Ich denke, niemand will hier noch den 2.485sten Beitrag über den Niedergang der Piraten lesen – nur ganz kurz, angesichts von Unterwanderungsversuchen radikaler Grüppchen aus Bereichen wie Antifa, Feminismus, Sozialutopie und Buchverträge kam es vorgestern zum grossen Knall: 3 der 7 Mitglieder des Bundesvorstandes der Partei sind zurückgetreten, und der nach eigenen Worten handlungsunfähige Restvorstand setzte sich zum kommissarischen Vorstand ein. Der will jetzt bis zum Juni weiter machen, und einen Parteitag in Ostdeutschland abhalten, wo viele der radikalen Mitglieder beheimatet sind, und die Anreise für westdeutsche, oft eher liberale und gemässigte Mitglieder besonders schwer ist. Weitere schelmdenkende Details entnehmen Sie bitte diesem und diesem und diesem Beitrag.
Im Rahmen solcher Entwicklungen kommt man als Journalist unweigerlich mit den neuen Kommunikationsmethoden des Netzes in Berührung, und den Filterbubbles der Protagonisten. Das sind Umfelder, die man sich in sozialen Netzwerken selbst baut, und die verhindern, was das Netz eigentlich ermöglichen sollte: Die grenzenlose, freie Kommunikation und der Austausch aller mit allen. An dessen Stelle liegt das selbst konzipierte, flauschige Umfeld, das einen komplett abschirmt und alles, was einem nicht gefällt, filtert. So eine Art usergenerierter, verblendeter Stammtisch im persönlichen Zuschnitt. Wer Piraten kennt, der weiss, dass der Betrieb einer Bubble gar nicht so einfach ist, und viel Zeit in die Entwicklung gesteckt wird – das ist eine echte Kunst! Die folgenden Regeln gelten besonders für Twitter, lassen sich aber problemlos auch auf Blogs, Tumblr, Facebook und sogar, falls vorhanden, weitgehend auf das reale Leben und die AfD übertragen. Alle beschriebenen Strategien hat der Verfasser im Rahmen der Pressebetreuung durch die linken Teile der Basis und ihrer Helfer selbst erlebt.
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1. Nimm nur linientreue Follower
Das Netz ist voll von Wischi-Waschi-Typen, die einfach nur quatschen, faven und über das bayerische Oberland reden wollen. Diese Personen sind meistens unpolitisch, haben keine klare Meinung und interessieren sich meist auch nicht für ehrenwerte politische Belange wie gendergerechte Schreibweise, die Weltrevolution, der Abschaffung des Datenschutzes oder was sonst noch die eigene Führungspersönlichkeit des Twitterers aus der dummen, apolitischen Masse heraushebt. Man folge also nur denen, die ähnlich denken und natürlich jenen, die aufgrund ihrer hohen Followerzahlen wichtig sind – vor deren Publikum kann man sich mit Gesprächen aufmerksamkeitsheischend in Szene setzen.
2. Verzichte auf Nebeninteressen
Zu einer beliebten Online-Persönlichkeit gehört natürlich ein klares Profil. Neben den üblichen Nichtigkeiten des Tagesablaufs und Dingen, die jeden interessieren (US-Fernsehserien, das schicke Leben auf 20m² in Berlin, Alkoholmissbrauch) sollte daher auf eine thematische Zuspitzung geachtet werden. Ein paar Themen, die mit provokanten Formulierungen auf 140 Zeichen Aufmerksamkeit erregen, sollte man täglich zur Schau stellen. Das sorgt dafür, dass einem vor allem jene folgen, die ähnliche Ansichten ihr eigen nennen. Und gerade mit denen sollte man in einen dauerhaften, freundschaftlichen Diskurs über diese Ziele eintreten, gern auch mit netten Emoticons.
