Die Bundeswehr hat unbemannte Kampfflugzeuge ganz oben auf dem Wunschzettel. Aber die gesellschaftliche Debatte um das Töten per Joystick läuft nicht ganz so, wie es die Militärplaner gerne hätten.
Manchmal ticken hochrangige Militärs so vorhersehbar wie Kinder im Sandkasten: Sobald andere Kinder mit tollerem Spielzeug ankommen, geht das Gequengel los: „auch haben will!” Aktuell wiederholt sich dieses altbekannte Spielchen beim Thema Kampfdrohnen: Die USA haben unbemannte Kampfflugzeuge seit über zehn Jahren im Einsatz, Schätzungen zufolge haben ihre Drohnen mehrere tausend Menschen getötet. Befürworter rühmen die Präzision dieser ferngelenkten Waffen und weisen darauf hin, dass konventionelle Angriffe auf die gleichen Ziele wesentlich größere Kollateralschäden mit sich brächten. Und natürlich sei diese Art der Kriegführung auch geeignet, die eigenen Verluste gering zu halten.
So kann es kaum überraschen, dass die Bundeswehr (die bereits unbemannte Fluggeräte zur Aufklärung und Trefferanalyse einsetzt) ebenfalls nach ferngelenkten Tötungsmaschinen verlangt. In einer aktuellen Stunde des Bundestags erklärte Verteidigungsminister Thomas de Mazière kürzlich, die Zukunft der militärischen Luftfahrt liege in der Drohnentechnologie: „Wir können nicht sagen, wir bleiben bei der Postkutsche, wenn alle anderen die Eisenbahn entwickeln.” Wenn Flugzeuge Waffen tragen dürfen, so de Mazière, sei es nicht einzusehen, dass dies unbemannten Flugsystemen verwehrt bleiben soll.
Unumstritten ist diese Aufrüstung aber keineswegs, Gegenwind kommt aus den Reihen von SPD, Grünen und Linken, von Friedensforschern und Kirchenvertretern. In einer gemeinsamen Stellungnahme melden sich zwei katholische deutsche Würdenträger, Bischof Stephan Ackermann und Militärbischof Franz-Josef Overbeck, zu Wort: „Die Sorge macht sich breit, dass mit der Einführung dieser Waffensysteme die politischen und mentalen Schwellen zur Gewaltanwendung heruntergesetzt werden könnten, gerade weil die eigenen politischen ‘Kosten’ durch geringere eigene Verluste abnehmen.” Mit Blick darauf, dass die ferngelenkte US-Kriegsmaschinerie bei Tötungseinsätzen gegen mutmaßliche Terroristenführer auch vielfach in völkerrechtlichen Grauzonen operiert, fordern deutsche Parlamentarier eine breite öffentliche Diskussion der ethischen und strategischen Fragen rund um unbemannte Kampfsysteme.
In diese Debatte hat sich dieser Tage ein Oberstleutnant im Generalstab und Militärsoziologe mit einem Beitrag im Deutschlandfunk eingeschaltet, der mir nato-alphabetisch ausgedrückt einen veritablen Whiskey-Tango-Foxtrott-Moment bescherte (für alle, die den Ausdruck und die militärisch übliche Alphabetisierungsweise nicht kennen: wtf steht für „what the f*ck??”). Zunächst einmal, wie könnte es anders sein, geht es Detlev Buch um Begrifflichkeiten, man solle doch lieber wie im Englischen von „unbemannten fliegenden Systemen” reden als von Killermaschinen in der Luft. Bei diesem Thema würden „unnötig Ängste um den Kauf und den Einsatz von Waffensystemen geschürt” und „deutsche anti-militärische Phobien” bedient.
