Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Intuition und elektrische Frauen

| 25 Lesermeinungen

Ich bin am Wochenende zum ersten mal seit Langem wieder ohne Navigationssystem gereist; mit seltsamem Gefühl… Angst vor der Abhängigkeit von Maschinen? Oder ist das Neue nur ungewohnt und dennoch gut?

Irgendwo hinter dem Chiemsee stellte ich das Navigationssystem aus. Zugegeben: Ich wäre in die falsche Richtung aufgefahren, hätte die Software mich nicht in Richtung München geschickt. Aber jetzt will ich wissen, ob ich das alte Hotel im Zentrum Merans ohne Navigationssystem wiederfinde und mit ihm das Restaurant, dass Don mir schon mehrmals empfahl und an dem wir vor einigen Wochen nur vorbeigefahren sind, weil es direkt hinter unserem Schlafplatz in Hall steht, eine Rampe entfernt, die einem den Hunger sowieso aus dem Leib treibt, wenn man die Strecke – wie wir – mit italienischen Rennrädern fährt. Danach weiter über die enge Straße, die auf der Brenner-Autobahn gegenüberliegenden Seite des Tals Richtung Passstraße führt, dann hinüber nach Italien, Sterzing, zum Jaufenpass hinauf und schließlich hinab nach Meran: Die erste Fahrt seit langem ohne Navigationsunterstützung; die erste Fahrt überhaupt ohne die Computerstimme aus der Mittelkonsole, seit ich kein eigenes Auto mehr besitze.

Ich halte mich für durchaus technologiefreundlich, veröffentliche meinen Aufenthaltsort ständig im Internet, bin dauernd online und nutze Navigationssysteme auch gern. In München, wo ich wohne und das ich sonst nur aus der Sicht eines Radfahrers kenne, erspart mir das Navigationssystem sehr viel Zeit, weil ich mich im eigenen Viertel natürlich noch einigermaßen auskenne, doch wenn der alte Schreibtisch, den ich abholen möchte, in einer Seitenstraße am Rande von Bogenhausen steht, wäre ich ohne Routenplanung wahrscheinlich verzweifelt. Aber – und darüber sprachen wir einige Zeit auf dem Weg nach Italien – die ständige Nutzung von Technologie scheint kontraproduktiv zu sein für die eigene Intuition. Erklärt unsere These die Berichterstattung vor einigen Jahren über Unfälle an Fähranlegern? Erklärt sie auch das Gefühl der leichten Unsicherheit, aus dem Heraus man das Navigationssystem trotzdem anschaltet in Umgebungen, die man eigentlich kennt?

Der I. verhielt sich stets folgendermaßen: Er stieg ins Auto, gab gewissenhaft den Zielort ein, zu dem er wollte und missachtete in Gegenden, die er von früher her kannte, regelmäßig die Vorschläge des Routingprogramms. »So ein Käse, man kann auch direkt hier hineinfahren!« oder »Das ist ein Umweg, ich kenne eine kürzere Strecke!« konnte man oft hören und tatsächlich erwiesen sich die eingeschlagenen Wege oftmals als gar nicht so schlecht. Dass er sich völlig verfuhr und »der Dame«, wie er sagte (er stellte stets die weibliche Stimme ein), zähneknirschend Recht einräumen musste, kam natürlich auch vor, jedoch selten genug. War sein Verhalten das Aufbegehren gegen die Übermacht der Technologie? Sein Versuch der Versicherung, dass man selbst der Technologie überlegen sei? Der I. ist einer gewesen, der mir seine neuen Rechner stets hinstellte und verlangte, das alte Betriebssystem zu installieren, das er noch kannte; Er habe keine Lust mehr, sich jetzt noch mit etwas Neuem auseinanderzusetzen, wo doch das alte noch läuft.

