Die Schildbürger der Moderne versuchen, das Licht in Computer nutzbar zu machen, um sagenhaft schnelle Quantencomputer bauen zu können. Theoretisch beeindruckend – praktisch schwierig.
Manche haben als Kind am liebsten Cowboy und Indianer gespielt, mit Winnetou und seiner Silberbüchse in der Hauptrolle. Andere waren fortschrittlicher – da war Star Wars mit Lichtschwertern angesagt. Ich nehme an, für die Lektüre (oder den Konsum?) von Science Fiction braucht es eine bestimmte Einstellung, über die ich weitgehend nicht verfüge. So hat es mich auch nie ernsthaft interessiert, ob wir uns irgendwann von einem Ort an den nächsten werden beamen können, oder unsere Gegner mit Lichtschwerter massakrieren. Für andere scheint das jedoch eine sehr ernsthafte Frage zu sein – auf die das Internet widersprüchliche Antworten bereithält. Ich bin mir auch nicht ganz sicher, warum, aber mein Eindruck ist folgender: Lichtschwerter, die wirklich schneiden, werden bis auf weiteres Zukunftsmusik bleiben, denn erstens benötigten sie enorme Energiemengen, zweitens ist Licht schwer zu bändigen.
Die Schildbürger konnten das Licht ja auch nicht in Säcken in die fensterlosen Häuser tragen – wie sollte man es da also so zentrieren und beisammen halten, daß es wie eine Klinge am Stück bleibt? Antworten auf diese Frage findet man in der Quantenmechanik, genauer gesagt, bei jenen Forschern, die sich mit Optomechanik oder auch mit Quantencomputern beschäftigen.
Wenn es um Mathematik und Physik geht, ist die Frage praktischer Relevanz ein weites Feld – zumal die Theoretiker jener Disziplinen sich ja weniger für die konkrete Umsetzung und Machbarkeit interessieren, als für die dahinterstehenden Gesetze. Mir jedenfalls scheint es eine enorme Leistung, seine gesamte Arbeitszeit, ein Leben lang, einem Thema zu widmen, das man nicht anfassen und nicht sehen kann, möglicherweise nicht einmal mit Experimenten beweisen, und von dem sich am Ende (oder erst nach seinem Ende) herausstellt, daß man völlig falsch lag. Bei Quantencomputern ist die Forschung immerhin bereits über die reine Berechnung hinausgekommen, und hat in Einzelfällen gezeigt, daß das funktionieren kann.
Normale Computer arbeiten bekanntlich mit Bits – in seiner Grundfunktion besteht der Rechner aus zwei Zuständen, 0 und 1, einen davon nimmt er jeweils an, und eine Kette davon fügt sich zu komplizierteren Informationen und Operationen zusammen. Quantencomputer funktionieren eigentlich ganz ähnlich, arbeiten allerdings mit sogenannten Quantenbits. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, beruht die Quantenmechanik maßgeblich darauf, daß sehr kleine Teilchen (Photonen, auch Lichtteilchen) gleichzeitig Wellen- und Teilchencharakter haben, und sich nicht nur deterministisch in einem Zustand befinden, sondern theoretisch in vielen Zuständen gleichzeitig. Erst wenn man den Zustand zu messen versucht, legt sich das Teilchen fest und nimmt einen bestimmten Zustand an – dann hat man es aber bereits durch die Beobachtung verändert (dazu auch: Schrödingers Katze). Ähnliche Eigenschaften haben auch Quantenbits: sie nehmen nicht nur die beiden Zustände 0 und 1 an, sondern 2^2 Zustände, also insgesamt vier mögliche. Hätte man drei Quantenbits, würden sich die Möglichkeiten auf 2^3 Zustände erweitern, und so weiter. Dies wiederum ist einer der Gründe, warum Quantencomputer – wenn es sie irgendwann geben wird – unendlich viel schneller werden rechnen könnten als jeder derzeit existierende Supercomputer. Wohlgemerkt allerdings: keine Wunder wirken, denn am Ende kann er auch nur innerhalb der Grenzen der Mathematik rechnen.