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3. Drücke Dich deutlich aus
Twitter hat 140 Zeichen und auch ansonsten liest keiner mehr, wenn das Thema nur polarisierend genug ist. Freundliche Ansprachen, konziliante Formulierungen, Höflichkeiten und gute Formen sind hier vollkommen kontraproduktiv, echte Argumentationen absolut unmöglich. Was allein zählt – weil es andere auch tun – ist Lautstärke. Wer brüllt, gewinnt und wer besonders fies ist, wird alle Aufmerksamkeit bekommen. Die Vergleiche seien immer leicht verständlich, so sei jeder nicht linientreue Journalist “schlimmer als die Bild”, jeder Sozialdemokrat ein Verräter, jeder Immobilienbesitzer ein Gentrifizierer, jeder normale Mensch ein Spiesser und die Berücksichtigung eventuell positiver Seiten grundsätzlich verzichtbar. Ganz im Gegenteil! Urteile und lache hart wie Augustinus von Hippo! Besser ist
4. Der gekonnte Nazivergleich
Natürlich ist jeder Gegner der richtigen politischen Einstellung auch Rassist, Sexist und Klassist, und dieses Kleingeld der Beleidigung sollte man gering schätzen: Die juristischen Gefahren sind bei solchen Vorwürfen nicht so gross. Allerdings besteht die Gefahr, dass das bis hierher aufgebaute Publikum etwas gelangweilt ist – zu normal sind diese Vorwürfe geworden. Natürlich zieht in Deutschland der Nationalsozialismus immer, dann knallt so ein Vorwurf natürlich noch besser. Also keine Scheu! Man beachte aber, dass direkte Vergleiche wie “Nazianwalt”, “Goebbels” oder “Breivik” vielleicht doch zu weit gehen und unschöne Folgen haben können. Ein ehrenwertes Mitglied des AGH Berlin macht das geschickter und unterstellt den anderen einen Wunsch nach “Endsieg” – und redet sich dann darauf hinaus, dass der Begriff schon im ersten Weltkrieg verbreitet war. Direkte Vergleiche machen angreifbar, besser ist es, so allgemein zu reden, damit die Filterblase weiss, wer gemeint ist, und dann Wörter der NS-Zeit einzuflechten. Das zeigt der Gefolgschaft geistige Grösse, dann kommt sie gerne wieder!
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5. Lasse andere für Dich reden
Manchmal, wenn man den anderen schon alles gesagt hat, fällt einem nichts mehr ein, was einen nicht grösseren Risiken aussetzen könnte. Aber in den meisten Filterbubbles gibt es ja auch noch Nachwuchs, der ebenfalls nach vorne kommen will, der inhaltlich auf einer Linie ist und sich erst im harten Kampf beweisen muss. Man muss also gar nicht sagen, der Gegner würde Lack saufen oder mit der NPD agieren – man kann es auch einen anderen, den man aufgehetzt hat, sagen lassen und dann als Retweet zitieren.Als Gunstbeweis gegenüber der eigenen Anhängerschaft wird das gern gesehen, denn wer wird nicht gern vom Anführer geadelt? Die anderen Follower sollen sehen, was zur dieser Auszeichnung und besonderen Aufmerksamkeit führt. Das ist die Währung, in der man bei Twitter bezahlt! Und wenn es dem Betroffenen nicht passt und Kritik kommt – dann sagt man notfalls, man favorisiere oder zitiere das nur, um es sich zu merken. Bundesvorstandserprobt!
6. Ignorieren, aber richtig!
Ja, die Kritik ist natürlich nicht schön. Da hat man also aller Welt mitgeteilt, wer alles Nazi, Masku und nicht Genderunterstrichmacher_in ist, und dann kommt da jemand mit weitaus weniger Followern und findet das nicht gut. Manchmal sind die eigenen Follower so nett, über ihn herzufallen, manchmal hat man dafür einen anonymen Trollaccount eingerichtet, aber man selbst sollte ihn besser nicht durch ein Gespräch aufwerten: Sonst bekommen die eigenen Follower noch mit, dass es andere Standpunkte gibt, öffnen vielleicht sogar ihre Gedanken dafür und werden dort auch Follower! Das kann nicht sein! Deshalb ignoriert man diese Leute. Vor allem sucht man auch nie, nie, nie bei Twitter nach seinem Twitternamen oder gar realen Namen: Da kommt dann nämlich oft noch mehr Kritik, und das ist wirklich nicht schön. Wenn man doch sucht, (und ich glaube, manche bringen damit den halben Tag zu) merkt man sich diese Verbrecher, und wenn das nächste Mal ein anderer über die herfällt, macht man empört mit. Immer auf eine günstige Gelegenheit und Freunde warten! Zusammen ist das viel lustiger.
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7. Die Säuberung unter Deinen Anhängern
Nun kann es natürlich sein, dass dieses Verhalten kritisch aufgenommen wird. Oder man macht missglückte Witze über Flugzeugkatastrophen. Oder mancher, dem man folgt, drückt Gedanken aus, die einem nicht gefallen. Das alles kann zu Kritik führen. Man muss sich klar machen: Das sind keine Menschen oder gar Freunde, das sind nur Feeds und eine Zahl, die angibt, wie viele Menschen in der Timeline sind. Einer mehr oder weniger, darauf kommt es nicht an. Die nerven doch nur und das wird auch nicht besser! Und bei Twitter kann man ohnehin nicht diskutieren, also weg damit. Die Filterbubble muss gereinigt werden, das hat bei den kommunistischen Parteien doch auch immer gut funktioniert.
