Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Das Internet als die größte Selbsthilfegruppe der Welt

| 47 Lesermeinungen

Geshartes Leid ist halbes Leid - denken Twitternutzer, und tauschen sich unter dem Hashtag "notjustsad" über ihre Depressionen aus. Das ist leichter als eine Therapie, und zudem nur bedingt hilfreich.

Vorbemerkung: Viren haben  es ja so an sich, dass sie sich verbreiten und dabei nicht viel denken –  Grippe und Hepatitis sind folgerichtig auch nicht dafür bekannt, Menschen weise zu machen. Und wie bei echten Viren muss man auch im Internet ab und zu mit Medizin hinterher laufen, wenn sie sich dank Twitter und oft selbst anfälliger Medien verbreiten. Nicht alles ist so fragwürdig wie das inzwischen gezielt nachgestellte Hollaback-Video, aber auch beim aktuellen Hashtag “Notjustsad” meldet hier Psychologin Mareike Ernst gewisse Bedenken an:

Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Krankheiten. Laut Schätzungen der WHO werden sie im Jahr 2020 die weltweit zweithäufigste Volkskrankheit sein. Doch psychische Krankheiten sind nach wie vor mit einem Stigma behaftet, vielen Gesunden fällt es schwer, die mitunter schwere Beeinträchtigung des Lebens durch dieses nicht sichtbare Leiden nachzuvollziehen.

Nicht darüber sprechen zu können und auf vollkommenes Unverständnis zu stoßen, falls man sich dann doch mal traut, das erschwert den Alltag erkrankter Personen zusätzlich.
All dies war und ist auch Thema bei der aktuell unter dem Hashtag “notjustsad” geführten Diskussion auf Twitter. Depressive weisen in Verbindung mit dem Schlagwort auf die vielen Facetten einer depressiven Erkrankung hin und dass eine Depression weitaus mehr bedeutet als “einfach nur traurig” zu sein, sondern auch mal komplett leer, so leer, dass es einen von innen zu verschlingen droht. Antriebslosigkeit, Appetitlosigkeit zu verspüren. Keinen Schlaf finden zu können oder tagelang das Bett nicht zu verlassen, ohne sich jemals ausgeruht zu fühlen. Wie es sich anfühlt, sich inmitten von Menschen hoffnungslos verloren und allein vorzukommen.
Die Intention ist dabei eine ähnliche wie schon vor einiger Zeit mit dem Hashtag “isjairre”: Entstigmatisierung, Information, Verständnis und Aufmerksamkeit.

Diese Diskussion ist eine wichtige und es bleibt zu hoffen und abzuwarten, ob sie auch außerhalb des Internets Wellen schlägt. Sie ist auch von enormer Aktualität, denn steigenden Zahlen von (potentiellen) PatientInnen, vor allem auch Kindern, stehen keinesfalls in ausreichender Menge Therapieplätze zur Verfügung, im Schnitt müssen Menschen in psychischer Not über zwei Monate auf einen Therapieplatz warten, so die Bundespsychotherapeutenkammer.

In Zeiten des Internets wird der Umgang mit der eigenen psychischen Erkrankung um eine weitere Dimension ergänzt, nämlich den Austausch mit zunächst noch Fremden, sei es auf öffentlichen Plattformen wie Twitter oder Tumblr oder in nach außen eher geschlossenen Foren. Nicht selten finden sich hier relativ feste Gruppen meist selbstdiagnostizierter Betroffener zusammen, die einander ein offenes Ohr und Unterstützung schenken. Das kann als sehr hilfreich erlebt werden. Endlich ist da jemand, der all das teilt. Der es versteht. Der da ist und zuhört. Wie ein Therapeut eben.

Für viele ist es schon ein wunderbares Gefühl, überhaupt einen Namen für das gefunden zu haben, was mit einem nicht zu stimmen scheint. Nimmt man also folgerichtig die Rolle des oder der Kranken an, entlastet das. In der Psychologie spricht man vom “Krankheitsgewinn”, welcher zunächst gar nicht als etwas Verwerfliches betrachtet werden muss.

Problematisch wird es erst, wenn die “Vorteile”, die mit dem Selbstbild und der Rolle als kranker Mensch einhergehen zu bequem sind, um sich auf den steinigen Weg der Besserung zu begeben.
Eine Gruppe gefunden zu haben, welche sich eben dadurch auszeichnet, dass man einander versteht, weil man gegen die gleiche Dunkelheit anzukämpfen hat, wenn auch in unterschiedlicher Erscheinung – das erleichtert nicht, die Krankheit loszulassen, denn was hat man dann noch? Vor allem Leere. Aber eine Konfrontation mit der Leere im Leben, einen Anstoß dazu, diese von sich aus mit etwas zu füllen, beides ist nötig, wenn man aus dem Loch wieder herausklettern möchte.

Wahrscheinlich erlebt man durch seine Onlinekontakte mehr Unterstützung als durch das sonstige soziale Umfeld, man hat sie ja schließlich nach diesem Kriterium ausgesucht, aber das Internet ist keine Couch und Tweets kein Therapieersatz. Eine Therapie ist darauf angelegt, dass zwar eine vertrauensvolle, neue Beziehung zustande kommt, die vieles tragen kann, auch einen selbst in schwierigen Phasen, aber diese soll, muss und wird auch wieder enden. Geplant. Und zwar so, dass man stärker aus ihr hervorgeht als man vorher war. Zur Therapie gehört die Vorbereitung auf ihr Ende, das ist eine der Besonderheiten dieser Bindung.

Stützt man sich stattdessen auf seine persönliche Online-Selbsthilfegruppe, so ist diese Beziehung gänzlich anderer Natur. Man hat schließlich aufgrund seiner Krankheit zusammengefunden, man fühlt sich zum ersten Mal nicht allein, wie will man dieser dann den Rücken kehren? Woher soll die Motivation und Kraft kommen, das vereinende Element zu fallenzulassen? Wenn man die Anstrengung unternimmt, die Depression loszuwerden, verliert man auch etwas, eine Art von Sicherheit und vielleicht auch einen Teil der eigenen Identität. Es fehlt ein festes Übergangsobjekt, das außerhalb des ganzen Chaos steht, welches einen gerade umtreibt.

Dem Chaos durch eine (Selbst-)Diagnose einen Namen geben zu können ist somit als ein Versuch anzuerkennen, die ganze Überforderung durch das Leben an sich irgendwie beherrschbar zu machen. Bei der Menge an Blogposts von Personen, die plötzlich wussten, was mit ihnen los ist, muss das Internet zu 99,7% von Menschen bevölkert sein, die eine psychiatrische Diagnose haben. Der Weg zu dieser wird beschrieben, als habe sich plötzlich der Himmel geöffnet und ein Engel Halleluja gesungen, bis dann im gleißenden Licht der Sonne schließlich das passende Label herabgesegelt sei, welches man nun für sich akzeptieren darf. Endlich weiß man, wer man ist.

Auch ist es modern geworden, sich selbst eigentlich als “krank” besetzte Eigenschaften zuzusprechen, um etwas zu beschreiben, was sich noch im Normbereich bewegt und keinesfalls mit Leiden verbunden ist. Nein, man ist nicht sehr ordentlich und gewissenhaft, man ist “zwanghaft”. Obwohl man sich vermutlich nicht vorstellen kann, wie eine Person durch eine Zwangsstörung beeinträchtigt sein kann und dass das nichts damit zu tun hat, seinen Haushalt besonders gut im Griff zu haben. Es ist ihnen nicht klar, dass es umgekehrt sogar bedeutet, eben die Sachen nicht tun zu können, die für Normalgesunde kein Problem darstellen, beispielsweise das Haus zu verlassen.

