Herzlich willkommen bei Deus Ex Machina, dem führenden value-added Blog der Interrnetcommunity, und zu unserem Basistraining für angehende Social Media Experten für die wichtigsten Fragen der Zukunft des Netzes und des persönlichen Gewinns. Wie Sie alle wissen, haben wir eine mittelprächtige Krise im Journalismus, die vielleicht auch etwas mit diesem Internet zu tun hat. Auf der einen Seite sind unsichere, verängstigte Medien, und auf der anderen Seite Internetnutzer, die gerne die Zukunft sein möchten. Das ist Ihre Chance, sich auch ohne Fachwissen blendend in Szene zu setzen! Geben Sie jetzt den Ton an! Werden Sie Medienkritiker und Internetvisionär! Wir erklären Ihnen hier, wie Sie mit minimalem Aufwand höchst eindrucksvolle Texte zu dieser Problematik verfassen, die Sie in den Augen Ihrer erwarteten Kunden, Ihrer 239.083 ebenso arbeitslosen Konkurrenten sowie Ihrer Grossmutter als validen Kenner der Problematik und der Szene dastehen lässt. Unsere Empfehlungen haben wir bei Deutschlands führenden Experten für Medienkritik kostenlos raus- und raubmordkopiert recherchiert, und aus wichtigen, in langen Stunden des Wartens auf den Anruf etwaiger Kunden entstandenen Debattenbeiträgen die ideale Strategie herausgefiltert. Lernen Sie also mit uns nicht nur den bombensicheren Weg zur perfekten Niederschreibung von Zeitungen kennen, sondern auch die Elite deutscher Netzgrössen!
1. Die richtige Gelegenheit
2011 schrieben deutsche Social Media Berater pro Tag 34,6 unbezahlte Blogbeiträge und 3498 Tweets über den Untergang der Zeitungen und den unaufhaltsamen Siegeszug der Onlinemedien, wenn sie nur die richtige Beratung hätten. Kein Wunder, dass diese Beiträge das Publikum langweilen. Warten Sie also mit Ihrer Analyse, bis sich ein wirklich valider Zeitpunkt bietet, sich gross in Szene zu setzen. Die Printmedien sind zwar nach Ihrer Auffassung stehend K.O., aber dennoch in der Lage, durch Beiträge prominenter Autoren das Grundrauschen etwas zu übertönen und, man mag es kaum glauben, für Aufmerksamkeit zu sorgen. Ein letztes Aufbäumen der analogen Welt, vermutet der bekannte Münchner Medienexperte Christian Jakubetz per Twitter. Das ist Ihre Chance, als Drachentöter in die Geschichte einzugehen, also machen Sie es wie die Profis und hängen Sie sich dran! Das hat mit schamlosem Stalking oder Trittbrettfahren nichts zu tun: Man muss das Eisen der anderen schmieden, wenn die es heiß gemacht haben.
2. Der erste Tiefschlag!
Jetzt nur keine Hemmung! Zeigen Sie Ihren Lesern gleich mal, wer der Herr im Haus ist. Stellen Sie gleich zu Beginn klar, dass Sie mit Ihrer Expertise rein gar nichts von diesem Autor halten. Sie sind wie der bekannte Thomas Knüwer der Boss in Ihrer neuen 1-Mann-Agentur [Edit: THomas Knüwer sagt, es sind bei ihm 3, also halten Sie sich ran!), der andere ist in der Regel nur ein Vertreter der Alten Medien. Beweisen Sie Ihre Überlegenheit! Suchen Sie dazu nach einem Fehler, mit dem Sie sich gleich in Szene setzen können. Ideal ist es, wenn in einem Haus mit vielen Mitarbeiter einer einen falschen Tweet abgesetzt har, der zwar gar nichts mit dem Autor zu tun hat, aber das macht doch nichts: Einen billigen Lacher können sogar Sie sich leisten. Und sowas wie Respekt können Sie sich bei den bald toten Printmedien auch sparen. Erfinden sie kleine Beleidigungen wie „Dignoranten”, ohne echten Inhalt, aber dafür jede Menge Spass im kurzlebigen Internet, das nie aufhören wird, sich über Internetausdrucker zu amüsieren.
