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Können Leckereien lügen?

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Das neue Verbraucherportal www.lebensmittelklarheit.de soll für mehr Klarheit bei der Kennzeichnung von Produkten sorgen. Die Seite setzt auf Bürgerbeteiligung, um Mogelpackungen aufzudecken. Antworten zu gesunder Ernährung sucht man jedoch vergeblich.

Das neue Verbraucherportal www.lebensmittelklarheit.de soll für mehr Klarheit bei der Kennzeichnung von Produkten sorgen. Die Seite setzt auf Bürgerbeteiligung, um Mogelpackungen aufzudecken. Antworten zu gesunder Ernährung sucht man jedoch vergeblich.

Im vergangenen Oktober hatte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) es angekündigt: ein Internetportal zur “Klarheit und Wahrheit bei Lebensmitteln” sollte zusammen mit den Verbraucherschutzzentralen die deutsche Genussgemeinschaft darüber aufklären, was sich hinter den bunten Etiketten und kreativen Namensgebungen von Nahrungsmitteln in Wahrheit verstecke. Der “Internetpranger” für lügende Leckereien ist in der vergangenen Woche für die Verbraucher ins Netz gegangen. lebensmittelklarheit.de heißt die Informationsseite, die in den ersten Stunden ihrer Webpräsenz vor allem mit Abwesenheit glänzte, da die Server im Zuge des Ansturms wissbegieriger Bürger in die Knie gingen.

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Schaut man nun auf die Seite, ist von dem hohen Interesse und einem Austausch zwischen Konsumenten und Verbraucherschützern wenig zu spüren. Erst etwa zwei Dutzend Produkte, die von jemandem mit dem Verdacht auf irreführende oder täuschende Kennzeichnung eingereicht wurden, sind auf dem Portal besprochen worden. Laut Angabe der Betreiber prüfen Mitarbeiter der Verbraucherzentralen derzeit mehr als einhundert Anfragen. Zielsetzung ihrer Arbeit ist:

“Das Internetportal soll Verbrauchern ermöglichen, sich aktiv in den Diskussionsprozess über die unklare Kennzeichnung von Lebensmitteln oder über irreführende Produktaufmachungen einzubringen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband und die Verbraucherzentralen wollen die Verbraucher aus der passiven, beobachtenden Rolle herausholen. Die Betroffenen sollen zu Wort kommen und sich aktiv durch Einsenden von konkreten Produktbeispielen einbringen.”

Betrachtet man das elektronische Formular, das sich beteiligende Nutzer ausfüllen müssen, um eine Produkttäuschung prüfen zu lassen, denkt man unmittelbar an einen schwäbischen Wutbürger oder an Menschen, mit viel zu viel Zeit, die nun Supermärkte auf geeignete Prangerobjekte durchforsten, die sie vermutlich aber noch nie verspiesen oder gekauft haben. Neben den Textfeldern sollen, damit die Beschwerde auch tatsächlich geprüft werden kann, zudem Anlagen wie Fotos, Scans und PDFs beigefügt werden. Die Beteiligung, die das Projekt ermöglicht, hat für ein Onlineprojekt also recht hohe Hürden, die einen hochmotivierten Nutzer voraussetzt, der zudem weniger ein Diskussionsbedürfnis hat, sondern eine Website lieber wie eine Beamtenstube verwaltet. Eine Community wird auf lebensmittelklarheit.de nicht aufgebaut; die User können Fragen einreichen lassen und von einem Redaktionsteam beantworten lassen. Dieses Frage-und-Antwort-Spiel nennt sich in diesem Falle “Forum”. Erst nach redaktioneller Bearbeitung der Anfrage werden diese und die dazugehörige und Antwort gemeinsam auf der Seite publiziert. So werben die Verbraucherzentralen zwar für eine höhere Transparenz bei der Verpackung von Lebensmitteln, welche Fragen andere jeodch bereits gestellt haben, sehen die Nutzer der Seite nicht. Untereinander können sie nicht ins Gespräch kommen. Auch dringt das Angebot nicht in die bestehenden sozialen Netzwerke wie Twitter und Facebook ein und lässt das Interaktionspotenzial dort ungeachtet.

