Am 18. Dezember 2015 verabschiedete sich die Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen mit einem Email unter der Überschrift “Feministischer Denkstoff zum Jahresausklang“ in die Weihnachtsferien. 2016 werde man sich dem Thema “Feministische Öffentlichkeiten stärken – Strategien gegen Anti-Feminismus und Rechtspopulismus” widmen, und wie das mit einer damals noch offen eingestandenen Gesinnungsdatenbank über Gegner gehen soll, erklärte die Stiftung auch gleich:
Europaskepsis, Islamfeindlichkeit, Homophobie und Ablehnung von “Gender-Ideologie“ verbinden Rechtsaußenparteien, Gruppierungen und fundamentalistischen Bewegungen in Europa. Wir werden eine Datenbank erstellen, die die Vernetzungen dieser Szenen und Akteur_innen transparent macht…
Damit ist eigentlich schon alles über das Projekt Agentin.org gesagt, das erst 19 Monate später freigeschaltet wurde. Der Böll Stiftung sowie dem ausführenden „Gunda Werner Institut“ geht es nach öffentlichem Bekenntnis nicht mehr um einen Pranger – und trotzdem erstellen sie eine Datenbank, die einen klaren Auftrag hat: Sie soll zeigen, wie die Feinde Europas, des Islams, von Homosexuellen und der sogenannten „Genderforschung “ zusammenarbeiten und sich gegenseitig vernetzen. Das ist nicht ganz unüblich – Akademiker dieser Denkschule versuchen seit längerem, Kritik an ihrer Ideologie in eine Reihe mit Rassismus, Faschismus, Judenhass und generell gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu stellen. Es ist die pauschale Delegitimierung von anderen Ansichten als “rechts“ und die Eigendarstellung als verfolgte „Damsell in distress“ – ein Vorwurf, den sich Genderistinnen der sogenannten 3. Welle auch von Feministinnen wie Christina H.Sommers oder Camille Paglia anhören müssen.
Damit ist übrigens ein Grundproblem von Agentin.org schon beschrieben: Das Wiki soll sich mit allen beschäftigen, die antifeministisch oder antigenderistisch eingestellt sind. Die Definition von Andreas Kemper, einem 53 Jahre alten Doktoranden aus Münster mit Vita in linken Kreisen und Teil der Agentin-Redaktion, formuliert das jedenfalls so eindeutig, wie es in der Realität nicht ist: Die unter dem Schlagwort “Puff für Alle” bekannt gewordene Sexualerziehung, wie sie von seiner Redaktionskollegin bei Agentin Elisabeth Tuider mit herausgegeben wird, wird von vielen selbstbewussten Frauen massivst abgelehnt, wenn sie gelesen haben, welche Skandalperson bei Tuiders Wikipediabeitrag als ihre Tradition angegeben wird. Da ist es folgerichtig, dass bei Agentin vom Nazi bis zum Kritiker von radikaler Experimente zur Sexualerziehung alles landen kann, was der Ideologie und ihren Sexualvorstellungen der “Vielfalt” nicht entspricht. In ihren eigenen Worten:
Egal, ob es sich um die Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in der Gesellschaft, in Schulen oder in den Gender Studies handelt oder um Familien- und Rollenvorstellungen – der Protest richtet sich stets gegen Sexualitäts- und Genderkonzepte, die von sogenannten „traditionellen“ Rollen- und Familienbildern abweichen. Antifeministische Akteur*innen wollen verhindern, dass eigene Lebensentwürfe unabhängig von normierenden sozialen Zuschreibungen und Leitbildern frei gestaltet werden können, gleichberechtigt mit – und nicht gegen – sogenannte traditionelle Rollen-/Familienbilder.
Nun könnte man an dieser Stelle darauf hinweisen, dass diese Feindbilddefinition nicht nur von den Erfahrungen der “Puff für Alle-Debatte”, sondern auch von Vorstellungen von Gendervordenkerin Judith Butler beeinflusst ist, die selbst wiederum das schönste Beispiel ist, wie gut Gender und antizionistische Thesen zusammenpassen – und Judith Butler auch nicht die einzige Feministin war und ist, die diesen Weg zur Querfront Richtung klar frauenfeindlicher Hamas und Hass auf Juden geht. Genauso finden sich im modernen Feminismus Anhänger der „critical whiteness“-Theorie, die weissen Feministinnen vorwerfen, als Rassistinnen nur an ihre eigenen Interessen zu denken und andere zu benachteiligen. Es ist schwer, in derartig radikalen und zerstrittenen Kreisen zu ergründen, wer denn nun wirklich zu den Guten gehört.