Eine solche Verwendung des Begriffs einer psychischen Krankheit stellt eine Bagatellisierung dar und erschwert es tatsächlich betroffenen Personen, mit ihrem Leiden ernstgenommen zu werden.
Die neuen psychisch Kranken sind die empfindsamen Künstler, die das Internet mit ihren tiefschürfenden Gedanken vollschreiben und auf Instagram die dazugehörige düstere Illustration kreieren, nicht diese verlorenen Leute, die im Winter barfuß und mit leerem Blick durch die Stadt laufen oder manchmal neben uns im Bus sitzen und anscheinend grundlos schreien, sabbern und schlecht riechen und allen unangenehm sind. An die denken wir nicht.

Es geht nicht darum, jemandem seine Beeinträchtigung abzusprechen, weil sie nicht “ausreichend schlimm” sei. Belastung ist subjektiv und zur Diagnostizierung einer psychischen Störung gehört in der Regel, dass die Person darunter leidet, aber nicht jede leidende Person ist psychisch krank. Schlechtere Phasen gehören zum Leben dazu und vieles geht von selbst vorbei. Falls nicht, sollte man allerdings nicht zögern, sich professionelle Hilfe zu suchen. Gedanken wie zum Beispiel „für eine Therapie nicht krank genug zu sein“, eben weil es anderen vielleicht noch schlechter geht, sollte man beiseite schieben. Therapeuten können das schon selbst einschätzen. Und egal, wie gut man googeln kann oder wie viele Follower man hat, das Internet wird niemals eine Therapie ersetzen können.


47 Lesermeinungen

  1. ThorHa sagt:

    Nicht jede leidende Person ist psychisch krank ... Wie lange man das wohl noch schreiben
    kann, weil es noch Leute gibt, die das denken können? Ich weiss nicht, ob das stimmt, aber nach “Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition (DSM-5)” sollen mehr als 50% der Menschen im Laufe ihres Lebens mindestens einmal psychisch krank sein. So, so …

    Und da es so viele mit einem massiven Interesse daran gibt, dass sich psychische Krankheiten möglichst schnell vermehren, darunter nicht zuletzt die “Patienten”, für die das inzwischen ein Distinktionsgewinn ist, werden es mit DSM VII dann vermutlich 70%. Ein weiterer Baustein in dem unermüdlichen Bestreben, den selbstverantwortlichen, mündigen Erwachsenen endlich abzuschaffen. Der durfte früher auch mal traurig sein oder knatschig, keine Lust zum Aufstehen haben oder zwanghaft Briefmarken sammeln, unter Aufschieberitis leiden oder in Liebeskummer versinken. Ohne dass es von allen Seiten Beileidskundgebungen wegen seiner schlimmen psychischen Krankheit gegeben hätte.

    Es ist für die wirklich Kranken sicher befreiend, in ihrer Krankheit anerkannt zu werden. Ob das unter dem Strich ein Nettogewinn für die Gesellschaft wird, bezweifle ich. Solange – wie auch im Blogbeitrag sehr zurückhaltend beschrieben – parallel die Zahl der Menschen wächst, die sich oder anderen bei normalem menschlichen Verhalten eine Krankheit attestieren.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Moritz sagt:

      Sehr geehrte Adler,
      ich halte es im Gegensatz zu Ihnen durchaus für einen Gewinn unterm Strich.

      Dass es dieses Morbus Internet (Selbstattestierungsmode via Internet) gibt, keine Frage.
      Doch wer – im Ernst jetzt mal – attestiert sich freiwillig – selbst ausgerechnet eine Depression?

      Ist es nicht so, dass man sich viel lieber Burnout selbstdiagnostiziert?
      Depression ist immer noch ein Makel (faul, ballaballa, kriegt nichts hin), Burnout ist eine Auszeichnung (“im Kampf siegreich gefallen”, er/sie gab alles).
      Meinjanur.

    • rossdorn sagt:

      Nein da hat er Recht...
      Es ist halt in der Realität schwer auszuhalten, wenn der Morbus Internet einem mehrmals täglich zu-twittert wie toll man doch eigentlich sei, aber dann doch jeden lieben Tag mehrmals Anlass findet ernsthaft an der eigene Superiorität zu zweifeln, über die nur die lobende Erwähnung auf Twitter hinweg hilft.
      Ob Burnout oder Depression nun denn die wahre Krankheit sind, das entscheiden Betroffene und die ihnen zugetanen Gut-Menschen per demokratischem, internettigem Mehrheits-Entscheid… zumeist gewinnen bei sowas dann ohnedies beide… unter den je eigenen Hashtags.

      Ich muss da schon ThorHa zustimmen und seinem “Ein weiterer Baustein in dem unermüdlichen Bestreben, den selbstverantwortlichen, mündigen Erwachsenen endlich abzuschaffen.”

      Zu viele Menschen und leider auch Institutionen von der Politik, der mündige Bürger immer schon suspekt und unwillkommen waren, bis zur Wirtschaft, die begeisterte Konsumenten für ihre Schrottprodukte von Jahr zu Jahr, und Krise zu Krise immer nötiger hat.

    • Moritz sagt:

      Das war nicht mein Punkt. Dass die Gefahr besteht, ...
      … dass Modekranke im Internet sich ausbreiten, sehe ich doch auch. s.o.

      Mien Punkt war, dass ich es für recht unwahrscheinlich halte, dass man ausgerechnet die doch recht ausgrenzende Depression zur Selbstbekenntnsimode wird. Da gaub ich nicht dran. Depression ist zu sehr mit ballaball und nicht ganz richtig im Kopf behaftet.

      Lieber definiert man sich einen schicken Burnout zusammen und tut im Netz rum damit.

      DAS war meine Rede.

      Daher gaub ich kaum an Mareike Ernsts These, dass ausgerechnet das sich freiwillig zur selbst diagnostizierten Depression zu bekennen Mode wird. Dafür ist das Krankheitsbild Depression noch zu stigmatisierend. Kein sonderlicher Distinktionsgewinn. Eher werden Fußpilz und Mundgeruch im Internet Mode und beliebte Selbstdiagnose. ;-P

      Und noch etwas:
      Diese tönenden Reden, es sei zu häufig nur vorgeschützt, Distinktionsgewinn und Schwäche, die kennt mancher Depressiver auch zur Genüge. Und dass er sich mal so richtig zusammenreißen muss. Oft von der eigenen Familie. Es gibt noch viel zu tun. Ich sag ja immer, wer eine solche Familie hat, braucht keine Feinde mehr … Und was in einem Blogkommentar – voll hart ey alder – in Richtung Disktinktionsgewinn und Unmündigkeit vom Stapel gelassen wird, ist mir ziemlich egal.

      Der sekundäre Krankheitsgewinn existiert natürlich.

      Man kriegt gekümmert und steht für eine Weile oder länger im Mittelpunkt. Je nach Talent und Einbildungsmodus kann man diese Karte recht lange ausspielen (Angehörige wissen ..)

      Doch was für ein sekundärer Krankheitsgewinn soll das sein ausgerechnet in Twitter bei 140-160 Zeichen? Und dann der nächste. 1 Minute lang Beachtung. Doll.
      Das geht in lang-fädigen Diskussionsforen und im echten Leben schon deutlich besser, wissen Kranke und eingebildete Kranke auch.

      Dennoch tun sich das Dr. Nico Niedermeier und Kollegen an, solche Menschen engagiert in Foren zu betreuen. Und da sind auch etliche Undiagnostizierte dabei. Weil diese Ärzte unterm Strich wissen, dass viele einfach ein Ventil brauchen und sich einfach mal aussprechen müssen. Das ist besser als daheim zu implodieren, Wände anzustarren oder sich zigfach von der Familie wenig hilfreiches Zeug sagen lassen zu müssen (“Geh mal raus!” “Mach mal Urlaub!” “Lach doch mal!”) und derlei uneinfühlsame Grausamkeiten mehr. DAS verschlimmert erst.

      Gerade solche Zusammenreiß-Sätze von ThorHa und Ihnen machen mir klar, dass vieles noch nicht über Depression bekannt ist.

