Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Wie man sich eine politische Jugend erarbeitet

Für 5 Prozent sind die Piraten bei den kommenden Landtagswahlen allemal gut. Und das mit einer Wählerschaft, die im Internet etwas ganz anderes als Politik sucht. Es sei denn, man zwingt sie dazu.

Es gibt auf den ersten Blick ganz harmlose Seiten, die einen zum Misanthropen machen. Der Nachrichtensammler Rivva.de ist so ein Dienst. Da könnte nachzulesen sein, welche schönen, klugen Geschichten im Internet gut ankommen. Statt dessen dominieren Technikplunder, Internetselbstbespiegelung und jede Menge Unterhaltungsmüll der Massenbelustigung das Feld. Da werden Leute, deren Ernährung vor allem aus Tütennudeln und Döner besteht, mit ihren Lebensweisheiten hervorgehoben, und allerlei Beraterweisheiten nachgetratscht. Kurz, Rivva zeigt ein Netz, das flach, hohl, und auf niedrigem Niveau vergnügungssüchtig ist. Und enorm leicht erregbar. Durch was auch immer.

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Ich verweise gegenüber Unkundigen gern auf Rivva, denn dort kann man sich nicht nur vor Grausen schütteln, sondern auch lernen, wie das da draussen funktioniert, in  diesem Internet. Rivva macht nichts anderes, als öffentliche Verhaltensweisen darzustellen, ohne allzu viel Wertung und Beeinflussung. Manchmal ist es Wulff, oft Katzen und Musik, und meistens neues Zeug von Apple. Immer sind es irgendwelche Videos aus Hollywood und Videos von Leuten, die sich über etwas beschweren. Es ist entsetzlich banal, und vermutlich alles morgen schon wieder vergessen, es hat kaum kulturellen Wert, und manchmal kommt es deshalb von Spiegel Online. Man würde nicht wollen, dass Rivva dereinst späteren Generationen vor Augen führt, was populäre Kultur in unserer Zeit gewesen ist. Und ein, zwei Tage später liest man dann bei Absonderungen des Hauses Springer, dies und jenes hätte „die Netzgemeinde“ bewegt. Die linke Medientheorie verachtete das früher als „sich selbst reduplizierenden Medienbetrieb“.

So ist das nun mal. Man sollte glauben, dass von diesen strukturlos wabernden Informationsnebel nicht die geringste Bedrohung für das deutsche Parteiensystem erwächst. Im Gegenteil, man sollte doch eigentlich froh sein, wenn man sieht, was wirklich interessiert: Keine Rentenproblematik, keine Sozialkritik, kein Aufruf zum Sturz des Systems, keine wirklich alternative Medienauffassung, die Vordenker sind ein paar Selbstdarsteller, die fragen, was wohl Google tun würde. Das ist doch prima, sollte man als Partei denken, wir bestimmen und denen ist es egal. Die wissen ja nicht mal, welche Banken bei uns gerettet werden, und falls doch, regen sie sich total auf bis – oh! Das neue Video über die Geschichte der Animated GIFs! Mit Katzengodzilla! Anschaubefehl!

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Eigentlich ist dieses Netz machtpolitisch eine toll fragmentierte und wirkungslose Sache: Jeder sucht sich seine Ecke, schaut, hört und liest, was ihm gefällt, kümmert sich nicht um die anderen und hält seine Interessen für das Einzige, was wirklich zählt. Wer auch nur einen Funken Verstand hätte, würde das fördern und in dieses Netz an Ablenkung pumpen, was möglich ist. Die Werbung hat das verstanden. Aber die Inhaltebesitzer und die Politik haben da noch ein Problem. Statt die Leute in ihren Ecken zu lassen, schaffen sie es, sie wieder zusammenzubringen: Abmahnunwesen. Download als Verbrechen. Emailkontrolle. Vorratsdatenspeicherung. Quasistaatliche Rechte für Unterhaltungskonzerne. Das sog. „Leistungsschutzrecht“. Paywalls. Dieses Video ist in Deinem Land nicht verfügbar, Gothikfreund, und das andere auch nicht, Tecnoraver. Wir wollen auch in sechs Monaten noch wissen, auf welcher Seite Du was angeklickt hast, und den Anwälten ist es egal, ob Du Motörhead oder Frau Schwarzkopf geladen hast.Wir scannen die Mails auf Worte wie „Bombe“ und fragen, wenn Du in Berlin bist, wo sich Dein Handy bewegt. Und eigentlich bist Du ein Parasit, wenn Du für die Inhalte nicht zahlen willst, wenn sie auf dem iPad sind, und wehe, Du benutzt einen Werbeblocker.

Man muss nur mal zu Rivva schauen und überlegen, wieviele der dortigen Inhalte nach Auffassung irgendwelcher Interessensgruppen dort klar gewünschte Folgen haben sollen. Ja, schaut Euch das Video an, aber kauft dann die CD. Verlinkt den Trailer, aber nicht später den ganzen Film. Schaut Euch die Vorschau des Ballerspiels an, aber kauft es danach. Verlinkt unsere Inhalte, aber betrachtet auch die Werbung auf der Seite. Lest unsere Botschaft und klickt auf den Link. Und zitiert das nicht in Eurem Blog, denn das wollen wir nicht, und dann wird es teuer. Da kommt so einiges zusammen., was heiß umstritten ist. Und den Netzbewohnern die Freiheit nimmt, besonders, wenn das politisch durch Geheimabsprachen, Lobbyeinflüsse und undurchschaubare Institutionen an den Nutzern vorbei geregelt wird. Es erwischt sie alle, die Schlitzerin mit den geklauten Bildern und den Netzwerkjunkie, den Überwachungsfreak und den normalen Surfer, der jede Nacht das Netz in einen gigantischen Pornokanal verwandelt. Man macht schon was mit, in diesem Netz, nur wenn man eigentlich seine Ruhe haben möchte und wissen, wann endlich das neue iPhone kommt, das alte hat schon Kratzer.

