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WhatsApp und warum sich nichts ändert

Laufen WhatsApp nach der Übernahme durch Facebook die Nutzer davon? Sie kämen nicht weit, die Konkurrenz ist schließlich auch nicht besser und der Nutzer entscheidet doch stets nach Komfort.

Am Mittwoch hielt ich im Frankfurter Marriot-Hotel ein Seminar zum Thema Ausspähsicherheit, das kurz nach dem Bekanntwerden der Snowden-Affäre geplant wurde und Vertretern aus der Privatwirtschaft verdeutlichen sollte, was genau hinter der Abhöraffäre steht, an welchen Punkten welche Daten abgefangen werden können und wie man sich gegen dieses Abhören bestmöglich schützen kann.

Am Donnerstag wurde bekannt, dass Facebook WhatsApp für 19 Milliarden US-Dollar übernimmt.

Am Freitag war meine Facebook-Timeline voll mit Nachrichten, in denen Nutzer schreiben, sie würden nun WhatsApp den Rücken kehren, da sie weiterhin privat kommunizieren möchten. Offenbar befürchten sie, dass ihre Gespräche in Zukunft nicht privat bleiben werden. Dabei hat man mehrere Aspekte nicht bedacht.

Viele Nutzer wollen nun WhatsApp verlassen

Threema, eine der Alternativen zu WhatsApp, kostet Geld, für Apple-Geräte einmalig 1,79 Euro, für Android ist es ebenfalls zum Preis von 1,60 Euro verfügbar, die Nutzung von WhatsApp ist billiger. Darüber hinaus bleiben BlackBerry- und Windows-Phone-Benutzer außen vor, WhatsApp ist hingegen für jene Plattformen ebenso verfügbar wie für die mittlerweile weniger bedeutsame Mobil-Plattform Symbian. Und drittens beherrscht Threema im Gegensatz zu WhatsApp keine Gruppenchats.
[Edit 18:51 Uhr: Threema kann in der aktuellen Version Gruppenchats.]

Hinter der erwähnten Alternative Threema steht eine kommerzielle Firma, die keine Sicherheitsevaluierung der Software durch unabhängige Dritte erlaubt und die laufende Kosten für die Infrastruktur des Dienstes decken muss. Auch die Macher von Telegram müssen Geld aufbringen, die laufenden Kosten ihrer Server finanzieren. Telegram legt allerdings im Gegensatz zu Threema Teile des Programmcodes und des Sicherheitsprotokolls offen, erlaubt also einen kritischen Blick in die Realisierung der App. Die Programmierer von Telegram jedenfalls sind sich ihrer Sache sehr sicher und versprechen demjenigen 200.000,- Dollar, der eine auf der Webseite veröffentlichte Nachricht entschlüsseln kann. Allerdings muss sich derjenige beeilen: Die Challenge läuft nur noch bis Anfang März. Dieser Wettbewerb wird von einigen Hackern kritisch gesehen, da die Rahmenbedingungen nicht geeignet sind, um die Existenz einer Sicherheitslücke im Kommunikationsprotokoll auszuschließen. Andere warnen sogar explizit davor, Telegram einzusetzen, da das Kommunikationsprotokoll eine Reihe von Schwachpunkten aufweist.

Doch zurück zu der Schockwelle, die durch meine Timeline schwappte: Dass einige Nutzer nun auf sicherere Alternativen umschwenken, ist generell zu begrüßen, wenngleich auch deutlich zu spät. Einen Tag nach der Übernahme hat sich nach Angaben der Threema-Entwickler die Anzahl der Nutzer von 200.000 auf 400.000 verdoppelt, auch Telegram vermeldet einen Zulauf. Durch den sprunghaften Anstieg der Nutzerzahlen und durch die Meldungen in den großen und nicht nur den auf IT ausgerichteten Medien wird deutlich, dass die Gesellschaft in Sachen Privatsphäre und Sicherheit deutlich sensibler geworden ist oder das Thema zumindest en vogue ist. Es besteht allerdings die Gefahr, dass sich Nutzer in trügerischer Sicherheit wiegen: Neben den Aspekten der Kryptographie kann der Nutzer nicht einschätzen, ob die Software frei ist von Hintertüren und ob Daten wie das Adressbuch des Anwenders nicht ohne deren Wissen auf Servern der Betreiber gespeichert werden – wie bei WhatsApp lange praktiziert. Selbst wenn Teile der App als Sourcecode veröffentlicht werden, steht man vor einem Problem: Aus Apples AppStore und Googles Play Store werden die Programme direkt auf dem Telefon installiert – man muss darauf vertrauen, dass die Programmversionen in den Stores auf dem veröffentlichen Quellcode basieren, überprüfen kann man das nicht.

