Deus ex Machina

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Unsicher wie ein Schweizer Konto

Das war's dann mit dem eidgenössischen Bankgeheimnis: Auch die besten Banken können die schwarzen Gelder nicht mehr vor silbernen Datenträgern und eigenen Mitarbeitern schützen.

Zuerst die gute Nachricht: Es ist nicht alles böse und gemein, man kann sich als Besitzer Schweizer Bankgeheimnisse auch noch auf manche Menschen verlassen. Menschen wie den deutschen Finanzminister Schäuble, der nun mutmasslich erfährt, wie Schweizer Banken helfen, unversteuerte deutsche Vermögen nach Singapur zu verschieben. Und als Reaktion auf diesen Fall nicht mehr bereit ist, sich an der Finanzierung solcher Datenankäufe zu beteiligen: Respekt, unter Kohl war er noch die Speerspitze der Überwacher mit dem grossen Lauschangriff, heute ist er nachsichtiger. Auch hört man von Schäuble keine giftigen Bemerkungen gegen die beteilgten Bankhäuser, wie sie von seinem Vorgänger bekannt sind. Daten – es kommt immer darauf an, was man daraus macht.

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Trotzdem sind die vermehrt auftauchenden Datenträger aus der Schweiz für die Betroffenen ein Schock. Und besonders bei den beiden Grossbanken des Landes kann man sich im ersten Moment nur wundern, dass sie nach all den Skandalen der letzten Jahre offensichtlich noch immer nicht in der Lage sind, die Daten – und damit auch Vermögen – ihrer Kunden vor Verfolgung und Steuernachzahlungen zu schützen. Eine besondere Ironie liegt hier dann im weiteren Vorgehen der deutschen Behörden, die im Gegensatz zu den im Nebel der Andeutungen stochernden Banken genau wissen, was sie da haben, aber ihre unfreiwillige Kundschaft so weit wie möglich im Unklaren lassen, um die Quote der Selbstanzeigen nach oben zu treiben. Nicht nur Datenwissen ist Macht, auch Datenunwissen der anderen kann zur Macht werden. Die Steuersünder melden sich, und die Schweizer Banken dementieren,  was sie eigentlich nicht wissen können, und der Schweizer Staat, der vor nicht langer Zeit mit Stafverfolgungsüberlegungen gegen Steuerfahnder auffällig wurde, rätselt im Moment vermutlich auch noch, was die Deutschen nun erfahren. Auch hier ist das Wissen der einen die Ohnmacht eines anderen Landes. So ist das eben mit dem digitalen Wandel der Gesellschaft: Vieles wird leichter. Anderes wird teuflisch schwer.

Die sogenannten Altvermögen, die heute in der Schweiz liegen, stammen noch aus einer Epoche, als die elektronische Datenverarbeitung in den Kinderschuhen steckte. Es gab Geldverstecke unter dem Ersatzreifen der S-Klasse und Magnetlaufbänder, die fest verbaut waren, riesige Festplattenspeicher, und allenfalls grosse, auffällige Disketten. Wer Dokumente entwenden wollte, musste sie entweder klauen oder photomechanisch ablichten, und somit einiges an Energie und Zielstrebigkeit aufweisen. In so einer behäbigen Welt, in der Investitionen langfristig ausgerichtet waren und das Geld ruhig lag, konnte man Vermögensveraltung mit wenigen Betreuern gestalten. Auf der einen Seite gab es Vertrauensverhältnisse, auf der anderen Seite auch kein besonderes Interesse des deutschen Staates, seine Leistungsträger, Parteispender und Vermögenden zu genau zu überprüfen.

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Erst die Revolution der Computer, des Internets und der Datenträger hat das grundlegend geändert. Profite werden durch komplexe Modelle erwirtschaftet, und zu diesem Zweck muss das Vermögen immer wieder neu sortiert und umgeschichtet werden. Das macht nicht mehr der Privatbankier, der ein paar Aktien und Firmenanteile kauft, sondern eine arbeitsteilige Bankengesellschaft, die für Effektivität und Schnelligkeit Datenzugriff braucht. Es gibt Hierarchien, Risikomanagement, Kundenbetreuer, Entwickler massgeschneiderter Finanzprodukte und den Wunsch, das Vermögen auch notfalls verfügbar zu machen, es gibt Filialen im Ausland und  technische Dienstleister und vielleicht auch nur jemanden, der durch einen dummen Zufall an Unterlagen gelangt, so wie im Fall der nachrichtenlosen Vermögen der Schweiz. Die Daten mögen nur im Intranet abgespeichert sein, aber damit sind sie verfügbar, und im Falle der Unterlagen deutscher Steuerflüchtlinge so gut wie bares Geld.