Ich bin indes nicht so alt, dass ich meine Sätze mit »Früher« beginnen möchte. Aufgewachsen bin ich auf dem Land, in meiner Jugend war die einzige Möglichkeit, längere Distanzen zu überbrücken, das eigene Kraftfahrzeug. Einige meiner Freunde machten wie ich mit Sechzehn den Mopedführerschein, ausnahmslos alle fuhren mit Achtzehn dann Auto. Das war Ende des letzten Jahrtausends und natürlich fuhren wir alte Autos, deren Technik zum Großteil in Radios und CD-Spielern zu finden war. Wir fuhren bis Frankreich und passierten Paris in jener Nacht, in der Prinzessin Diana tödlich verunglückte. Als ich damals für ein Jahr nach Frankfurt und überstürzt wieder weg zog, stand mir im gemieteten Transporter selbstverständlich kein Navigationssystem zur Verfügung – sie kosten ja heute noch Aufpreis. Aber ich hatte so etwas wie ein Gefühl, eine Intuition, in welche Richtung in fahren musste; der Rest ergab sich von selbst.

In London gehört die Orientierung ohne technische Unterstützung zur Prüfung des Taxischeins. Drei Jahre dauert im Schnitt das Lernen von Name und Ort jeder der etwa 25.000 Straßen der Stadt. Das ist eine außergewöhnliche Leistung, zum Vergleich: ich kenne bis heute nicht alle Straßen der Stadt, in der ich zur Schule ging. Wenn man durch die Stadt fuhr und eine Straße suchte, die man nicht kannte, orientierte man sich an den Eigenheiten der Viertel: Oben am Friedhof hießen alle Straßen wie Bäume, nebenan waren Vögel die Namensgeber und im Dichterviertel trugen die Straßen entsprechende Namen. Als ich darüber nachdachte, während wir ohne Navigationsunterstützung das Inntal hinabfuhren, fiel mir auf, dass ich diese Fähigkeit seit Jahren nicht mehr benutze. Ich weiß nicht, wie sich die Straßen hier in München gliedern, ob die Namensgebung einem System folgt. Ich habe darüber bisher nicht nachdenken müssen. Was mir jedoch schon lange auffällt ist, dass ich keine Telefonnummern mehr weiß. Wenn mein Handy ausfällt und ich keinen Zugang zum Internet habe, kann ich weder meine Freundin erreichen, deren Nummer ich nach sechs Jahren noch nicht auswendig kann, noch – seit ihrem Umzug – meine Großeltern. Die Mobilnummer meiner Mutter kenne ich nur deshalb, weil sie diese Nummer schon sehr lange besitzt. Dafür erinnere ich Nummern, die schon lange nicht mehr existieren: Die meines besten Freundes zu Grundschulzeiten oder die Nummer der Vobis-Mailbox, in die ich mich Mitte der Neunzigerjahre regelmäßig eingewählt habe mit einem für damalige Verhältnisse wahnsinnig schnellen und teuren Modem: 02405 94047.

Als ich letztes Jahr kurz vor Silvester in ein Taxi am Koblenzer Hauptbahnhof stieg und in eine Straße nach Vallendar wollte, bat mich der Fahrer, den Namen der Straße langsam zu buchstabieren, er käme mit dem Touchscreen nicht gut zurecht und es dauerte tatsächlich einige Zeit, bis er das Ziel in sein Navigationssystem eingegeben hatte. In Vallendar war er sich dann unsicher, ob er der Straße weiter bergauf folgen sollte, obwohl die Frau – auch er hatte die weibliche Stimme konfiguriert – behauptete, das Ziel sei erreicht, doch an dieser Stelle stand kein einziges Haus. Ist diese Unsicherheit und Unfähigkeit, Touchscreens in angenehmer Geschwindigkeit zu bedienen, eine Eigenheit von uns Digital Immigrants, ist das Unwohlsein beim völligen Verlass auf digitale Geräte, das sich nicht ständig, wohl aber ab und zu Bahn bricht, eine milde Form der Angst vor Neuem? Weiter: Ist diese Angst denn begründet? Sollten wir uns an alte Verhaltensmuster klammern, sollten wir sie trainieren, um die Fähigkeiten nicht ganz zu verlieren, die unsere Eltern einst hatten? Ich denke an die oben genannten, ich denke an die schöne Handschrift meines Vaters und ich denke an die Kiste im Keller, in der meine Freundin alte Briefe und Photographien aufbewahrt; keine Fähigkeit zwar, aber etwas, was ebenfalls seltener wird. Oder wird die Jugend unserer Kinder gar nicht so schlimm, vielleicht sogar besser, obwohl sie anders aussieht als wir unsere kennen?