3. Ihre extrem geile Tradition!
Ja, sicher, der andere mag formvollendet formulieren und durch kluge Gedanken bekannt sein, wie das nun mal bei den todgeweihten Zeitungen so ist, aber so einen gab es doch auch sicher mal in Ihrem Leben. Knüwern Sie erfolgreich mit Anekdoten aus Ihrer Ausbildung, da gab es doch sicher mal einen prominenteren Lehrer, und dessen Zitate können Sie prima verwenden und notfalls auch passend biegen, wenn der Betreffende schon tot sein sollte, und sich gegen seine Verwendung nicht mehr wehren kann. Und wenn Sie nicht auf einen Herrn Simoneit vom Handelsblatt zurückgreifen können? Auch andere sind tot und können sich nicht mehr wehren. Machen Sie den Michal bei Carta, einem Portal, das gross werden sollte, klein blieb, scheiterte und dann wieder weitergeführt wurde und wieder klein bleibt: Greifen Sie zu Karl Marx, dem es mit seinen Zeitungen ähnlich ging, und dennoch wurden Zeitungen ein Erfolg. Und so wird das auch mit dem Internet sein.
4. Ihre extremst geile Bildung!
OK, das hat etwas gehinkt, aber Sie sind kein Historiker, Sie sind ja eigentlich nur ein abgehalfterter Irgendwasmitmedien, sonst hätten Sie einen Beruf und nicht nur die Visitenkarte mit ihrem schönen, value-added Agenturnamen. Da kann einem ein historischer Vergleich schon mal daneben gehen, aber bedenken Sie: Ihre Gegner gelten als gebildet. Und Nixchecker aus dem Netz gibt es wie Sand am Meer. Deshalb sollten Sie es nicht versäumen, sich bei Wikipedia das ein oder andere historische Beispiel rauszusuchen, wo etwas ähnlich gelaufen ist. Nur sollten Sie vielleicht nicht ganz so nachlässig sein wie der Berater Marcel Weiss, der seit Jahr und Tag den Onlinesieg bei Netzwertig Neunetz verkündet:
Nur weil der Matrose im Mittelalter weiß, dass er mit einer Triere keinen Ozean überqueren kann, heißt das nicht automatisch, dass ihm gleichzeitig mit dieser Erkenntnis der Bauplan für eine Karavelle in den Schoß fällt.
Leider starb die Triere als Schiffstyp schon vor dem Mittelalter aus, und vermutlich wusste der damalige Matrose auch nicht, dass man in der Antike durchaus seegängige Schiffstypen für den Atlantik besass. Da muss ein Beratungskunde nur mal Geschichte mit Pfiff gelesen haben, um sich über solche Beraterweisheiten zu wundern. Die hirnoutgesourcede Bildung von Wikipedia ist Dein Freund!
5. Ihr turbogeiles amerikanisches Vorbild!
Leider sind Ihre typischen Gegner nicht nur thematisch fit, sie haben vielleicht auch ein Buch zum Thema Internet geschrieben, das obendrein, so ungerecht ist diese Welt, ein schöner Erfolg wurde, im Gegensatz zu all den Machwerken, die Sie oder Ihre Freunde mehr oder weniger im Selbstverlag heraus brachten. Aber die Welt ist gross und in Amerika leben andere, die so wie Sie argumentieren – und das wissen Sie, schliesslich haben Sie dort das Konzept Ihrer Twitter-Akademie geklaut. In Amerika gibt es wahnsinnig bekannte Leute, die jeder Berater einfach kennen muss, und die den ganzen Tag für gutes Geld die Weisheiten von der Art verteilen, die Sie noch kostenlos ins Netz stellen müssen. Profitieren Sie davon! Robert Scoble, Clay Shirky und Jeff Jarvis sind wie die Bibel, irgendein Spruch passt immer. Vielleicht waren Sie auch mal auf einem Kongress mit denen: Erwähnen Sie es. Sprechen Sie dann nur noch von Rob, Clay und Jeff und verlinken Sie deren Twitter-Accounts. Damit jeder weiss, wo Sie einzuordnen sind: Bei amerikanischen Bestsellerautoren, die unter anderem über ihre Prostata schreiben. Wer braucht da schon deutsche Bedenken?