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Wie recherchiert der hungrige, aber ängstliche Einkäufer nun welche Produkte vorgeben, etwas anderes zu sein? Dazu bietet die Website zwei Möglichkeiten: Sie geben entweder einen Suchbegriff in die Maske ein und bekommen Ergebnisse dazu ausgeliefert, oder Sie wählen in der Navigation den Menüpunkt “Produkte” aus und klicken sich von dort aus weiter. Die Unterkategorien im Produktbereich sind: Kennzeichnung, Erscheinungsbild, Füllmenge + Preis, Zutaten, Zusatzstoffe + Imitate, Natur + Region. Dies macht zwar einen gewissen Sinn, möchte ein Konsument sich darüber informieren, welche Arten der Täuschung es im Lebensmittelbereich es in konkreten Nahrungsmittelgruppen gibt, wie zum Beispiel bei Milchprodukten, Schokolade, Müsli und weitere, muss er hier mühselig mit Suchbegriffen recherchieren. Zusammengefasste Übersichten gibt es nicht.

Dass man diese Website hätte sehr viel besser machen können – in Logik, Nutzerfreundlichkeit, Communitybeteiligung über mehr als ein starres Formular – ist jedoch nicht der springende Punkt. Dass ein Ministerium und die Verbraucherschützer bei dem wichtigen Thema “Gesunde Ernährung” einen kommunikativen Schwerpunkt auf die Kennzeichnung von Lebensmitteln legen, sendet zwar einen Auftrag an die Nahrungsmittelproduzenten und schafft möglicherweise erhöhte Sensibilität bei den Konsumenten, hilft aber so gut wie gar nicht dabei, gesünder zu essen.

Essen als zu meisternde Lebensaufgabe ist vor allem in besser gebildeten Kreisen, im Sport und unter Essgestörten ein Debattenthema. Diese Gruppen können die notwendige Zeit zur Wissensaneignung und das Geld für den Erwerb für Verpfleung ausgeben, die als besonders gesund gilt. Die gesetzlich geforderte Auszeichnung von Lebensmittel zu erweitern oder die Produktverpackung und Bewerbung der Kost detaillierter zu regeln, wird daher wenig helfen, überlegtes Essen als Teil der Gesundheitspolitik zu fördern. Auch die fortwährend diskutierte Ampel-Kennzeichnung wird erstens die Wirkungskraft von Zigarettenwarnungen entfalten können (= keine), weiterhin begreift sie schädliches Essen viel zu einseitig. Vor Zucker, Fett und Salz soll die “einfache” farbliche Erklärung von Inhaltsstoffen warnen. Dabei betont sie vor allem die negativen Aspekte von Essen und vernachlässigt darauf hinzuweisen, welche wichtigen Nährstoffe Nahrung auch enthalten kann. Vor allem aber geht sie dem problematischen Fragen von industriell produziertem Essen aus dem Weg: Welche künstlichen, möglicherweise gesundheitsbeeinträchtigenden Stoffe enthält das Produkt? Wie viele Eier von unglücklichen Hühnern kann ich mein Leben lang essen, ohne krank zu werden? Wieviel Antibiotika und Hormone sind in diesem Stück Schweinefleisch? Warum musste der Kürbis aus Argentinien anreisen? Warum schmeckt diese Tomate nach Wasser?

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Zu Ernährung und Gesundheit lassen sich unendlich viele, wichtige Fragen formulieren, die unmöglich als Packungsbeilage zu jedem Lebensmittel zu finden sein könnten oder sollten. Endlose Information zur Verfügung zu stellen wirkt bei diesem Thema wie ein Alibi, dass ein echtes Konzept vermissen lässt, wie man Verbrauchern Ernährungskompetenz vermittelt – aber vor allem handelt, was den Schund der Supermarktregale anbelangt.

