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Krieg und Frieden im Modell

| 31 Lesermeinungen

Spieltheorie hört sich dem Wortlaut nach verdächtig nach Sinnlosigkeit an - völlig zu Unrecht, vor allem, wenn es um kriegsentscheidende Erwägungen geht. Oder Wissenschaft.

Spieltheorie hört sich dem Wortlaut nach verdächtig nach Sinnlosigkeit an – völlig zu Unrecht, vor allem, wenn es um kriegsentscheidende Erwägungen geht. Oder Wissenschaft.

Vor etlichen Jahren las eine liebe Freundin von mir eine meiner Hausarbeiten Korrektur, und da sie in einem völlig anderen Fachgebiet unterwegs war, strich sie fröhlich aus der “Spieltheorie” das “Spiel”. Mir führte diese Episode vor Augen, wie sehr manche Begriffe in verschiedenen Disziplinen mit unterschiedlichen Bedeutungen behaftet sind (Signifikanz, und deren statistische Variante sind ein weiteres schönes Beispiel). Ich habe ich nie wirklich gefragt, warum die Spieltheorie eigentlich Spieltheorie heißt, sondern das als Studentin brav als Bestandteil der fachüblichen Indoktrination hingenommen.

Kaum zu glauben, aber: das Wort hat tatsächlich mit Spielen im herkömmlichen Sinne zu tun: John von Neumann entwickelte in den 1930er Jahren die Disziplin, um Spielzüge in Gesellschaftsspielen systematisch zu analysieren – wohlgemerkt: In Abhängigkeit der Spielzüge der Mitspieler. Ich erinnere mich noch vage, daß meine Geschwister und ich eine „Vier-gewinnt”-Spielphase hatten, aber irgendwann die Lust verloren, als wir realisierten, daß bei der richtigen Spielstrategie der anfangende Spieler immer gewinnt. Das ist typische Spieltheorie. Nur kann die es auch beweisen, während wir Kinder auf der Rückbank im Auto gewissermaßen statistische Schlußfolgerungen zogen.

Die spieltheoretischen Analyseansätze wurden auch auf andere Fragestellungen übertragen. Heute sind wirtschaftswissenschaftliche oder soziologische Modelle ohne spieltheoretische Komponenten kaum noch denkbar.

Bild zu: Krieg und Frieden im Modell

Natürlich krankt die Spieltheorie in ihren praxisbezogenen Ergebnissen wie so viele andere Ansätze auch an den zugrundeliegenden Annahmen. Spieltheorie führt nur dann zu korrekten und schlüssigen Ergebnissen, wenn alle Spieler ihre Ziele klar benennen und bewerten können, die Ziele rational verfolgt werden, und außerdem alle Spieler die jeweils möglichen Ergebnisse vollständig durchdenken und entsprechend antizipieren. Die Theorie setzt also viel Homo Oeconomicus in den Teilnehmern vorraus.

Im Laufe der Jahre sind die Strategien und Methoden immer komplexer geworden – nicht zuletzt, weil mit immer mehr Rechenkapazität auch kompliziertere Strategien mit unterschiedlich wahrscheinlichen Handlungsoptionen durchgerechnet werden können. Zwar bekommen Studenten im ersten Semester immer noch das klassische Gefangenendilemma präsentiert, trotzdem hat sich die Disziplin erheblich weiterentwickelt.

Das Gefangenendilemma bleibt dennoch als Grundlage in vielen Anwendungen erhalten – zum Beispiel, wenn es um Konflikttheorie geht. Im simpelsten Fall werden die Gefangenen durch zwei Länder ersetzt, deren mögliche Spielzüge sich auf Frieden oder Krieg (=Angriff) beschränken. Die Vorstellung von entsprechenden Auszahlungswerten scheint in der heutigen, vielfältig vernetzten und globalisierten Welt nicht mehr zeitgemäß, weil solche Entscheidungen von Staaten vermutlich von komplexen politischen Machtstrategien bestimmt werden – aber bei Konflikten zwischen Nomadenstämmen um ihre Viehbestände und Wasserlöcher wird die Vorstellung schon schon vernünftiger.

Bild zu: Krieg und Frieden im Modell

Schon seit den 1940er Jahren versuchen Forscher, an ihren universitären Schreibtischen spieltheoretische Erklärungen im Rahmen der Friedens- und Konfliktforschung einzusetzen. Manches davon behandelt eher politische Fragen, anderes militärisch-strategische Probleme. Bereits im kalten Krieg versuchten die beiden Parteien, spieltheoretische Erkenntnisse für ihre Rüstungsstrategien zu nutzen – angesichts der prinzipiellen Unsicherheit jedoch nur in eingeschränktem Umfang.