      Auch ich war als Angehöriger gegenüber Depressiven unlustig, barsch, ja manchmal kam regelrecht Aggression auf gegen deren Versteinertheit oder “Wehleidigkeit” oder Unmündigkeit. Ist völlig normale Reaktion, habe ich mir sagen lassen. Hat man mir aber erst nach Jahren gesagt. Auch DAS hätte mich, den Angehörigen, damals wesentlich entlastet. Aber so bin ich leider herumgerannt und dachte, ich bin ein böser Mensch, weil ich wütend bin auf den Kranken und die Faust in der Tasche habe. Hat mich selbst gehörig runtergezogen, ganz schlecht auch für den Depressiven. Das kann der gar nicht brauchen. Eine Angehörigenselbsthilfegruppe war eine Zeitlang hilfreich (später dann nicht mehr, es war mir zu viel Beharren in der Situation auch und gerade von Angehörigen, Stichwort Co-, und unerquickliche Pseudounterhaltungen über Medikamente, sie führten sich fast als Ärzte auf, gefiel mir gar nicht.)

      Wie gesagt, es muss dennoch viel mehr darüber geredet werden statt weniger.
      Und im echten Leben ist vieles oder SOGAR MEHR ebenfalls nicht in Ordnung. Das Internet ist doch nur ein Spiegel oder Brennglas davon. Und kein davon abgekoppeltes Phänomen.

    • ThorHa sagt:

      Ich darf vielleicht noch einmal klarstellen, dass sich mein Beitrag nicht gegen Depressive
      als ernsthaft Erkrankte richtete. Er richtete sich dagegen, auch an diesem Beispiel, die Grenzen zwischen nrmal/gesund und krank immer weiter zu verschieben, zugunsten von psychichen Krankheiten. Und ich hoffe, das war auch erkennbar. Jemand, der mal drei Wochen down ist, wegen eines nachvollziehbaren Grundes, ist noch nicht depressiv, krank.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

    • rossdorn sagt:

      Danke....
      Danke, für Ihre Erläterungen.
      Ich gebe gerne zu, dass mich Depressionen nicht sonderlich interessieren, wie zB auch die Gender Debatte.
      Auch im Zusammenhang mit Depressionen geht es mir mehr um die wachsende Rolle die das Internet bei der Veränderung der Gesellschaft leider spielt.
      Es ermöglicht mehr und mehr Menschen, die sich sonst dem realen Leben, mit seinen ganz normalen Mitmenschen und deren Gegenreden ausgesetzt sehen würden, sich im Net in eine Welt zurückziehen können, die sie sich nach eigenen Wunschvostellungen zurecht basteln können. Dort finden sie Zustimmung von Gleichgesinnten. Es geht nicht mehr darum sich vom eigentlichen Problem wegzuentwickeln, sondern darum sich darin wohl zu fühlen, weil es das eigene Ego als bedeutend erscheinen lässt!
      Eine Kuschelecke zur geistigen Inzucht… für jene, die wohl weniger tatsächlich depressiv sind, aber eine gesellschaftlich akzeptierte Ausrede für das Unwohlsein im eigenen Ego zu finden.

    • ggkuhnle sagt:

      Diagnostik
      Herr Haupts, ich denke, ein Grund für die zunehmende Diagnose von psychischen Krankheiten (ich hoffe, das ist der richtige Ausdruck) ist die bessere Diagnostik. Im Moment sind zumindest in England Berichte aus dem ersten Weltkrieg sehr in Mode, und es ist u.a. auffallend, wie Soldaten, bei denen man heute wohl eindeutig PTSD diagnostizieren würde, als Feiglinge und Deserteure verurteilt wurden. Die Forschung bewegt sich weiter und wir müssen irgendwie damit leben.

      Die Frage, die sich mir hier stellt (und die vielleicht auch die Autorin eher beantworten kann): ist die schnellere Diagnose eigentlich überhaupt sinnvoll? Im Falle von Tumoren ist es sehr oft so, daß leicht überdiagnostiziert und falsch-positive Diagnosen stellt (PSA für Prostatakrebs zum Beispiel) und die Behandlung oft schlimmere Nebenwirkungen hat als ein “watch-and-wait” Behandlungsansatz.

      Verhält es sich bei Krankheiten wie z.B. Depression ähnlich, d.h. ist eine zu frühe Diagnose (wie sie wohl auch durch das Internet erstellt werden kann) eher schädlich, weil sie den Krankheitsverlauf negativ beeinträchtigt? Mich interessiert das aus mehreren Gründen, zum einen weil mich das Thema beruflich interessiert, aber auch, weil mir ein Fall bekannt ist, in dem ein Therapeut sehr offensichtlich nie eine Diagnose geäußert hat.

    • tibeterpeter sagt:

      *****
      Hallo Herr Haupts,
      ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie überhaupt einmal mit dieser Krankheit konfrontiert wurden. Ob als selbst Leidender oder als Angehöriger eines in einer tiefen Depression versunkenen Menschen.
      Sollte es “FEINDE” in meinem Leben geben, könnte ich auch diesen Menschen keine Depression an den Hals wünschen. Zum Glück kann man diese Krankheit auch nicht vorüber gehend zu Testzwecken auslösen. Aber manche falschen Ansichten und Beurteilungen von Menschen wie Ihnen wäre es zu wünschen einmal in diesen Tiefen der Depression kurzfristig Realität zu spüren.
      Nichts für ungut, aber überlassen Sie die Kommentare über diese grausame, oft nur mit dem Suizid endende seelische Krankheite besser denjenigen, die sich wirklich damit auskennen. Und das sind Menschen, die sich in einer tiefen Depression befinden, oder wie ich zu den glücklichsten Menschen der Welt zählen können, nach jahrzehnte langer Leidensphase mit einer Dauermedikation von Antidepressiva wieder am “normalen” Leben teilnehmen können.
      Ich wünsche Ihnen eine schöne Zeit ohne Depression.
      tibeterpeter

  2. Klaus sagt:

    kdm@posteo.de
    Der Artikel ist also nicht vom Don, sondern von einer “Psychologin Mareike Ernst” (?)

  3. Kellerkind sagt:

    Öffentlichkeitsarbeit
    Ich sehe das nicht als Selbsthilfegruppe, ich sehe das als Öffentlichkeitsarbeit, die ich weiterhin für wichtig halte (jedenfalls ist das mein Beweggrund dort zu schreiben, auch wenn mir bewusst ist, dass die Anti-Stigmatisierungskampagnen der letzten Jahre wenig bewirkt haben) Und die Behauptung, die dort Schreibenden hätten keine klinische Diagnose erhalten ist ja erst einmal eine schmissige These – woher wissen Sie das? Über Krankheitsgewinn habe ich gestern tatsächlich länger nachgedacht. Wenn die Krankheit mich durch etwas bereichert hat, dann würde ich sagen durch eines: Fähigkeit zur Geduld (mit sich und anderen). Das hatte ich vorher nicht so.

    • Mareike sagt:

      Titel eingeben
      Diese Behauptung habe ich so weder formuliert noch beabsichtigt. Ich habe mich auch bemüht, das so differenziert darzustellen, wie ich es sehe. Ich nehme keinen zwingenden Zusammenhang eines im Zuge des Hashtags als depressiv identifizierten Menschen und einer Diagnose an. Das gilt genauso für deren Abwesenheit. Personen, die ich nicht kenne, werde ich nie im Leben eine Krankheit unterstellen oder absprechen, ich hoffe, das legt der Artikel auch nicht nahe.

      Und ich sage ja auch nicht, dass Krankheitsgewinn was Schlechtes ist. Ich finde die Verwendung eines solchen Hashtags im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit, wie Sie es sagen, als sehr positiv und habe auch versucht, das deutlich zu machen. Ich wollte nur die Limitationen ebendieser (öffentlich geführten) Debatte aufzeigen – denn gesund wird davon direkt leider niemand.