Zwar ist Ilse Aigner nicht mehr bei Facebook und hat für die wirklich wichtigen gesundheitlichen und ökologischen Aspekte von Nahrungsmitteln und ihrer Produktion kein Debattenportal gelauncht, Brief oder E-Mail werden sie aber vielleicht auch erreichen. Ich würde sie gerne fragen, warum 90 Prozent der in herkömmlichen Supermärkten angebotenen Lebensmitteln hinsichtlich einer gesunden Ernährung eigentlich ungenießbar sind, und die schmale Wahl, die ich habe ist, naturbelassenen Lebensmitteln selbst zu verarbeiten. Warum brauchen wir Warnhinweise auf Lebensmitteln, die nach gesetzlichen Vorschriften gefertigt wurden? Warum darf Fleisch, dass aus Fetzen, Fett und Chemie zusammengepresst ist, überhaupt verkauft werden darf. Warum Tiere, die gegessen werden, mit Medikamenten und Abfall gefüttert werden dürfen. Warum ich einen Apfel drei Stunden lang schrubben muss, bis die letzte Chemikalie von ihm gewichen ist und dann immer noch im Fruchtfleisch lauert. Warum die Innovationen in der industriellen Lebensmittelproduktion sich auf wiederwärtige Joghurtgeschmacksrichtungen beschränken, und ob das Sonnensalz so heißen darf, wenn der Sommer sich doch verkrochen hat.

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19 Lesermeinungen

  1. ThorHa sagt:

    Am eigentlichen Problem geht...
    Am eigentlichen Problem geht das Verbraucherportal vollkommen vorbei – und es trägt auch nichts zu dessen Verbesserung bei:”Das Deutsche Lebensmittelbuch ist eine Sammlung von Leitsätzen, in denen Herstellung, Beschaffenheit und Merkmale von Lebensmitteln beschrieben werden … Es handelt sich beim Lebensmittelbuch jedoch nicht um eine Rechtsnorm oder Verordnung, sondern um eine Orientierungshilfe, die allerdings bei juristischen Auseinandersetzungen den Stellenwert einer Rechtsnorm einnimmt … Die Lebensmittelbuch-Kommission hat 32 ehrenamtliche, für fünf Jahre berufene Mitglieder.[3] Vertreten sind Mitarbeiter von Lebensmittelüberwachungsbehörden und Universitäten, Verbraucherzentralen, Wirtschaftsverbänden, Einzelunternehmen aus der Lebensmittelindustrie und der Stiftung Warentest, die in der Berufungsperiode 2009–2014 mit Birgit Rehlender die Vorsitzende stellt.[3] Die Kommission tagt nichtöffentlich, ihre Mitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.” (aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_Lebensmittelbuch).
    Im Klartext: 32 Menschen, darunter Industrievertreter, entscheiden darüber, wann ein Schinken Schinken genannt werden darf. Die Entscheidungen fallen einstimmig. Diese werden zwar nicht unmittelbare Rechtsnorm, erfüllen aber – weil Gerichte fast immer den Leitlinien des Lebensmittelbuches folgen – den gleichen Zweck. Wundert sich – angesichts der Industrievertretung – bnochj irgend jemand darüber, dass man klebefleisch als “Schinken” bezeichnen darf? Ich nicht. Und solange die Ursachen von für Verbraucher qualitätstäuschender Kennzeichnungen nicht behoben wird, ist das Portal nahezu sinnlos, denn es erfasst nur die tatsächlich wenigen Fälle, wo über das im Lebensmittelbuch ohnehin “legale” Mass hinaus getrickst wird. Auf gut deutsch – das Portal ist reine Augenwischerei. Man müsste der Industrie schlicht die Möglichkeit nehmen, ihre im Vergleich zu gutem Handwerk fast immer minderwertigen Produkte gleichwertig auszuzeichnen – und das geht nur über das Lebensmittelbuch. Weshalb sich an diese (einfach zu erfüllende, Besetzung der Expertenrunde durch ein Ministerium) Aufgabe auch niemand macht.
    Gruss,
    Thorsten Haupts

  2. Inge sagt:

    jetzt noch fuer die...
    jetzt noch fuer die Mathematiker was kostet es den Staat mehr ? gesunde Lebensmittel oder Krankheitsbehebung aufgrund falscher Ernaehrung?

