“In Wirklichkeit will Google nur erzkapitalistische Interessen durchsetzen und sein Geschäftsmodell optimieren. Das ist so, als würde eine Hehlerbande bei Amnesty International eine Menschenrechtspetition zur Verteidigung der freien Bürgerrechte beim Ladendiebstahl einreichen.”
So äusserte sich Springer-Vortstandschef Matthias Döpfner im Dezember 2012 gegenüber “Der Zeit” zu Google News und forderte vehement ein Leistungsschutzrecht (LSR) für die Verlage. Dieses Gesetz wurde dann brav von der Regierung passend zum Vorwahlkampf geliefert und von der Opposition – hier besonders durch Stimmen aus den sog. Medienstandorten Hamburg und NRW – durch den Bundesrat gelassen, nachdem man vorher noch eine Blockade erwägt hatte. Am 1. August nun tritt das Gesetz in Kraft, das es deutschen Verlagen erlauben soll, ihre Ansprüche gegen Google News zu verteidigen, aber Google hat sie einfach vor die Wahl gestellt, ob sie weiter dort nach den Vorgaben von Google ohne Bezahlung gelistet sein wollen, oder rausfliegen möchten. Und da nun lässt Springer mitteilen, dass sie vorerst doch mitmachen:
“Axel Springer wird das Recht wahrnehmen und strebt eine Verwertung an”, sagte ein Sprecher. Dazu treffe das Unternehmen derzeit die nötigen Vorbereitungen. Bis dahin entstehe allerdings „aus juristischen und technischen Gründen zwangsläufig ein Intermezzo“.
Das erinnert ein wenig an Monty Pythons Filmklassiger “Ritter der Kokusnuss”, in dem ein Schwarzer Ritter im Kampf einen Körperteil nach dem anderen verliert, und zuletzt, nur noch auf den Rumpf reduziert, etwas von “unentschieden” redet. Das Gesetz ist seit Monaten durch, Springer hätte als der grossartige Digital- und Medienkonzern, der er sein möchte, die eher banalen Fragen vermutlich durchaus klären können. In Wirklichkeit ist es aber so, dass andere Verlage Springer längst die Partnerschaft im Streit um das LSR de facto aufgekündigt haben. Das zeichnete sich schon während der Gesetzgebung ab, als einige Onlineableger, die eigentlich profitieren sollten, Beiträge gegen das LSR und den zugrunde liegenden Kuhhandel veröffentlichten. Und als Google die Verlage vor die Wahl stellte, zeigte sich schnell, dass viele die Geschichte durchgerechnet hatten, und lieber weiter die Leser von Google nahmen, als den unsicheren Anspruch auf Vergütung durch ein Gesetz, das erst gar nicht zieht, wenn man bei Google rausgeflogen ist.
Der leicht verbrämte Kotau, den Springer nun im Staub vor Google absolviert, stellt das Machtgefüge im Internet wieder her: Google oben, deutsche Verlage unten. Noch nicht einmal die Gesichtswahrung wurde den Deutschen zugestanden, die man den Verlegern in Frankreich und Belgien gewährte: Da kam es zu Kooperationen und Abmachungen, Google zahlte ein paar läppische Millionen für den guten Zweck und bekam dafür eine Sonderstellung als Werbepartner der Verlage. In Deutschland nun heisst es nur noch: Friss oder stirb. Und Springer kann es sich als angehender Digitalkonzern, der besonderes Augenmerk auf die von Google kommenden Leser richtet, offensichtlich nicht leisten, konsequent zu sein und “Nein zur Hehlerbande” zu sagen. Es kann sein, dass das LSR ausreicht, um kleinere Anbieter zu ruinieren und nette Projekte zu schädigen. Aber der Kampf gegen Google ist damit verloren, und dieses würdelose Schauspiel zeigt den anderen, wie weit man kommt, wenn man sich hinter einem Klassensprecher wie Döpfner schart und versucht, einen dominierenden Konzern herauszufordern. Mittalalterlich gesprochen mag zwar diese Regierung und die SPD Springer tributpflichtig sein, aber kommt es dann zur Entscheidungssschlacht, legt Springer doch lieber das Büssergewand an, in der Hoffnung, es vielleicht doch noch irgendwann Google heimzuzahlen. Andere Länder haben inzwischen nach diesen Erfahrungen mit den heldenmütigen deutschen Rechteverteidigern vom LSR Abstand genommen.
