Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Heroin für das Netzvolk oder Kaufen Sie diese Österreicher!

Die Kolumne "Das Kapital" hat gezeigt. was die FTD hätte werden können. Nun ist es vorbei. Dabei könnte man aus diesem Schmuckstück Kapital schlagen, denn beim Kapital wussten die Autoren, wie man im Internet ankommt.

Wenn Sie Medienmanager sind und wenig Zeit haben:

https://www.ftd.de/finanzen/maerkte/marktberichte/:das-kapital-vergesst-prognosen/70126476.html

KAUFEN!

Und alle anderen: Es gibt genaue Vorstellungen, was man alles tun muss, um in diesen neuen Internet der sozialen Beziehungen erfolgreich zu sein. Man braucht auf jeden Fall

ein Blog
einen Twitter-Account
einen Facebook-Account
jede Menge Share-Buttons für den Vertrieb in alle Netze
Kommentare, die möglichst einfach zu bedienen sind
FlickrFlattrYiggDiggRSSCommentRSSPinterestYoutubeGoogleplus

und dann kann man loslegen und reinhauen und am besten jeden zweiten Tag irgendwas Tiefschürfendes in die Community hauen, und dann dauert es nur drei Jahre, und man hat 500 Beiträge geschrieben, die von Oma gelesen werden, das sagt sie zumindest, und im Durchschnitt zwei Kommentare, wovon einer ein Spammer ist, was man aber nicht erwähnt, wenn man Jubiläum feiert, und sich selbst lobt und unverzichtbar in der Medienlandschaft findet.

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So in der Art wurden Blogs bei vielen Medien hochgezogen, ausprobiert und dem Publikum angeboten. Es gibt durchaus erfolgreiche Vertreter der Zunft, die dann tatsächlich eine Art Gemeinschaft erzeugen. Bei meinem Hauptblog, den Stützen der Gesellschaft, bekomme ich nach vier Tagen Zuschriften, wo denn der nächste Beitrag bleibt. Nicht von der Redaktion. Sondern von den Lesern. Es geht also. Manchmal. Wenn man es richtig macht. Wie das geht, weiss ich leider auch nicht, ich tue nichts und schreibe darüber, aber schwer kann es nicht sein, wenn sogar einer wie ich das kann.

Und hier nun kommen wir zu den beiden Österreichern, genauer, Freunden der österreichischen Wirtschafts- und Charmeschule, die nach den gängigen Theorien der Social Media Experten alles, wirklich alles falsch gemacht haben.

Sie haben kein Blog.
Sie haben noch nicht mal einen Namen gehabt.
Sie hatten keine Kommentarspalte.
Sie hatten den ganzen New-Media-Plunder nicht.
Sie haben kein Community Management betrieben.
Sie sind den Lesern nicht in die letzten Ritzen des Netzes nachgekrochen.

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Aber dafür haben sie Texte geschrieben, wegen derer mich meine „Timeline” und mein „Kommentariat” anbengst, wie übel es sei, dass die FTD jetzt geschlossen wird. Also weniger wegen der FTD, sondern wegen dieser Texte unter dem Titel „Das Kapital”. Die nämlich habe man wirklich gern und immer gelesen. Ich kann das verstehen, mir geht es auch so, weil das Kapital extrem seltene Bestandteile des Journalismus in grossen Mengen aufweist: Kompetenz und Charme. Und ich möchte auch hinzufügen: Mit so einer New-Media-Verweigerungshaltung werden auch andere „erfolgreich”, wenn man das so nennen will. Der namenlose Blogger hinter „Calculated Risk” beispielsweise. Oder Felix von Leitner in Deutschland. Bevor ich irgendeinen Wirtschafts- oder Politikteil lese, schaue ich erst mal da rein. „Das Kapital” war vielleicht nicht so eine dominante Zentralstelle innerhalb des Netzes, und vielleicht hätte auch der Server bei einer Verlinkung nicht gebrannt, wie das bei Fefe passieren kann. Aber innerhalb des Papierladens der FTD waren diese Autoren das Fliegenpapier für die Lesermotten.

