Deus ex Machina

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Von außergewöhnlichen Formeln – sinnvoll oder absurd

Das Streben der Menschen nach Berechenbarkeit kennt keine Grenzen - und so gibt es Formeln für die absurdesten Ideen: Absatzhöhe von Schuhen oder außerirdische Zivilisationen, zum Beispiel.

Das Streben der Menschen nach Berechenbarkeit kennt keine Grenzen – und so gibt es Formeln für die absurdesten Ideen: Absatzhöhe von Schuhen oder außerirdische Zivilisationen, zum Beispiel.

Seit Jahrhunderten entdecken wir immer neue Gesetzmäßigkeiten in Physik, Chemie und Biologie, halten Entdeckungen in Lehrsätzen fest – und in Formeln. In seinem Bestreben, die Welt zu verstehen und sich sozusagen Untertan zu machen, bedient sich der Mensch gerne mathematischer Formeln – auch außerhalb der Mathematik. Immer wieder stoßen die Wissenschaften an ihre Grenzen: die Physik in der Quantenmechanik und bei der Frage nach dem Welle-Teilchen-Charakter von Licht, in der Biologie bei der Entschlüsselung von Genen und bei der Ursachenforschung von Krankheiten und anderen Phänomenen.

Trotz dieser Beschränkungen sind die Naturwissenschaften immer noch der Maßstab für andere Wissenschaften und zumindest die Sozialwissenschaften streben – teilweise – seit Jahrzehnten nach Formalisierung und Formelisierung: je mathematischer und methodisch-naturwissenschaftlicher die Forschung daherkommt, desto besser. Diese Krankheit scheint geradezu ansteckend zu sein, denn mittlerweile werden selbst solche Fragen formalisiert, die dessen nun wirklich eigentlich nicht bedürfen.

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Die Autorin zum Beispiel hat im Alltag keinerlei Verwendung für hohe Schuhe, aber trotzdem eine große Leidenschaft für deren Erwerb. Das hat bisher zwar immer ohne Formeln funktioniert, aber falls sich das jemals ändert: es gäbe eine. Physiker einer britischen Universität haben sich damit ganz ernsthaft vor einigen Jahren befasst und eine Formel ersonnen, die die Wahrscheinlichkeit von Sturz, Verletzung und Umknicken mit hohen Absätzen minimiert – unter Berücksichtigung der individuellen Eigenschaften und Präferenzen der Trägerin. Die Berechnung erfolgt schrittweise, wobei de Höhe des Absatzes h von einem individuellen Parameter Q und der Schuhgröße S abhängt: h=Q(12+3s/8).

Q wiederum berücksichtigt diverse Variablen, namentlich die Wahrscheinlichkeit, damit Eindruck zu schinden (p), langjährige Erfahrung als Trägerin hoher Schuhe (y), Kaufpreis in Pfund (L), wie lange die Schuhe als modisch galten (t) und der geplante Alkoholkonsum der Trägerin (A):

Q=p * (y+9) * L / (t+1) (A+1) ( y+10) ( L+ 20).

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Versuchsweise wende ich das auf meinen letzten Neuerwerb an, ein paar sehr elegante Pumps mit einem niedlichen klitzekleinen Plateau, im Ausverkauf erworben. Ich verspreche mir äußerst interessante Bekanntschaften in der Frankfurter City beim Mittagessen, daher p=1, trage wirklich hohe Schuhe allerdings erst seit wenigen Jahren (y=6), die Schuhe waren ziemlich teuer und sind gerade noch so modisch, also t=7 Monate. Alkohol bei der Arbeit – die Frage stellt sich nicht, wo kämen wir denn da hin. Die Schuhe haben 200 Euro gekostet, also umgerechnet 140 Pfund.

Dann lautet die Formel im fraglichen Fall: Q=1 * (6+9) * 140 / (7+1) (0+1) (6+10) (140+20) =

15*140 / 25 *160 = 0,525

Das ist allerdings nur der individuelle Parameter, zu integrieren in die eigentliche Höhengleichung. Bei einer Schuhgröße von 5,5 (in Englisch) dürfte ich daher h = 0,525 * (12+3*5,5/8)=7,4 cm tragen. Das hört sich doch einigermaßen sinnvoll an – zumindest für einen Büroschuh, auf dem man nicht die Nacht durchtanzen will. Andererseits hätte ich das auch mit Bauchgefühl und ohne Computer, Formel oder Taschenrechner gewußt.