6. Ihre nicht ganz so geile eigene Geschichte!
Sie hatten mal ein bezahltes Blog, haben bei dieser Arbeit ein Bild geklaut, was teuer wurde, aber ansonsten keine besondere Leistung gebracht, sind deshalb abgelehnt worden, und ärgern sich nun, weil diese Zeitung nicht mehr Ihnen als Internetvordenker huldigt? Ihre neues Blog bei einer anderen Zeitung möchte niemand kommentieren? Hat das Ihrem Ansehen geschadet, gelten Sie als einer, der das, was er anderen predigt, selbst gar nicht beherrscht? Sie waren mal im Netzwerk von einem Blog-Vorkämpfer wie Peter Hogenkamp, der jetzt bei der NZZ angekommen doch lieber extrem böse Paywalls favorisiert? Sie dachten mal, dass die Blogwerbeplattform Adnation von Sascha Lobo ganz gross wird? Ihr PR-Portal für ein Kosmetikunternehmen war so erfolgreich wie der Versuch, bei Ihrer früheren Zeitung ein Blogportal zu machen? Kurz, ist die Medienzukunft schon oft an Ihnen vorbeigefahren, ohne Sie mitzunehmen?
Kann passieren, das gejt den meisten so. Ist alles kein Beinbruch. Es sieht mitunter nur etwas bescheiden aus, wenn Sie grosse Ideen haben, und sie an andere verkaufen, statt sie selbst zum Erfolg zu führen. Das muss niemand wissen, und wenn Sie dann mal wieder das letzte Aufbäumen sehen, sagen Sie nicht dazu, wie angefressen Sie sind, weil ihr warmer Platz im Online-Zuschussbetrieb nicht auf ewig finanzierbar war. Das muss alles gar keiner wissen. Lauter alte Geschichten. Wo es doch um die Zukunft geht.
7. Das Internet ist die Zukunft!
Das Internet ist die Zukunft. Das Internet ist die Zukunft. Das Internet ist die Zukunft. Das Internet ist die Zukunft. Das Internet ist die Zukunft. Das Internet ist die Zukunft. Das Internet ist die Zukunft. Das Internet ist die Zukunft. Das Internet ist die Zukunft. Das Internet ist die Zukunft. Das Internet ist die Zukunft. Das Internet ist die Zukunft. Das Internet ist die Zukunft. Das Internet ist die Zukunft. Das Internet ist die Zukunft und Google ist der ziemlich laute Prophet mit der Egotröte und Facebook ist zumindest ein Kalif, der nach Belieben und ohne Gnade Datenköpfe rasiert und Amazon der bigotte Iman, der Bücher verbietet, wenn es um Sex geht, und Sie wären gern eine fette Hofschranze aber das alles ändert nichts daran: Das Internet ist die Zukunft. Wenn einer Bedenken hat, dann soll er sie halt haben, aber das ändert nichts an der Zukunft, insch’Internet.