Die jeweiligen Kernideen waren wesentlich bestimmt durch das jeweils vorherrschende politiktheoretische Gedankengut: Realisten (quasi: Machtpolitik als Hauptziel) sehen die Welt mit anderen Augen an als Institutionalisten (die Institutionen mäßigenden Einfluß zutrauen), und die Modelle entsprechen dem natürlich in Aufbau und Schlußfolgerungen.

In den letzten Jahren haben sich die Möglichkeiten noch einmal durch die Kombinationsmöglichkeiten erweitert, die sich im Rahmen theoretischer Modelle, insbesondere der politischen Ökonomie entwickelt haben. Die Optimierung von Gleichungen auch über verschiedene Zeitpunkte hinweg, oder der verbesserte Umgang mit unvollständigen Informationen ergänzt spieltheoretische Überlegungen hervorragend.

Während die Anfänge der Spieltheorie (z.B. deren simplere Ausprägungen wie das Gefangenendilemma) Staaten als einheitliche Akteure betrachten, unterscheiden die heutigen Modelle zwischen den verschiedenen Akteuren innerhalb des Staates, sowie deren Präferenzen. Es ist beinahe schon ein Allgemeinplatz, daß militärische Engagements Politikern zur Wiederwahl verhelfen können – Spieltheorie kann zeigen, daß das sogar dann gilt, wenn das Engagement für die Gesamtbevölkerung eine suboptimale Handlung darstellt. Durch diese auf den ersten Blick unlogischen Ereignisse werden auch Abläufe und Ergebnisse differenzierter.

Bild zu: Krieg und Frieden im Modell

Ein Modell der jüngeren Forschung illustriert die Interaktion zwischen Kämpfen und Verhandlungen – und die Verschränkung von Modell- mit Spieltheorie. Es gibt zwei Parteien, Angreifer (A) und Verteidiger (D), jeweils mit (militärischen) Ressourcen (R), die zur Gewinnung von Vorteilen (B) eingesetzt werden können – logischerweise so, daß das Ergebnis optimiert wird (maximale Auszahlung bei minimalen Ressourceneinsatz). Beide Faktoren werden in der Nutzenfunktion zusammengefasst. Im nächsten Schritt werden Kampfhandlungen und Verhandlungen eingeführt, wobei Kampfhandlungen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (d) gewonnen bzw. verloren (1-d) werden. Einige weitere Annahmen motivieren die Ergebnisse des Modells, zum Beispiel daß eine Partei größere Verluste verkraften könnte als die andere (was ja keineswegs realitätsfern ist) – implizit werden damit auch die möglichen Verzweigungen eines Entscheidungsbaumes beschränkt, was das Modell vereinfacht. Ein begonnener Krieg endet dann entweder, weil einer der Parteien nach Verlusten die Ressourcen ausgehen, oder aber durch Verhandlungen.

Im Aufsatz werden die verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten und deren Vor- bzw. Nachteile für die Parteien entlang von Entscheidungsbäumen dargestellt und zeigen, an welchen Punkten Nachverhandlungen möglich und sinnvoll sind – und wo Handlungszwänge und Risiken existieren. Auf den ersten Blick sind viele der Ergebnisse so intuitiv, daß man sich fragen muß, warum die Autoren sich solche Mühe damit gemacht haben. Zum Ende hin – und mithilfe mathematischer Ausdrücke, die ich Ihnen lieber erspare – zeigen sich jedoch interessante Relationen. Falls zum Beispiel der potentiell angreifende Staat bereits über mehr Vorteile B verfügt, als angesichts der militärischen Macht fair und angemessen erscheint, wird die Angriffsdrohung dieses Staates zur leeren Hülle – weil ein weiterer Zugewinn unwahrscheinlich ist. Umgekehrt könnte das eine Erklärung dafür bieten, warum kleine Staaten größere und schlagkräftigere Gegner angreifen – wenn das Schwergewicht nämlich viel zu verlieren hat (und implizit Verhandlungslösungen positiver gegenübersteht) und weil der kleine Staat sich insgesamt benachteiligt fühlt (wer sich soweit durchkämpfen möchte: Seite 831). Darüber hinaus haben die verschiedenen Variablen und Parameter im Modell klaren Einfluß auf die Dauer des Konflikts – und lassen sich ja durchaus mit realen Größen in Verbindungen bringen.

