„Happiness makes up in height for what it lacks in length”. Zu Deutsch: Glück gleicht durch Höhe aus, was ihm an Länge fehlt, von dem Lyriker Robert Frost. Aber kann man Glück überhaupt messen?
Geld allein, sagt das Sprichwort,macht nicht glücklich. Tatsächlich läßt sich wissenschaftlich nachweisen, daß zumindest mehr Geld nicht unbedingt mehr glücklich macht. Wann immer es um dieses Thema geht – oder auch um Ungleichheit und andere Verteilungsfragen – wird gerne eine bestimmte Studie bemüht. Dabei wurden Probanden gefragt, ob sie lieber 120.000 Euro Einkommen hätten, wenn andere 130.000 Euro erhielten, oder nur 100.000 Euro, während aber alle andere mit 90.000 Euro schlechter gestellt wären. Dem Homo Oeconomicus fiele diese Entscheidung nicht schwer, und Otto Normalverbraucher eigentlich auch nicht: er entscheidet sich mehrheitlich für absolut weniger Einkommen, solange er nur mehr ist als andere hat. Daraus kann man lernen, daß wir oftmals irrational sind, vielleicht auch dumm, daß unsere Zufriedenheit sich maßgeblich aus dem Vergleich mit anderen ergibt, und vor allem: daß mehr Geld tatsächlich nicht unbedingt glücklicher macht.
Dabei hat sich die Wissenschaft lange sehr schwer mit dem Glück getan, denn wie, bitte schön, soll man Glück messen? Subjektive Einschätzungen der eigenen Glücklichkeit, erhoben durch Umfragen, sind eben das: subjektiv und schwer vergleichbar. Eine Skala von 0 (sehr unglücklich) bis 10 (sehr glücklich) läßt reichlich Raum für Variation und Interpretation. Dennoch sind solche „self reported life satisfaction scores” durchaus informativ, denn man kann sie im Länderdurchschnitt zu äußeren Faktoren ins Verhältnis setzen. Auch Veränderungen im Zeitablauf lassen sich nachvollziehen, wenn man glaubt, daß solche Einschätzungen im Zeitablauf konsistent sind. Beispiele dafür sind zum Beispiel das in Deutschland erhobene German Socio-Economic Panel. Die Deutschen befinden sich übrigens irgendwo bei den weltweit oberen 20 % der glücklichsten Länder.
Alternativ geben die Neurowissenschaften den Glücksforschern ein Instrument an die Hand, nämlich die Messung von Gehirnströmen. Die physiologische Methode hat den Vorteil, objektivere Ergebnisse zu liefern, allerdings immer noch mit einer sehr individuellen Dimesion.
Mit so wunderbaren Maßen und vielen interessanten Fragen konfrontiert, ist die Glücksforschung inzwischen ein eigenes Feld an der Schnittstelle zwischen Economics und allerlei anderen Sozialwissenschaften geworden. Wie es sich gehört, hat es auch seine eigenen Experten und Erkenntnisse hervorgebracht. Eines der verblüffendstensten Ergebnisse ist, ein weiteres Mal: Geld macht nicht glücklich. Das Land mit dem größten Zuwachs an Nationaleinkommen (BIP) in den letzten 50 Jahren ist Japan. Das nationale Glücksniveau (subjektiv, self-reported) hat sich allerdings nur unwesentlich geändert. Für die Forschung wird es hier natürlich erst interessant: warum macht mehr Geld nicht, oder nur kurzfristig zufriedener?