8. Mach es gross!
Jetzt käme eigentlich der Teil, da man sich intensiv mit Problemen auseinandersetzen müsste. Probleme, deren Lösung zu kennen einen reich machen würde. Allerdings sieht es nicht so aus, als ob das bislang geklappt hätte, mit dem Reichtum der Spitzenberater. Daher sind hier die üblichen Phrasen von der Leserorientierung, der Onlinestrategien und der neuen Denke, die Menschen der Zeitungen im Gegensatz zu Beratern nicht haben, unabdingbar. Die anderen haben ja auch keine Lösung! Also nur keine Hemmungen. Man sollte aber gleich ganz gross denken und grösser als alle anderen; vorbildlich galaktisch ist hier die Münchner Beraterin Dr. Elvira Steppacher, die vielleicht das Halten einer Key Speech bei solchen Events nicht ganz ablehnen würde:
Es fehlt an konzertierten Aktionen, mit denen sinnvoll und nachhaltig investiert wird: in Initiativen, die branchenrelevante, taugliche Modelle zur Organisation des Wandels entwickeln, in den Aufbau von Kreativlaboren, in die Förderung von Erfahrungswissen und Denkfreiheit, in Best Practice Beispiele, die nicht nur beim (Welt)-Verlegertreffen dokumentiert werden, in einfache Bezahl- und flexibilisierbare Abomodelle, in Vernetzungen, um die vorhandenen Aktivitäten der Zeitungsleseförderung Jugendlicher etc. zu vernetzen, neues Leseverhalten (Spotting), und vieles andere mehr. Dazu bedarf es der Unterscheidung, da man nicht alle Medien, nicht alle Zielgruppen, nicht alle Bedürfnisse über einen Kamm scheren kann
Mal was ganz anderes als Niederungen wie „Das Wartezimmer zur Profilbildung nutzen – Tablets, E-Books, Zeitschriften & Co schaffen Pluspunkte” oder was Berater sonst so tun. Äh. Also wo war ich. Richtig:
9. Rotte Dich zusammen!
Nun wäre eigentlich der Moment erreicht, da man sich auch einmal mit der Kernfrage auseinandersetzen könnte, die da lautet: In was für eine Gesellschaft geraten wir, wenn das Internet mit seinen Beratern und Firmen alles dominiert, und was verlieren wir, wenn Medien darin keine Rolle mehr spielen.
Die Antwort lautet: Vollkommen egal!!11!eins!11! Internet ist Vernetzung, und das macht man nun. Man nimmt eine weitere Seite eines anderen Projekts und bastelt eine hübsche Filterbubble, in der es so aussieht, als hätte die Kritik an der Kritik klar das Oberwasser. Es gibt viele, die sich damit profilierten, manche kennt man, mit anderen ist man befreundet, und dieses Mashup setzt man dann ins Internet, damit alle sehen: Man hat recht. Das sehen die meisten so. Und alle haben sie ganz tolle Ideen und würden super performen, wenn man sie nur machen liesse. Der Schwarm nämlich hat mit dieser Schwarmintelligenz fraglos recht.
10. Bedanke Dich!
Idealerweise bei Twitter. Das klingt dann in direkter Ansprache so: „He XY soll ich mal vorbeikommen und Dir den Medienwandel erklären?” oder “Bin nächste Woche in der Stadt und wir reden drüber” (Noch ist unklar, ob man diese Strategie nach Christian Jakubetz oder dem Berliner Jens Best benennen soll – beide haben diese lässige Art der Akquise zu einer Kunstform entwickelt). Es soll doch jeder wissen, auf welch vertrautem Fuss die Berater dieser Welt mit den Grossen der Medien stehen. Und wenn man über die Gegner Scherze macht: Immer gleich ihren Twitter-Account nennen. Damit sie stets wissen, welche wichtigen Leute ihnen gerade erklären, wie das mit dem Netz geht. Distanz, Benehmen, Anstand, pah: Sie sind Berater. Sie sind Internet. Sie sind die Zukunft, die über die Trümmer der Medien marschiert!
So einfach ist das!
Setzen Sie das zusammen, und ich garantiere Ihnen, Jakubetz, Knüwer, Michal, Weiss und Steppacher werden es verbreiten, denn es passt so schön, und alle sind einer Meinung, nämlich gar keiner ausser dass sie gewinnen werden und das Internet die Zukunft ist.
Und morgen reden wir dann über Ihre Probleme mit dem ALG2 und die bodenlose Gemeinheit, dass man Ihnen trotz Ihrer Begabung noch immer kein gut dotiertes Profiblog bei den sterbenden Holzmedien gibt, mit dem Sie die Zeit bis zur Zukunft überbrücken können.