Am Ende ist es natürlich schwer zu sagen, ob die mathematische Formulierung von Zusammenhängen, die wir ohnehin aus dem Alltag für intuitiv logisch und gegeben halten, die vielen Steuergelder wert sind, die in wissenschaftliche Forschung investiert werden. Mancher würde es vielleicht bestreiten – andererseits werden dabei Gedanken deutlicher formuliert und Mechanismen aufgezeigt, die nicht immer offensichtlich sind, und jedes weitere Modell ist ein kleines Puzzlestück auf dem Weg zu größeren Erkenntnissen.


31 Lesermeinungen

  1. Savall sagt:

    Jessas, Frau Infinitesimalia,...
    Jessas, Frau Infinitesimalia, ich war ja merkwürdig erschrocken, als ich den Titel las. Ich wähnte mich im Salon der Anna Pawlowna Scherer. Nun gut, das war es also nicht. Ich bin ein schrecklicher Laie, aber dennoch historisch interessiert. Unsereins hat manches gelesen, aus akademischer Sicht wenig verstanden, aber immerhin keine Interessen und ist somit nicht befangen. Aus dieser unvollständigen Sicht glaube ich, daß Konflikte in der Menschheitsgeschichte unausweichlich und nicht kategorisierbar sind. Es ist eine schöne Hoffnung, daß man derartige Konflikte einhegen und berechenbar machen könnte. Allein, daran glaube ich aus historischer Empirie eben nicht. Was ist rational an Konflikten wie dem Krimkrieg, dem amerikanischen Bürgerkrieg, dem ersten Weltkrieg? Was ist an dem charge of the light brigade meßbar? Ach, wir Menschen sind so … menschlich. „Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein“ (Arkadi und Boris Strugatzki, Krieg und Frieden betreffend.)

  2. Der Tiger sagt:

    Vielleicht fehlt der...
    Vielleicht fehlt der militärischen Spieltheorie auch nur ein bißchen Humour a la John McCarthy – Computer Science Department – Stanford University
    Review of The Emperor’s New Mind, by Roger Penrose.
    https://www-formal.stanford.edu/jmc/reviews/penrose1/penrose1.html
    .
    Penrose: Tell me the logical system you use, and I’ll tell you a true sentence you can’t prove.
    .
    Program: You tell me what system you use, and I’ll tell you a true sentence you can’t prove.
    .
    Penrose: I don’t use a fixed logical system.
    .
    Program: I can use any system you like, although mostly I use a system based on a variant of ZF and descended from 1980s work of David McAllester. Would you like me to print you a manual? Your proposal is like a contest to see who can name the largest number with me going first. Actually, I am prepared to accept any extension of arithmetic by the addition of self-confidence principles of the Turing-Feferman type iterated to constructive transfinite ordinals.
    .
    Penrose: But the constructive ordinals aren’t recursively enumerable.
    .
    Program: So what? You supply the extension and whatever confidence I have in the ordinal notation, I’ll grant to the theory. If you supply the confidence, I’ll use the theory, and you can apply your confidence to the results.

  3. Vroni sagt:

    Mich würde mal interessieren,...
    Mich würde mal interessieren, wie die Spieletheoretiker-Katzen den verstruppten Afghanistan-Wollknäuel einschätzen.

  4. Der Tiger sagt:

    @vroni – “Der Mensch ist...
    @vroni – “Der Mensch ist frei und gleich geboren. Versklavung weltweit und Ungleichheit liegen niemals daran, dass die Herrschenden zu mächtig oder großartig sind, sondern daran, dass die Beherrschten sich beugen.” (Liu Xiaobo)
    .
    Was mich an Afghanistan besonders ärgert, sind die Frauen da. 50% der Bevölkerung kann sich wehren, wenn sie will. Aber die Alten da ließen und lassen es zu, weil es in ihre familieninternen Machtstrategie passt, dass die jungen Mädchen nicht nur unterdrückt werden, sondern nicht mal in der Schule das dortige ABC lernen dürfen. Warum sollen Soldaten demokratischer Länder dafür fallen, dass alte Weiber den Status quo nicht ändern wollen?