Während es naturgemäß schwierig ist, die Wirkungskanäle nachzuweisen, gibt es reichlich Hypothesen. Einer der – mutmaßlich – wichtigsten Gründe dafür, daß Reichtum nicht nachhaltig glücklicher macht, liegt am eingangs genannten menschlichen Bedürfnis, sich zu vergleichen. Viele Menschen haben ein starkes Bedürfnis, das harterarbeitete Geld in sichtbare Statussymbole zu investieren – aber deren Wert inflationiert natürlich, je mehr Personen darüber verfügen. Per Definition können sich maximal 50 % der Bevölkerung oberhalb des Durchschnitts befinden – folglich ist das Potential zur Abgrenzung durch Leistung, Status oder Erfolg begrenzt. Der Einzelne hingegen bemüht sich natürlich trotzdem (es gibt auch Forscher, die sich mit der menschlichen Grundeigenschaft beschäftigen, die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen) – und eine Gesellschaft als Ganzes endet so schnell wie der Hamster im Rad. Immer in Bewegung, immer mehr Stress, immer mehr Leistungserwartung, allerdings ohne daß sich dabei das Wohlergehen in der Summe ernsthaft verbessert. Daraus läßt sich auch eine Lehre über Ungleichheit und deren Folgen ziehen: zuviel Ungleichheit macht trübsinnig und unglücklich, weil viele sich am unteren Rand der Gesellschaft wahrnehmen. Totale Gleichheit allerdings wäre nach dieser Logik auch nicht gut, denn null Abgrenzungspotential macht uns auch nicht glücklich.
Der permanente Wettlauf mit anderen ist für sich schon glücksmindernd, wird aber noch dadurch verstärkt, daß sich menschliche Ambitionen mit jedem Erfolg und jedem Schritt vorwärts nach oben anpassen: wir wollen immer noch mehr. Und gewöhnen uns an das, was wir bereits haben. Aussteiger berichten von einem geradezu spirituellen Glückserlebnis nach der Trennung von ihren angesammelten materiellen Schätzen, wenn sie ihr Leben neu anfangen – und diese Erfahrung macht Sinn, wenn man dabei auch die materiellen Ambitionen wieder auf Null setzt.
Eine ganz andere Dimension, die den finanziell reicheren Menschen möglicherweise am Ende unglücklicher machen, ist der Stress der „Qual der Wahl”. Die schöne moderne Welt nämlich bietet für alles unzählige Wahlmöglichkeiten: von der Marmeladensorte bis zum Urlaubsort, von der Karriereentscheidung bis zum neuesten Handy. Der Mensch ist allerdings immerhin so rational, daß er prinzipielle gerne möglichst gute und optimale Entscheidungen treffen möchte – was mit zunehmender Auswahl schwieriger wird. Im Gegensatz zu Computern nämlich haben wir keine unendliche Rechenkapazität, können schlecht mit Statistik und bedingten Wahrscheinlichkeiten umgehen und zweifeln daher am Ende an einer komplizierten Entscheidung viel mehr als an einer einfachen. Und Zweifel machen wiederum unglücklich. Studien haben tatsächlich gezeigt, daß Menschen mit einer netten, aber überschaubaren Auswahl an Gütern subjektiv zufriedener sind und jedes weiter zusätzliche Angebot an Auswahl irgendwann unglücklicher macht. Der Kopf hinter diesem Erklärungsansatz nennt das Phänomen „die Tyrannei der kleinen Entscheidungen“.
Ganz so extrem verhält es sich natürlich mit steigenden Einkommen nicht. Mehr Einkommen macht in begrenztem Umfang durchaus glücklicher und die geschätzte Schwelle (nach internationalen Studien) liegt bei einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von 15.000 USD pro Jahr. Das ist in etwa das Wohlstandsniveau, das unsere estnischen Nachbarn in 2009 erreicht haben, ebenso wie Taiwan im fernen Osten. Oder Saudi-Arabien. Fast alle afrikanischen Länder hingegen liegen drunter, sieht man von den Seychellen, Libyen und dem Ölexporteur Äquatorial-Guinea ab. Das afrikanische Musterkind Südafrika oder die Arabellions-Leuchttürme hingegen sind davon noch ein paar tausend Euro entfernt. Womit die Legende von den armen aber um vieles glücklicheren Menschen da unten auch widerlegt wäre. Reichtum macht nicht glücklich. Armut aber ganz sicher auch nicht.