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Das alles kann man mit diesen Nutzern natürlich tun: Sie beschimpfen, sie verklagen – so ziemlich jeder von uns kennt welche, die sich mit Abmahnungen herumschlagen musste – , sie entrechten, sie ausliefern, sie zahlen lassen, nur weil sie Lieder nicht dann hören wollten, wenn sie im Radio laufen. Das mach einen als Politiker enorm beliebt bei den Interessensgruppen, und der Springermann sagt dann auch, wie gut das für den Rechtsstaat ist. Nur sollte man dann vielleicht nicht in so einer Situation auch noch zwei Landesparlamente neu wählen lassen. Dann kommen nämlich in den Umfragen 5% Leute auf, die Piraten wählen wollen. Obwohl die  Piraten im Berliner Senat eine miserable Leistung abgeliefert haben. Obwohl die Programme gerade erst so weit sind, dass sie keine Lust auf Überwachung, Kriminalisierung und diese Urheberrechte haben, und eventuell gerne ein paar Euro Grundeinkommen möchten, um sich am Rechner  beim Download von Downton Abbey einen Döner leisten zu können. Das Programm der Piraten mag unausgereift und wenig durchdacht wirken, aber in den Punkten, wo man sich bestenfalls mit Gierschlündern alleine gelassen und schlimnmstenfalls von der Politik verraten und verkauft fühlt:

Da passt dann alles, und da stimmen auch alle überein. Und weil die ganzen Vorhaben der Kontrolle in einander greifen, und weil sich die Betroffenen unabhängig informieren können, wissen sie auch, dass das alles zusammen hängt. Und wehren sich gegen Einzelvorhaben, weil es für sie um Alles geht. Im Internet läuft gerade ein entgrenzter Konflikt: Nie war es so einfach, sich in den Besitz von Daten zu bringen. Und gleichzeitig gab es noch nie derartige Bestrebungen, den Besitz abzuschaffen und durch eine Mietbeziehung ohne Rechte für den Kunden zu ersetzen. Ein Buch, eine CD, ein Video konnte man verleihen oder gemeinsam geniessen. Geht es nach den Rechteinhabern, ist das im Digitalen vorbei, und wer sich widersetzt, wird idealerweise nach einer 3-Strikes-Regel aus dem Netz verbannt. Geht es nach den Nutzern, ist das im Internet vollkommen widersinnig, denn es sind nur Daten. Für die Rechteinhaber ist das ein Verbrechen. Dann setzen eben die einen die Maske  des Anonymus auf und gehen auf die Strasse, und die anderen hacken Sony und schiessen Regierungsseiten ab. Und alle wählen sie die Piraten, während der eigene Parteinachwuchs mangelintelligent schaut und auch weiss, wo sie ihre eigenen Selbstbrände her haben. Immerhin, die FDP wird das in den Landtagen nicht überleben.

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Die anderen könnten überlegen, ob nicht ein anderer Ansatz besser wäre. Vielleicht sollte man den Zustand gar nicht als Problem betrachten, sondern als Chance: Wer im Internet das bekommt, was er will, wird keinen Anlass haben, draussen Rabbatz zu machen. Natürlich ärgern sich die Rechteinhaber, aber deren Inhalte sind es nun mal, die das Internet will, sie können gern geistig beschränkt und propagandistisch missbraucht sein. Man sollte es denen einfach schenken, und nicht gegen sie klagen. Dann denken die auch gar nicht weiter, was sonst noch in diesem Staat von der Rente bis zur Umverteilung alles zu ihren Ungunsten passiert. Sogar ein Grundeinkommen könnte man zahlen! Dann sind alle zufrieden, und jede Provinzbankenrettung dürfte teurer kommen. Wer runterlädt, demonstriert nicht, wer täglich die Wahl zwischen den neuesten Spielfilmen hat, braucht keine andere Wahl mehr. Natürlich sind das kulturlose Vandalen in einem Selstbedienungsladen, aus Sicht von Politik und Wirtschaft. Die Frage, die sie sich jedoch stellen müssen, lautet: Überlässt man ihnen den Selbstbedienungsladen, oder lässt man den räumen, und hat die Leute dann auf der Strasse, mit Wut im Bauch und einer Partei, die sich für sie einsetzt? Man kann sie im Internet haben, oder an der Gurgel. Man kann sie ruhig stellen, oder sie zum umdenken ihrer Passivität bringen. Mit einer 3-Strikes-Regelung sollten sie zur Vernunft gebracht werden. Es wird interessant sein zu sehen, ob drei Strikes bei Landtagswahlen in Deutschland die Politiker zum Umdenken bringen.

Und immer daran denken: Bei der französischen Revolution ging es zuerst auch nur um ein paar kleine Finanzierungsfragen, die autokratisch geklärt werden sollten.