Sie waren etwas, für das man nicht in den Beitrag zum Klicken reingeschoben werden muss, mit den üblichen miesen Tricks des Berufes, sei es nun der beitragsbeinspreizende Bindestrich im Teaser der SPON-Leute, die dreist vertuschte Klickgeilheitsstrecke der Süddeutschen oder meine miserable Neigung, Sex anzudeuten, wo dann keiner kommt. „Das Kapital” war bei der FTD etwas, bei dem man genau wusste, was man bekam, in welchen Dosen es unter Beimischung von kleinen und grossen Bösartigkeiten eingespritzt wurde, und wieviel Interesse es an Ausgleich und Verständigung in diesem allgemeinen Haschibopperl- und Bauchpinselzirkus hatte: Gar keinen. Ab und zu sieht man vielleicht diese furchtbaren Anzugträger auf N-TV mit ihren Börsentipps und Chartanalysen – „Das Kapital” war das genaue Gegenteil. Und weil jeder Mensch mit mehr als Basishirnausstattung – davon sind ziemlich viele nicht vor der Glotze, sondern im Netz – dieses PR-lastige Umfeld mit seinen gelackten Hofschranzen und Neoliberalala-Tröten vielleicht ein paar mal zu oft abbekommt

sagt jetzt keiner: Oh Gott diese armen 300 Journalisten der FTD, die keinen Job mehr haben.

Aber ziemlich viele: Wir wollen das Kapital weiter lesen.

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Also, ich selbst weiss ja auch gar nicht, wie genau das so geht mit diesem Internet, denn eigentlich habe ich ganz komische Fächer studiert, wie zum Beispiel Paläoethnobotanik und Sphragistik, und ich kann zwar gotische Sargdeckel entziffern, aber von Journalismus habe ich überhaupt keine Ahnung. Ich weiss nur, dass „das Kapital” auch kein richtiger Journalismus gewesen ist, aber halt sehr österreichisch. Nicht wegen der Wirtschaftstheorie, sondern wegen dem Charme, oder dem Schmäh, wie das meine Nachbarn im Westbalkan nennen.

Das Handelsblatt ist dagegen so charmant wie Düsseldorf.

Die FTD war so gesellig wie Hamburg.

Der Anlegerteil des Focus ist so hochwertig wie ein Coffe2Go auf der Leopoldstrasse.

Die Wirtschaft bei der ich denke Sie wollen jetzt noch ein Stück österreichische Torte sehen.

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Wo waren wir? Egal, also, aber das Kapital war halt österreichisch. Wie so eine Schokoladentorte, die man isst und erst nachher merkt, dass sie einen mit Kalorien vergiftet haben, diese scheinheiligen Bergmörder, und nachher auch noch lachen. Natürlich ist das hinterhältig und skrupellos, aber ich bin Bayer und ich weiss das. Und ich weiss auch, dass Deutschland davon viel zu wenig hat.

Also: Kaufen Sie diese beiden, das sind Stermann und Grissemann des deutschen Wirtschaftsjournlismus. Lassen Sie das von einem Eingeborenen des Balkans als Podcast im typischen Wiener Tonfall einsprechen. Von mir aus geben Sie ihnen auch noch den ganzen New Media Krempel dazu, das ist sicher keine ganz schlechte Idee für ihr New Media Business. Dann haben sie, was die FTD in ihren besten Momenten war und hätte werden wollen, aber mei: Hamburg, Humor, Charme, sonniges Gemüt, finde das falsche Wort.

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Ich würde schon auch meinen, dass man anhand der FTD gut über die Medienkrise und ihre Ursachen sprechen kann. Zeitungen sind als Produkt einfach nicht mehr attraktiv genug, und wenn man sich anschaut, wie die neoliberale Wirklichkeit mit ihrer effektiv genutzten Quality Time so geworden ist, muss man sich darüber auch nicht wundern: Kein Zustand, eine Krankheit, eine Pest, die jetzt klagenden Zeitungen teilweise herbeigeschrieben haben. Wer es gerade noch schafft, sich zwischen Kantine und Arbeitsplatz in Bodyshape zu bulimieren, wird später nicht flauschig in der geliebten Raschelzeitung blättern.

Aber wenn man über Wege aus der Krise sprechen will, muss man sich überlegen, warum mich wildfremde Menschen anhauen, dass ich etwas für andere wildfremde Menschen tun soll, die etwas machen, was die Kundschaft wie Heroin oder Torte haben will. Das ist Sucht. Das ist Internet. Das ist der Markt.

Und das, Freunde der Blasmusik, ist das Geschäftsmodell.