Das Argument, die unbemannten fliegenden Systeme könnten die Einsatzschwelle senken und verdeckte oder nicht legitimierte Kampfmaßnahmen ermöglichen, lässt der Militärforscher erst gar nicht gelten, denn wer so argumentiere, „der zweifelt an unserer Demokratie. Er zweifelt am Deutschen Bundestag, der die Bundeswehr mandatiert. Und er zweifelt an unseren Soldatinnen und Soldaten, indem er ihnen latent zutraut, sich abseits ihrer politischen Vorgaben und Verhaltensrichtlinien zu bewegen, um Parlament und Volk zu täuschen. Solche Zweifel sind nicht akzeptabel und sollten kein Maßstab in der derzeitigen Diskussion sein.” Wir lernen: Zweifeln daran, dass alles schon seine Richtigkeit haben wird, grenzt gewissermaßen schon an Landesverrat oder gar Sabotage. Aber es kommt noch dicker, wenn sich der Stabsoffizier in Thinktank-Diensten Gedanken darüber macht, warum alles Militärische, und speziell das unbemannte Kriegsgerät es so schwer hat heutzutage: „Die Gesellschaft lehnt Gewalt zunehmend ab und orientiert sich an femininen Normen und Werten. Begriffe wie Kampf, Ehre, Stolz, Sterben, Krieg und Töten und Getötetwerden sind quasi verbannt aus dem kollektiven Miteinander. Ersetzt wurden sie durch Begrifflichkeiten wie Verständnis, Konsensfähigkeit und Frieden.”
Tja. „Die Scheiß-Feministen immer, machen uns unseren ganzen Krieg kaputt!1!!”, kommentiert der Blogger und bekennende Pazifist Felix von Leitner alias Fefe. Aber seien wir ehrlich: Auf den ersten Blick scheint Buchs Diagnose doch gar nicht weit vom Schuss zu liegen. Beklagte nicht Nina Pauer in der „Zeit” neulich die unsicheren jungen Männer von heute, die in all ihrer verkopften Grübelei den entscheidenden Move zum Kuss nicht auf die Reihe kriegen? In dieser Zeitung bekam dieser Tage die ähnlich gestrickte „Generation Vielleichtsager” ihre Abreibung für ihre Unfähigkeit, sich festzulegen, sei es in der Liebe, beim Konsum oder in der Politik.
Klemmt es militärpolitisch gesehen also tatsächlich daran, dass wir uns schier zu Tode reflektieren, dekonstruieren und relativieren? Und spiegelt das gravierende Nachwuchsproblem, das die Bundeswehr seit der Abschaffung der Wehrpflicht plagt, diese gesellschaftlichen Megatrends, einen Paradigmenwechsel hin zum Pazifismus als Grundeinstellung? Auch wenn es vordergründig so aussehen mag, behaupte ich: nein, so einfach ist es nicht. Wirklich populär war der Wehrdienst oder gar eine militärische Laufbahn auch vor knapp 30 Jahren nicht, als ich meinem Einberufungsbefehl Folge leistete. Das war die Zeit der großen Friedensdemos, die meisten meiner Freunde und Bekannten zogen entweder den Zivildienst vor oder waren ohnehin untauglich befunden worden – und ich bewachte nach der Grundausbildung ausgerechnet ein Raketenlager, in dem auch nukleare Sprengköpfe gelagert wurden.
Aber zumindest gab es ein klares Bedrohungsszenario, „rot” gegen „blau”, wie es bei Manövern und Übungen immer so schön durchgespielt wurde. Wofür „rot” stand, musste nicht näher erklärt werden. Und entweder vertrat man damals den Standpunkt „lieber rot als tot” glaubhaft vor der Kommission, die über die Anerkennung als Verweigerer zu befinden hatte – oder man wäre eben bereit gewesen, notfalls lieber tot zu sein als rot (aber vorher noch ein paar rote mitzunehmen, wenn‘s denn sein muss). Wenn das heute nicht mehr so klar gesehen wird, dann können wir uns ja mal fragen, was die wahrscheinlichere Hauptursache ist: dass sich die Normen und Einstellungen in der Bevölkerung so massiv gewandelt haben – oder dass sich die Bedrohungslage nach dem Ende des kalten Krieges ins ungefähr-diffuse aufgelöst hat.
Ohne es beweisen zu können, würde ich behaupten, die Veränderung der Bedrohungslage wiegt schwerer. Die Prämissen, unter denen ich anno 83 die Waffe zur Hand nahm, wären 1998 oder 2003 nicht mehr ohne weiteres gegeben gewesen. Insofern greift die Debatte vielleicht zu kurz, wenn wir nur über ferngelenkte Tötungswaffen und deren Implikationen für die Bundeswehr reden. Was wir brauchen, ist mehr politischer Klartext, wie die heutigen Bedrohungsszenarien aussehen, wo welche Kampfziele verfolgt werden und wie genau das zur Verteidigung unserer Demokratie dienen soll. Wenn das einigermaßen nachvollziehbar ist, wird man unseren Jungs (und jungen Frauen) in Uniform ihr gewünschtes Spielzeug nicht verweigern.
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