Letztlich haben wir Meran gefunden und auch wieder zurück. Alles funktionierte fast ohne Vorfälle. Nur in Aldrans, kurz hinter dem Wilden Mann, bog ich einmal falsch ab. Sofort meldete sich die Intuition »das sieht hier merkwürdig aus«. Wir wendeten und an der nächsten Kreuzung gratulierte ich meinem Gefühl: Der Wegweiser nach Ampass war wirklich sehr klein und schlecht nur zu sehen.


25 Lesermeinungen

  1. WOELPHCHEN sagt:

    Orientierungslos ohne Fremd-Hilfe(-Bestimmung)...Navi...I-Pod...5.1...PC...3D-TV...Gesellschaft.
    Das Problem der Menschen generell.
    Wer die Orientierung verliert, oder nie eine hatte, oder nie gelernt hat eine zu haben,
    dem sagen “Andere”, oder heute sogar der Computer, “wo’s langgeht”…
    im Leben…Fremdbestimmtes, Computerbestimmtes Leben…zunehmender
    Orientierungsmangel…Bildungsmangel, das ist die Realität.
    Wo das hinführt sehen wir am gegenwärtigen Weltgeschehen.
    Das Navi ist symptomatisch dafür…arme Menschen, sie verpassen das Leben erleben.
    Sie erleben nur noch vorgegebene Computerwelt, Ausbildungswelt, Arbeitswelt,
    Gesellschaftswelt…weil die Orientierung fehlt. Sie werden gelebt, anstatt selber zu
    Leben und zu erleben.

    Gruß

    Wolfgang Hennig

    • fallenbeck sagt:

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      Es ist ja nicht alles Teufelszeug. Ein funktionierendes Navigationssystem ist in einer fremden Stadt sehr viel Wert und verhindert bestimmt auch Streit zwischen Partnern, während der erste fährt und der zweite vermeintlich die Karte nicht lesen kann. (Ich erinnere mich an meine eigene Kindheit…)

      Und es ist auch gar nicht so einfach, dem Neuen Bequemen zu entsagen, es fühlt sich mindestens ungewohnt an. Aber ja, da haben sie wohl recht. Man sollte genauso den Computer abends einmal zur Seite legen, vielleicht ein Buch lesen oder mit anderen reden. Man verpasst durchaus das Leben.

    • Don Ferrando sagt:

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      “Der Computer ist eine Maschine, die Probleme löst, die es ohne sie gar nicht gäbe “

    • E.R.Binvonhier sagt:

      Man verpasst nicht nur das Leben,
      Sondern auch den Raum.
      Ein “das sieht hier merkwürdig aus” , gibt es dann nicht mehr.

    • WOELPHCHEN sagt:

      Generationsübergreifende "Schleichvorgänge"
      Kein Teufelszeug, Bequem, Zusatzprobleme, Raumwahrnehmungsverlust, alles gut,
      und Maß halten kann alles rechtfertigen. Aber die Resultierende zeigt Schieflage.
      “Damals”..:-) ohne Computer, aber weniger Allgemeinbildung wurden die Menschen
      mehr durch befehlende “Obrigkeit” gelebt, dann kam mehr Selbstbestimmung, Freiheit, gefühlsmäßig.
      Raumwahrnehmung war da, Natur. Der Computer und die Technisierung nimmt uns
      Realität-Raum-Wahrnehmung und gibt Virtuelle Realität…3D-2D-Technik,
      keine Natur. Das Maß fehlt, von Generation zu Generation mehr, schleichend.
      Anderes Beispiel. Wir verlernen uns selbst zu ernähren, gesellschafts-technik-
      bedingt. Wandalismus bei Katastrophen oder “Geld-Crash-Mangel”(Europroblem).
      Ohne Geld und fertige Nahrung kein
      Überleben möglich, weil wir immer weniger autark leben und das auch lernen.
      Der von mir beobachtbare Trend ist zunehmende Schieflage.
      Maß halten ist schwer wenn die meisten maßlos leben und leben wollen.
      Die Realität zeigt uns den Ernst der Lage. Verharmlosen und ständig sagen,
      der andere übertreibt das “Schwarzsehen” hilft eben nicht.
      Es fehlt “Bewußtsein”-Bildung für die rasende Technikentwicklung, sonst
      erleben wir unser Wunder…aber kein Gutes.

  2. astroklaus sagt:

    Hilfe ja - aber wer schützt mich vor meiner Bequemlichkeit?
    Als ich noch viel unterwegs war, habe ich für neue Ziele auch den Routenplaner benutzt – vorher, am Computer. Einige Schlüsselstellen habe ich notiert oder ausgedruckt und mitgenommen.
    Wenn man sich ständig auf fremde Hilfe verläßt, verkümmern die entsprechenden eigenen Fähigkeiten – das ist so für die Orientierung, für das Bewegen allgemein, für sämtliche Bewegungen und Reflexe. Wenn man sich auf dem täglichen Weg ins Büro nur noch wohlfühlt, wenn das Navi läuft, sollte man sich vielleicht Gedanken machen.
    Denn die perfekte Technik gibt es nicht – das Navi kennt keine kurzfristigen Sperrungen, man kann sich vertippen oder der GPS-Empfänger streikt. Das ist Bekannten von mir passiert im letzten Winter, nachts an einem Feiertag, bei gruseligem Wetter, mit fast leerem Tank in einer unbekannten Gegend. Wer dann keine eigene Idee hat, wo er sich befindet und auch keine Karte dabei (wozu auch?), der muß dann halt viel Glück haben.
    Flugzeugpiloten müssen regelmäßige Trainings absolvieren trotz (oder wegen?) der Autopiloten und sonstigen technischen Hilfsmittel. Die Asiana-Bruchpiloten, die in diesem Sommer ihre Boeing in San Francisco auf die Flugplatzmauer setzten, hatten darauf vertraut, daß die Automatik schon alles richtig macht. Andererseits hätte C.S. Sullenberger 2009 seinen Airbus mit Sicherheit nicht so glatt auf dem Hudson gelandet, wenn die zahlreichen Computer an Bord seines Airbus das Kommando gehabt hätten.
    Das Problem scheint mir daher darin zu liegen, daß man es erreichen muß, daß solche Systeme Unterstützung bleiben und nicht die Hauptakteure – dagegen steht aber die Bequemlichkeit….

    • fallenbeck sagt:

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      Ja, man muss sich streckenweise zurückquälen, denn klar ist das alles schön einlullend, solange es gut funktioniert. Und welche Problem in ihrer Methode stecken, die Strecke vorher zu planen und sich nur die Schlüsselstellen mitzunehmen, wird dann klar, wenn man einmal an einer Ausfahrt der in der Routenplanung angegebenen Streckenliste vorbeigefahren ist und nicht mehr zurückfindet.

      Wir laufen mit Google Streetview durch fremde Städte, aber kennen uns nicht mehr wirklich aus, wenn wir unsere unmittelbare Umgebung, unseren ,,Kiez”, verlassen. Das ist wie der hoffnungslose Versuch, eine fremde Stadt mit der U-Bahn kennenzulernen, wenn man nur punktuell an die Oberfläche taucht, aber nicht wirklich weiß, wie diese Punkte verbunden sind.

    • Rob sagt:

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      “Das ist wie der hoffnungslose Versuch, eine fremde Stadt mit der U-Bahn kennenzulernen, wenn man nur punktuell an die Oberfläche taucht, aber nicht wirklich weiß, wie diese Punkte verbunden sind.”