  3. Liebe Inge, vielleicht ist es...
    Liebe Inge, vielleicht ist es in der Tat eine Frage für unsere Mathematikerin im Autorenteam. Meine Meinung ist zwar, dass Menschen sich grundsätzlich schlecht ernähren dürfen, wenn sie es denn möchten, ich sehe die Problematik vorrangig darin, dass gerade die geringverdienenden Menschen geradezu zu ungesundem Essen gezwungen werden.

  4. Inge sagt:

    und jetzt noch fuer die...
    und jetzt noch fuer die Sportwelt in einigen Teilen der Welt wird kaum sport betrieben aber viel Fertigprodukte konsumiert wie passt das in die Tuete?
    also auf zwei Feldern gibts viele Arbeitsplaetze

  5. Raoul sagt:

    Eine Website kann immer nur so...
    Eine Website kann immer nur so gut sein, wie die Zielsetzung , die damit umgesetzt werden soll. Und diese scheint bei Lebensmittelklarheit.de entweder nicht definiert worden zu sein oder eine echte Interaktion war gar nicht beabsichtigt.
    Im übrigen haben auch die Verbraucher die Verantwortung sich schlau zu machen und nicht alles zu glauben, was suggeriert wird. Am Ende entscheidet auch der Verbraucher, was angeboten wird.

  6. Asper sagt:

    Ein weiterer Versuch so dezent...
    Ein weiterer Versuch so dezent auf Widersprüche hinzuweisen, dass man gerade noch freigeschaltet wird:
    Möchten Sie uns vielleicht erklären wo Sie Anzeichen dafür sehen, dass man als Geringverdiener zu ungesundem Essen gezwungen wird?

  7. Sehr geehrter Asper,

    ich...
    Sehr geehrter Asper,
    ich würde mich freuen, wenn wir hier gemeinsam Beispielrechnungen zusammentragen würden. Oder auch gerne zunächst einmal eine Definition davon versuchen, was gesundes und ungesundes Essen denn überhaupt ist. Geht man davon aus, dass als gesundes Essen ungespritztes Obst und Gemüse, Milchprodukte und Fleisch von Tieren, die ebenfalls “gesundem” Futter und wenig medikamentöser Behandlung ausgesetzt sind betrachtet werden kann, zudem eigens zubereitetes Essen aus gesundheitlichen Aspekten Fertigerichten vorzuziehen ist, kommt man sehr leicht in Budgetgrößen, die Essen als Luxusgut einstufen.

  8. Vroni sagt:

    Dieser Bürgerwatch ist...
    Dieser Bürgerwatch ist möglicherweise die finanziell günstigere Variante, als den Herstellern mit Inhalts-Prüfpersonal an den Kragen zu gehen.
    Oder die Site Aigners ist überhaupt ein Feigenblättchen. Ich schwanke noch, ob ich den Fokus auf den Watch-Ansatz gut finden soll.
    *
    .
    Asper,
    Sie werden noch Antwort von Teresa kriegen.
    .
    Mir fällt dazu jedoch auch etwas ein:
    Geringverdiener können sich nicht regelmäßige Einkäufe vom teueren Wochenmarkt leisten. Das ist durchaus indirekter Zwang.
    .
    Nur der Einkauf von unveränderten Grund-Lebensmitteln aus der Region plus die eigene Zubereitung kann für mich als gesundes Essen notiert werden.
    Alles aufwändig veränderte und weit herbeigeschaffte Essen verliert durch Logistik, Lagerung und Veränderung Vitamine und seine natürliche Zusammensetzung. Das Fleisch von weit herangekarrten Tieren ist zudem voller Angsthormone. Wer schon nicht einsieht, dass es keine gute Idee ist, Tiere auf langen Transporten und in Mega-Schlachthöfen leiden zu lassen, wird es spätestens dann einsehen, wenn so ein Billig-Schlachtfleisch auf Stress- und Angsthormone analysiert wird. Guten Appetit!