    • Moritz sagt:

      " ... denn gesund wird davon direkt leider niemand."
      Das hat hoffentlich von den Initiatoren auch niemand behauptet.

    • Esther sagt:

      Das steht da sehr wohl.
      …und ist mir ebenfalls sauer aufgestoßen.

      Oder was meint “meist selbstdiagnostizierter Betroffener” sonst? “Meist” bedeutet laut Duden zumindest “in der Regel, für gewöhnlich, in der Mehrzahl der Fälle, fast immer” und selbstdiagnostiziert heißt, dass jemand sich eben selbstdiagnostiziert hat. Das schließt zumindest implizit recht deutlich aus, dass ein/e Arzt/Ärztin die Diagnose gestellt hat – was ja auch durchaus sein kann, da eins in Deutschland eben monatelang auf einen Therapielatz wartet. Ab einem gewissen Leidensdruck finde ich es ein bisschen hart, erst mal eine ärztliche Diagnose zu verlangen, bevor jemandem eine Krankheit “zugestanden” wird. (Wenn ich bei einer Prügelei zwei Zähne verloren habe fragt auch niemand, ob ich schon beim Zahnarzt war, bevor sie/er mir das glaubt.)
      Und selbstverständlich ist es besser in Therapie zu gehen als sich über Twitter auszutauschen – wenn man denn schon nur eins von beiden haben kann, ich wüsste jetzt auch nicht, warum sich das ausschließen sollte. Aber unter den gegebenen Umständen ist es auch besser, eins artikuliert wenigstens mal, was falsch ist, als hilflos in der Ecke zu sitzen und monatelang auf den Therapieplatz zu warten.

    • kellerkind sagt:

      Titel eingeben
      Naja, der Artikel hat ja aber doch durchaus eine These, nämlich Mediennutzung zu einem bestimmten Zweck. Sich mit Gleichgesinnten irgendwo einkuscheln, dann hat man es nett. Und muss sich nicht mit dem eigentlichen Problem rumschlagen.

      Um mal ein Beispiel zu geben: Eine mit mir befreundete Bloggerin schreibt regelmäßig über ihre Diabetes. Niemand käme auf die Idee, sie würde das als einen Ersatz für Insulin oder ihre Arztbesuche tun. Und würde man zu einer Selbsthilfegruppe für Diabetiker sagen, dass sie den Zweck hat, sich nicht mediinisch mit dem Problem zu beschäftigen? Offensichtlich scheint es aber bei psychsichen Erkrankungen von vornherein klar zu sein, welche Funktion das Auftreten im Netz für die Betroffenen haben soll (Selbsthilfegruppe etc.).

      Ich tue Ihnen vermutlich unrecht und ich unterschreibe Ihr Ansinnen natürlich, dass jeder, der es braucht, sich professionelle Hilfe suchen soll. Aber ich komme nicht umhin, dass hier – wenn vielleicht auch unbeabsichtigt – mal wieder Klischees bedient werden. Sowohl was das Internet als auch die Betroffenen angeht.

  4. Maria D sagt:

    Die Gesellschaft hat ihren Anteil
    Ich stimme der Autorin des Artikels zu, dass man sich trotz der Gleichgesinnten, die man im Internet findet, wenn man unter dieser Krankheit leidet, nicht darin verlieren sollte, es sich nicht “bequem” machen sollte in dieser Art von Geborgenheit, die man darin findet. Ich selbst leide seit vielen Jahren unter starken Depressionen und habe diesen Weg bewusst nicht gewählt. Ich habe Foren nur zum Lesen aufgesucht, keine engen Kontakte zu anderen Betroffenen geknüpft, usw. Auch ich lese viele Beiträge zu diesem Thema, wenn ich das Gefühl habe, ich brauche diesen Trost, aber das löst mein Problem im Endeffekt nicht, das kann nur ich selbst.

    Auf der anderen Seite kann ich auch die Menschen verstehen, die aus diesem Trost nicht heraus wollen. Wozu denn auch? Man sehe sich nur in der heutigen Gesellschaft um. An allen Ecken und Enden brennt es. Kaum gute, feste Arbeitsplätze. Kaum noch bezahlbare Mieten. Bis zum Erbrechen geforderte Flexibilität, die dazu führt, dass man z.B. berufsbedingt gerade NICHT mit den Menschen zusammen sein kann, die einem gut tun würden (auch hier spreche ich aus eigener Erfahrung). Ständige Angst vor Arbeitslosigkeit. Menschen, die sich schon in jungen Jahren zerreißen müssen, um überhaupt mal in der Arbeitswelt anzukommen.

    Die Frage, die ich überspitzt stellen möchte, ist daher: Welchen Anreiz haben denn diese Menschen überhaupt aus ihrer Schwarzmalerei herauszukommen? Wozu denn, wenn ich mich abrackern kann und mein Bestes gebe und trotzdem kein Land sehe?

    Sicherlich ist das in Deutschland das allseits gern verwendete “Jammern auf hohem Niveau”. Vielleicht stimmt das irgendwo, vielleicht auch nicht.

    Ich weiß nur, dass es auf dieser Welt einfach sozial und menschlich gesehen nicht stimmt (falls es überhaupt je gestimmt hat) und, dass hier immer mehr Menschen “durchdrehen” ist ein sichtbares Symptom.

    Danke für diesen Artikel und beste Grüße

    Maria

  5. melursus sagt:

    Eine Ergänzung
    Das Auftreten von Diagnosen hängt zum Teil von der Popularität einer Krankheit in der Ärzteschaft und in der Bevölkerung ab. Wieviel Kinder haben laut Verwandtschaft Symptome von Asperger? Jede Krankheit eines Promis bewirkt Tausende Diagnosen dieser Krankheit.

    Sich nicht alleine fühlen auf der welt ist etwas wertvolles. Selbstdiagnose und Selbstbestärkung in der Krankheit sehr gefährlich.

    • E.R.Binvonhier sagt:

      Erstaunlich ist
      wieviel Erfolg die Psychologie im Bereich Marketing
      und Kommunikation hat.
      Den würde man sich auch bei Psych. Erkrankungen
      wünschen.

  6. mary sagt:

    Einspruch: falsche Statistik-Grundlage
    “Bei der Menge an Blogposts von Personen, die plötzlich wussten, was mit ihnen los ist, muss das Internet zu 99,7% von Menschen bevölkert sein, die eine psychiatrische Diagnose haben”. Der Fehler dieses Satzes ist für mich: NATÜRLICH beschäftigen sich 100% der Menschen, die #notjustsad suchen mit ihrer psychischen Befindlichkeit! Warum sonst sollten sie danach suchen?! Die Gründe dafür sind Sache jedes Einzelnen. Aber es ist pure Unterstellung, dass der Großteil dieser Menschen sich nur einredet, ernsthaft psychische Probleme zu haben. Und eine Unverschämtheit, einfach so zu unterstellen, es handele sich nur um eine “schwerere Lebensphase”! Darum gehts doch grade: Warum auch immer jemand das Gefühl hat, mit Depressionen zu tun zu haben: Dieser Mensch will, sollte, muss ernst genommen und nicht schon wieder “abgebügelt” werden! Und die orientierungslos Sabbernden kommen nur darum nicht vor, weil die es selten schaffen, sich ein Twitter-Profil anzulegen!

    • Mareike sagt:

      Titel eingeben
      Liebe Mary,
      vielen Dank für den Kommentar. Natürlich waren die 99,7% eine überspitzte Darstellung. Aber zu diesem Punkt: “Aber es ist pure Unterstellung, dass der Großteil dieser Menschen sich nur einredet, ernsthaft psychische Probleme zu haben. Und eine Unverschämtheit, einfach so zu unterstellen, es handele sich nur um eine “schwerere Lebensphase”! ”
      Das steht so nirgendwo. Jedenfalls nicht in dem Artikel, den ich geschrieben habe. Und eigentlich reicht auch ein Lesen des letzten Absatzes, um zu verstehen, dass das niemals gemeint sein konnte.