      Das ist wohl wahr. Man meint, eine per U-Bahn “erfahrene” Stadt halbwegs zu kennen, bis man an einer Bushaltestelle steht. Und nicht einmal weiß, welche von den beiden in entgegengesetzte Richtung fahrenden Linien die bessere sein könnte.

  3. Klaus sagt:

    kdm@kdmueller.com
    “…veröffentliche meinen Aufenthaltsort ständig im Internet…”
    Wieso?
    Domestik? Butler? A gentleman’s gentleman?
    .
    (Auch) wegen solch’ Mätzchen hat der Don einst den Berliner Irokesen zur Sau gemacht.

    • fallenbeck sagt:

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      Es hat ganz praktische Gründe, dass Freunde (und nicht nur diese offensichtlich) wissen, wo ich mich befinde. In Köln einmal schrieb mich ein Freund an, der gesehen hatte, das wir im gleichen Hotel wohnten. Das war schließlich ein schönerer Abend als allein auf dem Zimmer.

  4. Jeeves sagt:

    jeeves2@gmx.de
    Die Zeichnung, ist das ein Teil der bemalten Wand in der Gasse hinter’m Pfarrplatz (Piazza Duomo), die Richtung Passer geht?

    Disclosure: Bin noch nie in einem Auto mit “Navi” gefahren. Und mir geht’s sehr gut.

  5. WOELPHCHEN sagt:

    :-)...
    Unter Intuition versteht man die Fähigkeit gewisser Leute, eine Lage in Sekundenschnelle falsch zu beurteilen.
    Friedrich Dürrenmatt

    • E.R.Binvonhier sagt:

      Und der Kreis derer,
      Die in Sekundenschnelle falsch urteilen, nimmt weit
      über die bisherigen üblichen
      Verdächtigen – Regierende, Entscheider etc. – zu?

    • WOELPHCHEN sagt:

      Keine Ahnung über Zunahme dieser Art der Entscheidungen...
      Vernunftentscheidungen interressieren mich mehr, sie wären gut transparent
      wahrnehmbar, weil Mangelware…:-)

    • E.R.Binvonhier sagt:

      Vernunftentscheidungen
      Haben auch ihre Tücken.
      Denken Sie sich ein Fließband, alle Entscheidungen die dort getroffen werden sind
      Vernunftentscheidungen.
      Je kleiner und übersichtlicher die Entscheidungsschritte sind, um so übersichtlicher
      und nachvollziehbarer sind sie auch.
      Je komplizierter oder auch komplexer ein Problem wie etwa im politischen Raum,
      Umso schwieriger wird es, zwischen all den vernünftigen Gründen sich für oder gegen
      eine Sache zu entscheiden.

    • WOELPHCHEN sagt:

      Ich bin ganz bei Ihnen.
      Das Grund-Prinzip, Grund-Modell, die Demokratie-Idee, ist oft “einfach”,
      aber die Wünsche, die “Sonderausstattungen” und die übergreifenden Generationenwechsel.
      Die Erde ist endlich…auch in ihrer Geduld.

      …Vernunft, Verzicht auf zerstörerische Komplexität, komplexe Zerstörung,
      nicht nur vom Einzelnen, sondern auch und ausdrücklich von Gesellschaft(en)?

      Nicht wer wenig hat, sondern wer viel wünscht, ist arm.
      Lucius Annaeus Seneca

      Glück ist Selbstgenügsamkeit.
      Aristoteles

  6. Andreas kahl sagt:

    ist es ...
    nun Mode geworden, auf alle nützlichen elektronischen Geräte und Helfer einzudreschen und sie zu als Teufelszeug zu verdammen?
    Weniger vom Verfasser des gelungenen Artikels, mehr von den Lesern, die ihre Kommentare abgeben. Ich persönlich würde sicherlich auch ohne Navi nach Meran finden, aber mit ist es doch so viel bequemer und die Nutzung eines Navis hat mich noch nicht zu einem denkfaulen und ignoranten und desorientierten Dummbatz gemacht.