  5. ThorHa sagt:

    Verehrte Sophia, ich fand die...
    Verehrte Sophia, ich fand die Spieltheorie zeitweise auch hochinteressant, aber das Interesse hat sich stark abgeschwächt. Was unter anderem daran liegt, dass sich für sehr einfache Situationen mit wenigen Teilnehmern sehr gute Näherungen ergeben, weil man die Parameter realitätsnah setzen kann. Für hochkomplexe Situationen mit vielen Mitspielern sieht die Lage ganz anders aus. Illustriert an der Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges: “Rational” bedeutete für einen Angehörigen von Deutschlands preussischem Militäradel etwas vollkommen anderes, als für einen britischen Grosshändler. Für den einen war rational, was Deutschlands angestrebten Aufstieg zur Weltmacht beförderte, für den anderen, was die sich damals rasch entwickelnde Kapital- und Warenstromglobalisierung nicht behinderte. Die einen schrieben Bücher, in denen sie Krieg als unausweichlich “bewiesen”. Die Schriften der Gegenposition “bewiesen” ihn als unmöglich. Nun liessen sich diese beiden Positionen ja vielleicht noch parametrisieren, aber es sind eben nur 2 von damals einigen hundert völlig “rationalen” Positionen, wenn man Rationalität als angemessene Mittelauswahl zur Erreichung eines bestimmten Zweckes betrachtet.
    Selbst die Zwecke waren nicht, was die moderne Geschichtsschreibung manchmal suggeriert, irrational. Gross- und Weltmächte hatten damals schon für eine längere Periode gegenüber Mittel- und Kleinmächten enorme Vorteile, für die es durchaus angemessen erschien, für einen bestimmten Zeitraum auf einige Bevölkerungs- und Wirtschaftsprozente zu verzichten, als “unvermeidlicher” Preis.
    Die Spieltheorie kann uns durchaus zu einem besseren Verständnis verhelfen, wie Menschen in idealisierten Beziehungen bei vereinfachten Rahmenbedingungen und wenigen Handlungsoptionen mehrheitlich handeln werden. Den Zweck hat sie erfüllt, weitergehende Zwecke liegen nicht mehr in ihrer Reichweite.
    Gruss,
    Thorsten Haupts

  6. Savall sagt:

    Ich bitte um Entschuldigung,...
    Ich bitte um Entschuldigung, ThorHa, aber ich muß Frau Infinitesimalia in Schutz nehmen. Die Idee des irrationalen ersten Weltkriegs war meine Meinung, die ich indes vehement verteidige. Frau Infinitesimalia vertrat lediglich die Meinung, daß Konflikte unter Umständen berechenbar seien. Was nun den ersten Weltkrieg betrifft, so war die Entscheidung, ihn zu führen durchaus irrational. Es hat in der deutschen Heeresleitung, von der Politik ganz zu schweigen, keine ernstzunehmende Kosten/Nutzen-Rechnung gegeben. Man war von dem Gedanken befangen, daß es diesen Krieg geben müsse. Die Ursache war im Grundsatz die Annexion Elsaß-Lothringens. Von dieser Ursünde kam man nicht weg und befand sich damit in der strategischen Falle, auf jeden Fall einen Konflikt mit Frankreich zu haben. Alles Weitere ergab sich aus diesem Dilemma. „Torheit der Regierenden“ eben (Barbara Tuchman). Die Idee, daß die wirtschaftliche Konkurrenz zu England der eigentliche Kriegsgrund gewesen sei, halte ich für irrig. Was sollte selbst ein gewonnener Krieg an der wirtschaftlichen Situation ändern? Die Phantastereien des Alldeutschen Verbandes et al. sind unsinnig. Insofern geht auch Fritz Fischer fehl wenn er glaubt, daß spätpubertäre Allmachtsgelüste politisch relevant seien. Das ist alles irrational. Ebenso wie das „August-Erlebnis“ anno 1914 allenthalben in Europa. Man wollte den Krieg. Alle wollten ihn. Völlig irrational.

  7. tricky sagt:

    Der Zahlenteufel hat diese...
    Der Zahlenteufel hat diese Blogschreiberin offenbar nicht ausreichend drangenommen und ob sie uns vor der nächsten Finanzkrise bewahren wird wage ich zu bezweifeln…
    “wobei ihr die eigene Unwissenheit leider allzuoft im Weg steht” kann man allerdings einmal mehr bestätigen.
    …”die vielen Steuergelder wert sind, die in wissenschaftliche Forschung investiert wird.” müsste ja wohl “werden” heissen, und das ist nur ein grammatikalischer Fehler …

  8. Vroni sagt:

    Der Tiger,
    ich muss zugeben,...

    Der Tiger,
    ich muss zugeben, dass ich über Afghanistan eben GAR nichts blicke.
    (Ging mir mit dem Bosnien-/Serbien-/Albanienkrieg schon so.)
    Zig Positionen, zig Interessen und Journalisten tun wenig zur Aufhellung, beten eher dpa-Kram nach.
    .
    Alte Frauen: Können machttheoretisch ziemlich verbohrt sein und den jungen unter dem Deckmantel idiotischer, veralteter Ratschläge nichts gönnen. Kenn ich als jüngere Frau sogar von hier. Noch schlimmer sind allerdings diese dummen Damen, die ohne mit der Wimper zu zucken, ihre Mädchen immer noch beschneiden lassen. Frauen sind oft der Feind in den eigenen Reihen, da müssen Männer fast gar nix mehr dazu tun, das ist richtig. Ob das auch auf die aktuelle Lage in Aghanistan zutifft, weiß ich eben nicht. Meine Menschenerfahrung sagt schon auch: Ja, es ist nicht ausreichend, aber hinreichend. = Möglich.
    Mit gelegentlich misogynen Grüßen

  9. Vroni sagt:

    Lieber Savall,
    die Idee,...