  9. colorcraze sagt:

    Naja, vom Staat gesagt...
    Naja, vom Staat gesagt bekommen zu wollen, wie man richtig ißt – womöglich noch auf 2, 3 Webseiten -, ist schon ein reichlich abwegiger Anspruch. Essen und kochen lernt man im RL zusammen mit echten Menschen, nicht aus dem Fernsehen oder Internet.
    Ansonsten bin ich auch sehr für eher regionale Lebensmittel und mindestens 2x pro Woche selber rühren, dann hat man auch einigermaßen Ahnung, was drin ist.
    Was ich jedoch durchaus als weitere Information auf der besagten Website sinnvoll fände, wäre eine Art Lexikon der Warenkunde – es könnte auch eine Teilverlinkung von Wikipedia sein. Daran haperts doch schon bei vielen.

    Ob die Zusammensetzung des Lebensmittelbuch-Gremiums mal nachjustiert werden sollte, wie ThorHa andeutet, könnte die Presse mal ein bißchen beleuchten.

  10. nico sagt:

    Ein sehr ergiebiges Faß, das...
    Ein sehr ergiebiges Faß, das Sie, liebe Teresa, hier aufmachen. Und ich stimme auf den Tenor vollumfänglich ein, insbesondere der letzten Sätze. Der Fisch fängt beim Kopf an zu stinken.
    Ich will auch nicht die Kalbsleberwurst ohne Kalbleberanteil strapazieren, um die Mißstände des Lebensmittelgesetzes und der Deklarierungspflicht aufzuzeigen. Es ist nur ein Beispiel. Vielen Menschen mit lowfat, lowzucker und all dem Schwachsinn sei ein Zwangsurlaub in mediterranen Ländern empfohlen, um Normalität zu erlangen. Und hierzulande gilt auch: Lesen zwischen den Zeilen wie bei einem Reiseprospekt hilft viel.
    Und daß das in Deutschland wieder mit einem Akt der behördlichen Verwaltung und Denkweise einhergeht, war ja klar. Wer will das alles bedienen, frage ich mich.
    Es braucht nur letzteres in Ihren Sätzen geändert bzw. zunächst infrage gestellt zu werden. Leider aber ist der Stellenwert der Lebensmittel und auch des Essens in Deutschland nicht der, der es sein müßte, denn dann kaufte keiner diesen Dreck. Und der Beruf des Kochs hat hier eher den eines Tankstellenwärters. So ist das. Mittagstisch für 10€ mit Essen satt ist die Realität. Und komme ich bei McDoof vorbei, ist dort immer gut besucht. Dahin fährt man mit dem Golf VI für 30Tsd.€, finanz. von der VW-Bank. Die Marktwirtschaft regelt alles und fast in Echtzeit. Und auch glaube ich, selbst wenn zig Ampeln mit Warnhinweisen auf Verpackungen stünden, würde weiter gekauft. Auf Zigaretten wird gar mit dem Tode gewarnt. Hilft das denn?

