Es gab einmal eine Zeit, da rieten sog. Berater Medien dazu, ihre Inhalte doch in Second Life zu verkaufen. Das war kurz nach der Zeit, als sie den Medien empfahlen, Content Syndikatoren zu werden, weil Content is King, und in etwa zeitgleich wie jene Phase, da man am besten alle Ressorts zu Blogs machen sollte. Nach einigen hyperlokalen Echtzeitumwegen sind wir heute weiter und oftmals durch Schaden klüger, und die Berater haben jetzt tolle neue Ideen: Weg von der deutschen Sprache hin zu Englisch. Weg vom Text, hin zu Buzzfeed und Katzenbildern. Weg von seriösen Überschriften hin zu klicktauglichen Anreissern. Und ganz radikal: Videojournalist und Youtube-Star werden, und die eigene Seite einstellen und statt dessen alles in den sozialen Medien veröffentlichen, denn niemand liest heute noch Webseiten.
Steht so auf der Website des Technikmagazins Wired, das in Deutschlaand dem Vernehmen nach nicht ganz optimal läuft, und geschrieben wurde es vom nicht zwingend erfolgreichen Verlag- und Werbenetzwerkgründer Johnny Häusler, der eine Weile die Bloggerei zurückstellte, um ein altbackenes Buch über Kindererziehung zu schreiben. Es wird also nicht alles so heiss selbst gegessen, wie es für andere zusammengekocht wird – man kann so etwas mal wegen der Aufmerksamkeit fordern, um sich als radikaler Querdenker zu positionieren, und es, wie alle Berater des Netzes das gern tun, in der schwierigen Umsetzung dann den anderen überlassen. Hauptsache, man wurde mal wieder auffällig und musste nicht darüber reden, dass man selbst auch keine befriedigende Lösung durchsetzen konnte.
Die Verlagslandschaft ist da jedoch etwas reserviert, weil es schon einmal schlechte Erfahrungen gab. Vor fünf Jahren scheuchte Springer-Chef Döpfner seinen Konzern und in der Folge auch viele Zeitungen in den iPad-Hype der Firma Apple hinein. Mit iTunes hatte der amerikanische Konzern eine auf dem Markt akzeptierte Bezahlfunktion, und genau das fehlte den Verlagen. Also begann man umfassend, die Printprodukte multimedial anzureichern, in Apps zu verpacken und über Apple zu vertreiben; Springer leistete sich gar ein eigenes Stilmagazin. Das kann man sich jetzt bei der Welt auch so als gute, alte Webseite anschauen. Denn dieser Hype ging schnell zu Ende, als Apple bei Preisgestaltung und eigenen Profiten das entscheidende Wort mitreden wollten. Die Verlage lernten auf die harte Tour, was es bedeutet, sich an einem amerikanischen Internetkonzern auszuliefern, der nicht bereit ist, die Vorstellungen der Deutschen im Kotau-Haltung umzusetzen.
Fünf Jahre später sind die Medien voll mit Geschichten über Figuren wie Dagibee und Unge und Le Floid und wie sie alle heissen, die bei Youtube ihre Videos einem scheinbaren Millionenpublikum präsentieren. Das sind die neuen, selbstgemachten Stars, und ihre Vermarktung übernehmen Werbenetzwerke, die Traumgewinne versprechen. Manchmal kracht es zwischen Inhaltelieferanten und Vermarktern, dann wird es hässlich und im Internet toben Shitstorms. Manchmal kommen Vermarkter in Krisen und manchmal gründen die Youtuber selbst Firmen: Es herrscht Goldgräberstimmung auf Youtube, und glücklich kann sein, wer dann von einer Krankenkasse als Werbefigur eingekauft wird und seine Baseballkappe bei Twitteraktionen verlosen kann. Natürlich bekommt jetzt auch unsereins wieder zu hören, dass wir doch auf den Zug aufspringen und mehr Bewegtbild machen sollen. Das soll uns alle reich machen, wie damals der Werbevermarkter vom Häusler.
