Oiso, irgendwie und sowieso is des scho so a Sach, wos da Seehofa da so mim Islahm gsogd hod, wei mia Bayan ned woah, mia Bayan san wann iwahaubs im finfdn Joahundad Anno Domini vo den Behman ind Brovinds Rädsia vo de Remma ganga und hom a neamnands ned im rehmischn Senahd grofgd ob mia do mid da Frienhain-Brestowitsche Guitur einebassn, und schaugsd wos aus uns gwoan is, as schehnste Fleggal Ördn mid de besdn Leid wos iwahaubds gibt ned woah, owa de Slawan, de Schlawinah, drom in Beahlin, de worn no nia ned woandserd und schaugsd es Eich nua grod oh.
Das ist Bayerisch und heisst auf Deutsch, dass man schon einmal, historisch betrachtet, nach Horst Seehofers grundsätzlicher Berechtigung für sein Urteil über den Islam fragen sollte, ist der Volksstamm, aus dem er und wohl zum Teil auch ich stammen, doch selbst im 5. Jahrhundert aus dem böhmischen Raum in Form der Friedenhain-Prestovice-Gruppe eingewandert, ohne vorher einen förmlichen Antrag bei den verbliebenen Restromanen zu stellen – mit im Vergleich durchaus beachtlichen Resultaten.
Das da oben habe ich so aufgeschrieben, weil ich es mitunter in meiner bayerischen Heimat tatsächlich so sage, und da gibt es Orte, da tragen alle, wirklich alle Tracht und alle kennen Sie die Nummer der Rosi, und genauso, ich habe es selbst gesehen, stehen sie am Ende der Rede des Herr Söder auf und intonieren die bayerische Nationalhymne: Gott mit Dir, Du Land der Bayern, deutsche Erde, Vaterland… Würde ich das in Berlin niederschreiben, müsste ich nachher mal überprüfen, ob mein Auto schon angezündet wurde, aber hier bin ich bayerischer Mensch, hier darf ich sein, und auch, wenn ich da nicht mitsinge – ich singe ganz grässlich, es ist eine Gnade, wenn ich den Mund halte – so darf ich doch mit meiner differenzierten Haltung sein. Tatsächlich bin auch ich der Meinung, dass nicht jede Migration schlecht ist: Es hängt halt von der Bereitschaft zur Integration und Mitwirkung im allgemein gewünschten Rahmen ab. Andere wegen ihrer Religion ausgrenzen: Das hat man in Mitteleuropa nach den Religionskriegen zwischen Papisten und Ketzern weitgehend eingestellt, aber von meinem Wohnhaus aus wurde 170 Jahre brutale Gegenreformation betrieben: Das war 170 Jahre zu lang. Ich bin nicht erpicht auf eine Monokultur der Meinungen in der öffentliche Debatte. Deshalb beginne ich solche Gespräche öfters mal mit halbironischen Ablenkungen. Das tut keinem weh und mit einem Lächeln diskutiert es sich leichter. Historisch gesehen weiß ich natürlich auch, dass die undogmatischen Spötter gern mal von beiden Seiten auf den Scheiterhaufen gestellt werden, aber sei’s drum.
Dafür gab es in den letzten Jahren einiges an Empörung im Netz, wenn ich nicht ganz nett über radikalen Genderismus schrieb, und meine diesbezüglichen Aussagen werden oft, sehr oft, mit gerade irrwitziger Nachdrücklichkeit gemeldet. Weniger in der Zeitung, da müsste man ja mit seinem Namen einstehen, aber bei Twitter, wo man dank NetzDG anonym wie bei der Heiligen Inquisition denunzieren kann. Es gibt Leute, die richtiggehend dazu aufrufen, mich zu melden und auf diese Weise aus Twitter zu entfernen, und ein paar von denen, die in mir eine zu beseitigende Gefahr sehen, der die Plattformen entzogen werden müssen, auf dass ich allenfalls im Biergarten so etwas wie da oben sagen kann – genau diese Leute beschweren sich nun lauthals, wenn Seehofer im Kern das gleiche sagt: Der Muslim kann im Land bleiben, seine religiöse Überzeugung hat aber mit dem Land und seinen Traditionen und Werten nichts zu tun.