Agentin entledigt sich des Problems durch eine dreiköpfige Redaktion, bestehend aus Henning von Bargen, Elisabeth Tuider und dem 53 Jahre alten Doktoranden Andreas Kemper, der mit viel Erfahrung aus profeministischen Editierungsschlachten bei Wikipedia zum Projekt gestossen ist – entsprechend angenervt reagierte auch die Wikipedia-Community bei seinem Versuch, das Projekt der Böll-Stiftung ohne Hinweis auf die parteipolitische Orientierung dort zu bewerben. Andere Mitarbeiter werden nach Eigenaussage zu ihrem eigenen Schutz nicht genannt. Wer bei Agentin welchen Beitrag geschrieben hat, und wie die Diskussion und Bearbeitungsgeschichte dazu aussieht, ist von Aussen nicht zu erkennen. Das Wiki, das dank Wikipedia einen guten Ruf geniesst, wird von der Böll-Stiftung zu einer intransparenten schwarzen Liste, die Freunde bei Medien wie dem Neuen Deutschland und einer Website der Stiftung der früheren Stasi-IM Anetta Kahane findet. Es ist völlig unklar, wer bei Agentin mit welcher Intention wen diskreditiert. Nur Andreas Kemper twittert offen, dass er mitverantwortlich für den inzwischen viel kritisierten Beitrag über den liberalen Journalisten Harald Martenstein ist, der mit einem Zitat seines Intimfeindes Stefan Niggemeier vorgeführt wird.
Wobei.
Es ist halt immer so eine Sache: Die beste Software nutzt nichts, wenn sie von Inkompetenten benutzt wird, und so ist es möglich, Seiten aufzurufen, die andere besser auf gar keinen Fall sehen sollten. Agentin.org stand wochenlang sperrangelweit offen. Hier ist zum Beispiel die Liste der bislang angemeldeten Benutzer, die die Böll-Stiftung schützen möchte – aber trotzdem öffentlich einsehbar gewesen ist, wenn man die richtige Seite fand:
Wie man sieht: Es gibt ein paar Accounts mit nicht zuweisbaren Namen wie „Anna Berlin“ und „Gruen“, einen Testaccount eines mutmasslichen Technikers, und 6 von den bislang existierenden 13 Accounts gehören Andreas Kemper, der sich auch bislang als einziger als Autor zu erkennen gegeben hat. Ohne einen echten Hack des Systems, von dem mir Experten sagen, dass es völlig unzureichend geschützt ist, kann man tatsächlich nicht die Diskussionen über Beiträge lesen. Man kann sich aber dank eines schweren Einstellungsfehlers seitens der Stiftung anschauen, dass es nur zu einer kleinen Minderheit der Beiträge überhaupt Diskussionen gibt:
Das bedeutet, über die meisten Beiträge gibt es auch keinerlei Diskussionen – und daher wohl auch kaum Änderungen. Sie wurden von einem Autor erstellt und sind seitdem meistens unverändert. Das belegt auch die Liste der letzten Änderungen der Beiträge:
Es wird deutlich, dass es bei Agentin keine kontinuierliche Arbeit gibt, wie sie geschehen würde, wenn dort die von der Stiftung behaupteten Wissenschaftler und Aktivisten tatsächlich daran arbeiten würden. Statt dessen wurden über Monate alle paar Tage fertige Beiträge in zeitlich klar erkennbaren Arbeitsphasen über mehrere Stunden eingestellt, bis dann wieder ein paar Tage Ruhe einkehrte.
Sollte es doch andere Mitarbeiterinnen an der Datenbank geben, bekommen sie es mit einer Anleitungsseite zu tun, die vom Februar 2016 datiert und noch nicht einmal den endgültigen Namen trägt, sondern auf den Projektnamen antifemwatch verlinkt.
Was also ist Agentin? Ein unsicheres und von den Funktionen her kastriertes Wiki, das als schwarze Liste genutzt wird, und bei dem die Hälfte der Autoren jene Person sind, die mit ihrer Tätigkeit bei Twitter hausieren geht. Eine Person, die offensichtlich viel Zeit für Diskussionen in eigener Sache hat, und sich in früheren Veröffentlichungen in der linken Szene mit eben jenen Adligen, Katholiken und Vermögenden auseinander gesetzt hat, die ihren Namen nun in der Gesinnungsdatenbank finden, während offensichtliche Kritiker der Denkschule – mein Fehlen in der Liste wurde bereits bemerkt und kritisch kommentiert – nicht auftauchen. Ich muss offen zugeben, dass ich von den dort aufgeführten Personen vielleicht ein Dutzend zuordnen konnte. Es sieht aus, als hätte Andreas Kemper einfach seine bisherigen Arbeitsschwerpunkte zur linksradikalen Theorie des „Klassismus“ in ein Wiki zum Feminismus gesteckt, weshalb dort auch Kategorien wie “Adel” auftauchen. Und seine eigenen Gründe klingen ganz anders als die Beschwichtigungen, mit denen Agentin.org abstreitet, ein Pranger zu sein.