  11. GuX sagt:

    Ein paar Anmerkungen zum...
    Ein paar Anmerkungen zum “gesunden Essen” und zur Ampel
    Die “Ampel” hat sich in England sehr bewährt und wird doch auch von den meisten Anbietern unterstützt. Sicherlich ist das System nicht ideal, allerdings bietet es auf einen Blick die wichtigsten Informationen und erlaubt den raschen Vergleich von angebotenen Produkten. Die Nährwertangaben (und Zutatenliste) sind natürlich genauer – aber es geht darum, dem Verbraucher eine _raschen_ Überblick zu ermöglichen.
    Dass “industriell” hergestellte Nahrungsmittel per se schlechter sind, als “handwerklich” hergestellte, halte ich für ein Wunschdenken (ich will mich hier nicht zum Geschmack äußern, sondern nur zur Frage ob gesund oder nicht); die Einhaltung von Hygienevorschriften läßt sich bei industrieller Fertigung deutlich besser überwachen als bei Herstellung von kleineren Mengen. Die Belastung von Lebensmitteln mit Agrochemikalien sollte eigentlich immer unter den jeweiligen Grenzwerten liegen – und auch hier sind es oft die großen (“industriellen”) Betriebe, die dies durch regelmäßige Qualitätskontrollen leichter überprüfen können. Sicher gibt es genug Ausnahmen und Fälle, in denen auch in Großbetrieben etwas gründlich schief gegangen ist. Andererseits spricht es für die industrielle Herstellung von Nahrungsmitteln, daß ein Ereignis wie der EHEC Ausbruch solche Schlagzeilen macht.
    Warum ungespritztes Obst und Gemüse unbedingt gesünder sein soll, als gespritztes, ist mir nicht ganz klar. Richtig angewendet, werden die meisten Spritzmittel bis zur Ernte abgebaut und werden eben nicht aufgenommen (oder nicht in Mengen, die toxikologisch relevant sind). Es gibt auch einen recht großen Vergleich von Nahrung aus biologischem und konventionellem Anbau mit dem Ergebnis, daß es eigentlich keinen nennenswerten Unterschied gibt. (Die Verwendung von Medikamenten bei Tieren halte ich da für deutlich bedenklicher, besonders in Hinblick auf Antibiotikaresistenzen). Aber warum soll gesunde Ernährung ein Budgetproblem sein? Es wird immer wieder gerne erklärt, man könne mit einem beschränkten Budget sich nicht gesund ernähren: vielleicht wäre hier eine Gelegenheit, ein Wochenbudget vorzugeben und daraus einen entsprechenden Speiseplan zu erarbeiten (und zwar am besten für den Winter, weil es dort deutlich schwieriger ist). Meiner Meinung nach ist das Problem vielmehr, daß ungesunde Nahrung bequemer ist.
    [Interessenkonflikt: Ich beschäftige mich beruflich mit diesem Thema.]

  12. nico sagt:

    Klar im Vorteil ist der, wer...
    Klar im Vorteil ist der, wer eine gutes Elternhaus hatte, nicht nur in Sachen Schulausbildung. Auch das Kochen und Essen verheißt einen gewissen Bildungsgrad, meine ich. Als Weltbürger ist es ohnehin Verpflichtung.
    Bei Dummköpfen bspw. findet Anklang, die Kartoffel und Pasta seien Dickmacher; Käse und Öle möglichst meiden, niemals Pizza. Dios grande, ganz Italien, Spanien und Frankreich müßten krank sein.
    Auch bin ich nicht der Meinung, nur gesund ist der, der beim Biobauern seines Vertrauens kauft. Man kann auch im Supermarkt einkaufen und relativ gesund kochen und essen. Fleisch indes nur beim Bio-Anbieter. Viele können doch aber gar nicht kochen, selbst einfachste Dinge nicht. Für mich ein kausaler Zusammenhang des Dilemmas.

  13. Vroni sagt:

    Also halten wir fest: Das...
    Also halten wir fest: Das Grundübel ist industrielle Veränderung nseres Futters.
    Am besten ist Wochenmarkt. Nur zweitschlecht sind Supermarkt-Basis-Lebensmittel. Wer die verkochen kann ist King. Ganz übel sind Joghurts und Snickers-ähnliche Teile nebst Fertiggerichten und Dosenwürstchen mit Angaben, die kein Mensch versteht.
    .
    Das wissen doch fast alle Leute. Kaufen es trotzdem. Und trotzdem geht nichts voran mit unserer Esskultur. Weil die Karre wichtiger ist, seien wir doch mal ehrlich.