Ökosystem Apple

Dies ist den weitgehend geschlossenen Ökosystemen der Smartphoneanbieter geschuldet: Apple erlaubt von Haus aus nicht die Installation selbstkompilierter Programme, auch für Android muss man einigen Aufwand betreiben, um eigene Apps auf dem Telefon zu installieren. Diese geschlossenen Ökosysteme haben aus Anwendersicht jedoch auch einige Vorteile. Verglichen mit offenen Ökosystemen wie Windows vor sehr vielen Jahren, in denen jeder seine eigene Software installieren konnte, bieten aktuelle Handy-Betriebssysteme deutlich mehr Komfort für den Nutzer: Sie sind besser (intuitiver) bedienbar, weniger fehleranfällig und daher auch für nicht computeraffine Anwender einfacher zu benutzen.

Ein großer Nachteil dieser Herangehensweise ist, dass man sich ausliefert und von den Launen der Hersteller abhängig ist. Gut zu erkennen war dies nicht zuletzt an Apples letztem großen Update iOS7, das sich deutlich von älteren Versionen unterscheidet. Der Nutzer hat letztlich keine Wahl außer den Anbieter zu wechseln: Wem das Apple-System nicht mehr passt, der soll ein anderes Telefon kaufen. Der Teufel liegt im Detail und massive Problem tauchen oft erst nach dem Umstieg auf. Das sieht man am Beispiel Benjamin Steins, der mit seinem Android-Telefon keine Textnachrichten mehr empfangen kann, weil er vorher ein Apple-Gerät verwendet hat.

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Das ist der eigentliche Grund, warum ich nicht daran glaube, dass WhatsApp viele Nutzer verliert. Auch WhatsApp und Facebook sind ein Ökosystem, schon nächsten Monat ist der Aktionismus vergessen und man merkt, wie unbequem die Verwendung zweier verschiedener Messenger ist und wie wenig geeignet der sichere ist, wenn ihn kaum einer der Freunde benutzt. Monopole sind schon lange entstanden, Ökosysteme, in denen sich fast jeder findet, Facebook ist nur das größte. Sie bieten naturgemäß keine Schnittstellen, über die Daten aus den Systemen entfernt werden können, Daten können nur in die Systeme eingebracht werden. Bilder und Texte in großen sozialen Netzwerken zu speichern ist einfach, will man sie jedoch extern speichern und in den Netzwerken einbinden, ohne die Daten auf deren Servern zu speichern, wird klar, wie wenig deren Betreiber interessiert sind, den Nutzern freie Auswahl zu lassen. Das gilt für Facebook und für die anderen Ökosysteme, wie auch der oben genannte Fall Benjamin Steins verdeutlicht.

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Durch die Übernahme des Messengers wird das Ökosystem Facebook noch größer und deutlich mehr Menschen verbinden. WhatsApp hat 450 Millionen registrierte Nutzer, die geschätzte Zahl registrierter Facebook-Nutzer beträgt über 1 Milliarde. Diese Zahlen lassen sich nicht einfach addieren, da sehr viele Nutzer beide Angebote verwenden werden. Dennoch unterscheiden sich die Nutzergruppen beider Applikationen durchaus: Die amerikanische Plattform Business Insider zeichnete im Oktober des vergangenen Jahres ein für Facebook bedrohliches Bild: Junge Nutzer wanderten von Facebook zu WhatsApp, dem sozialen Netzwerk drohe eine Vergreisung. Demnach ist WhatsApp in der Gruppe der Achtzehn- bis Fünfundzwanzigjährigen das soziale Netzwerk mit dem größten Wachstum, in Apples AppStore liefern sich die Apps beider Anbieter ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Durch die Übernahme kauft sich Facebook die Jugend zurück und sichert sichert sich den ersten Platz als größtes soziales Netzwerk, weit vor der Konkurrenz. Google war ebenfalls an einer WhatsApp-Übernahme interessiert, konnte sich jedoch letztlich nicht durchsetzen.

Die Herausforderung für die Facebook ist das Misstrauen zu überwinden, das Nutzer mittlerweile hegen. Daher wird man die neue Verbindung nicht in den Vordergrund spielen, WhatsApp wird weiter als Marke bestehen und Facebook im Hintergrund bleiben – mit der Zeit vergessen die Nutzer. Eine bewährte Strategie, geprüft im Fall von Instagram, das schon länger zu Facebook gehört, wie auch bei Skype (Microsoft), bei Youtube (Google) und Tumblr (Yahoo).