„Deshalb führte mich mein Weg Ende der 1980er Jahre in die profeministische Männerbewegung. Das ist ein persönlicher Grund, mich gegen die Maskulisten zu stellen. Und ich erlebe den Feminismus nicht als „Hass-Bewegung“. Als ich vor ein paar Jahren in Wikipedia den Artikel zu „Maskulismus“ im Sinne von Wikipedia neutraler gestalten wollte, schlug mir der geballte Hass der Maskulistenbewegung, die ich bis dahin noch gar nicht kannte, entgegen. Arne Hoffmann rief dazu auf, mein Pseudonym in Wikipedia aufzudecken, was mit Hilfe der Jungen Freiheit auch gelang. Auf diversen Maskulisten-Blogs wurden Fotos von mir veröffentlicht mit Kommentaren wie: „Dieser Typ ist weniger wert als ein Stück Scheiße.“ Seither bekämpfe ich den Maskulismus.“
Die staatlich finanzierte Böll-Stiftung lässt einen Aktivisten eine Datenbank über jene machen, die er offen „bekämpft“ – und diese Datenbank soll kein Pranger, sondern informativ und sachlich sein. In den letzten zwei Wochen blieben Kemper und die Stiftung ziemlich einsam mit der Verteidigung des Projekts. Distanzierungen von Grünen sind im Internet bislang kaum zu vernehmen und wenn, dann als „Non-Mention“, aber wie der Zufall so will: Einer der Gründe, warum mein Name trotz genderkritischer Haltung nicht im Wiki steht, sind meine Kontakte ins grüne Lager. Die meisten Namen aus dem Wiki sagen mir nichts, weil ich mit diesen “rechten“ Kreisen weder privat noch beruflich zu tun habe – 1 einzige genannte Person habe ich mal persönlich kennengelernt, und die ist nach normaler Auffassung selbst Feministin. In einem Beitrag über mich als Antifeminist könnte man keine Verbindungen zur rechten Szene, sehr wohl aber zur Böll-Stiftung aufzeigen. Und aus diesen Kreisen wird mir zugeraunt, dass man mit dem Projekt nicht zufrieden ist. Außerdem fühlen sich manche belogen und überrumpelt – die Dimension und die inzwischen fatale Aussenwirkung des Projekts waren bei der Vorstellung noch nicht einmal für das entscheidende Gremium ersichtlich.
Obendrein verdrehte man dort die Augen, als ich auf andere Tätigkeiten von Kemper hingewiesen habe. Im Netz findet sich nämlich ein ominöses “Institut für Klassismusforschung“ ohne jedes Impressum, an dem Kemper als Anbieter von Seminaren beteiligt ist.
Allerdings hat dieses angebliche “Institut” eine Seite mit Kontakt – und eine Möglichkeit, Geld zu spenden.
Empfänger der Mittel für die linke Institutsarbeit ist der Verein zum Abbau von Bildungsbarrieren e.V., dessen eine Website nicht erreichbar ist und dessen Blog ebenfalls keinerlei Hinweis auf die Verantwortlichen enthält. Allerdings findet man eine Projektwebsite mit der Bitte um weitere Spenden für den Verein bei Betterplace – und die wiederum hat Andreas Kemper erstellt
Die angegebene Adresse ist sehr nobel und lautet Schlossplatz 1, 48149 Münster, wo der AStA der Universität beheimatet ist. Andreas Kemper trat mehrfach für den Verein auf, andere Mitglieder habe ich bislang nicht gefunden. Ein Institut für Klassismusforschung ohne Impressum will Spenden über einen Verein ohne Impressum und erkennbare Struktur, und überall ist Andreas Kemper dabei – ein linker Aktivist, der bei Wikipedia seit 2005 zuerst unter Pseudonym und nach Enttarnung unter Klarnamen einen erbitterten Editierungskrieg zugunsten seiner profeministischen Thesen führte. Und dieser Mann macht jetzt für die weitgehend mit Steuergeldern finanzierte Böll-Stiftung die nach aussen erkennbare Arbeit für einen Pranger im Internet, der sich ausgiebig mit den persönlichen und anderen Feinden von Andreas Kemper und seiner Ideologien beschäftigt.
Ich habe bei der Böll-Stiftung in der Hoffmung auf Transparenz gefragt, was das Projekt kostet und wie Herr Kemper als Mitarbeiter der Stiftung entlohnt wird. Die Antwort darf ich hier hoffentlich zitieren:
Sie sehen es uns sicherlich nach, dass wir grundsätzlich nicht über die Finanzierung von Einzelprojekten sprechen. An das ehrenamtlich arbeitende Netzwerk der Agentin fließt kein Geld und Andreas Kemper ist auch kein Mitarbeiter.
Presserechtlich verantwortlich für Kemper und seinen sich nun ungehemmt entfaltenden Aktivismus, der kein Pranger zur Verunglimpfung anderer sein will, zeichnet trotzdem die Stiftung in Person des Leiters des Gunda Werner Instituts. Kemper, Tuider und von Bargen suchen trotz aller Kritik weiterhin Freiwillige für die “ehrenamtliche Arbeit” in Anonymität – soweit sie von der Stiftung technisch umgesetzt werden kann.