    • E.R.Binvonhier sagt:

      Dazu muss es nicht kommen...
      Nur wer garantiert Ihnen, dass Sie sich nicht nach Vorgaben richten müssen, die von solchen
      ‘Dummbatzen’ in die Welt gesetzt werden.

    • fallenbeck sagt:

      Ich muss da noch kurz etwas erzählen
      Als ich heute mit einer Kollegin ins Gespräch kam, der sie im letzten Frankreichurlaub ihr Smartphone gestohlen haben, erzählte diese, das sei eine ganz entspannende Zeit gewesen. Man ist ja im kommunikativen Dauerfeuer von Facebook, Twitter und wie sie alle heißen. Ohne Telefon sei die letzte Woche in Frankreich also sehr entspannend gewesen, auch weil man nicht immer überlegt, wo man das Telefon wieder hingelegt und ob man es mitgenommen hat.

      Was das für Spuren hinterlässt, sieht man, wenn man Schach spielt mit einem, der Social Media macht: Die Aufmerksamkeitsspanne hat abgenommen, er wird unruhig, wenn nichts passiert. Vielleicht nicht sofort, aber nach wenigen Minuten.
      Ich habe das an mir gemerkt.

      Und der Weg zurück (früher hat das einmal geklappt) ist nicht so einfach. Auch, weil man sich gegen seine Gewohnheiten stellen muss.

  7. Fremdling sagt:

    Abseitswege
    Nobody is perfect, auch meine Navi nicht! Zumindest in Albanien, Kosowo oder Montenegro, wo sie nur Hauptstraßen 1. Ordnung registriert und sonst nur zur Anzeige der Höhenmeter taugt. Auf den Dörfern ist es dann mit der Intuition auch nicht weit her, aber man kann dann unvergessliche Erfahrungen mit netten Einheimischen machen, vor allem wenn man sich nur so wie kleine Kinder verständigen kann. z.B. auf unserem letzten Womourlauf in den Balkanländern, von denen unsere veraltete Software noch nicht einmal alle Namen kannte. In einem Dorf in Albanien, das vermutlich noch nie ein Womo aus der Nähe gesehen hatte, wurden wir von einer Bäuerin in ihr bescheidenes, aber sehr gepflegtes Haus eingeladen und erfuhren auf Fotos die halbe Familiengeschichte, bis der Mann nach Hause kam, der mit uns ein Stück des Weges fuhr und uns dann auf die Hauptstraße brachte. Es waren nur einige hundert Meter, aber ein schönes Erlebnis, das in keinem Reiseführer stand.
    Natürlich ärgere ich mich auch, wenn mich die Navi im Kreis führt, weil eine Straße inzwischen gesperrt ist oder zu schmal für ein breites Womo, aber manchmal ist es eben auch bereichernd, nichts zu wissen und “dumme” Einheimische um Rat fragen zu müssen. Das würde manchem nicht schlecht anstehen, der zu 27. mal in selben Hotel in Mallorca Urlaub macht!

  8. ThorHa sagt:

    Der Mensch lagert mit grossem Vergnügen alle Aufgaben aus, die er auslagern kann.
    Ob an internalisierte Autoroutinen oder an Navigationssysteme – alles, was Ballast abwirft und den eigenen Geist für die “wichtigen” Aufgaben freimacht, wird genommen. Das scheint in den menschlichen Genen eingebaut zu sein und wird gerne mit purer Bequemlichkeit verwechselt.

    Weshalb die digitale Auslagerung von Prozessen und Fähigkeiten, die geistige Anstrengung kosten, auch überhaupt nicht aufzuhalten sein wird. Von der Telefonnummer im Mobiltelefonspeicher über die Abhängigkeit vom Navigationsgerät bis hin zur Formelsammlung von Excel – der Mensch gewinnt damit zusätzliche Zeit bzw. geitige Kapazitäten, die vorher andeweitig gebunden war.