8. Vernichtung von ehemaligen Followern und anderen Todfeinden
Aber nicht still und leise. Wenn man das still und leise macht, haben andere vielleicht den Eindruck, man könnte mit Kritik leben und wollte gar keine richtig gute Filterbubble. Das Verschwindenlassen von Leuten sollte man deshalb ab und zu wie einen Schauprozess organisieren, damit es auch jeder bemerkt. Also erstens: Öffentlicher Rauswurf, gerne mit Beleidigung. Zweitens klare Ansage an alle Follower: Wer es wagt, Kritik zu äussern oder gar Kritiker zu verlinken, fliegt sofort raus. Drittens: Und wird geblockt! Die Follower müssen wissen, dass hier jemand konsequent ist und für seine reine Bubble keinerlei falsche Rücksichten auf Verräter nimmt. Man verliert dadurch vielleicht ein paar zartere Gemüter, aber hunderte werden lieber schweigen, als sich dem Risiko auszusetzen, nicht mehr als Freund zu gelten. Und öffentlich vorgeführt zu werden. Hat da wer Omerta gesagt? Block!
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9. Der Rage Account
Dabei verläuft das Leben der Stars ohnehin hinter verschlossenen Mauern, in Rage Accounts. Das sind spezielle Profile, die die Öffentlichkeit nicht lesen darf, sondern nur die absolute Prätorianergarde all derer, die die gleiche Filterbubble haben. Das ist das eigentliche Elitenetzwerk, hier kann man sich in Ruhe absprechen, Aktionen planen, Feinde markieren und überlegen, wer sie aus dem Hinterhalt bekämpft. Der offizielle Account ist für die öffentliche Darstellung, da muss man hin und wieder auch über Ideale schreiben und Werte – aber im Rage Account, da kann man es krachen lassen. Dort ist das wahre Leben, dort gibt es keine Kritik und keine andere Meinung, und das gibt einem Kraft, wieder hinaus zu gehen und dort andere aus der Filterbubble zu eliminieren.
10. Berechtigtes Niedermachen jenseits der AGB
Sicher, das ist nicht so einfach, theoretisch hat Twitter auch Mechanismen, mit denen man sich gegen so ein – aus Sicht der Fehlgeleiteten und Verräter – Mobbing wehren kann. Damit es gar nicht dazu kommt, sollte man andere präventiv abschiessen. Dabei hilft eine griffige Titulierung wie “menschlicher Abschaum”, es hilft natürlich, sie – was sie nicht sind – als Spammer zu denunzieren, idealerweise auch gleich bei einem Internetpranger, wo genug Helfer nur darauf warten. Was dazu führen kann, dass Twitter die Accounts sperren. Und weil das Stören so einer Filterbubble leider noch nicht als Verbrechen verfolgt wird, kann man wenigstens den bei Twitter anwesenden Arbeitgeber auffordern, den Typen wegen seiner Vergehen zu entlassen. Ich glaube, es hat kaum ein Journalist über die Piraten – und namentlich deren Linksextremisten und ihre Handlanger – geschrieben, ohne dass es solche Versuche gegeben hätte. Das wäre natürlich die ultimative Reinhaltung der Filterbubble: Wenn auch jeder externe, kritische Bericht verschwinden würde. Aber allein wie sie es ohne jede Hemmung fordern, macht auch allen anderen klar, dass mit denen nicht zu spassen ist, diesen Königen der Filterblasen bei Twitter, da draussen im Netz.
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Man sieht also, das mit den anderen Meinungen und dem Austausch, das muss gar nicht sein. Carl Schmitt hätte sicher seine Freude an diesen kleinen Fürsten im Netz, Bert Brecht würde seine Radiotheorie um ein paar Fussnoten ergänzen, und manche von denen haben als Volksvertreter sogar echte Macht bekommen, und tun dergleichen aus dem AGH Berlin – wenn sie nicht gerade als Maulwürfe Journalisten um Kompromat gegen ihre innerparteilichen Gegner anbetteln. Es sind nicht alle so, eigentlich nur wenige – aber immer noch genug, damit die Filterblasen intakt und rein sind, und ohne inneren Schaden mit dieser Partei untergehen werden.
Schuld daran, das ist ja klar, sind nur die Nazis, die Rassisten, die Klassisten und die Sexisten, die fefe lesen und keine Genderunterstrich_innen machen.
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HINWEIS:
Es gibt dafür natürich auch ein unterstrichfreies Kommentarblog.