Neben der berechtigten Frage, ob das LSR nun in dieser Form nicht Googles Dominanz festigen wird, sollte man sich auch die realen Grössenverhältnisse erinnerlich machen. Springer erlöst aus dem Verkauf des deutschen Tafelblechssilbers an die Funke Gruppe 920 Millionen, wobei 260 Millionen davon als Kredit gegeben werden. Dafür bekommt man im internationalen Geschäft etwas mehr als ein drittklassigen Startup wie Instagram, und ungefähr einen unprofitablen Bloganbieter wie Tumblr voller geklauter Bilder, die sich nicht um das LSR scheren. In dieser Ramsch-Preisklasse werden auch weiterhin Google, Facebook, Yahoo, Microsoft, Ebay und Amazon die Geschäfte unter sich ausmachen. Gut eine Milliarde Dollar haben Investoren dem Inkubator “Rocket Internet” der Gebürder Samwer allein 2013 zukommen lassen. Für ein deutsches Medienhaus mag Springer jetzt viel Geld für Digitalprojekte haben. Aber im internationalen Vergleich wäre das Wort “Regionalmacht” noch schmeichelnd. Die Erlöse des deutschen Medienverkaufs entsprechen gerade einmal dem, was Springer als Marktwert beim Kauf der französischen Portale Aufeminin und SeLoger festsetzte.
Der Zukauf von bestehenden Marken ist nicht frei von Tücken; Springer selbst soll dem Vernehmen nach etwas zu spät das höchste Angebot für die inzwischen gescheiterte Plattform StudiVZ geboten haben, was sich im Nachhinein als Glücksfall – und Pech für den Käufer Holtzbrinck – erwies. Hauseingene Entwicklungen wie Talk2theenemy oder Stylebook.de sind aber auch nicht gerade als Überflieger in die Geschichte des deutschen Internets eingegangen. Einschätzungen wie “Jeder Verleger der Welt sollte sich einmal am Tag hinsetzen, um zu beten und Steve Jobs dafür zu danken, dass er die Verlagsbranche rettet”, mit der Döpfner Apples iPad als Zukunft des Journalismus pries, dürften sich so nach dem Ende des Hypes und Apples rigoroser Geschäftspolitik kaum mehr wiederholen.Auf konkrete Zahlen bei der Umsetzung der Bezahlinhalte der Welt und bei BildPlus wartet man bislang auch vergeblich; immerhin geht es von Null am Start immer erst mal nach oben, während die Printausgaben auch 2013 wieder mit grösseren Auflagenverlusten weiter leben durften mussten.
Eine Konstante der gesamten digitalen Geschichte der letzten zwei Jahrzehnte ist, dass sich grosse Entwicklungen vergleichsweise leicht erkennen lassen. Das eigentliche Problem ist, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, und Angebote zu schaffen, die auf dem Markt bestehen können, und da ist neben den Grossen nicht allzu viel Platz. Bei der Entwicklung von Print ist es sicher nicht falsch, weitere Verluste zu erkennen. Beim allseits verhassten LSR hat sich Springer auf der ganzen Linie verrechnet: Google wird auf absehbare Zeit nichts zu den Erlösen des Verlages beitragen. Die Behauptung, dass der Leser im Internet zahlen will, höre ich von geschmierten Studienmachern nun auch schon seit 20 Jahren; aber selbst, wenn der Leser zahlen will, muss man erst Inhalte haben, für die er wirklich zahlen möchte. Ob Springer diese Inhalt hat? Die Selbststilisierung als Garagenfirma des Silicon Valley ist eine Charmeoffensive, die Gemischtwarenabteilung der Internetbeteiligungen daheim ist eher die Realität.
Ein anderer hübscher Film ist “Zwei glorreiche Halunken” von Sergio Leone, in dem dieses Zukunftsdilemma schön beschrieben wird. Drei Kopfgeldjäger fangen die Hauptperson Tuco, und einer sagt zu ihm: “Hey Du, weißt Du, dass Du jemand verdammt ähnlich siehst, auf dessen Kopf 2000 Dollar Belohnung ausgesetzt sind?” Und dann tritt der Blonde auf und sagt: “Ja? Aber Du siehst nicht aus wie jemand, der 2000 Dollar kassiert.” – und schiesst die Kopfgeldjäger nieder.
Springer hat von Google nicht 2000 Dollar kassiert. Und ich würde auch nicht darauf wetten, dass sie es langfristig woanders tun: Es gibt einfach keine Garantie dafür, dass in einem derartig volatilen Markt ein immer noch dem Bedrucken von Papier verhaftetes Haus konkurrenzfähig ist. Mit den paar Milliarden kann Springer vielleicht zu einer digitale Regionalmacht aufsteigen, wenn sie so unbedeutend bleiben, dass andere, grössere Konzerne das zulassen. Der Kotau vor Google war der erste, richtige Schritt in diese Richtung.
HINWEIS:
Ein richtiger Schritt ist auch das Kommentieren im Kommentarblog, denn es hapert hier immer noch bei den Ladezeiten.