    Lieber Savall,
    die Idee, Kriege mit einer Kosten-Nutzung-Rechnung zu verbinden, ist ja das Schlimme.
    .
    Bin unschlüssig:
    Ich weiß aber eigentlich nicht was schlimmer ist, ohne jetzt groß Moralist zu sein:
    Völlig irrational, bescheuert, unberechenbar einen kriegerischen Konflikt, ja Weltbrand anzuzetteln.
    Oder ganz rational bewusst irgendwo einmarschieren und kühl den Konflikt: Menschenleben gegen strategische Vorteile, zu berechnen.
    .
    Beides wird mit Inbrunst gemacht, obwohl es auch andere Lösungen gibt. Vielleicht sollten Wissenschaftler/Biologen statt Kampfstoffe mal einen Duftstoff entwickeln, der die beidseitige testosteron-haltige Luft etwas zurückfährt oder den Herrschaften kräftig in das zu befriedende limbische System fährt statt ins Mathematische der gewaltig überschätzten Großhirnrinde. Wäre eine echte Abrüstungsidee, Friedensnobelpreis-verdächtig.
    .
    Dolchstoßlegende, Propaganda:
    Was die Menschen für ihren Willen halten (“man wollte es so”), ist ordentlich hormongesteuert. Zumindest aber propagandagesteuert. Ob der Wille wirklich ganz frei ist, ist ebenfalls noch nicht ausdiskutiert. :-)

  10. Savall sagt:

    Achnee, Vroni, das sind wir...
    Achnee, Vroni, das sind wir uns ganz und gar einig, daß die Kriege nichts bringen. Meine empirische Erkenntnis bedeutet ja nicht, daß ich den Kram billige. Ich halt ihn bloß für unvermeidlich. Das von Ihnen angesprochene Testosteron-Problem ist durchaus von der Wissenschaft anerkannt. Es sind die „überflüssigen“ Jungs, die das Problem sind. Die zweiten, dritten etc. Söhne, die nichts zu erben, aber eventuell viel zu gewinnen haben. Aber dieses Problem ist mindestens 5000 Jahre alt. Ich gluckse durchaus nicht vor Begeisterung ob dieser Perspektive, aber manchmal glaube ich, daß ein solcher Adlerlaß ganz vernünftig ist. (Jessas, hab ich das wirklich geschrieben?) Was ich meine ist, daß die gegenwärtige Historie genau diesen Zustand beschreibt. Und es ist seltsamerweise nicht von der Hand zu weisen, daß die Herren eventuell recht haben könnten.
    Wir hier sind ganz und gar pazifistisch. Mit guten Gründen und mit Entschlossenheit, keine Frage. Es gibt für Deutsche nach Ablauf des 20. Jahrhunderts keine Alternative. Punktum.
    Aber was ist mit Israel, zum Beispiel? Ich bin für Nonplusultra, U-Boote inklusive. Israels Sicherheit ist deutsche Staatsdoktrin. Keine Diskussion.
    Was aber ist mit der Iran-Frage? Ja oder nein, ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ja, nein, die israelische Regierung wird es entscheiden müssen. Wir werden ihnen beistehen, keine Frage. Ich hoffe, sie sind weise.

  11. Savall, gerade die...
    Savall, gerade die Irrationalität macht die Modelltheorie in diesem Bereich so schwierig. Formalisiere: aufrüsten, um Frieden zu bewahren. Dennoch glaube ist fest an Wissensfortschritt- auch in diesem Bereich. Irgendwie, Puzzleteil für Puzzleteil.
    .
    Der Tiger, meine Programme und ich sprechen oftmals nicht dieselbe Sprache – das wiederum macht Kommunikation so schwierig.
    .
    Vroni, nach einem Blick auf die Scholar-Suchmaschine: Terrorism und Spieltheorie eignet sich für einen weiteren Beitrag. Und ich bleibe Ihnen hier ja noch ein Weilchen erhalten.