  7. Dings sagt:

    Bitte...
    …die Schreibweise von Hepatitis im Vorspann korrigieren. Danke!

  8. sternschnuppe sagt:

    hilfsangebot
    da ich selber aus eigener Erfahrung weiß was Depression ist kann ich nur anbieten meine Erfahrungen weiterzugeben, aber nicht übers Internet sondern der Betroffene müßte dies schriftlich in einem Brief formulieren was er fühlt und ich würde eine ehrliche Antwort aus meiner Sicht geben und trotzdem
    zu einer erfahrenen Person /Psychiater od. Psychologen weiterschicken

    Ps. bei mir konnten die Psychologen nichts abnormes finden, und ich bin nur durch einen guten Freund herausgekommen

  9. Moritz sagt:

    Dann man tou!
    Frau Mereike Ernst: “Therapeuten können das schon selbst einschätzen.”

    Mag sein. Die sind in der Regel erst die zweite Anlaufstelle.

    Hausärzte, die erste Anlaufstelle, sind da nicht so firm. Wo von ihnen Frauen noch gern über-rasch Depression diagnostiziert wird, wird bei Männern die Depression gar nicht erst erkannt. Männerdepression ist anders (statt zurückgezogen und gedämpft-antriebslos: aggressiv, gereizt, somatisierend, körperliche Symptome), manche Ärzte sehen das nicht. Das ist nicht lustig und auch kein Genderquatsch, und es ist noch viel zu tun.

    -/-

    Frau Mereike Ernst: “Und egal, wie gut man googeln kann oder wie viele Follower man hat, das Internet wird niemals eine Therapie ersetzen können.”

    Mag auch sein.
    Es stimmt nachgerade etwas traurig, dass das gerade jemand sagt, der eigentlich genau wissen müsste, wie lange die Wartezeiten gerade in Städten auf eine Therapiestelle oft sind.

    -/-

    Wer betroffen ist, dem kann man ein von Fachleuten (wie zum Beispiel dem guten Nico Niedermeier, Psychologe/o. Psychiater) moderiertes Forum empfehlen:
    https://www.diskussionsforum-depression.de/forum-depression/

    Ja, o.k. dieses Kompentenznetz Depression ist ebenfalls im schlimmen Internet.
    /Aber zumindest nicht das pöse Twitter, das von galligen Genderkraken bevölkert wird und wo man sich reinsteigern tut … . ;- )/

    Wobei ich diese Twitteraktion gar nicht mal als so unkonstruktiv empfinde. Mein Eindruck ist – ähnlich wie Kellerkind sagt – es geht damit vor allem darum, Flagge zu zeigen und Depression zu entstigmatisieren. Immer noch trauen sich allzuviele nicht zu sagen, dass sie Depression haben. Es gibt tatsächlich immer noch zu viele Nachteile, vor allem beruflich. Man gilt dann als komisch, verrückt, schwach, unvorzeigbar und fliegt volle Kanne beruflich aus der allseits-optimierten Akzeptanzkurve …, privat oft auch.

    Selbstauskunft:
    Der Kater hat zwei depressive Angehörige aus dem engsten Familienkreis. Keiner traut sich damit öffentlich zu zeigen, jeder verbirgt es. Wer von ihnen eine private Krankenversicherung hat, bemüht sich mit Kräften, eine andere Diagnose zu kriegen. Denn die steht dann wie eingemeißelt, keine weitere Versicherung nimmt diesen Personenkreis mehr an egal wie jung und gesund er sonst noch ist, außer unter extrem hohen Aufschlägen. Und: Der betroffene Angehörige muss vor Nachbarn und nicht ganz so engen Verwandtschaften und Freunden mitverbergen. Und das im hoch”toleranten” dritten Jahrtausend. Es ist eigentlich eine Schande.

    Solange das noch so ist, kann ich gar nicht so arg dagegen wettern, dass sich depressiv Wähnende im auch von mir nicht so arg geliebten Twitter nur noch gegenseitig runterziehen würden. Und auch nicht stur daran festhalten, dass sie “sich doch im echten Leben Anker und Hilfe suchen sollen”. Kann ich so gesehen nicht recht, s.o. denn das wäre scheinheilig.

    Nur: Hoffentlich shitstormt nicht irgendsoein verstrahlter Idiotenkreis rum, denn Depressive oder sich depressiv Wähnende halten das noch weniger aus als “Gesunde”.

    Es hängt eben alles von allem und von allen ab. Wie immer, seufz.

  10. Versager sagt:

    Sich ins eigene Messer stürzen?
    Laut den S3-Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) als deren Herausgeberin gilt unabweisbar für eine Schizophrenie als einem Beispiel für ein schweres seelisches Leiden: “Die Therapie der Schizophrenie ist grundsätzlich mehrdimensional (i. Orig. Fettdruck) orientiert” (ebd., 2006, S. 37). Wegen des allgemeinen Anspruchs dieser Feststellung erstreckt sie sich deshalb auch auf die Behandlung einer Depression. Mit anderen Worten: Unterlaufen Dritte nicht zuletzt im Internet diesen Imperativ, indem von deren Seite eindimensionales Gebaren auch dort an den Tag gelegt wird, eskaliert dem einzelnen daran erkrankten Menschen die Symptomatik. Der euphemistisch als “Austausch” bezeichnete Verkehr unter dem Hashtag “notjustsad” kann insofern angesichts solcher Vorzeichen nicht anders als in der Katastrophe enden.

  11. Simon sagt:

    Titel eingeben
    Wenn ich das richtig sehe, dann ist Mareike Ernst 23 Jahre jung, hat den Bachelor of Science in Psychologie und arbeitet als studentische Hilfskraft. Die Bolognareform hat macht’s möglich: wer noch vor ein paar Jahren noch “Psychologiestudent” war, kann sich heute als “Psychologe” präsentieren… praktisch ;-)

    Aber zur Sache: Mich stört, dass es in dem Artikel so erscheint, als seien die Leute, die sich im Netz austauschen, vor allem welche, die ihre Depressionen gemeinsam als eine Art Lifestyle kultivieren würden, sich in dieser Rolle einrichten würden und damit die tatsächliche Krankheit bagatellisieren. Woher weiß die Autorin das? Erstens: dass die Betroffenen im Internet, Zitat: “meist selbstdiagnostiziert” sind, also nicht in ärztlicher Behandlung oder nicht wirklich krank? Und zweitens: dass der Austausch im Netz dazu führt, die (Selbst-)Diagnose als Identität zu verfestigen, statt auf eine Lösung der Probleme hinzuarbeiten. Ist das eine Feststellung, die sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse bzw. berufliche Erfahrungen stützt?

    “Auch ist es modern geworden, sich selbst eigentlich als “krank” besetzte Eigenschaften zuzusprechen, um etwas zu beschreiben, was sich noch im Normbereich bewegt..” Psychopathologische Diagnosen sind schon lange in den Medien und in der Alltagssprache präsent, z.B. schizophren, autistisch, hysterisch…. Das haben nicht die Leute auf Twitter erfunden, das war vermutlich schon zu Freuds Zeiten modern. Auch dass epochen- oder zeitgeistspezifische Überforderungsreaktionen und Anpassungskrisen mit psychologisierenden Fachbegriffen etikettiert werden ist nichts neues. Vor hundert Jahren war es halt Neurasthenie, heute “Burnout”. “Die neuen psychisch Kranken sind die empfindsamen Künstler, die das Internet mit ihren tiefschürfenden Gedanken vollschreiben…”. Die Figur des empfindsamen Melancholikers und die Vorstellung, dass “Leid” und Kreativität zusammengehören, ist ebenfalls altbekannt, genauso die Tatsache, dass solche Etiketten mitunter Elemnte der Selbsstilisierung sind.