Manche Probleme der Mathematik sind so rechenintensiv (zum Beispiel die Aufgabe, sehr große Zahlen in ihre Faktoren zu zerlegen), daß unsere Rechner damit einfach überfordert sind. Ein Quantencomputer hingegen käme vermutlich in vernünftiger Zeitdauer zu einem Ergebnis. Grundsätzliche Probleme jedoch, wie zum Beispiel die von Gödel und Hilbert bearbeitete Frage der Vollständigkeit des Systems) werden damit trotzdem unlösbar bleiben.
Trotzdem wäre mehr Rechenkapazität natürlich wünschenswert – man denke nur an die vielen Klimamodelle, die man auf einem Quantencomputer durchrechnen könnte! – allerdings hapert es im Moment noch an allerlei technischen Problemen. Erstens endet der oben beschriebene Zustand der Überlagerung mit der Messung. So gesehen wären die Ergebnisse eines Quantencomputers vorerst noch mit Wahrscheinlichkeiten behaftet, so daß man jedes Ergebnis mehrfach ausrechnen müsste, um auf eine hinreichende Sicherheit beim Ergebnis zu kommen.
Darüberhinaus sind die kleinen Teilchen in ihrem Überlagerungszustand sozusagen Licht – und Licht kann man wie oben erwähnt nur schwer einsperren – und noch schwerer in die mechanische Welt auslesen. Sozusagen. Das schönste Rechenergebnis nutzt ja wenig, wenn es sich nicht in unserer weitgehend mechanischen Welt verfügbar machen läßt. Dafür hingegen müßte es gelingen, mit Licht konkrete Gegenstände zu bewegen. Prinzipiell verfügt Licht durchaus über das Potential dazu, nur ist es leider ein sehr sehr kleines Potential. Erste Versuche dazu gibt es dazu jedoch bereits: Forscher haben zum Beispiel auf eine winzigkleine Brücke einen hochempfindlichen Spiegel montiert, der entsprechend sensibel auf Licht reagiert – und den Impuls auf die Brücke übertragen konnte. Leider hat diese sogenannte „starke Koppelung” allerdings nur für sehr, sehr kurze Zeit funktioniert.
Nicht davon zu reden, daß viele Prinzipien der Quantenmechanik immer noch ungeklärt und oftmals heiß umstritten sind. Daß die Wellenfunktion von Photonen kollabieren, wenn man sie misst, ist gesichert. Aber wieso? Warum? Weiß man nicht.
So, wie viele Menschen am liebsten faul auf dem Sofa liegen, neigen nämlich auch andere Systeme dazu, sich imöglichst in einen energiesparenden Zustand zu begeben – dies gilt besonders für die Quantenmechanische Systeme, die darüber hinaus beim Kontakt mit der Umwelt ihren besonderen Zustand der Überlagerung aufgeben. Dieses Phänomen der Dekohärenz stellt sich im Moment noch so schnell ein, daß Forscher mit viel Mühe so gerade nachweisen konnten, daß sich mit Qbits Rechenoperationen durchführen und Ergebnisse abnehmen ließen. Allerdings solche, für die wir eigentlich nicht mal einen Taschenrechner bräuchten, wie zum Beispiel der Zerlegung der Zahl 15 in ihre Primfaktoren 3 und 5.
Wenig beeindruckend also bisher, wobei ich sicher bin, daß das ganze in Formelschreibweise überaus beeinruckend aussähe. Auf absehbare Zeit ist allerdings vermutlich nicht damit zu rechnen, daß irgendwann in jedem Haushalt ein Quantencomputer mit gefangenem Licht stehen wird. Andererseits haben berufene Quellen das in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts auch von ordinären 0-1 Computern gesagt, und wurden von der Realität beeindruckend widerlegt. Wer weiß, wenn das mit den Quantencomputern geklärt ist, das Licht gebändigt wurde, und Lichtschwerter in jede gutausgestattete Küche gehören – vielleicht beamen wir uns dann ja auch irgendwann.