Die Sache hat nur einen Haken: Im Bestreben, immer gut zu sein, erwürgt die Youtube-Mutter Google gerade nicht die Vermarkter und schneidet ihnen das Fleisch von den Rippen. Nein, das wäre ja böse – Google stellt nur ein paar Dinge klar. Etwa, dass man natürlich weiterhin Werbung für Youtubebeiträge verkaufen kann, aber wichtige Formate dafür können nicht mehr einfach so eingebaut werden, sie müssen vom Vermarkter über Google selbst gekauft werden. In Medienformaten, die ohnehin die Tendenz zu Dauerwerbesendungen haben, ist das Einspielen von Firmenlogos normal und von der Kundschaft erwünscht: Nun muss man dafür Google beteiligen. Protest dagegen ist nicht möglich, Google verabschiedet solche Regelungen im Alleingang und wem es nicht passt, der kann sich ja eine andere Videoplattform suchen. Was angesichts des Monopols von Youtube gar nicht so einfach werden dürfte. Diese „Friss oder stirb“-Politik wird natürlich nett verkauft, es ginge darum, Videos mit Werbebotschaften nicht zu überfrachten. Aber wie schon bei der Suchmaschinenoptimierung und beim Konflikt um Google News gegen die deutschen Verleger – man erinnert sich vielleicht an das Leistungsschutzrecht – nimmt Google wenig Rücksicht auf die Interessen anderer Leute.
Für die Networks, die vor wenigen Monaten noch als die Zukunft der Fernsehsender galten, ist diese diktatorische Anordnung ein Hinweis auf ihre wahre Grösse und Funktion als externe Dienstleister, die für Youtube Werbepartner heranschaffen. Zumindest so lange, wie es Google passt. Ob Google begeistert davon ist, wenn sich die ersetzbaren Networks mit den eigentlich gewünschten Youtubestars streiten, und ob Google das Geschäft mittelfristig nicht doch selbst macht oder die Networks zu weiteren Zugeständnissen zwingt, wird die Zukunft weisen. Aber wer immer sich darauf einlässt, ist vollkommen vom Wohlwollen Googles abhängig. Das kann immer noch ein lukrativer Markt sein, wenn man mitspielt und Werbegelder vom Fernsehen ins Internet fliessen. Aber man sollte da vielleicht auch an den gerade in Schieflage geratenen Spieleentwickler Zynga denken, der seine Existenz mit Facebook verknüpfte: Es sind nachgeordnete Geschäftsmodelle in einem von vielen Veränderungen geprägten Markt.
Das kann man als junge Firma machen, die eine Wachstumsgeschichte braucht. Man kann sich darauf als junger Inhaltelieferant einlassen und hoffen, dass die Viertel Stunde Ruhm, die auch ein Johnny Häusler als Blogstar mal hatte, mittelfristig das Leben und Einkommen sichert. Das sind kleine Strukturen, die man schnell aufbauen und radikal verändern kann, wenn es nötig sein sollte. Aber Medienhäuser sind gross, brauchen Infrastruktur und werden von Leuten gemacht, die länger als bis zum nächsten Döner oder Sushi denken. Bei der eigenen Webseite, bei der eigenen Medienmarke kann einem keiner etwas einreden, und wie sie läuft, wer sie repräsentiert, und wie sie auf den Betrachter und Dauergast wirkt, hat man selbst in der Hand. Als nachgeordnetes Geschäftsmodell eines Internetgiganten und seiner Forderungen verliert man viele Freiheiten, ohne die Sicherheit zu haben, dass die heutigen Absprachen auch morgen noch gelten. Und die Networks, die jetzt von Google zur Ader gelassen werden, waren sicher netter und pflegeleichter als Medien, die auch mal was Böses über die Blogger schreiben, die von einem angeblichen Institut gefördert werden, das trotz direkter Förderung angeblich unabhängig von Google ist.
Natürlich glaube ich auch nicht, dass Google böse ist, wenn die in diesem Institut geförderten Post-Privacy-Spacken dann gegen diese Zeitung hetzen, und ich habe keinen Zweifel daran, dass diese Firma die schönsten Kränze schickt, wenn ihre ausgebluteten Partner zu Grabe getragen werden. Google ist nicht böse und es tut mir auch um kein ausgeplündertes Network leid – aber falsche Wege im Internet machen nur Spass, wenn man sich nicht darauf befindet und einen guten Blick auf jene hat, die dort krepieren. Bitte nur um Nachsicht, wenn dieses Blog also nicht auf Facebook oder Google Plus oder vertont auf Youtube läuft.