    Das ist also alles weder neu noch ein Phänomen des Internets. Was mir hingegen etwas zu kurz kommt, ist die positive Funktion des Austausches im Netz. Da geht es nicht nur um das gefühlige Sich-gut-zusprechen”. Psychisch Kranke oder die, die Probleme im Normbereich haben, sind ja nicht blöd… jedenfalls nicht nur ;-)

  12. Gast sagt:

    Man wollte ja nicht direkt sagen, dass die FAZ seid dem Tode Schirrmachers gleich ueberall nur noch
    schlechtere Texte schrieb, aber huestl, jüngere, unerfahrene waren es schon? Und daher wurde das Rad teils noch mal erfunden – oder unausgesprochene Nebenabsichten kaemen so auffällig durch? Wie ekekhaft.

    Der Text aber aus Sicht junger Professionalität mit Bindungs., Beziehungs- und Bevormundungswuenschen eingeschraenkt professioneller Rechthaberei leidlich gut.

    Und wir müssten Geld nehmen für unsere Expertise – oder uns sinnlos verschwenden. Daher nur soviel: Der Gesunde wendet seine Aufmerksamkeit den Gesunden zu – und ist damit zufrieden. Und die taetsichlich oder eingebildet Kranken werden schon kommen, wenn sie Hilfe wollen oder brauchen. Und falls nicht, auch egal. Man stellt auch nicht gegenüber vom Trinker am Supermarkt Platz seinen Beobachtungstuhl auf, um das eig. Leben damit zu vertun mit sich selbst darüber zu Rate zu gehen, wann der nun auch kehrte. Und Sasse dann20 Jahre da.

    Oder anders, die Masse der Depressiven, die zusätzlich zur Selbsthilfegruppe sich von einer Therapie über zeugen liessn,wurden früher so behandelt, als ob Depression ein psychopharmaka-mangelsyndrom sei. Denn für die nahezu selhstreferentielle Gruppe von mittelschichtherapeuten gehörten Psychopharmaka immer dazu. Schon damit der Kollege nicht ‘Kunstfehler’ unterstellen konnte, falls der Patient den doktor wechselte.

    Und schon nach sechs Wochen hatte der Patient drei Probleme, dentjerapeuten mit seinen meist unreflektierten und oft daemlichen mitelschichtvorstellungen von ‘Normalität, und ‘funktionieren, dazu eine psychopharmakaabhaenigkeit und immer noch die Depression.

    Und ggfls. Noch die narzisstische entlastungsbeduerfnisse des Therapeuten am halse, welcher ja einem freie Lichtgestalt aus sozialen Schichten darüber.

    Nein, Selbsthilfegruppe bezahlte auch keinem berufsstand tolle, selbstverdiente edelurlaube auf Bali oder sonstwo. Solche Freizeit Ziele haetten Therapeuten nicht? Haben sie schon – und zu recht aus Arbeitseinkommen.

    Immer wen es um Selbsthilfegruppen ginge, ginge es eben zu alerserrt auch um die Macht im Staat – und um die Deutungshoheit. Daher keine Deutungshoheit den Gesunden? Also den angeblich Gesunden – aber von anderer Warte als von angebl. Spezialisten geschieden Freiräumen im Internet.

    Da Dinge dann noch der Punkt an: Wer hatte hier nach Europa eigentlich dieses angeblich Freie Internet gebracht, unod all diesen Leuten erlaubt, hier und so und frei und falsch und – oh Schreck . depressiv zu schreiben? Besserwissende europ. Eliten koennen es aber wohl kaum gewesen sein. Deren ‘neurotische’ Kontrollwuensche waeren dem aber sicher ganz klug entgegengestanden?

    Zum Glück also machte der veramerikaniserung der Welt eben wohl auch, dass hier bei uns demnächst schon auch deutlicher weniger Geld für Therapie auf krankenschein vorhanden wäre. Das erhöhte richtiger weiße Auslese- u. Leidensdruck auf die Gruppe der Therapeuten. Gute wurden sich eh sehr auf ihre Patienten konzentriern.

    Und Selbsthilfegruppen kosteten ja nichts. Deren Fehler aber trotzdem teuer, bedeuteten sie einen Umweg zur arbeitsaufnahme und fremd bestimmter Nützlichkeit. Und um den sozialneid ginge es immer auch. Eben wohin DaS Geld floesse zum Individuum in die Gruppe oder für psychopharmaka und Arzt pro funktionieren und BSP- arbeitgeberverbaende – aufgewendet wurde.

    Und jede Menge Frauen schauspielern das auch resp. erproben ganz einfach dem Umgang mit ihrer psyche – bin ich bedürftig, so bekomme ich gebracht. Und viel gebracht bekommen kann sehr überlegen sein, ausweiss von Attraktivität wie auch immer.

    Darum auch kümmert man sich nicht um Frauen, weder um junge, noch um alte, noch um gesunde noch um kranke.

    • rossdorn sagt:

      Letzteres sicher...
      Ein unübersehbarer Hinweis wie richtig ihr Schluss ist, findet soch auch (wohl unabsichtlich?) in einem der Fotos eines Tweetes im Blog.
      Da schreibt doch tatsächlich eine Marla Singer…

  13. Esther sagt:

    Hm.
    “Stützt man sich stattdessen auf seine persönliche Online-Selbsthilfegruppe, so ist diese Beziehung gänzlich anderer Natur. Man hat schließlich aufgrund seiner Krankheit zusammengefunden, man fühlt sich zum ersten Mal nicht allein, wie will man dieser dann den Rücken kehren? Woher soll die Motivation und Kraft kommen, das vereinende Element zu fallenzulassen? Wenn man die Anstrengung unternimmt, die Depression loszuwerden, verliert man auch etwas, eine Art von Sicherheit und vielleicht auch einen Teil der eigenen Identität. Es fehlt ein festes Übergangsobjekt, das außerhalb des ganzen Chaos steht, welches einen gerade umtreibt.”

    Denselben Effekt gibt es auch, wenn Menschen mit psychischen Leiden sich in stationäre Behandlung begeben. (Besonders bei Teenies mit Borderline-Diagnose, die ich hier überhaupt nicht infrage stellen möchte. Eine entfernte Bekannte von mir ist als Teenager von Klinik zu Klinik getingelt bzw. war zwischendurch maximal drei Wochen daheim.) Und ganz ehrlich sehe ich darin auch nichts verwerfliches. Gerade wenn Menschen schon eine Weile an dem leiden, woran sie eben leiden ist es vielleicht einfach erst mal einfacher, in dieser Zwischenphase zu sein, wo es einem zwar nicht besser geht, wo eins aber Leute hat, denen es genauso geht. Das kann sich ziehen und ist für Außenstehende scheiße und vermutlich auch für die Leute selbst. Aber auch psychisch Kranke haben ein Recht darauf über sich selbst zu bestimmen. Und dann sind die Leute, die vorher monatelang keinen Therapieplatz gefunden haben und genau wissen, dass sie danach auch lange keinen finden werden, eben ein paar Wochen in dieser sicheren Welt abgekapselt von der “Realität” (was auch immer das ist). Ich denke, dass ihnen das zusteht und das es niemandem zusteht darüber zu richten (ob man jetzt selbst schon in der Situation war oder nicht).

    Ich finde es immer wieder spannend, wie “heutzutage” Dinge als Internetphänomene bezeichnet werden, die es in leicht anderer Form nur eben ohne Internet schon Jahre vorher gab.
    Im Zauberberg bleibt Castorp doch auch weitaus länger im Sanatorim als “nötig”. (Das mag jetzt ein fiktives Beispiel sein, aber es bedeutet dann ja soviel wie dass die Vorstellung zumindest dem Autor bekannt war.)