    Was er damit anfängt, ist eine ganz andere Frage. Denn “wichtig” ist genauso subjektiv wie “attraktiv” oder “interessant”.

    Lässt sich die Entwicklung aufhalten oder umkehren? Jederzeit. Genau dann, wenn der Mensch durch Umstände dazu gezwungen wird, weil ihm die Umkehrung einen existenzbedrohenden Nachteil erspart oder einen lebenswichtigen Vorteil bringt. Aber auch nur dann.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • WOELPHCHEN sagt:

      Ihr Beitrag gefällt mir.
      Zur “Zeitgewinnung” kann ich folgendes aus Lebens-Berufs-Erfahrung und
      Beobachtung, Wahrnehmung schreiben.
      Der, b.z.w. die Arbeitgeber sagen Ihnen, was sie in der “gewonnenen?” Zeit,
      anstelle früherer Arbeit, neues machen können, oft Überforderungsaufgaben.
      Wir werden gelebt.
      Außerdem, unsere “Lebensgeschwindigkeit”, Hast, Termine, Geist-Hast,…
      als Folge der “Zeitgewinnung”, nimmt parallel mit wachsender
      Computer-Takt-Geschwindigkeit zu, auch die Benutzung “immer schnellerer Hilfsmittel”
      bedeutet Gesundheit-Gefahr, Geistgeschwindigkeitsrausch.
      Wir haben die psych. Belastbarkeit im Mittel wohl schon erreicht, wenn nicht überschritten.
      Eins noch…bei Suchtkranken gilt oft, der “Umkehrpunkt”, Therapiebereitschaft,
      ist erreicht, wenn der Süchtige in der “seelischen Gosse” liegt.
      Ich denke, bezogen auf Geld, sind wir Süchtige, vor allem gesellschaftlich.
      Dieser Gesellschaftssucht kann der Einzelne sich kaum entziehen,
      weil er in sie hineingeboren wird und mit ihr aufwächst.
      Die Frage, wie sieht die Gosse, der Umkehrpunkt aus, wann ist er erreicht?
      Ich bin gespannt.

      Gruß
      W.Hennig

  9. nico sagt:

    "Früher"
    Schöner Beitrag, Herr Fallenbeck.
    Die elektrische Frau, anfangs Karin genannt, ist schon hier und da hilfreich, wenn man täglich zu Kunden unterwegs ist. War man an den Zieladressen schon, läßt man sie weg. Viel unerträglicher ist doch das ständige Gewische auf smartphones in der Öffentlichkeit, dieses permanente, in gebückter Haltung nach untenschauende Anstarren der 2.0-Bibel, vorzugsweise in Lokalitäten mit Wi_Fi_Zugang. Neulich ein Hinweis in einer Kneipe in Spanien: “Wir haben kein Wi-Fi, bitte unterhalten Sie sich!” Was nur haben wir “früher” gemacht?

    • fallenbeck sagt:

      Titel eingeben
      Mein Großvater war in der Zeit, die man heute Wirtschaftswunder nennt, im Außendienst eines Ofenherstellers tätig und befuhr in dieser Zeit das gesamte Land, heute noch finde ich seine Ortskenntnis beeindruckend, die nach den vielen Jahren noch durchblitzt, wenn ich ihm erzähle, dass nach Hamburg oder nach Frankfurt fahre. Ich weiß nicht, ob sich das Ändern wird, denn damals hatte er keine andere Möglichkeit, um sich an sein Ziel zu irren immer mit einem Blick in die Karte, wo er sich gerade befindet, wo er abfahren und welche Straße er anschließend nehmen muss.

      Mein Großvater ist heute begeistert von der Möglichkeit, die Navigationssysteme bieten – er erzählt mir immer stolz auf den wenigen Treffen, die wir haben, welche Funktion er jetzt entdeckt hat und wie er sie nutzt. Navigationssysteme sind allerdings die einzigen modernen Geräte, mit denen er sich intensiv auseinandersetzt.

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