  12. Der Tiger und Vroni: ich...
    Der Tiger und Vroni: ich glaube, jedes Volk und jede Gruppe muß ihre eigenen Kämpfe ausfechten – und früher oder später tun sie es auch. Siehe Ägypten.
    .
    ThorHa, da sind wir wieder bei den vielgescholtenen Nutzenfunktionen des rationalen Menschen, und was alles drin stecken kann. Hatten wir schon, trotzdem immer wieder faszinierend.
    .
    tricky, korrigiert. Weiter Fehler dürfen Sie ebenfalls gerne anmerken, ich bin – wenn schon unwissend – zumindest offen für Kritik.

  13. Vroni sagt:

    Gehört es auch zur...
    Gehört es auch zur Spieltheorie, dass ein Joker dabei ist, der Sachen zum Verschwinden bringt? Zum Beispiel diesen Blogartikel?

  14. Der Link zur angeführten...
    Der Link zur angeführten Studie “dynamics of conflict and cooperation” funktioniert leider nicht.

  15. Max sagt:

    Eigentlich hatte ich nicht vor...
    Eigentlich hatte ich nicht vor mich hier einzumischen. Aber als ich die Zeilen von “Der Tiger” vom 12. Mai 2012 14:05 laß, fragte ich mich, ob das ironisch gemeint war:
    .
    “Was mich an Afghanistan besonders ärgert, sind die Frauen da. …”
    .
    Sollte es wirklich ernst gemeint sein, so ist das die unqualifizierteste Bemerkung, die ich in den letzten 25 Jahren zu Afghanistan gelesen habe. In diesen Zeilen steckt nicht nur Unkenntnis über die Lage; ich lese auch eine abgrundtiefe Niedertracht heraus.
    .
    Lieber “Der Tiger”, vergessen Sie alle DPA und Pressemeldungen. Unterhalten Sie sich mit ehemaligen Eliten und Bewohnern dieses Landes. Lernen Sie die Menschen kennen: Ihr Land, ihre Kultur, ihren Glauben, ihr Leben. Als einer der die Seele von Afghanen eingeatmet hat, jahrzehntelang intensive Gespräche mit politischen Führern, Kämpfern und einfachen Menschen geführt hat, möchte ich nur sagen: In Afghanistan fand ein Stellvertreterkrieg statt. Angefangen 1979 zwischen der UdSSR und den USA. Nach Abzug der Sowjets war das Land sich selbst bzw. den herrschenden Clans überlassen, jedoch immer unter Einmischung von “Aussen”, heisst von Saudi Arabien, Pakistan und den USA. Die Menschen in diesem Land kennen seit über 30 Jahren (2 Generationen) nichts anderes als permanente Zerstörung und Krieg.
    .
    Ganz kurz zusammengefasst geht es in Afghanistan nicht zuletzt um den geostrategischen Zugang zum Indischen Ozean, den sich die Weltmächte (zuerst die Sowjets, jetzt die USA) unter Anderem für Pipelines* vom Kaspischen Meer zum Indischen Ozean sichern möchten. Aber auch sonst ist Afghanistan ein an Bodenschätzen und Ölvorkommen reiches Land, das zu den reichsten Ländern der Welt zählen könnte, wenn es zum Frieden fände.
    * https://de.wikipedia.org/wiki/Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Pipeline
    .
    Gerade westlich und demokratisch orientierte Afghanen haben großes Interesse daran, Jungen und Mädchen, Frauen und Männer zu alphabetisieren, sie in Schulen zu schicken, sie so gut wie möglich auszubilden, weil das der einzige Garant gegen die Taliban und jegliche extremistische Gruppierungen ist. Der Bevölkerung, vor allem ausserhalb Kabuls, fehlt es an fast allem was man sich vorstellen kann. Dennoch gibt es Schulen in denen Unterricht stattfindet, meist in kaputten Zelten, aber die Kinder, Jungen wie Mädchen, haben großes Interesse zu lernen. Dass die Taliban daran kein Interesse haben ist nachvollziehbar, soll ihnen zufolge ihre armselige Auslegung des Koran einzig geltendes Gesetz und Lebensgrundlage sein. Dafür kämpfen die Taliban (mit Unterstützung von Pakistan), und andere extremistische Gruppen (aus Saudi Arabien) und terrorisieren die zivile afghanische Bevölkerung. Nicht die afghanischen Frauen kämpfen gegen die Taliban (wie auch?), sondern die Taliban bekämpfen die Frauen- und Menschenrechte aller. Deshalb gehören diese barbarischen Taliban zerschlagen.
    .
    Ein weiteres großes Problem waren und sind immer noch korrupte Regierungen und Beamte, aber auch diverse Clanführer mit ihren privaten Armeen (meist über 20.000 Mann). Diese Stammesstrukturen werden sich nicht von heute auf morgen auflösen. Auch in Europa brauchte es Jahrhunderte, bis Gleichberechtigung der Geschlechter oder andere heute selbstverständliche Grundrechte zum Teil blutig erkämpft wurden. Es braucht auch in Afghanistan Zeit und Geduld bis neue Strukturen wachsen und alte Denkweisen überwunden werden. Die Mehrheit der Bevölkerung, gerade die von Ihnen angesprochenen Frauen, können am wenigsten für Krieg und Zerstörung. Sie würden viel lieber ein Leben in Frieden und im Speck – vielleicht noch mit einem schmückenden Dr. rer. nat. oder Dr.-Ing. – so wie Sie “Der Tiger” und ich führen wollen.