    • rossdorn sagt:

      "tingeln" und "verwerflich"
      Es ist sicher nichts verewerfliches am tingeln, wie sie es beschreiben, die eigentliche Kritik an dem Phänomen hat THorHa ja ganza oben bereits ausgesprochen.
      Wenn sich eine Teenie, oder jemand älteres letztlich selbstbetsimmt durch Tingeln durch eine unappetitliche Realität bringen, dann um HImmels Willen warum denn nicht?

      Ich würde so einem Menschen mit Sicherheit ein grössere Intelligenz zubilligen als dem von ihnen erwähnten Hans Castorp.

  14. Savall sagt:

    Dank
    Dank für diesen bemerkenswerten Beitrag, er hat mich sehr zum Nachdenken angeregt. Der Beitrag wird Ihnen eventuell viele unschöne Reaktionen bescheren. Es ist so leicht sich zu empören und es ist so schwer, zu differenzieren. Ich bin selbst nicht betroffen, aber ich empfinde Empathie. Ich glaube, Sie haben recht.

  15. Veil of ignorance sagt:

    Und täglich grüßt das Murmeltier
    Letztes Jahr hieß der Hashtag noch #isjairre, dieses Jahr ist es #Notjustsad.
    Letztes Jahr gabs #aufschrei, dieses Hollaback.
    Letztes #Neuland, dieses #OMGoettinger. Liste beliebig fortführbar.
    Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass diese Trends immer von den gleichen Leuten initiiert, mit Leben gefüllt und gehyped werden, die sich dann wundern, warum das außerhalb ihrer Relevanzblase keinen Menschen interessiert.

  16. E.R.Binvonhier sagt:

    Die Aussagen
    des Beitrags find ich etwas enttäuschend.
    Mir sind zu viele Personen bekannt, denen nach
    ärztl. Routineuntersuchungen gesagt wurde, die
    beklagten Beschwerden seien halt ‘psychisch’ um
    sich nach Jahren mit einer massiven lebensbedrohlichen
    Autoimmunkrankheit konfrontiert zu sehen.

    Wie schon in Kommentaren erwähnt lässt sich die
    praktizierte Psychotherapie m.E. nur schwer von der
    Literatur trennen und ist genauso ‘wissenschaftlich’.

    • rossdorn sagt:

      Nicht so ganz....
      Es gibt durchaus auch Therapien die sehr gut “funktionieren”.
      In wie weit das bei der Krankheit Depression möglich ist, dazu habe ich keine Erfahrung. Der Unterschied zu anderen psychische Störungen ist dabei ja gerade die eigene Überzeugung der Hoffnungslosigkeit der Depressiven, dass natürlich auch die Therapie keien LÖsung sein kann. Man ist ja bereits im Besitz der letzten Wahrheit zur Realität

      Die Frage ist ob der “Klient” aus einer Heilung mehr Lustgewinn erhält, als aus der Beibehaltung der Neurose. Gerade dieser Teufelskreis der Depression ist kaum zu durchbrechen, daher ziehen Betroffene Medikamente einer Therapie vor. Es ist eine äusserst trügerische win-win Situation. Nicht nur wird die Störung nicht geheilt, die langfristig genommenen Medikamente schädigen den Körper noch mehr…

  17. carlo sagt:

    Titel eingeben
    Seit wann kann man Depressionen heilen? Meines Wissens nach kann man damit leben lernen und viel dagegen tun, aber der Artikel erweckt den Eindruck es handele sich um eine Art Grippe, gegen die tut man was und ist dann nach drei Wochen gesun . Ich würde lieber Diabetes als Vergleich hernehmen. Und da ist der Austausch mit ebenfalls Betroffenen sicher nicht schlecht, er kann in meinen Augen sogar Wege aufzeigen damit zu leben.

  18. Borderlinezoo-Geschädigt sagt:

    Versteckspiel durch Projektionen
    Auf eine Gefahr der Internet-Selbsthilfegruppen sollte vielleicht noch hingewiesen werden: Nicht selten dienen nächst-niedrige Krankheiten den schwerer Gestörten als Bühne um sich hinter leichteren Störungen verstecken zu können. Damit steigern sie ihre Therapieressistenz und geben sich gerne als Experten aus. Beispielsweise blande Borderliner, die sich mit ihrer ungeheuren Motivation Projektionsflächen zu suchen als Forentrolle hinter exogenen Depressionen oder PTBS verstecken und in manchen derer Selbsthilfegruppen Unruhe bis hin zu schweren Schäden durch Intrigen, Verleumdungen und Falschdrstellungen sorgen.

    • Moritz sagt:

      Man unterscheidet inzwischen nicht mehr ...
      … zwischen exogener und endogener Depression.

      Um die Troll- und Triggergefahr klein zu halten, muss von Fachleuten moderiert werden. Ärzte/Fachleute wie Dr. Nico Niedermeier aus dem Forum Kompetenznetz Depression erkennen solche und gehen dazwischen.

  19. Fritz Iv sagt:

    Psychologie im Zeitalter des Internets ...
    Der Blogbeitrag erscheint mir plausibel. Je schwerer die Symptomatik, desto weniger eignet sich das Netz als Therapiegruppe. Mich führt der Beitrag dann aber zu weiteren Fragen, z.B. was mit unserem „Seelenleben“ in Online-Umfeldern eigentlich passiert und was da alles an „Ausleben“, Vorzeigen, Verstecken, Kompensieren und „Flirting with my personal desaster“ stattfindet.
    Bei dem aktuellen Fall #NotJustSad geht es dabei ja nicht um Online-Selbsttherapie, sondern um die „Therapie der Normalen“, die nicht verstehen, wie sich eine echte Depression anfühlt und wie schwer es für die Menschen selbst zu begreifen ist, was sich da in ihrem Innern verhakt hat. Es geht bei diesem Hashtag also nicht um das Leiden an der Depression, sondern um das Leiden am Unverständnis der Nicht-Depressiven. Das ist tatsächlich ein Öffentlichkeitsthema und genau das wird unter diesem Hashtag gar nicht schlecht kommuniziert. Könnten hier anonyme Plattformen wie Twitter eine wichtige psychosoziale Funktion haben, weil die Leiden hier oberhalb des nur Privaten gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit ausgesprochen werden?
    Erst danach fragt sich, wie heilsam es für eine im klinischen Sinn depressive Person sein kann, sich so ausdrücken zu können bzw. lesen zu können, wie sich für andere die Depression anfühlt. Und dort beginnt, wenn ich mich nicht irre (bin kein Psychologe), ein bislang so gut wie unerforschtes Themengelände der Psychologie. Denn es geht ja noch weiter. Jeder, der sich auf Twitter ein wenig auskennt, muss sich doch schon mal gefragt haben, wie viele verdeckte psychologische Probleme sich hinter den Profilen verstecken und bei wie vielen die Motivation zur Online-Präsenz auf seelische Bedürftigkeiten hinweist, die dort nicht zu versorgen sind — oder doch? Etwas platt könnte man ja fast vermuten: Wer viel im Netz unterwegs ist, hat zu wenig Kontakt zu Menschen um sich herum. (Die erfolgreichsten Witzemacher auf Twitter scheinen übrigens meist eine schwere, teils sehr unglückliche Kindheit mit sich herum zu schleppen.) Ich will wirklich nicht das interaktive Web als Vollversammlung seelischer Katastrophenfälle bezeichnen, aber selbstverständlich schlägt im Netz der komplette Leidensfächer auf, der ansonsten verborgen bleibt. Was hat das für Folgen? Wie hilft oder belastet das die Menschen? Welche neuartigen Krankheitsverläufe können sich daraus ergeben? (Wie im Beitrag beschrieben, wäre vllt eine Gefahr, dass Menschen ihre Identität auf das Krankheitslabel geraten, das zudem auch noch völlig verkehrt sein kann). Kann das Netz Psychosen verstärken oder ihnen eine neue Ausdrucksform geben?