  14. elwitti sagt:

    ich muss mich immer wundern ....
    ich muss mich immer wundern . es ist vielfach billiger auf einem wochenmarkt ein zukaufen, als in einen supermarkt zu gehen. es gibt haufenweise möglichkeiten auch mit einem geringen budget gesund zu essen . den meisten leuten interessiert es einfach nicht , und wollen einfach nur schnell was essen . es immer auf den preis zu schieben ist zu einfach . man muss nur wollen . aber daran scheitert es zu oft

  15. Die Erwartungen der Autorin an...
    Die Erwartungen der Autorin an ein solches Portal sind wichtig und richtig – aber von einem Ministerium juristisch nicht erfüllbar. Vielleicht hätte Ministerin Aigner die website alleine von Verbraucherschützern gestalten lassen sollen, aber die Erfahrung zeigt, dass sich auch regierungsnahe Institutionen eng an die gesetzlichen Vorgaben halten und juristische Auseinandersetzungen mit “der Industie” scheuen.
    Gruss Heinz SCHMITT

  16. ThorHa sagt:

    @GUX:
    Ich habe keinerlei...

    @GUX:
    Ich habe keinerlei Zweifel an der generellen Einhaltung der Hygienevorschriften in der Industrie (schwarze Schafe gibt es immer). Im Gegenteil – es ist die langjährig erfolgreiche Industriestrategie, die Hygienevorschriften, die in Grossbetrieben leicht zu erfüllen sind, hoch zu schrauben, um auch die letzten Kleinmanufakturen aus dem Markt zu treiben. Siehe den Versuch des französischen Grossbetriebes Lactalis zum Camembert, in dessen Verlauf er – um Rohmilchprodukte aus dem markt zu drängen – sogar wider besseren Wissens behauptete, der Verzehr von Rohmilchprodukten hätte schon jede Menge Tote produziert. Und der Grund dafür ist qualitativ – weil die (rechtlich korrekt hergestellten) Pestos keine Pestos sind, Premium Eis nur Industrieabfall aber keine Milch/Sahne mehr ist, Pizzen mit Analogkäse bestückt werden, Industriecammaberts mit Käse nichts zu tun haben und Fruchtjoghurts keine Frucht enthalten. In deutschland übrigens gab es in den letzten Jahren einen erfolgreichen Anschlag auf die letzten hausschlachtungen – die mussten aufgeben, weil die pötzlich (und anlasslos!) gestiegenen Hygienevorschriften nicht mehr zu erfüllen waren. Der Lebensmittelindustrie ist schon bewusst und bekannt, dass sie Schrottprodukte herstellt, vom Klebeschinken zu “Pestos”. Weshalb sie alles daran setzt, die letzten lästigen Kleinbetriebe loszuwerden, die zeigen, wie etwas schmecken könnte …

  17. @HeinzSchmitt Vielen Dank für...
    @HeinzSchmitt Vielen Dank für Ihre Beobachtung. Der Einfluss von Lobbyismus wird auch an diesem Thema gut sichtbar. Es ist ein großes Entgegenkommen an die Industrie, lediglich über Produkte zu sprechen, aber keine gesetzlichen Regelungen zu finden. Ob man von einem “Internetpranger” sprechen kann? Schließlich werden dort keine Empfehlungen zu Verzehr oder nicht Verzehr ausgesprochen.
    .
    Das Europäische Parlament hat vor Kurzem aber ein ganzes Bündel neuer Verpflichtungen bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln auf den Weg gebracht. Zum Beispiel soll auf Fleisch gekennzeichnet werden, wenn etwas aus Tieren von verschiedenen Betrieben und Schlachthöfen zusammengesetzt wurde, Nährwertangaben sollen verpflichten werden …

  18. nico sagt:

    Der ganze Wahnsinn wird...
    Der ganze Wahnsinn wird sichtbar in dem Film “Food Inc. – oder was wir wirklich essen”. Niemand, der diesen Film sieht und bei Verstande ist, wird noch einen Hamburger aus diesen Ketten essen. Dieses “Fleisch”, was eher Fensterkitt oder anderen Baupasten ähnelt, wird mit Amoniak gewaschen, um Kolibakterien zu einzudämmen. Aus Hunderten von Tieren von verschiedenen Zuchthöfen werden die Fleischmassen zusammengekippt. Die Herkunft ist nicht mehr nachvollziehbar. Und beim Putenfleisch vom Zuchtbetrieb um die Ecke sieht es nicht besser aus, was bei vorzugsweise discountern für 2-3/Kilo angeboten wird. Hielte jemand seinen Hund so wie dieses Federvieh, bekäme er eine Anzeige – und das zu recht. Nicht kaufen ist der beste Regulativ.