  16. donalphonso sagt:

    Leider wurde beim Editieren...
    Leider wurde beim Editieren ein Knopf falsch gedrückt.

  17. donalphonso sagt:

    (Und ausserdem stand hier...
    (Und ausserdem stand hier versehentlich ein Kommentar, der bei den Stützen der Gesellschaft stehen sollte, und sich nicht auf diesen Beitrag bezog)

  18. Vroni, tut mir leid, ich war...
    Vroni, tut mir leid, ich war gestern so müde, daß ich bei der Korrektur des von tricky angemerkten Fehlers den falschen Button geklickt habe.
    .
    Veil of ignorance, hier ist der Link:
    graduateinstitute.ch/webdav/site/political_science/shared/political_science/_previous/2011_Spring_Semester/Dynamics_of_Conflict_and_Cooperation/filson%20and%20werner.pdf

  19. Max, vielen Dank für diese...
    Max, vielen Dank für diese Ausführungen! Das Beste an diesem Job ist, daß ich als Autor immer noch etwas von meinen Lesern lernen kann.

  20. Vroni sagt:

    Danke Max,
    mein einziger...

    Danke Max,
    mein einziger Kontakt zu Menschen aus Afghanistan war ein afghanischer Student, mit dem ich als Studi in einer Tiefzieherei geschuftet habe. Er war Geologe, sehr angenehm im Umgang. Was man von den anderen Rotzlöffeln weniger sagen konnte.
    .
    (Bei Weiwa- oder Grafikjobs war halt nicht so viel zu verdienen. )

  21. Vroni sagt:

    Sopha,
    hab fast gedacht, der...

    Sopha,
    hab fast gedacht, der FAZ gefällt das Thema nur nicht und hat es in die offenen Schlünde digitaler Papierkörbe verschoben.
    Es ist ja auch schwer abnorm.

  22. Vroni, sonderbares Thema,...
    Vroni, sonderbares Thema, vielleicht, aber das kommt hier ja öfter vor. Wir sind die Nerd-Ecke, sozusagen.

  23. astroklaus sagt:

    Von der Spieltheorie einen...
    Von der Spieltheorie einen Schrit Richtung Psychologie: Habe gerade Kahnemans “Thinking fast and slow” gelesen (“Schnelles Denken, Langsames Denken” auf Deutsch) – da gibt es auch ein Kapitel zu Risikoaversion, an durchaus alltäglicheren Beispielen erläutert: wer von zwei Parteien vor Gericht ist eher zu einem Vergleich bereit, wer will es eher durchfechten?
    Die “Strategen” des WW1, die ja noch geglaubt haben, das Ganze ginge nach der Art der alten Kabinettkriege ab, paßt eine solche Analyse auch.

  24. Jede Theorie der IB hat seinen...
    Jede Theorie der IB hat seinen geschichtlichen Kontext. Sei es der Realismus (aufrüsten, aufrüsten, aufrüsten) in einer bipolaren Welt oder ein Liberalismus (Wandel durch Handel, demokratischer Frieden) unter der Hegemonialmacht USA, oder der RC Ansatz in der Multitude. Wenn Kim-Jong-Il Junior eine Militäroperation ankündigt, sie aber im letzten Moment absagt, weil er von den USA 10k Tonnen Lebensmittel bekommt (wie letztens geschehen), ist man mit dem RC Ansatz sicherlich nicht schlecht bedient.
    .
    Man darf jedoch nicht vergessen das rational in dem Kontext Zweckrationalität meint; also die Relation Mittel zum Zweck betrachtet. Die Frage ob der Krieg xy rational ist, stellt sich somit überhaupt nicht. Ich kann gar nicht sagen wie sehr ich eine Psychologisiereung von Konflikten verabscheue. Denn man darf auch nicht vergessen, dass die Todesbereitschaft kämpfender Menschen, die physische Tötung von anderen Menschen, die auf der Seite des Feindes stehen, keinen normativen, sondern nur einen existenziellen Sinn hat, und zwar in der Realität einer Situation des wirklichen Kampfes gegen einen wirklichen Feind, nicht in irgendwelchen unterbewussten Trieben, Idealen oder Normativitäten.