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danke don. wahr und klar wie immer.
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aber döpfner macht alles richtig, wenn man als erfahrener markteilnehmer von seinen äußerungen zur zukunft jede zukunftsorientierung abzieht: die zielen doch immer nur darauf, sich selbst, den mitarbeitern und dem markt das jetzt nett zu verkaufen. also um angeblich nicht ohne zukunft dazustehen. dabei wissen wir es besser.
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und selbstverständlich ist es so: die dampflok-hersteller konnten nicht auf die produktion von diesel-lkw als massentransportmittel umstellen. und haben das damals vermutlich richtigerweise argumentativ auch nicht versucht.
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aber weil inzwischen einige 50 jahre vergangen sind, müssen unternehmen es heute anders machen: “natürlich können wir auch schnelle kleine einheiten machen, wie diesel-lkw, also online-journalismus – statt mächtiger printkonzern bloß zu bleiben.”
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nur gingen natürliche business-entwicklungen noch nie in die richtung: ibm wollte ja auch den pc – als es zu spät war. und auch “starker wille” (druck des vorstands innerhalb vorhandener strukturen top-down, was sonst?) nichts mehr bewirkte.
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das alles also nicht neu. der eigentliche skandal aber sind doch wohl die deutschen don alphonso’s dieses jetzt: warum bringen sie nicht mehr? larry page ist im märz 1973 geboren, doepfner im januar 1963.
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die don alphonso’s oder sascha lobo’s hier zählen also zusammen (ob sie wollen oder nicht, von außen muss man sie so sehen, wird das tun) und also in richtung der zeitgenossenschaft mit den page und brin (nicht doepfner).
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und die beiden letzgenannten machen in weltmärkten ihr ding. gestalten die welt um im größtmöglichen stil. wenn auch vollkommen ungefragt. und das ist erlaubt. (wenn man sich z.b. die inzwischen nahezu vollkommen verödeten einkaufszonen deutscher kleinstädte ansieht) und zwar ohne sich alllzusehr um die von ihnen zu beseitigenden alten (print)industrien zu kümmern. höchstens von deren rest-rationen auf dem abwärtsweg auch noch ein wenig zu kanibalisieren – falls sich das als leichte möglichkeit ergäbe. sonst aber nicht.
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warum also haben alphons und lobo den falschen fokus auf die welt?
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den von der stampede niedergetrampelten dornbüschen wieder auf die beine zu helfen kann auch eine schön-deutsche rot-kreuz-aufgabe sein, ganz im sinne luthers und roms. die leitung der – im übertragenen sinne durchgehenden – welt-herde ganz vorne, damit sie nicht insgesamt zu schanden würde vor abhang oder schlucht beim wilden rennen, wer aber machte die? männer der qualität vom schlage eines martin e. dempsey?
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und die deutschen wissen es nicht. nicht sehen sie die welt. nur schöne worte. es ist wohl ihr schicksal.
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machen wir auch in weltmärkten unser ding – und zwar auch ungefragt und unerlaubt! denn es gibt nur einen mensch!
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Warum Leute wie ich bei der FAZ sins, und nicht selbst etwas auf die Beine stellen, meinen Sie?
Im Gegensatz zu Sascha Lobo sehe ich sehr wohl auch, dass es eine Welt jenseits von Netzblabla gibt. Ich denke sogar, dass die Idee von Netzgärtnerei erfolgreich sein kann, im Sinne von Netz jäten und reduzieren. Ich glaube auch nicht an den Niedergang des Journalismus; der war schon lange so niedergegangen, nur ist man gerade dabei, das zu bemerken, weil es vergleichgbar wurde. Ich bin also ganz sicher kein Eisenbahnromatiker.
Meines Erachtens ist der Hauptfeind auch gar nicht Google. Es sind die Nichtmdienkonzerne, die es sich leisten können, die vom Niedergang des Journalismus verursachten Löcher zu schliessen. Als ich hier angefangen habe, haben mehrere Konkurrenten der FAZ versucht, mich abzuwerben. Heute ist das sehr selten geworden, aber alle vier Wochen kommen irgendwelche Firmen und Agenturen und wollen was von mir: Da geht es um den Aufbau vonFirmenkommunikation jenseits der Pressemitteilung. Und zwar ganz ohne den organisatorischen Komplex, den eine Zeitung auch noch finanzieren muss. Das ist die Zukunft, nehme ich an.
Nicht meine Zukunft übrigens.
Für Notfälle hätte ich ganz andere Dinge im Auge. Mit Unternetstandbein, aber Medien sind ja nicht die einzige alte Organisationsform, die den Wandel nicht mitmachen können. Tourismusmarketing zum Beispiel, oder Immobilienwirtschaft sind auch inkompetent.