  20. Der Tiger sagt:

    Glücklich allein ist die Seele....
    Ich verstehe nicht viel von Depressionen. Aber ich glaube, dass in jedem Menschen ein bisschen Werthers Leiden steckt, oder gemäß einem anderen Opus von Goethe (Egmont):
    .
    Freudvoll und leidvoll, gedankenvoll sein;
    Langen und bangen in schwebender Pein;
    Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt;
    Glücklich allein ist die Seele, die liebt.
    .
    Als ich noch zur Schule ging, beschäftigte es mich sehr, dass Goethe freiwillig täglich Briefchen an seine Angebetete und alle möglichen anderen Leute schrieb, denn ich war sehr schreibfaul. Heute verstehe ich das besser (schreibfaul bin ich immer noch). Eigentlich hatte der wohlhabende Weimarer sich einen persönlichen Internetservice per Pferd unterhalten.

    • Moritz sagt:

      Für diese feine Formulierung mit Götens Internetpferdeservice und überhaupt ...
      … bekommt der Tiger von mir abba mal ein Sternchen.

      “Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt;” das ist man ja auch oft in der Pubertät.
      Wo die Grenze ziehen. Einige davon pubertieren dann doch weit ins hohe Erwachsenenalter hinein, andere sind wirklich krank, weil der Stoffwechsel, die Botenstoffe einfach nicht in der Proportion sind. Selbst Ärzte irren zuweilen, wen genau sie da vor sich haben trotz Laborergebnisse, Anamnese und Checkliste (“Fühlen Sie sich am Morgen häufig zerschlagen und missgestimmt mit zunehmender Besserung am späten Abend?” Was auf fast jede nimmersatte, lebenslustige Nachteule ebenfalls zutreffen mag … )

      Ob Göte im medizinischen Sinne zu der Zeit als depressiv bezeichnet werden konnte, keine Ahnung, aber es war sicherlich eine depressive Phase, die er zu Literatur machte. Dumm, dass viele Lesende damals das nachahmten und aus Sympathie … Bekannt als der Werther-Effekt.

  21. BasementBoi (TheBasementBoi) sagt:

    Keine eindeutigen Nachweise für 'psychische Krankheiten'.
    Hervorragender Artikel!

    Finde die Existenz von psychischen Krankheiten sollte man skeptisch sehen, vor allem, weil es bis jetzt noch immer keine eindeutigen biologischen Nachweise gibt.

    https://verhalten.wordpress.com/2014/06/26/zur-kritik-an-der-biologischen-psychiatrie/

    https://pflasterritzenflora.ppsk.de/sind-psychische-krankheiten-real/

    https://www.behaviorismandmentalhealth.com/2009/07/28/depression/

  22. arnewald sagt:

    Anfangs war ich ein wenig enttäuscht als ich von notjustsad herüberkam
    … aber je länger ich darüber nachdenke desto mehr schätze ich diesen Artikel. Als Betroffener (ärztlich diagnostiziert, GKV approved therapiert) mag ich notjustsad und habe mich beteiligt.
    Als ich akut depressiv war war das Internet meine erste Anlaufstelle für alles. Ich habe mir mit einem online Test eine selbstdiagnose ertstellt. Voila Depression. Und mein Krankheitsgewinn: weniger Selbsthass mehr Hoffnung. Ich war überzeugt ein willensschwacher Versager zu sein und dagegen machtlos zu sein. Plötzlich bestand die Chance, das es sich um die Symptome einer Krankheit handeln könnte für die es eine Therapie gibt. Das war für mich wirklich ein Gewinn.
    Aber ich war unfähig mit anderen über meine Situation zu sprechen. Besessen von der Idee, das ich meine Probleme allein lösen muss. Telefonieren habe ich gehasst. Was ist dann am nahliegendsten: Internet. Anonym, ohne Verpflichtung, jederzeit abschaltbar.
    Und darin liegt auch eine Gefahr: zu kompatibel zu bestimmten depressiven Denkmustern. Was wäre, wenn ich keine RL-Therapieplatz bekommen hätte? Wer hätte mich damals aus meiner RotweinZigarettenInternet-Höhle wieder herausgeholt?
    Mein Wunschtraum damals: eine Internet Datenbank mit FREIEN Therapieplätzen in meiner Nähe. Mit Buchungsfunktion wie beim Reiseportal. Echte Hilfe finden ohne MIT MENSCHEN sprechen zu müssen.
    Warum gibt es sowas nicht? Niedrigschwelliger anonymer Zugang mit Anschluss an das echte Hilfsangebot. Ok, ok – nicht sehr realistisch. Aber schön.
    Für mich ist der Weg von der Selbstdiagnose über die Foren in die Therapie recht gut gelaufen. Aber das war kein Automatismus.
    Ich wünsche ohaimareiki von Herzen alles Gute. Ich verneige mich in Respekt.

  23. MenschmitDiagnose sagt:

    Formulierungen missglückt?
    Wenn ich den Text pur betrachte, finde ich etliche Stellen, die mir doch Bauchschermzen bereiten.
    Zu den “meist selbstdiagnostizierten Betroffenen” wurde hier ja schon geschrieben.
    “Der Weg zu dieser [Diagnose, Anm. ich] wird beschrieben, als habe sich plötzlich der Himmel geöffnet[…]” klingt mE von der Forumlierung her auch eher bedenklich. Denn sie impliziert, dass die Daagnose das eigentliche, segensreiche Ziel ist, ja die Krankheit als notwendiger “Unterbau” der Diagnose eigentlich eher gewünscht ist. Und zwar für alle, also auch diejenigen mit einer tatsächlichen, ärztlich gesicherten Diagnose.
    Und wird nicht die zutreffende Aussage im letzten Absatz (Belastung als subjektives Kriterium) durch den vorhergehenden Absatz als bloße Phrase entwertet? Denn nur weil der Patient (ja einer von diesen “verlorenen Leuten”), der neulich (mal wieder) in meinem Rettungswagen lag neben seinem unbestrittenem psychischen Problem noch ein Alkoholproblem hat, dafür keinen Job und kein soziales Netz hat, wird doch meine eigene Krankheit nicht weniger schlimm.

    Aber genug Textanalyse.
    @Mareike: Ich will mir überhaupt nicht anmaßen hieraus zu schließen wie die Forumlierungen im Text von dir tatsächlich gemeint sind. Mit deinen Antworten hier (und wenn ich aus dem schließen darfst, was du sonst in das Internet schreibst) will ich auch gerne davon ausgehen, dass es nicht so gemeint ist, wie ich (und wohl auch andere) es verstehen. Aber dennoch wir es so (nicht ganz zu Unrecht) verstanden.
    Und diese Doppeldeutigkeit entwertet leider den Text erheblich.

    Und btw hoffe ich aber, dass sich der Tweet mit den “basalen Veständnisfragen” nicht auf die hier mE durchaus sachliche Debatte (zumindest das was freigeschaltet ist?) bezieht, denn wer mehrdeutige Formulierungen wählt, der muss auch verschiedene Antwortvarianten akzeptieren:-)

  24. […] oder die sporadisch bewässerte Pilzzucht in ihrem Waschbecken. Aber weil ihnen nichts einfällt, gehen sie schlecht gelaunt in die Küche und stolpern, so dass ihr Weihnachtsgeld in Form der vierschichtig aufgetürmten […]

  25. keiner sagt:

    Psychiatrische Diagnosen--
    Nein, mit nichten gehört “darunter leiden” mit zur Diagnose, in vielen Fällen fehlt gerade die Krankheitseinsicht und somit ist da auch kein “darunter leiden”.

  26. […] der Psychologie?): statt uns mit der “Leere in unserem Leben” zu konfrontieren, bleiben wir einfach in unserem Loch sitzen, weil das ja so bequem ist.  Wenn ich seinerzeit gewusst hätte, wie bequem so eine Depression ist, hätte ich sie noch etwas […]

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