  25. ThorHa sagt:

    @Savall - irrationaler erster...
    @Savall – irrationaler erster Weltkrieg:
    Für Sie :-). Für einen deutschen Spiteznpolitiker von 1914 keineswegs. Deren Ziel war der Erhalt von Deutschlands Weltmachtoption, ihre echte Sorge galt dem sich schnell zur Weltmacht entwickelnden Russland. Wenn man fest davon ausgeht, dass man zur Etablierung und zum Erhalt einer Grossmachtoption ohnehin Kriege führen muss (das war vor 1914 eine auch empirisch haltbare Position), dann ist es nur konsequent, ihn zu führen, solange der Gegner nicht zu stark ist. Unter diesem Aspekt war der optimale Zeitpunkt zum Zuschlagen 1914 bereits verpasst, das deutsche Reich hätte 1905 zuschlagen müssen, als Russland gerade den Krieg gegen die Japaner verlor.
    Aus Ihrer (und übrigens auch meiner) Sicht war das irrational. Aus Sicht der Verfahrenbeteiligten (und ihrer damaligen Gegner!) keineswegs …
    Gruss,
    Thorsten Haupts

  26. ThorHa sagt:

    @Veil of Ignorance -...
    @Veil of Ignorance – Zweckrationalität:
    Sach ich doch …
    Gruss,
    Thorsten Haupts

  27. Der Tiger sagt:

    @Max – Sie unterstellen mir...
    @Max – Sie unterstellen mir in Ihrem Kommentar eine Reihe von Dingen, die ich überhaupt nicht erwähnt oder behauptet habe. Zum Beispiel würde ich nie folgendes abstreiten: “Gerade westlich und demokratisch orientierte Afghanen haben großes Interesse daran, Jungen und Mädchen, Frauen und Männer zu alphabetisieren, sie in Schulen zu schicken, sie so gut wie möglich auszubilden, weil das der einzige Garant gegen die Taliban und jegliche extremistische Gruppierungen ist.”
    .
    Ich habe nicht westlich orientierte Afghanen angesprochen, sondern die Situation der Traditionellen. Meiner Beobachtung nach sind Frauen nicht grundsätzlich immer und alle unterdrückt. Im Familienleben gibt es sehr ausgeprägte Hierarchien. Es ist keineswegs immer ein Mann, der einer Sippe vorsteht – nicht nur in modernen Familien. Ich finde es hochinteressant, muslimische Familien beim Einkaufen zuzusehen, in einigen geben Männer, in anderen Frauen den Ton an. Das Problem traditioneller Gesellschaften ist, dass alten Frauen, die in der Familie am Schaltpult stehen, sehr oft ihre Macht dazu nutzen, die bestehenden traditionellen Verhältnisse zu unterstützen. Zum Teil ist das verständlicher Selbsterhaltungstrieb, den es in allen Gesellschaften gibt, die keine staatliche Alterversorgung kennen. Die Alten wollen sicher sein, von den Jungen im Alter gepflegt zu werden.

  28. Vroni sagt:

    ThorHa,
    Sie kommen mir...

    ThorHa,
    Sie kommen mir manchmal vor wie Sam the Eagle, nicht böse sein.
    “I have a list of fourteen disgusting items …”
    https://www.youtube.com/watch?v=gaEiYMY2Yp8&feature=related

  29. ThorHa sagt:

    @Vroni:
    Wenn´s Sie nicht...

    @Vroni:
    Wenn´s Sie nicht stört, dass ich mich über den Vergleich amüsiere? Ich bin nicht leicht zu verärgern.
    Gruss,
    Thorsten Haupts

  30. astroklaus, Kahnemann, ja, das...
    astroklaus, Kahnemann, ja, das wäre hier auch mal fällig.
    .
    Veil of ignorance, ich bin nicht sicher, ob es so einfach ist – dafür sind Menschen dann doch zu irrational und manchmal zu bescheuert, wenn sie sich in Vorstellungen verbissen haben.

  31. Max (seufzt) sagt:

    Als meine Frau heute morgen...
    Als meine Frau heute morgen fragte: “Schatz, woran arbeitest du? Komm doch zurück ins Bett” antwortete ich ihr: “Ich habe viel Mühe. Ich kratze den Irrtum vom Monitor.”

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