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Es würde mich ja interessieren, wieviel Arbeitszeit  in das Projekt investiert wurde, und ob die Physiker Spaß dabei hatten. Vermutlich schon. Andere Forschungsfragen wiederum hören sich zuerst ähnlich absurd an – haben aber doch einen völlig anderen Stellenwert und werden wirklich ernstgenommen. Zum Beispiel die Berechnung der Anzahl außerirdischer Zivilisationen. Tatsächlich gibt es eine ganze Forschungsdisziplin, die Astrobiologie (oder präziser: Exobiologie), die sich mit der Frage beschäftigt, wie, warum und wo sonst noch im Universum Leben möglich wäre. Mit dieser aufregenden Frage befassen sich so illustre Institutionen wie Harvard oder die University of California at Berkeley. Der dort lehrende Professor Frank Drake, auch Gründer der SETI-Initiative, kam offenbar eher zufällig auf die sogenannte Drake-Formel, als er sich für einen Kongreß Gedanken über die Determinanten für außerterrestrisches Leben machte – und dann realisierte, daß man die Faktoren nur multiplikativ verknüpfen muß . Als da wären:

Die mittlere Sternenentstehungsrate pro Jahr in unserer Galaxie, eine Zahl die sich relativ gut berechnen läßt und sich im ein- bist zweistelligen Bereich befindet. Der Stern braucht außerdem ein Planetensystem, und diese müssten außerdem über ein akzeptables Ökosystem verfügen, für beides liegen zumindest erste Anhaltspunkte vor. Der Anteil an Planeten mit intelligentem Leben ist eine große Unbekannte, ebenso die Wahrscheinlichkeit, daß intelligentes Leben mit uns würde kommunizieren wollen und sich entsprechend äußerte. Abschließend muß noch die Lebensdauer einer Zivilisation einberechnet werden – schließlich sind solche Vorkommnisse möglicherweise zeitlich begrenzt und wir haben unsere intelligenten Nachbarn im Universum vielleicht gerade verpasst. Da können wir uns immerhin auf die Zivilisationen der Erde beziehen, die ja auch in Schüben existierten und wieder verschwanden – andererseits muß das auf andere Planeten natürlich so nicht zutreffen und ist auch wieder nur eine Annahme. Insgesamt stecken in der Gleichung einerseits sehr große, aber auch sehr kleine Zahlen: In den 4 Milliarden Jahren der Erdgeschichte gab es ja – nach bisherigem Wissensstand – nur uns als Lebensform, die zu außerirdischer Kommunikation überhaupt fähig ist.

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Angesichts der vielen Parameter, über die man allenfalls mutmaßen kann, und der weiteren Parameter, die vielleicht relevant aber nicht enthalten sind, ergeben sich diverse Modellrechnungen, mit unterschiedlichen Annahmen. Eine der aktuelleren Schätzungen nutzt verschiedene Varianten, die mittels Monte-Carlo-Simulationen (quasi: viel Statistik mit dem Computer) durchgerechnet werden, um daraus am Ende einen Durchschnitt zu gewinnen. Je nach Restriktion der Annahme, wie häufig intelligentes Leben entsteht, variiert die Anzahl der außerirdischen Zivilisationen zwischen gut 300 und über 30.000. Das ist dann doch nur mäßig aufschlußreich, jedenfalls für den Laien, wobei bei 30.000 potentiell gefährlichen Zivilisationen es vielleicht gar nicht so dumm wäre, sich gegen das Risiko einer Entführung durch Aliens zu versichern.

Andererseits gilt es natürlich zu bedenken, daß wir bisher trotz aller Bemühungen keine einzige dieser Zivilisationen kennengelernt haben – ein Phänomen das nach seinem geistigen Vater Fermi-Paradox heißt. Entsprechend gibt es eine ganze Reihe Ansätze, unter anderem bezüglich in der Gleichung fehlender Parameter, die erklären könnten, warum die Wahrscheinlichkeit für andere Zivilisationen am Ende doch sehr viel kleiner ist als nach der ursprünglichen Drake-Formel.

Immerhin ist das Thema aber interessant genug, um es bis in Dissertationen und nach Hollywood (Film „Contact”) zu schaffen – im Gegensatz zu der Formel für Schuhe, die meines Wissens nach nicht einmal in „Sex and the City” vorkommt. Die Damen dort bekommen das nämlich auch ohne Formeln hin.