Nun ist es fraglos eher so, dass ich im realen Leben Auffassungen vertrete, die lediglich bei Twitter und dortselbst den deutschen Meinungsführern wie Stefan Niggemeier und Jan Böhmer-mann (Böhme! Wahrscheinlich auch ein entlaufener Bayer!) nicht der Mehrheitsmeinung entsprechen, gemäß dem Motto, dass die Realität immer das Gegenteil von dem ist, was die Lauten bei Twitter sagen. Seehofer kann sich bei seiner Auffassung darauf verlassen, dass zumindest in allen Altersschichten und Regionen die Menschen mehr zu seiner Einschätzung neigen. Selbst bei Anhängern linker Parteien, die selbst übrigens mit der radikalen Ablehnung von Religionen groß wurden, gibt es starke Minderheiten, die Seehofer recht geben. Ich habe es jetzt nicht ausprobiert, was geschieht, sollte eine Reizfigur wie ich schreiben “Der Islam gehört nicht zu Deutschland ” – wie gesagt, ich habe dazu eie differenzierte Meinung, die damit beginnt, dass es “den Islam” eh nicht gibt und es zu einfach ist, kulturelle Phänomene allein an der Religion fest zu machen. Aber es ist absehbar, dass nach weniger die ersten sofort fordern würden, jetzt sofort meinen Account und meine Blogs dicht zu machen. Eine laute Minderheit schickt sich an zu definieren, was in einer Art öffentlichen Raum gesagt werden kann, und was nicht, und welche Einstellung durch den Verlust von Verbreitungsmöglichkeiten zu bestrafen ist. So, wie bei uns bis in die 60er Jahre Leute tatsächlich noch aus den Wirtshäusern geworfen wurden, wenn sie am Stammtisch in die falsche Richtung politisierten. Oder wie man bei uns noch in der Schülerzeitung mit der Vorzensur durch den Direktor Probleme bekommen konnte. Ich weiß schon, warum ich in Bayern beim Gesprächsbeginn sicherheitshalber solche Volten schlage, nur ist dafür bei Twitter kein Platz, und meine Gegner – und die von Martenstein, Kelle und vielen andere – lesen meines Erachtens gar nicht so weit.
Zumindest im Internet, also da, wo Journalisten heute ihre früheren Straßenumfragen zur Meinungsbildung des Volkes machen, legen sie Wert auf eine Hegemonie, die auch mit Methoden durchgesetzt wird, die sich erst gar nicht mit feiner Abstufung des Instrumentariums aufhalten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man sich in diesen Kreisen schon verdächtig macht, wenn man einfach mal nichts zu sagen hat – mir ist das im Fall der Gruppe Freital passiert, dazu habe ich genauso viel wie zu Sprengstofffunden bei der Antifa verlauten lassen, nämlich nichts, aber es wurde mir per Kommentar hineingedrückt, so etwas käme davon, wenn man keinen Widerstand leiste. In dieser Szene reicht es nicht, einfach nur zu schweigen und die Gerichte ihre Arbeit tun zu lassen, man muss sich auch äußern. Wer nicht mitredet, wer die richtige Gesinnung nicht öfters verkündet, gilt schnell mal als verdächtig und als Biedermann, der die Brandstifter nicht aufhält – Propagandalieder der Rechten du Linken lassen grüssen, und die betreffenden Personen wissen vermutlich schon, warum sie Max Frisch bemühen und nicht etwa, sagen wir mal, den totalitären Impetus im Film “Hitlerjunge Quex”, der den Aufstand für die laut NS-Propaganda “richtige” Überzeugung lernt. Pardon, ich mache es schon wieder, ich “deraile” wie oben die Debatte, aber so ist das mit diesen Mechanismen nun mal, wenn unbeugsame Bekenntnisse ergebnisoffene Debatten ersetzen.
