich selbst und dem Vertrauen in das eigene Lerntempo, könnten viele Politiker von Seibert in Sachen Dialog im Netz lernen. Twitter ist geradezu das ideale Einstiegsmedium, um mit Bürgerinnen und Bürgern auch online ins Gespräch zu kommen, denn hier ist so vieles mehr erlaubt, das dem Politikbetrieb abgesprochen wird: ein offener Umgang mit Fehlern, Humor, Emotionen, Banales, sogar Müdigkeit. Ohne diese Mischung, ohne ein bißchen Witz und Ehrlichkeit und Kontroverse stagnieren die Followerzahlen politischer Twitterer. Die politische Kommunikation in sozialen Netzwerken kann die die Möglichkeiten von Pressestatements und privaten Homepages bei Weitem übertreffen, wenn hier genutzt wird, dass nicht die Technik das sein soll, was näher am Menschen ist, sondern das Interesse des Politikers am Bürger. Die Erwartungshaltung gegenüber den Botschaften unterscheidet sich im Web vom Anspruch an eine Bundestagsrede. Politsprech und Beamtendeutsch sind für die Weitergabe politischer Botschaften im Internet endgültig veraltet, genau wie konturlose Kandidaten. Warum sich bei vielen Politikern die Unlust und die Angst vor der Kommunikation im Netz hält, lässt sich vielleicht sogar auf zu viel Beratung von allen Seiten zurückführen, die verunsichert, die den Kontrollverlust prophezeit und dann in Kommunikationsverweigerung oder hölzernen Updates führt, die ein Bot wohl besser schreiben könnte. Politische Kommunikation ist vereinbar mit Spaß, sogar mit Fehlern. Authentisch zu kommunizieren bedeutet nämlich allenfalls die eine große Aufgabe: zu akzeptieren, dass Perfektion nicht nur unmöglich, nein, dass sie sogar langweilig und für die Entwickung politischen Charismas zu glatt ist.

Rechtschreibfehler sind okay, Musiktipps sind okay, Fragen, wenn man etwas nicht versteht sind okay, Smileys sind okay, sogar der freundschaftliche Dialog mit Mitgliedern anderer Parteien ist völlig okay – in diesem Wunderwerkzeug Twitter.
Der politische Rezipient wird großzügiger, und verlangt gleichzeitig mehr: echte Beteiligungsmöglichkeiten. Und das sind keine Facebook-Likes, keine Blogkommentare, keine Bilduploads für Plakatkampagnen. Für mehr Beteiligung braucht man keine Social-Media-Berater, sondern Beratung für neue Parteistrukturen, die diese für soziale Pluralität öffnet, so dass sich die politische Kaste nicht immer weiter von der tatsächlichen Gesellschaft entfernt. Teilen der Gesellschaft im Netz zu begegnen und politische Kommunikation in Prozesse zu überführen, ist Bestandteil dieser notwendigen Parteireformen.

Dass Wahlen nicht im Netz gewonnen werden und der Onlinewahlkampf in Deutschland nach wie vor kaum eine Rolle spielt, hat gute Gründe: kaum ein Spitzenpolitiker hat sich bislang wirklich begeistert über die Möglichkeiten des Netzes gezeigt, Visionäres darüber gesagt und begonnen, es auf breiter Basis für seine politische Arbeit zu nutzen. Die digitale Kluft zwischen Bürgern und Politik ist zu groß, um diese Beziehung ausgerechnet über Wahlkampf kitten zu können.

Schön, dass der Regierungssprecher wieder aus den Ferien zurück ist. Noch schöner wäre es, wenn er den Eifer des Parlamentes weckte, es ihm gleich zu tun. Denn Bürger im Netz sind kein Stück weniger echt als Bürger im Wahlkreis.

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Schade hingegen, dass der Fake-Account von Ole Schröder, Staatssekretär im Innenministerium, geschlossen wurde. Gefälschte Twitter-Accounts von Politikern gibt es wohl nicht nur aus satirischer Motivation, sondern auch um zu zeigen, wie es anders gehen könnte. Mit seinen Themen, zu denen die Vorratsdatenspeicherung oder Cyberkriminalität gehören, hätte es Ole Schröder gut gestanden, die Debatten “vor Ort” wahrzunehmen. Der CDU-Abgeordnete hätte sich seinen augenzwinkernd geführten Account einmal durchlesen sollen, und ihn dann ebenso liebevoll weiterführen sollen. Dort twitterte jemand anderes für den Pinneberger Abgeordneten im Landtagswahlkampf: “Hamburg ist noch nicht verloren!”