2013 wird ein tolles Technik-Jahr: 3-D-Drucker, 4-K-Fernseher und womöglich auch fünfdimensionales plutonisches Dampfhockey auf Apple TV werden unser Leben bereichern. Eine (nicht ganz bierernste) Trendschau.
Die rotbraune Restepampe der Silvesterknallerei modert im Rinnstein vor sich hin, und die Sektgläser stehen längst wieder in Reih und Glied in der Vitrine – aber dennoch möchte ich die Gelegenheit nutzen, den Leserinnen und Lesern dieses Onlineangebots noch ein schönes neues Jahr zu wünschen. Bei dieser Gelegenheit drängt es sich geradezu auf, die Kristallkugel ein wenig zu polieren, den Kaffeesatz zu schütteln und daraus einen Ausblick in die nahe Zukunft zu wagen, welche Themen uns 2013 wohl beschäftigen werden, welche Trends die digitale Welt prägen. Ich versuche mich an dieser Übung übrigens zum ersten Mal, kann mich also rückblickend weder mit tollen und exakt auf die Zwölf gezirkelten Vorhersagen brüsten noch muss ich jetzt irgendwelche völlig vergurkten Fehleinschätzungen geraderücken. Also dann: schaumermal!
Enormes Hype-Potenzial, wenn nicht gar die nächste industrielle Revolution, sehen Technik-Enthusiasten beim sogenannten dreidimensionalen Drucken. Als Drucker fungiert eine Apparatur, die erhitzten Kunststoff auf einer Platte aufschichtet und daraus je nach Vorlage Objekte wie beispielsweise Teller formen kann. Noch steckt die dezentrale 3-D-Drucktechnik in den Kinderschuhen (wie etwa die PC-Technologie in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts), aber mit steigender Verbreitung werden die Stückkosten dieser Apparate sinken. Und wenn erst einmal mehrere Farben und auch unterschiedliche Materialien in das Endprodukt eingearbeitet werden können, wird die Technologie immer interessanter für den Endverbrauchermarkt. Vieles, wofür wir heute noch im Fachgeschäft an der Kasse stehen oder den Onlinehandel samt Paketdiensten in Anspruch nehmen, werden wir dann nur noch als digitalen Bauplan erwerben und zuhause ausdrucken.
Aber man ahnt bereits, wo künftige Knackpunkte und Konfliktlinien lauern: Noch jede neue Kopiertechnik wirft Patentfragen auf, bedroht Urheber- und Markenrechte. Es werden zweifellos raubmordkopierte Vorlagen und Baupläne für alle möglichen brisanten Objekte kursieren. Man wird sich nicht damit zufriedengeben, Aachener Printen oder unlizenzierte Nespresso-Kapseln zuhause nachzudrucken, nein, natürlich werden auch bereits Bauteile von Schusswaffen hergestellt. Und wenn der 3-D-Druck mit heutigem Stand der Technik schon das untere Verschlussgehäuse vom halbautomatischen Sturmgewehr AR-15 liefern kann, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis ganze Knarren aus dem Drucker kommen. Ach, was sage ich: Rohrbomben, Massenvernichtungswaffen, ballistische Interkontinentalraketen. Und was dem einen sein Traum vom Chemputer ist, der als Online-Heimapotheke gängige Arzneimittel wie Ibuprofen synthetisiert, ist dem anderen womöglich sein Cracklabor oder seine Crystal-Meth-Küche. Kurzum: Das Thema dezentrale 3-D-Technik elektrisiert nicht nur die Enthusiasten, auch für beamtete und ehrenamtliche Bedenkenträger steckt da jede Menge Musike drin.
Mobile (wir Checker sprechen das selbstredend denglisch aus) bleibt auf alle Fälle auch 2013 der heiße Shice, so viel ist sicher. Mein Kaffeesatz flüstert mir, dass die Angebote der meisten großen Player in diesem Jahr erstmals häufiger über Smartphones und andere mobile Endgeräte angesteuert werden als über stationäre Rechner im Büro und zuhause. Die informationstechnische Mobilmachung des Klickviehs Konsumenten schreitet wacker voran, oder um es mit dem Netzguru Nico Lumma zu sagen: „Die Smartphone-Penetration in der Bevölkerung steigt weiterhin”, und das hat wenn ich ihn als Fachmann richtig deute unter anderem damit zu tun, dass die App-Stores bis oben hin voll sind mit Apps. Daraus resultieren beim Nutzer neue Verhaltensweisen, wie man sie hier in dieser Bilderstrecke schön prototypisch beobachten kann. Wo man heute beispielsweise für eine bequeme Online-Scheidung noch den PC mit Netzanschluss braucht, reicht vielleicht bald ein Smartphone, um den ungeliebten Ehepartner (den man wahrscheinlich eh in einem Online-Datingportal aufgegabelt hat) familienstandrechtlich appzuschieben.