In letzter Zeit wurden tatsächlich Accounts bei Twitter geschlossen, wie etwa “Patriarchator”, da war der Jubel groß, und ich habe auch die Befriedigung miterlebt, als ein Nutzer unter öffentlichem Druck verschwand, der lediglich Polizeimeldungen verbreitete. Es geht da nicht nur um den Einzelnen, sondern um Meilensteine auf dem Weg zur bereinigten Plattform. Eine Plattform, in der eine “richtige” Auffassung zumindest klar dominiert, wenn man die andere schon nicht ganz verhindern kann. Ich höre das übrigens gerade auch von einer Veranstaltung über gute Ernährung: Da hat ein Teilnehmer früher einmal etwas Kritisches zum Thema Klimawandel geschrieben. Klimawandel ist nicht das Thema der Veranstaltung, und trotzdem versucht jetzt eine Gruppe, den Abweichler hinaus zu drängen. Es reicht nicht mehr, grosso mono am gleichen Ziel zu arbeiten: Man muss in allen Konsequenzen die richtige, wahre Einstellung haben. Das sind dann die Leute, die sich beschweren, wenn andere ein Bild ihres Schinkens bei Instagram mit dem Wort “Mein Salat heute” abbilden. Dass so ein Verhalten vielleicht abschreckend ist, spielt keine Rolle: Hegemonie lebt nun mal von Ausgrenzung der anderen.
Für Seehofer gehört nicht die Religion, aber immerhin noch der Mensch zu Deutschland. Das ist nach meinem Erlebnis schon eine Stufe toleranter als das, was ich im Netz der letzten Jahre miterlebt habe. Da gibt es diese Form der Differenzierung gar nicht mehr, das Ziel ist der Mensch mit seiner Existenz, der nur noch als Kohlenstoffbasis einer Meinung gesehen wird. Das mag im Netz schlichtweg eine Folge der begrenzten Kommunikationsmöglichkeiten sein, zusätzlich erschwert durch den Umstand, dass alles Private und Persönliche inzwischen zusätzliche Angriffsflächen bietet. Man lernt schnell, das Profil niedrig zu halten und wenig Zielfläche zu bieten, weil schon der kleinste Ausrutscher unabsehbare Folgen haben kann. Die anderen Aspekte hinter den Meinung werden im Netz bewusst ausgeblendet und weggeschnitten, die Meinungen werden manichäisch in “Gut” und “Böse” eingeteilt, und ich fürchte, es wird hier ähnlich über den anderen geschrieben, wie vor 300 Jahren in meinem Jesuitenseminar über die Ketzer, die man nur aus den Schriften der anderen kannte – der nächste Protestant war zwei Tagesreisen entfernt und hätte auch gar nicht mit einem gesprochen. Es ist, historisch gesehen schon etwas bitter, und noch übler als das Vergessen um die Einwanderung der Bajuwaren im frühen Mittelalter, dass solche Einstellungen in einer Welt der Reisefreiheit und des Verschwindens der Glaubensideologien gerade wieder eine Renaissance erleben.
Vielleicht sollte man dazu für die Vollüberzeugten einen Hashtag einführen, #CPS, für “Cum Permissu Superiorum”, mit Erlaubnis der Oberen, wenn wieder einmal die Moral verbreitet wird, die als einzig Wünschenswerte gelten kann. Das hat bei den Büchern der Gegenreformation auch eine Weile funktioniert, weil Bücher ohne diesen Eintrag nicht verbreitet werden durften. Der Entzug von Plattformen ist eine uralte Idee, man sollte das Bemühen mit einem uralten Hashtag sichtbar machen, damit jedem Betrachter klar ist: Das freie Netz, das ist hier nicht erwünscht.