Für die Banken bedeutet das enorme Schwierigkeiten bei der Überwachung ihrer Mitarbeiter. Eine Mini-SD-Karte reicht schon aus, um ganze Westviertel ins Unglück der NRW-Beamten zu stossen, und diese Mini-SD-Karte muss von der Datenübertragung ferngehalten werden. Jeden Tag. Jede Stunde. Jede Zeitspanne, die es braucht, ein Dokument zu laden und zu überspielen. Oder abzulichten, was mit den modernen Spionagekameras von Ebay auch nicht schwer sein sollte. Bei einem vergleichsweise grossen Kreis an Beteiligten, Entscheidern und Mitarbeitern. Man kann das vielleicht tun, aber es müsste besser sein als das, was bislang geschah. Der Umstand, dass jetzt wohl sogar die völkerrechtlich unfreundliche Verschiebung nach Singapur nachweisbar ist, ist ein deutliches Zeichen für eklatante Mängel bei der Daten- und Menschenkontrolle.

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Und Singapur… auch in Singapur gibt es Rechner mit USB – oder sollte man besser UBS sagen? – Anschlüssen. Auch in Singapur werden sich Mitarbeiter zur Sicherheit Datensätze ziehen, sofern sie überhaupt dort sind, und nicht in irgendeinem anderen Büro des globalen Finanzmarktes. Das ist nicht so arg unüblich, in Zeiten, da anderer Länder Finanzminister ganz anders gegen Banker vorgehen, die dann Kronzeugenregelungen in Anspruch nehmen – da können solche Erinnerungshilfen durchaus rettend sein. In NRW wird das Angebot auf ein paar Millionen weiterhin stehen, und gerade Banken sollten wissen, was Menschen für ein paar Millionen zu tun bereit sind. Und selbst, wenn sich besagte Häuser neue Strukturen ausdenken, um die Abermilliarden besser zu bündeln, ist immer noch die Frage der Altfälle im Raum. Und die Frage jener, die vielleicht jetzt noch schnell… das Kapital schläft dank Internet niemals, und immer ist ein Büro erleuchtet. Für ein paar Millionen muss man lange Banken ausrauben, wird sich mancher sagen, und hier ist es nur ein einziger Datenträger. Früher, da hielt man in einer Bank zusammen, aber heute gibt es Scoringprogramme bei der HR-Abteilung, und der Kunde ist nur noch eine Ansammlung von Dokumenten, und ein panischer Anruf auf einem auf die Tochter zugelassenen Prepaidhandy, wenn die Fahnder kommen – aber diesen Anruf nehmen dann schon jene an, die ihren Datensatz zu spät gezogen haben.

So ist das, mit diesem Internet, dieser Wissensmaschine, in der Informationen frei sein wollen und nur darauf warten, auch befreit zu werden. Es wird grösser. Komplexer und allgemeiner, es stehen überall Terminals, das Geld wird  in diesem Bereich generell mit Informationen und Wissen erwirtschaftet, und irgendwo in diesem System sitzt 1 kleine Person mit 1 kleinen Karte und braucht nur 1 Moment. Und dann wackeln Geldhäuser, in Bern werden Menschen panisch, und den Betroffenen hilft die Erkenntnis, dass Sicherheit auch nur relativ ist, nicht wirklich weiter. Das Vorgehen der Banken und ihrer Landes, dann brutal zu werden, und wegen so ein paar Wissensbrocken über fragwürdige Gestalten den Justizapparat in Gang zu setzen, erinnert etwas an die Musikindustrie, die zwar gegen Musikkopien wenig tun kann, aber wenigstens brutal abschrecken will. Das ist nicht wirklich ein Signal der Stärke.

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Das Problem sitzt wie immer vor dem Computer. Die Möglichkeiten, die Daten aus dem Rechner zu bekommen, werden zunehmend besser,  irgendwer muss den Job ja machen, und selbst, wenn es nicht so wäre, und die Banken absolut überwachen könnten: Wer sollte ihnen das jetzt noch glauben, da sie ihre eigenen Geheimnisse im schönen Rheinland wissen.  Früher kaufte man sich in der Schweiz eine gewisse Sicherheit, heute dagegen eine ganz erhebliche Unsicherheit. Ob sich das noch lohnt, muss jeder selbst wissen.  Man kann auf den Schäuble hören und auf ein Abkommen hoffen. Oder sich überlegen, wie winzig so eine Mini-SD-Karte ist. Und was am Ende gewinnt.