In Bewegung bleibt der Endgerätemarkt, neue Smartphones und Tablets mausern sich zu wahren Alleskönnern, und das fällige Phrasenschweinentgelt für so eine Binse könnte ich mit neuen mobilen Zahlsystemen bequem und sicher entrichten. Nico Lumma hat da dankenswerterweise ein paar Namen parat, die man sich seiner Meinung nach in diesem Zusammenhang merken sollte: Square, Sumup und Dwolla. Und ich denke, es schadet nichts, diese Newcomer einstweilen wieder zu vergessen, bis in der Computer-Bild oder im Manager Magazin von ihnen zu lesen ist.
Mit Vorsicht genießen würde ich auch die oft gehörte Annahme, dass mobile das neue local sei. Foursquare beispielsweise, das Lieblingsspielzeug unter den ortsbezogenen Diensten, ist entgegen der Erwartungen der Netz-Erklärbären hierzulande immer noch kein Hit- und ich denke, das wird auch nicht mehr werden als eine Randgruppen-Spielerei. Woher ich diese kühne Vorhersage nehme? Nun, meine Frau, die solchen Dingen gegenüber durchaus aufgeschlossen ist (die twittert ja beispielsweise auch im Gegensatz zu mir), findet den Dienst längst nicht mehr so prickelnd wie noch vor zwei Jahren. Die letzte Meldung, die zu foursquare auf meinem Radar auftauchte, lautete, dass die geschätzte Frau Franziskript mit nur zweimal Einchecken auf dem Neusser Kinderbauernhof es zum dortigen Mayor gebracht hat. Und prägnanter kann man das Elend um foursquare wohl kaum illustrieren.
Schalten wir nun um nach Kalifornien: Die Cupertino-Astrologen recken bereits die Hälse nach neuen Ipads (jetzt noch dünner und das Ipad mini mit Retina-Display!?!), aber es könnte noch dicker kommen: 2013 soll das Jahr sein, in dem Apple die lange erwartete Offensive in den Fernsehmarkt startet, auf dem höchstauflösende 4K-Geräte demnächst die gute alte HD-Auflösung verblassen lassen. Mit etwas Phantasie kann man sich den Apple-Fernseher wie ein übergroßes Ipad mit Wandhalterung vorstellen. Aus der Not heraus, dass sie in absehbarer keine massenattraktiven Inhalte wie Hollywood-Blockbuster oder die Spiele der NFL exklusiv lizensiert bekommen, müssen die Apple-TV-Macher sich etwas Besonderes einfallen lassen. Der verstorbene Unternehmensgründer Steve Jobs galt ja als Erfinder des sogenannten reality distortion fields, und in diesem Geiste könnte Apple versuchen, die von Douglas Hofstadter in „Gödel, Escher, Bach” skizzierte Idee des Subjunk-Fernsehers zu realisieren. Der Apparat verfügt über eine subjunktive Wiederholungsfunktion, man kann sich also beispielsweise ganz normal ein Fußballspiel ansehen – und dann im Subjunk-Modus gucken, wie das Spiel verlaufen wäre, wenn Handspiel erlaubt wäre oder es am Spieltag nicht geregnet hätte im Stadion. In einem weiteren Entwicklungsschritt könnte der Apple-Fernseher dann auch als Display für eine iKonsole fungieren, mit der man fünfdimensionales plutonisches Dampfhockey und andere Spiele spielt, die wir heute nur erahnen können.
Ach ja, 2013 ist Wahljahr, und es braucht keine Prophetengabe, um vorherzusagen, dass der kommende Online-Bundestagswahlkampf keine „Yes we can”-Erfolgsgeschichte liefern wird, sondern eher anhand von ganz analogen Brot- und Butter-Themen entschieden wird. Bleibt die Frage nach den Piraten: Schaffen sie es in den Bundestag oder nicht? Das dürfte verdammt knapp werden. Aber ich lehne mich jetzt mal aus dem Fenster und prophezeie, ja, sie sind drin, auch wenn sie sich im Moment reichlich desolat präsentieren. Um es mit George Bush senior zu sagen: read my lips!
P.S. Mit Schrecken stelle ich fest, dass ich in dem ganzen Beitrag ein ganz wichtiges Modewort nicht untergebracht habe, ich reiche es deshalb hier nach: Disruption!