  19. Stefan2 sagt:

    Ich glaube nicht, dass...
    Ich glaube nicht, dass schärfere Gesetze helfen. Gesetzliche Regelungen werden immer so weit wie möglich ausgereizt. Das gilt aber nicht nur für die Produkte im Regal und Kühlregal des Discounters.
    Zur »irreführenden Werbung«: Ich bin der Meinung, dass man nicht die Werbung angreifen oder verbieten sollte, sonder dass man eine verbindliche Kennzeichnung aller Inhaltsstoffe einführen muss. Wer lesen kann, ist dann einfach klar im Vorteil. Wer nicht lesen und verstehen will, dem ist ohnehin gleichgültig, was er in sich hineinschaufelt. Nein, ich kaufe keinen Joghurt, weil mir irgendwelche Versprechungen gemacht werden. Aber ich kann auch nicht erkennen, was an der Werbung so verwerflich sein soll.
    Zum »Formfleisch«: Für sich genommen ist keiner der Bestandteile des Formfleischs giftig oder ungenießbar. Das Problem ist in meinen Augen nicht das Zusammenkleben der Einzelteile, sonder die Herkunft des Fleischs aus der Massentierhaltung. Den Verbrauchern wird damit die Illusion gegeben, dass es immer noch billigeres Fleisch geben kann. Die Industrie will auch noch den letzten Rest eines Tieres aus Massentierhaltung verwerten. Um die Massentierhaltung einzuschränken, sollte jeder Verbraucher einfach seinen Fleischkonsum einschränken. Viele Verbraucher glauben, zwei Kilogramm pro Woche zu benötigen. Das kann nur mit Massentierhaltung funktionieren.
    Allerdings ist das Profitdenken in der BIO-Produktion inzwischen ähnlich, auch dort werden die Tiere bis zum Letzten ausgenutzt. Man hört z.B., dass Legehennen massenweise getötet und verbrannt werden, wenn sie die Leistung nicht mehr bringen. Der gesamte BIO-Bereich wird durch den Verbraucherschutz allerdings bisher weitgehend verschont. So regt sich z.B. niemand darüber auf, dass in BIO-Läden auch »Mondwasser« angeboten wird: es kostet dreimal so viel wie normales Mineralwasser und wohl tausendmal so viel wie Leitungswasser.
    Mit diesem Mondwasser werden explizit und implizit auch irgendwelche Wirkungen verbunden, genauso wie mit dem Joghurt, der bestimmte Bakterienkulturen enthält. Aber alle prügeln nur auf den Joghurt-Hersteller ein. Dabei wäre das hier sicher ein Grund für Kritik und Aufklärung:
    Bei einer anderen Patientin konnte Ilona Schneider mit Hilfe der Mondquelle erreichen, dass sich die Blut-Hirn-Schranke wieder schloss. „Durchs Handy-Telefonieren öffnet sich die Blut-Hirn-Schranke und bleibt anschließend geöffnet. Das hat zur Folge, dass das Gehirn nicht mehr geschützt ist“, erklärt sie den fatalen Zusammenhang.
    (…)
    Über das Trinken hinaus gibt es für Computer-Arbeiter indes eine weitere Möglichkeit, um sich vor Elektrosmog zu schützen: Eine Flasche Mondwasser neben den Bildschirm zu stellen. (Quelle)

    Dort gibt es noch mehr interessante Werbeaussagen zum Mondwasser … und ich finde sie wesentlich zweifelhafter, als die Aussagen zum Joghurt.

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