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“Für Notfälle hätte ich ganz andere Dinge im Auge”
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wie lange ist es vermutlich noch bis dahin hin? 6 monate? 3-5 jahre, hoffentlich nie?
Bloggen werde ich sicher weiter, das ist keine Frage, aber das ist eigentlich nicht das, was ich im besagten Notfall wirklich gern tun würde – und könnte. Ich arbeite gern unter Herrn Schirrmacher, und würde deshalb auch nie wechseln. Nur ist es keine gute Idee, in einer derartig rasant neu entstehenden Medienwelt, die keine Rücksichten nehmen kann, zu sagen: Das bleibt jetzt für immer so wie es ist. Genau diese Haltung ist ja das Problem. Wenn jetzt, wie im Falle vom LSR, ein Verleger sagt, das beste wäre ein deutsches Google, dann weiss ich genau, wer demnächst seine Zeitung schliessen muss. Da herrscht immer noch enorme Realitätsverkennung.
[…] das Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Kraft treten. Doch schon jetzt ist klar, dass das „Lex Google“ ein Flop wird. Nachdem schon länger eine Reihe Verlage erklärt […]
Die FAZ...
…bleibt allerdings vorerst auch bei Google News. Gilt der obige Text demnach auch für Ihr geschätztes Blatt?
Nun, wie man hört und lesen kann, ist man zur Auffassung gelangt, dass Google News durchaus seine Bedeutung hat. Ich kann das zwar so nicht bestätigen, weil durch daqs Softwaredebakel schon seit Jahren kein Beitrag mehr von mir bei Google News gelistet wurde, aber es ist halt so: Steigt man aus, verliert man viel, bekommt nichts, und die anderen freuen sich.
KÖstlich das BIld.....
“…ohne Bezahlung gelistet sein wollen, oder rausfliegen möchten. Und da nun lässt Springer mitteilen, dass sie vorerst doch mitmachen”
Köstlich das Bild unter dem Satz? War das Absicht oder Zufall”
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Absicht natürlich. Ich bin stets der Meinung, dass man solche Beiträge auch nutzen sollte, um die geschätzte Leserschaft mit herausragenden Beispielen mittelalterlicher Kunst zu erfreuen.
Ich hätte übrigens auch Tapisserien aus der Residenz München gehabt, mit ganz perversen Darstellungen von Kotau und anderen Zeremonien des alten China, aber das wäre dann schon etwas entwürdigend gewesen,
@Guesswho
Die Antwort zu Ihrer Frage steht heute in der Printversion der FAZ (Seite 31 der Auslandsausgabe). Wenn Sie 2.90 Euro am Kiosk bezahlt haben, können Sie da nachlesen: “Ein sogenanntes “de-listing” bei Google News hätte für die F.A.Z. erhebliche Reichweiteverluste bedeutet. Vor dem Hintergrund der Marktstärke von Google wären die wirtschaftlichen Risiken für die F.A.Z. nicht überschaubar gewesen.”
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Der letzte Satz ist auch interessant: “Die F.A.Z. wird sich auch weiterhin konstruktiv an der Erarbeitung eines tragfähigen Konzepts einer kollektiven Rechtewahrnehmung im Schulterschluss mit den anderen Verlagen beteiligen.”
Das ist der Versuch, eine gemeinsame Plattform zu finden, mit der man Google begegnen kann. An die glaube ich aber erst, wenn ich sie sehe. Es gibt bei ein paar grösseren Spielern relativ ähnliche Vorstellungen, aber auh den ein oder anderen Ausreisser. Google hat in Frankreich und Belgien nicht mitgespielt, und warum die Verlage glauben – noch dazu nach dieser Pleite – es würde sich dann eteas ändern, müsste man mir auch erst mal erklären.
Ich glaube, es wird extrem schwierig, von den verstockten Regionalblättern über Springer bis zu den widerwilligen Gegnern alle unter einen Hut zu bringen, und dann ist da auch noch die Frage, wann der erste den anderen wieder in den Rücken fällt. Meiner bescheidenen Meinung nach würden gewisse äh Digitalkonzerne viel tun, wenn Google ihnen eine Art spezieller Partnerschaft bei der Werbung anbieten würde,und ich denke auch, dass das der eigentliche Grund ist, warum sich Springer do so vordrängelt. Zynisch gesagt: Man muss damit rechnen, dass Google auch in 20 Jahren noch relevant ist. Aber die Teilnehmer an so einem Pressepekt werden es nicht zwingend sein. Also, mit wem heult man langfristig?
[…] Die Regierung die Infrastruktur des Überwachungsstaates. Don Alphonso hat einen guten Gedanken formuliert. Es geht um die Debatte um das […]